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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.01.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-01-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980103021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898010302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898010302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-01
- Tag1898-01-03
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Gröhe re Schrift«» laut unserem Preis- derzeichith. Dabellarischer und gtfserasatz »ach höherem Darts. Ertra» Beilagen (gefalzt), nur «lt da Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderuaz' SO.—, «tt Pastbesördernag ^4 70.-^. Innahmeschlnß fiir Anzeigen: Abeud-AuSgab«: vormittag« 10 Uhr. vtorgr n-Au-gab«: Nachmittag« 4 Uhr. Ort da Ktltalen »»d Aanabmestell« je etu» halb« Stund« srutzer. Nn»etge» fiud stet« an di« Expeditia» zu richte». Ne»N »»d «erlag »»« E. Pal» t» LA»tK 3. Msntag den 3. Januar 1898. 92. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Lechzt», 3. Januar. Der Loetaldemakratie ist in den letzten Tagen de« ver flossenen Jahre« neuer Agitationsstoff geliefert worden, und zwar von einer Seite, von der sie einen solchen Liebesdienst am wenigsten erwartet hätte. Der frühere ReichSgerichtSrath Otta Mittelstädt, der bekanntlich bei der Abfassung seines Buches „Vor der Fluth" keinen Rath für die deutsche Nation fand, durch dessen Befolgung sie sich vor dem drohenden Ruin sichern könnte, fährt nämlich fort, in der „Zukunft" daS Sündenregister der Stützen deS Staates zu bereichern. Er rieht gegen die Auslegung deS „Groben Unfug"-Paragraphen zu Felde und kommt zu dem Schluffe: „Im Uebrigen könnte man von dieser gesammten UnfugSjuriSprudenz sagen — nickt, daß sie mit Kanonenkugeln gegen Spatzen schießt, sondern —, daß sie mit kümmerlichen, von einer schwächlichen Juristenlogik zusammengedrrhtrn Papierkügelchen elementare Volksbewegungen zu erschüttern sich bemüht." Im Verlaufe seiner Darlegung theilt er mit, daß er schon früher einmal im „GerichtSsaal" gegen Auswüchse der Rechtsprechung hin sichtlich deS Paragraphen deS Strafgesetzbuches, der von dem „Groben Unfug" handelt, geschrieben habe, und erzählt: „Es befremdete mich nicht wenig, al« mir bald darauf ein dem juristischen Lehrfach angehöriger Berufsgenosse beifällig, aber war nend bemerkt«, mein Artikel habe in ein „We-pennest" gestochen. Noch deutlicher drückte sich etwa« später einer der mir sonst wohlgesinnten Gönner unter der höher«» Berliner Bureaukratt« au«, der mich dringend bat, im Jnter«ss« meiner „LarriSre" derartige unliebsame Publtcattooen doch künftig ganz zu unterlassen, sonst hätte ich niemals Aus sicht, S e n a t S p r ä s i d e n t am Reichsgericht zu werden. So absolut kalt mich nun auch dir mir winkend« EarriLrelosigkeit ließ, so verblüffend war mir doch die gänzlich ungeahnte Wirkung meines harmlosen ersten Debüts im „Gerichlsfaal" . . ." Daß der „Vorwärts" dieser Erzählung mit freudiger Begier sich bemächtigen und an sie die gistigsten Glossen über die „Unabhängigkeit der Richter" knüpfe» würde, hätte Herr Mittelstadt sich selbst sagen können. Aber er wollte eben die „Wahrheit" sagen — feine Wahrheit, d. h. das, waS er von seinem subjektiven Standpunkte aus sür wahr hielt. Der objektive Beurtheiler wird sich freilich erinnern, daß in der „Deutschen Juristenzeitung" Nälhe des Reichs gerichts und andere hervorragende