Vl. Sozialdemokratie und Polenpolitik. Ob die Errichtung eines selbständigen polnischen Nationalstaates innerhalb der bestehenden Gesellschaftsordnung zu den Ausgaben des revolutionären Proletariats gehören kann, darüber sind in der Sozialdemokratie die Meinungen geteilt. Wie Karl Marx 1848 die Herstellung eines Polnischen Staates ans lebensfähiger Grundlage, wenigstens in der Aus dehnung von 1772, mit den Mündungen der großen Ströme und einem großen Küstenstrich an der Ostsee verlangte, haben er und Friedrich Engels nie aufgehört, ein selbständiges Polen als eine Notwendigkeit, namentlich für zwei Völker, Deutsche und Russen, zu betrachten. Darauf fußend, sehen die einen noch heute in diesem unabhängigen Polen als dem mächtigsten Bollwerk gegen den Zarismus ein Ziel, dem das polnische Proletariat in den drei Ranbanteilen Preußens, Rußlands und Oesterreichs zuzustreben hätte. Aber die Zeiten haben sich geändert. Ter reaktionäre Einfluß Rußlands auf Europa läßt sich heute nicht mehr durch einen Polnischen Pufferstaat, sondern nur durch die Vernichtung des Zarismus im eigenen Lande brechen. Zudem liegt die Errichtung eines selbstän digen polnischen Staates in der bestehenden Gesellschafts ordnung. der folglich nur ein Klassenstaat sein könnte, nicht einmal im Sinne der wirtschaftlichen Entwickelung, da die drei Teile des ehemaligen Polens ökonomisch mit dem se- welligen Teilungsstaat, am ausgeprägtesten in Russisch-Polen, zusammengeschweißt sind. Die Wiedergeburt Polens ist nur möglich durch die soziale Revolution, in der das moderne Proletariat seine Ketten sprengt. Und das ist der zweite Standpunkt für das Verhältnis der Sozialdemokratie zur Polenfrage. Aber ohne Spaltung der Anschauungen verdamnll und bekämpft die Sozialdemokratie die Unterdrückung der Polen, wie sie von der preußischen Regierung in ein verruchtes System gebracht worden ist. Nicht nur, weil dieses System auch der modernen Arbeiterbewegung, die fortan weder poli tische noch gewerkschaftliche Versammlungen in Polnischer Sprache abhalten kann, Knebel anlegt und nur ein Teil ist von dem allgemeinen Gewaltregim-nt der herrschenden Sippe, sondern in erster Reihe sagt ihm die Partei der Arbeiterklasse, die „gegen jede Art der Ausbeutung und Unterdrückung" ist, „richte sie sich gegen eine Klasse, eine Partei, ein Geschlecht