50 IV. Der Kampf gegen die polnische Sprache. Wenn brutal und täppisch das Stichwort der preußischen Polenpolitik im ganzen ist, so gilt es selbstverständlich auch von ihren einzelnen Teilen. In der Tat bleibt cs ein politisches Preisrätsel, ob der Kampf der preußischen Re gierung gegen die polnische Sprache brutaler oder täppischer ist. Denn was gibt es brutaleres, als drei bis vier Millionen deutscher Neichsangehöriger durch die Volksschule ihre Mutter sprache entreißen zu wollen, während einigen fünfzig Mil lionen Reichsangehöriger in der Volksschule eingebläut wird, daß es nichts Hehreres und Heiligeres gebe als eben diese Muttersprache: O Muttersprach, o Mutterlaut, wie klingst du süß, wie klingst du traut! Was gibt es brutaleres, als den polnischen Schulkindern die kümmerliche Bildung, die der Klassenstaat seinen proletarischen Elementen vermittelt, noch mehr zu verkümmern, muß doch ein Unterricht im Lesen, schreiben und Rechnen, stockpolnischen Kindern gewaltsam auf deutsch erteilt, vollkommen unfruchtbar bleiben. Was gibt es täppischeres, als zu glauben, daß die „Ein deutschung" der polnischen Schulkinder in mehr bestände als äußerlichem Drill und Ucberziehung mit einem oberflächlichen deutschen Firnis. „Da treffen", erzählt als Beispiel dafür ein deutscher Bewohner der Provinz Westpreutzen in den „Preußischen Jahrbüchern", „der neue Kreis-Schulinspektor und der evangelische Geistliche auf dem Gange zur Prüfung ein fast vierzehnjähriges Mädchen vor der Schule. „Meiu Kind, du wirst zu spät kommen." „Ma roruiniom." (Ich verstehe nicht.) — Hinterher bei der Prüfung fällt ein Mäd chen durch seine Antworten auf. „Sehen Sie doch, Herr Pfarrer, was das Kind gut Deutsch kaum" „Ja, das ist das selbe Mädchen, das wir vorhin auf dem Wege trafen." „I, das ist doch nicht möglich. Mein Kind, wie heißt Du? Wie alt bist Du?" Es erfolgen prompte Antworten. „Nun er lauben Sie," sagte der Geistliche, „mein Kind, hast Du Brüder und Schwestern?" — Ratloses Hinblicken zum Lehrer war die einzige Ankwort, und als die Frage wiederholt wird, kommt es zurück: „Me moxa po uieiuicllu." (Ich kann nicht Deutsch.)" So sieht der Erfolg des deutschen Unterrichts bei den Polenkindern aus.