Richter mit größtem Freimutb Uebelstände in der Organisation des obersten deutschen Ge richtshöfe« und in seiner Rechtsprechung einer Kritik unter zogen, ohne damit in ein „Wespennest" zu stechen. Hieraus schließt der objektive Beurtheiler, daß da« „harmlose" erste Debüt deS Herrn Mittelstädt im „GerichtSsaal" denn doch nicht so harmlos gewesen sein müsse, wie der Verfasser meint, und daß eS schon etwas von dem galligen Charakter an sich getragen habe, welcher der Schrift „Vor der Fluth" ausgeprägt ist und sie geeigneter macht, Verbitterung zu nähren, als vie Ursachen der Ver bitterung zu beseitigen. War dies der Fall, so durften auch „wohlgesinnte Gönner" deS Verfassers sich berufen fühlen, ihn zu warnen. Wer aber von den Herren Bebel und Liebknecht objektive Beurtheilung erwartet, sucht Trauben an den Dornen, und Herr Mittelstädt kann auch von diesen Herren rin objektiveres Unheil al« von sich selbst nicht erwartet haben. ES muß also sein Wunsch sein, daß seine Erzählung der Socialdemokratie als beweis kräftiges Material für die Behauptung diene, selbst I die Mitglieder de« obersten deutschen Gerichtshofes seien I willige Werkzeuge eines reactionairen RegierungSsystemS, diel „Unabhängigkeit de« Richterstandes" sei eine leert Phrase, f Der Jubel deS „Vorwärt«" über die „Enthüllung" Mittel städt'« ist also fehr begreiflich. Und wenn ein objektiver Beobachter der Zeitereignisse in einem Buche die Ursachen zusammenstellt, die zum Steigen der drohenden Fluth führen, so wird er auch dir Aussätze deS Herrn Otto Mittelstädt unter diesen Ursachen mit auszählen müssen. In einem anderen Aufsatz der „Zukunft" erörtert Professor l)r. Adolf Wagner die Frage, ob die in der Alattcn- vorlage geforderten Ausgaben sich vom Standpunkte einer gesunden Finanzwirthschaft rechtfertigen taffen. Der Aufsatz gelangt zu einer Bejahung der Frage. Nachdem er die Forderungen der Regierung al- außerordentlich maßvoll ge kennzeichnet hat. weist Professor Wagner auf die „Steuer scheu" deS deutschen Volke« hin und bemerkt, daß bei unserer Finanzlage noch ganz andere Mittel gefordert werden könnten. Er fügt hinzu: „Dos mag ein bischrn Lbermüthig klingen, abrr «s ist völlig wahr und ist nur ein« Auffassung, die sich d«r üblichen klage- weiberischen über die unerhörten finanziellen Zumuthungen an den deutschen Strurrzohler al« «ine den Thatsachen durchaus ent sprechende günstigere entgegensetzt. Meinetwegen mag man sie eine selbstbewußte und stolze nennea. Eine solch« ist mehr wrrth, al« jene klägliche, die nur von unseren zahlreichen Feinden in der Welt schmunzelnd rrgistrtrt wird. Ich will meine Meinung kurz so fassen: wenn wir nach unseren Finanz«», unserer Finauz- und LolkswirthschaftSkraft eine solche, durch nothwendige und wichtigste nationale Interessen verlangt« Verstärkung unserer Marine nicht leisten können sollen, wer soll r« dann können? Wir können e« und könnten, »oenn e« sein muß, auch noch viel mehr, z. B. dir Erlangung einer Flottenstärk« mindesten« von der Größe der fran zösischen, leisten, unv zwar finanziell »her al« irgend einer unserer Rivalen, auch al« Frankreich, selbst al« Großbritannien, geschweige dir übrigen. Das läßt sich leicht au« der Vergleichung unserer und der Finanzen dieser srrmd«n Staaten begründen." In dem folgenden Abschnitt wird das näher auSgeführt, zuletzt der Humbug gegeißelt, der in der Beweisführung der Gegner und ihren Klagen über finanzielle Opfer liegt, unt schließlich