i8 Wolfgang Zimmer Bevölkerungsentwicklung und Sozialstruktur in der Stadt nach 1871 Die Entwicklung der Stadt Dresden im Kaiserreich ist ein typisches Beispiel für den innerhalb weniger Jahrzehnte vollzogenen Charakterwandel einer Kommune von einer Residenzstadt zu einem Wirtschaftszentrum ersten Ranges. Am Beginn des 20. Jahrhunderts nahm Dresden bei der Anzahl der Industriebetriebe und der dort Beschäftigten vor Leipzig und Chemnitz den er sten Platz im Königreich Sachsen ein. Nach den Eingemeindungen von 1903 war die Stadt hin sichtlich der Einwohnerzahl die viertgrößte Kommune des Deutschen Kaiserreichs. Grundzüge der Bevölkerungs- und Stadtentwicldung Im Jahre 1871 hatte Dresden 177040 Einwohner. 1885 wurden 246088, weitere zwanzig Jahre später 516 996 und 1910 schließlich 548 308 Bewohner gezählt. Im Jahre 1914 betrug der Bevölke rungsstand etwa 567 000. Innerhalb von reichlich vier Jahrzehnten hatte sich die Bewohnerzahl somit mehr als verdreifacht; der Anteil an der Gesamteinwohnerschaft Sachsens war von 6,93 % (1871) auf 11,41% (1910) gestiegen. 1 * Das hohe Bevölkerungswachstum jener Zeit beruhte auf drei Quellen: Geburtenüberschuß, Wanderungszustrom und Eingemeindungsgewinnen. Der absolute Geburtenüberschuß war bis zur Jahrhundertwende kontinuierlich angewachsen, um dann auf einem Niveau von jährlich etwa 5000 Personen zu verharren. Während 1867-1871 insgesamt 3771 Personen mehr geboren wurden als starben, waren es 1880-1885 schon 10778 und 1905-1910 sogar 26839. Im gleichen Zeitraum nahm die Bedeutung der stark konjunk turabhängigen Zuwanderung für das Bevölkerungswachstum ab. 1867-1871 überstiegen die Zu züge nach Dresden die Abwanderungen aus der Stadt um insgesamt 17 245 Personen, das war ein Anteil von 82,1% am gesamten Bevölkerungswachstum. 1880-1885 betrug dieser Wert noch 57,4% (14492), ehe er 1895-1900 auf 34,8% (14549) sank. 1900-1905 wurde gar ein negatives Wanderungssaldo ermittelt (minus 7368 Personen). 1905-1910 konnten dann wieder, im Zuge des Wirtschaftsaufschwungs, Zuwanderungsgewinne erzielt werden; der Anteil am gesamten Wachstum betrug aber nur noch 14,29 % (4473 Personen). Der Bedarf der Wirtschaft hatte eine gewisse Sättigung erreicht. 21 Die Mehrzahl der Zuwanderer stammte aus dem unmittelbaren Umfeld der Stadt und dem Königreich Sachsen. Nach der Berufszählung 1907 waren 220 347 (43 %) gebürtige Dresdner, 183 729 (36 %) stammten aus Sachsen und 83 715 (16 %) aus anderen Ländern des Deutschen Rei ches. 31 Unter letzteren dominierten die Schlesier (33 257) vor den Einwanderern aus der preußi-