40 Damit waren untrennbar verknüpft die Bestrebun gen zur Gleichstellung ihrer Schulen mit den Univer sitäten. Dies wiederum mischte sich mit den Ausein andersetzungen der Zeit um Bildungskonzepte und das rechte Maß an Mathematisierung und Theore- tisierung in den Ingenieurwissenschaften. Die Emanzipationsbewegung der Ingenieure er reichte in den Jahrzehnten vor der Jahrhundertwende als ein Ausdruck der tiefen Wandlungen im Sozialge füge des Kaiserreiches ihren Höhepunkt. Anders als in den übrigen westlichen Nationen war es den In genieuren in Deutschland nicht gelungen, eine der realen Wirkmacht ihrer Tätigkeit entsprechende Stellung in der Gesellschaft zu erlangen. Es galt, die kulturelle Integration der Technik und die soziale Emanzipation der Ingenieure in einer von Leitbil dern des Bildungshumanismus und traditionellen Eliten geprägten Ordnung durchzusetzen. Bildungs bürgertum und traditionelle Eliten begegneten dem Ingenieur mit Vorurteilen, Geringschätzung und Mißtrauen. So sah Th. Mommsen in den wissen schaftlichen Grundlagen der Technik Barbarika, auf die man einen Jagdhund abrichten könne, bezeichnete Treitschke seine Kollegen aus der Chemie als Apotheker und Mistfahrer und hielt Jacob Burckhardt in seinen Reflexionen über historische Größe »Erfinder und Entdecker im ge werblichen Bereich«, denen er immerhin ganze Länder prägende Wirkmacht attestierte, nicht für Repräsentanten des Geistes und für schlicht austauschbar. 1 ’ Daher war die seit den 1870er Jahren mit dem Blick auf den höheren sozialen Rang von Ingenieuren in Frankreich und England auch zunehmend national argumentierende Technikerbewegung durchzogen vom Leitmotiv mangeln der Anerkennung. Der Dresdner Professor für Technische Mechanik O. Mohr beklagte 1886, daß unter je hundert Familien der gebildeten Stände sich mindestens neunzig befänden, die es als Un glück betrachteten, wenn einer ihrer Söhne einen technischen Beruf erwählen würde. 2 ’ In Aussagen anderer Wortführer der Technikerbewegung scheint auch bereits die umstrittene Denkfigur der zwei Kulturen auf. Der Berliner Maschinenbauprofessor A. Riedler sah 1893 eine »...Kluft zwischen den wesentlich nur intellektuell Gebildeten und der schaffenden Welt...« und geißelte die «... ungeheure Überschätzung der Gelehrsamkeit gegenüber der Anwendung der Erkenntnis...« 31 Und schließlich spielte auch der uns besonders interessierende Zusam menhang zwischen der sozialen Emanzipation der Ingenieure und der akademischen Gleichstel lung ihrer Schulen eine zentrale Rolle in den Reden. Aufs Ganze gesehen läßt sich bei den Ingenieuren und ihren Institutionen eine sozialpsycho logische Ambivalenz ausmachen. Das Minderwertigkeitsbewußtsein gesellschaftlicher Nach zügler mischte sich mit dem Wissen, erfolgreicher Pionier des technischen Fortschritts und Hermann Hettner (1821 -1882), Professor für Kunstgeschichte an der Allgemeinen Abteilung der TH Dresden