bemerkt: „Auch jetzt, nach endlich in ähnlicher Weise wie im Ausland eingetretener Entwickelung unserer Finanzen und Steuern, Haden wir aber wahrlich keinen Grund, über besondere finanzielle Belastungen und Steuerdruck zu klagen. Noch immer werden viel weniger Ansprüche von Reich und Staat an unseren Geldbeutel gemacht als an dru der maßgebenden großen fremden Volker. DaS läßt sich besser als mit Vergleichungen von Kopfquoten, AuSgabe- quoten, AuSgabevermebrungen und Ertragszunahmen der Steuern auf andere Weise zeigen: dadurch, daß man einmal die konkreten Einzelheiten unserer und fremder — wie der französischen und englischen — Finanz- und Steuerverhältniffe näher untersucht und dabei Vergleichungen anstrllt. Dann ergicbt sich unzweifelhaft, daß wir viel weniger drückende Ausgaben und Steuern haben, al« unsere politischen und wirthschastlichen Concurreaten, unsere nicht-steuerrechtlichen (sogenannte» privatwirthschaftlichen) Einkünfte außerordentlich viel reichhaltiger, unsere Steuerquellen bisher fast durchweg viel weniger in Anspruch genommen sind. Wir ver mögen wahrlich finanziell leichter al« irgend ein andere- Volk die etwa nöthigen weiteren Lasten für nothwendige und heilsame NeichS- und StaatSaufgaben im Gebiete de« Recht«- und Macht-, wie deS Cultur- und Wohlfahrtzweckes zu tragen, wenn wir wollen oder dea Um ständen nach müssen." Die Lage in Oftasien ist noch immer nicht geklärt, da die Meldungen über die Haltung England« nach wie vor un bestimmt lauten. Nach einer Mittbrilung des „Reuter'schen BureauS" hätten in Peking einzetroffenen Nachrichten au« Soeul zufolge der Engländer Brown, der bisherige Ehef der koreanischen Zollverwaltung, und der Russe Alexejew, der an seine Stelle getreten ist, rin Eompromiß geschloffen, in welchem sie darüber überein gekommen seien, gemeinsam zu handeln. Was das heißen soll, ist vorläufig noch räthsel- haft, zumal da Alexejew auf Grund eine- russisch-koreanischen Vertrags auch die Verwaltung der Finanzen Koreas über nommen hat. Man kann doch nicht annehmen, daß Alexejew mit dem Herrn Brown in diesem Ressort sich affociirt, d. b. den russischenTrumps auS der Hand gegeben hat. Wenn da« „Reuter- Bureau" seiner Meldung binzusügt, die britischen Kriegs schiff e, welche zurZeit vorCbemulpo liegen,seien in der Absicht dort, dem Chef der Zollverwaltung Brown die moralische Unterstützung England« angedeihen zu lassen, so scheint die« andeuten zu sollen, daß Rußland vor einer englischen Demon stration zurückqewichen sei und noch weiter zurückweichen dürfte, d. h. Brown wieder al« Chef der Zollverwaltung, welchen Titel daS N-uter'sche Bureau ihm trotz der Kündigung noch beilegt, anerkennen werde. Auf englischer Seite ist in der letzten Zeit Tag für Tag so viel gelogen worden, daß man gut thut, auch dieser Nachricht daS größte Mißtrauen entgegenzubrinaeu. Von einem Zurückweichen Rußland« kann schwerlich Vie Rede sein; da« widersprächt direkt der russischen Politik, die, waS Rußland einmal hat, nicht wieder herauS- giebt. Thatsache aber dürfte sein, daß England vor Chemulpo versucht, einen Druck auf Rußland auSzuüben, daß eS aber seinerseits klein beigeden wirb, wenn Rußland sich unnachgiebig erweist. So hat die Situation durch die englische Demonstration vor Chemulpo zwar eine gewisse Zuspitzung erfahren, eS ist aber mehr als wahrscheinlich, daß e« zu keinem bewaffneten Conflict kommt. In das Cavitel der erfundenen Sensationsmeldungen ist auch die