37 Thomas Hänseroth Die »Humanisierung« der Technischen Hochschule. Zur Allgemeinen Abteilung an der TH Dresden Einführung In jüngster Zeit haben sich die erkenntnisleitenden Interessen zur Geschichte Technischer Hoch schulen neu strukturiert. Während die klassische Institutionsgeschichte kaum noch Anhänger findet, steigt das Interesse an integrativen Themen, die Problemlagen unserer technisch gepräg ten Welt reflektieren. Zu derartigen Fragestellungen zählen auch die nach dem Verhältnis von Verfügungs- und Orientierungswissen bei Ingenieuren in Forschung und Entwicklung. Ihre ge nerelle Bedeutung muß hier angesichts des allgegenwärtigen Diskurses um die Verantwortung der Akteure in Wissenschaft und Technik nicht begründet werden. Hinzuweisen ist dagegen auf einen weiteren Aspekt, der auf die soziokulturelle Kompetenz von Ingenieuren rekurriert und in der Forschung zunehmendes Interesse findet. Als stabiler Trend in allen Industrieländern sich zeigende Deindustrialisierungsprozesse und die stark zunehmende Bedeutung des Dienstleistungssektors für Beschäftigung und Wertschöpfung einerseits sowie das damit verbundene wachsende Gewicht der Konsumgüterproduktion in einer zusehends semiotisierten und globalisierten Warenwelt andererseits haben dafür gesorgt, daß Ingenieure inzwischen Technik für ein kulturell überwiegend nicht mehr industriell geprägtes Konsumen tenpublikum entwickeln. Unter den Bedingungen derTertialisierung, Semiotisierung und Glo balisierung von Technik und Wirtschaft entscheiden daher die »unsichtbaren« soziokulturellen Teile der Pflichtenhefte von Ingenieuren, die sogenannten »soft skills« und »soft facts«, oft schon heute über Marktchancen. Auf die Geschichte der Technischen Hochschulen gewendet, heißt all dies, nach der Bedeu tung geistes- und sozialwissenschaftlicher Wissensbestände für die Ingenieurausbildung und die Identität der Gruppe der technischen Intelligenz zu fragen. Damit rücken die bislang von der Hochschulgeschichte marginalisierten Allgemeinen Abteilungen ins Blickfeld. Mit dem Blick auf die Ingenieurausbildung am Beispiel der Allgemeinen Abteilung hegen wir zudem die Hoffnung, auch einen Beitrag zur Formierung städtischer Eliten im Kaiserreich lei sten zu können. Und schließlich kann die Geschichte der Allgemeinen Abteilung an der TH Dresden im Kaiserreich auch insofern auf Interesse hoffen, als hier die Dresdner Entwicklung den übrigen Technischen Hochschulen weit vorauseilte und daher auch aus der Sicht der Hoch schulgeschichte der genius loci der Kulturstadt faßbar wird.