55 Gasbehälter der Gasanstalt Reick, Foto Peltz, 1996 Werksanlagen weiter aus. Ein besonderer architektonischer Anspruch war dabei meist noch nicht zu erkennen. Mit der 1852 durch G.T. Bienert übernommenen Hofmühle in Plauen hat sich ein derartiges über Jahrzehnte gewachsenes Ensemble erhalten, zu dem auch die in der in dustriellen Frühzeit direkt am Werk liegende Fabrikantenvilla gehörte. Einen wichtigen Einschnitt bedeutete das Ortsgesetz von 1878, das industriell nutzbare und industriefreie Bereiche festlegte. 41 In den ausgewiesenen Industriebezirken, vor allem im Nord westen der Stadt, waren damit die Voraussetzungen für den Bau großer Produktions- und Lager stätten gegeben. Stark vereinfacht lassen sich für die letzten zwei bis drei Jahrzehnte des 19. Jahr hunderts zwei Tendenzen in der Industriearchitektur ausmachen.® Einmal ist das die weitgehend schmucklose Gestaltung der äußeren Hülle, die keine repräsentativen, stadtbildprägenden Ambi tionen zum Ausdruck bringt. Dazu zählt die Heeresbäckerei® in der Garnisonvorstadt, die man (trotz des besonderen Bauherrn und Betreibers) als industrielle Großbäckerei bezeichnen kann. Ausnahmsweise vermittelt sie noch einen Eindruck vom Inneren derartiger Bauten aus den 70er Jahren: eiserne Stützen, die antiken Säulen nachempfunden sind und somit das einzige Schmuck element bilden, tragen über gekoppelten T-Trägern die Balken der darüberliegenden Decken. Neben dieser schlichten Form (die sich aber durch ausgewogene Proportionierung auszeich net und schmückende Gliederungselemente aus Sandstein aufweisen konnte) gab es Industrie- und Versorgungsbauten, die in opulentem Historismus schwelgten und die Gestalt von Ritter burgen, Renaissancebürgerhäusern oder Barockschlössern annahmen, mitunter auch von allem etwas. Die aufwendige Variante konnte zu kurios anmutenden Bauwerken führen, wie zum bizarren Fernheizwerk Mitte, das, direkt hinter der Oper gelegen, nichts von seiner profanen Funktion verraten sollte und als Märchenschloß verkleidet wurde 71 , oder zum Stammhaus der Feldschlößchen-Brauerei an der Budapester Straße, das einem Stück spätmittelalterlicher Stadt befestigung gleicht.