Shanghaier Nachricht des Bureau „Dalzirl" zu verweisen, die Haltung de« chinesischen Aus wärtigen Amtes sei Deutschland gegenüber plötzlich sehr schroff geworden; eS verlange, daß Deutschland sofort Kiao« tschau räume. Dem widerspricht, daß die Lage sich in keiner Weise geändert hat, d. h., daß bi- heute keine Macht Wider spruch gegen die deutsche Besetzung KiaotschauS erhoben Hal. Ja «S ist im Gegentheil eia direkt beruhigende- Symptom dadurch hinzugetreten, daß die englische Regierung neuerdings mit aller Deutlichkeit versichern laßt, sie habe gegen da- Vorgehen Deutschland- nicht- einzuweaden, und zugleich auch in der englischen Presse Deutschland gegenüber eine ruhigere Stimmung zu Tage tritt. Die Meldung, baß die Franzosen die große Tvnkin gegenüber gelegen« Insel Hainan besetzt haben, tritt, obwohl noch keine Bestätigung vorliegt, mit wachsender Bestimmtheit auf. Der „Daily Mail" wird darüber aus Singapore berichtet: Die Nachricht, daß die Franzosen Hainan occupirt Haden, wurde am Dienötag von dem Dampfer der Meffagerir« Maritime- „Ernest Simon" von Saigon nach Singapore gebracht. Ehe der genannte Dampfer am 26. December von Saigon absuhr, war dort rin französischer Kreuzer, der ent weder den Admiral Bedolliöre an Bord hatte, oder Briefe von ihm an den französischen Gouverneur von Saigon über brachte, eingclaufen. Der „Ernest Simon" mußte seine Ab ¬ fahrt um eine Stunde verschieben, um eine Depescbe deS Gouverneur« mitzunehmen, in der da« Hissen der französischen Flagge auf Hainan gemeldet wurde. Die Ursache der Ver zögerung der Abfahrt deS „Ernest Simon" blieb geheim, und erst in Singapore ließ ein höherer französischer Beamter die Sache bekannt werden. Man glaubt, die Franzosen haben da« Telegraphenamt von Hoikow (im Norden der Insel Hainan) verhindert, Nachrichten nach Hongkong gelangen zu lassen. Da« Kabel zwischen Haiphong und Saigon ist seit mehreren Tagen zerrissen und ein Kabelschiff reparirt e« augenblicklich. Der französische Admiral konnte darum nicht dem Gouverneur von Saigon die Occupatio» von Hainan telegraphiren. Der französische Admiral, der mit den Kriegs schiffen „Bayard" und „Descartes" am N. December Hong kong verließ, um nach Toulon zu fahren, lief am 18. December Haiphong an und wohnte dort einer Versammlung deS Ver- theidiguugSausschussc« bei, wo die Annexion Hainaas beschlossen wurde. Aus französischer Quelle wisse man, daß dies zur selben Zeit erwartet wurde, als Rußland Port Arthur besetzte. Nach einer von un« mitgetheilten Meldung auS Kairo haben die franzjifischcn Colonnen Aaschoda am Weißen Nil besetzt. Bekanntlich sind im Lause dieses Sommers vier französische Expeditionen von verschiedenen Punkten ab gegangen, um diese« Ziel zu erreichen und damit eine direkte Verbindung zwischen dem französischen Sudan und Abessinien herzustellen. Die Colonnen Liotard und Marchand sind vom Ubanghi, einem Nebenfluss« des Congo, auk- gegange», während die Colonnen Marquis de Bon- champ« und Clochette sich von Abessinien in Bewegung setzten. Außerdem sollte der französische Schiff-fähnrich Dye mit Schluß de- Jahre- mit dem Dampfer „Faidherbe" unv fünf Schuten, denen noch mehrere Dampfer folgen, auf dem Bahr-el-Ghazal erscheinen und in den Bahr-el-Aoiab (Weißen Nil) rinfahreu, um den Expeditionskorps Waffen, Munition und Proviant nachzuführen. Marchand soll bereit- Ende Juli in Meschra-er-Reck am Bahr-el-Gbazal eingtlroffc» sein. Au- roglischer und belgischer Quelle stammende Berichte wußten allerdings zu melden, die Colonne Marchand sei von den Eingeborenen nievergemctzelt worden» waö jedoch wieder dementirt wurde. Die Engländer suchten den Marsch der Franzosen mit allen Mitteln zu verzögern, und zu diesem Zwecke wurde auch Major Macdonald mit 12 000 Man» von Mombasa an der Zanzibarküste gegen das Becken des oberen Nil abgrsendet. Er dürfte aber wegen der großen Entfernung kaum rechtzeitig dort eiugetrosfen sein, um die Vereinigung der französischen Colonnen bei Faschoda zu verhindern, und r- ist begreiflich, daß durch die Meldung von dem Ereignisse den mililairischen Kreisen in Kairo der Ge danke an die Wiederaufnahme der Operationen gegen Omdurmau nabegelegt worden ist. Offenbar stehen hiermit die folgenden Meldungen in Verbindung: * Malta, 2. Januar. Das erste Bataillon Seaford-Hochländer erhielt Befehl, nach Egypten abzugrhen. Das Bataillon wirv sich aus dem Dampfer „Nubia", weicher am b. d. Mts. aus Port Said hier erwartet wird, einschifsen. * Landau, 3. Januar. (Telegramm.) Die „Daily Mail' meldet aus Kairo, man glaube, die französischen Nil expeditionen stände« ganz dicht bei Khartum; deshalb sei es nothwrndig geworden, sobald al- möglich den Befehl zum Bor- morsche auf Metemmrh zu geben. — Die „Times" erfahren, auch ein Infanterie-Bataillon in Gibraltar habe Befehl erhalten, nach Egypten abzugrhen. Zwei andere Bataillone, die sich aus dem Heimwege von Indien befänden, würden unterwegs angehalten ^erriHeton. Kampf und Entsagen. 1j Roman vo» M. von Esche». -lach»«»« »«rdoteo. r. „Wolfl" „Mama?" „Wolfie l" Das klang etwa- kläglich schon. -Und wo brennt eS denn?" Der stattliche Officier legte die Zeitung, die er bei dem Morgenkaffee la-, zur Seite, dafür den Arm um die Dame, die neben ihm am Frühstück-tische sah. Er beugte sich zu ihr nieder, jene gewisse ritterliche Zärtlichkeit in Haltung und Miene, die deutlich verrieth, wie er sich daran gewöhnt hatte, die Mutter nicht nur vor jeder Unbill de» Leben» zu schützen, sondern auch in allen ihren Wünschen zu verziehen. „Und nun, wo brennt e»?" fragte er noch einmal. „Wa» so viel heißen soll al»: wa» will denn meine kleine Mama wieder von mir?" „Ach, Wolf!" Frau von Weilar strich mit den Fingern der rechten Hand über den Brief, den die linke hielt. Ti« liebte e», die eingehend« Post, wir da» Tagesprogramm zu dieser Stund« mit dem Sohne zu erledigen. „Ach, Wolf, Du weiht ja, daß Lilian und Fiffi Drrnburg den Winter hier verbringen wollen." „Auf daß Mama in der Aktiv« bleibt. Im Feuer muh sie einmal sein, gleichviel, ob es Kindersuppen oder Kinderkrippen gilt — ob man einem gefälligen, wollte sagen, einem wohl- thätigen Zweck zu Liebe 'nen Bazar in Scene setzt, oder ob es einfach flügge gewordene Babie» auf da» Parkett zu geleiten heißt — sicher nicht daS leichteste Manöver, namentlich, wenn der Jagdfrack dabei mit in» Treffen zieht." „Wolf, Du bist ungezogen", schmollte die alte Dam«; lacht« aber trotzdem. E» war eine Schwäche, eine gutmiithia li«ben»würdige Schwächt von Wolf'» Mama, daß sie nie ungefällig sein konnte, vor Allem aber nicht, wenn Verwandte oder Bekannte baten, Tante Weilar, der e» der liebe Gott versagt hatte, rin Töch- terchen neben sich aufblühen zu sehen, wenigsten» eine» ihrer jungen Mädchen zur Gesellschaft schicken zu dürfen. Allerding» hatten sich erst in den letzten Jahren, seitdem Wolf al» Major im großen Seneralstabe stand, so diele Verwandte der Weilar'» als töchterreich offenbart, erst jetzt erinnerte man sich bi» in die entferntesten Grade der Verwandtschaft so liebevoll der lieben, guten Tante Hilde, wa« früher — ihr Gatte, der Hauptmann war länger schon gestorben — durchaus nicht der Fall gewesen. Und sie besaß noch eine andere Schwäche, die liebe, gute Tante Hilde, welche ihr noch keine ihrer Nichten übel genommen hatte, nämlich, daß sie Feuer fing überall, wo nur die Möglichkeit einer Heirath in Sicht kam und sich dementsprechend — natürlich so weit r» der Anstand erlaubte — alle Mühe gab, die ihr an- vertrauten Schützlinge in jenen Hafen, wo sich ewiger Friede mit ewigem Kriege die Waage hält, landen zu lassen. Wa» Wolf, da er bisher noch niemals als direkte» Object in Mitleidenschaft gezogen worden war, launig dahin zusammenfahte: die Mädels im Hause, und Mama hat den Jagdsrack anl So lachte er auch eben nur mit unvermindertem Humor: „'S ist ja nicht unser Fleisch und Blut, Mama. Gott sei Dank! Für Andere läßt sich schon betteln. Trepp' auf, Trepp' ab, die blauen Hefte in der Hand, oder die Loose, diese Salonrevolver, in dem Ridicule. Warum auch Nicht für Anderer Töchter —" „Wolf, nein — e» ist —" „Mein Gott, einem jungen Mädchen Gelegenheit geben, einen jungen Mann kennen zu lernen", ergänzte der Generalstäbler mit einer Miene, al» habe er mit jenen Worten doch nur da» ver nünftigste, gottgefälligste Werk bezeichnet. „Und viermal hast Du r» leicht. Lilian war übrig«»«, al» ich die Familie zuletzt in Wiesbaden sah, schon «in recht in die Höhe geschossene» Dämchen. Wundere mich, daß st« nicht längst unter ist. Ihre Zwanzig hat sie weg." Und der Major, der sich durchaus nicht wunderte, dah er selbst mit seinen Fünfunddreihia noch nicht unter war, ging zu Fissi über, die sich damal» noch al» ein rechter Irrwisch pra- sentirt habe. Dann nahm er seinen ersten Gedanken wieder aus und fuhr fort: „Die Mädchen haben einen Namen und was heute noch mehr bedeutet, Geld — viel Geld." Da» Letztere sagte er beinahe mit einem Seufzer. „Wolf, am End« bekommst Du selber Lust!" „Nein, Mama." Ein Schatten huschte über de» Officier» Stirn. „Tempi Pentti.- Dann neigte er sich über die Hand der Mutter: „Würde es ja auch nimmer so gut und so lieb haben, wie bei Dir." Mit strahlendem Blick soh die Keine Frau auf das Haupt de» stattlichen Sohn«»; strahlender noch wurde ihr Auge, da er diese» wieder hob. „Ist auch Kein« Dein«, wrrth, mein Herzblatt. — Aber freilich, die Drrnburg'» sind ja so rrich!" mrinte st« plötzlich kleinlaut. „Und wenn «» einmal sein sollte —" Wa» etwa den Major bewegt habrn mochte, war übrrwunden: „War es das, was Du mir sagen wolltest?" fragte er, schon wieder bei vollem Humor. „Herr Gott, nein!" Die kleine Dame strich noch einmal über den Brief in ihrer Hand. „Helja von Hausen hat sich an mich gewandt —" „Hausen?" „Der Vater war mit uns im Regiment. Sie hatten nichts, wir hatten nichts. Nun ist auch der Hausen lange todt. Es war eine böse Geschichte, er stand in Mainz damal» —" Wolf erinnerte sich der Geschichte, die leider in den besten Kreisen nicht unbekannt, noch weniger unmöglich ist: Schulden, Spiel, eine Kugel vor den Kopf — die Familie im Elend. „Und nun?" fragte er. „Ich glaube, auch dir Söhne schlugen nicht recht ein, oder hatten kein Glück. Sie gingen zur See, nach Amerika; man hat nichts wieder von ihnen gehört. Helja, die einzige Tochter, ist allein bei der Mutter zurückgeblieben. E» wird ein Jahr, daß der Tod auch die von ihrem Leiden erlöste. Das Mädchen, arme» Ding, hat nun an mich geschrieben und bittet —" „Um Station im Hause?" ergänzte Wolf. Dabei war r» schwer zu entscheiden, ob trotz de» Ernste» der Sache nicht doch etwa- wie Laune oder auch eine nicht ganz unberechtigte Wallung über all die Wünsch« der Leute in seinem Ton zum Au-druck kam. „O nein. RathloS, allein in der Welt, bittet sie mich, die einzig« Freundin, welch« ihrer Mutter im Unglück geblieben war, ob ich ihr nicht eine Pension empfehlen könne. Sie will sich au»bilden, zur Lehrerin, glaub' ich." „Na, da» ist ja doch sehr einfach. Schicke Friedrich mal die Pottdamer oder Königgrätzer Straße herauf und herunter, und er hat gefunden! Die Zahl Derer, so sich von dem Essen und Trinken ihres lieben Nächsten nähren, ist ja Legion hier in Berlin!" „Abrr Wolf, «S muh doch wa» Billige» sein." „Natürlich." „Wolf, so rin armes Ding! Wenn sie nun schlechte» Essen kriegt —" Der Major zuckte die Schultern. „S» ist so traurig für ei» Mädchen, eine Dame, sich durch- schlagen zu müssen —" Der Major spielte mit der Zeitung. „Und der Papa stand in unserem R^iment. Sie waren gut zu mir, al» der Vater starb. Und Wolf, ich möchte — ich möchte — ich möchte —" „Einfach da» Fräulein selber aufnehmen —" „Ja, Wolf, ja!" bisu— der Mildthätigkeit sind hier keine Schranken ge zogen —" „ES sind abrr einige Fatalitäten dabei." „Allerdings. Dein Debüt mit dieser Helja in der Gesellschaft wird nicht beneidenSwerth sein. Man wird den Kopf schütteln über un». Doch Du wünschest es — Iah sie schütteln." „Darum sorg' ich nicht." „Immer noch eins! Na, dann raus damit. Der eigentliche eaous dvUi, merke ich, soll noch kommen." Die Hauptmännin duckte sich, daß sie noch kleiner erschien, sah ein wenig scheu und doch, ihre» endlichen Siege» gewiß, auch schelmisch zu dem Sohne empor: „Ja, Wolfie — es fehlt der Raum. Und da dachte ich — ob ich nicht — Du nicht — Wolfie, im Winter kleidet man sich ja bequemer gleich in seinem Schlaf zimmer an — also, ob Du mir nicht Dein Ankleidezimmer über lassen könntest —" „Alle Wetter!" „Ein kleines Zimmerchen. Stehen ja nur Deine Schränk: darin." Etwa» ärgerlich ging der Generalstäbler auf und ab. „Du wünschest e» sehr, Mama?" So blieb er vor der Mutter stehen. „Eie thut mir so leid —" „Wer zwei Röcke hat, soll einen abgeben. Wer drei Zimmcr hat, mag eine» missen. Nimm Dir, Mama, wa» Du brauchst, thu wie Du willst." „O mein herrlicher Junge! Aber wenn sie, daS arme Ding, Tladirr oder Gesang cultiviren sollte?" „Male den Teufel nicht an die Wand, Mama, das wäre un angenehm." „Wolfie —' „Na lah — Du wünschest e», die Kleine wird uniergebrachi. Ich sehe schon da» Vrrhängnih nahen; heute noch kaufe ich mir rin paar Antiphone auf der Luisrnstraße. Wenn da» nicht hilft, wirst Du mich nicht lo» im Salon. Dann mache ich Lilian und Fiffi die Cour und schruche. Dir zur Strafe, all« Dernburg schen Freier hinau»." „Na, na, wer w«ih, ob Du selber nicht noch Feuer fängst —" „Meine Freiheit ist mir lieber und mein Mütterchen auch Nun aber adieu. Ich habe mich schon verschwatzt." Noch einen Kuh auf dir Hand der Mutter und mit schnellem Schritt verliest der Major da» Zimmer, um sich nach dem SeneralstabSgebäud- zu begeben. Und wieder mit strahlendem Blick, dem sich eine Thräne der Rührung mischt«, sah Frau von Wrtlar dem Sohne nach. Sie hatten e» schwer grhabt, Mutter und Kind, da ihnm der
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