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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.01.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-01-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980108027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898010802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898010802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-01
- Tag1898-01-08
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Aber wenn die deutsche Reichsregierung daraus schließt, diese Durchführung sei gesichert, so vergißt sie, daß sie nock mit einer Macht zu rechnen bat, die bisher noch nicht gehört worden ist und die sich als Groß macht ersten Ranges fühlt: die deutsche Tocialdcmokralie, der der Vertrag noch schwerer im Magen liegt, als selbst den Engländern, und deren Vertreter im Reichstage nach einer Ankündigung der „Sachs. Arbeiter-Zeitung" wie ein Mann gegen diese „neue Ausbeutung des deutschen Volkes" protestiren werden. Das Blatt erinnert nämlich daran, daß Art. 1l der Reichsverfassung bestimmt ist: „Insoweit die Verträge mit fremden Staaten sich aus solche Gegenstände beziehen, welche nacb Artikel 4 in den Bereich der Reichsgesetzgebung gehören, ist zu ihrem Abschlüsse die Zu stimmung des BundesrathS und zu deren Giltigkeit die Ge nehmigung des Reichstags erforderlich." und daß Art. 4 als zur Reichsgesetzgebung gehörig „die Bestimmungen über die Colonisation und die Aus wanderung nach außerdeutschen Ländern", sowie die „Organisa tion eines gemeinsamen Schutzes des deutschen Handels im AuSlande, der deutschen Schifffahrt und ihrer Flagge zur See und Anordnung gemeinsamer consularischer Vertretung, welche vom Reiche ausgestattet wird", ausdrücklich erwähnt. Und wenn nun infolge dieser Vcrfassungsbestimmungen der Vertrag dem Reichstage zur Genehmigung vorgclegt wird, so würde dieser, wenn er eine „wirkliche Volksvertretung" wäre, einen „dicken Strich durch die Rechnung dieser ganzen Seemachtspolitik machen", denn: „Für das deutsche Volk erwachsen daraus nur unzählige Aus gaben, eine unberechenbare Vermehrung des Steuerdrucks. Das sicht man ja schon aus der ersten Ankündigung: Au China soll eine bestimmte Pacht bezahlt werden — wer wird die Kosten tragen? Das Volk! Ferner, die „Wasserläufe" sollen regulirt werden — aus wessen Kosten? Auf Kosten des deutschen Volke-! Um die Wasserläufe in Deutschland zu reguliren, dazu giebt es kein Geld, Menschenleben werden den Flutzüberschwemmungen alljährlich zum Opfer gebracht, unzähliges Gut geht verloren, zahlreiche Existenzen werden ruinirt — für all das findet sich in Deutschland kaum ein Almosen, um die Nokhleidenden zu unterstützen, aber um die Flüsse an der ost asiatischen Küste zu reguliren, Lazu soll das arbeitende deutsche Volk sein Geld hergeben! Aber damit nicht genug, man wird Festungen bauen, man wird vor Allem immer und immer mehr Panzerschiffe bauen, man wird Eisenbahnen bauen, — und die deutschen Steuerzahler werden die Kosten tragen oder jedenfalls Len Capitalisten in ihren abenteuerlichen Abenteuern Bürgschaft in Gestalt der staatlichen Zinsgarantie leisten müssen! Aber freilich dieser Reichstag ist vor Allem um die Aufrechterhaltung der kapitalistischen Ausbeutung besorgt und versteht nicht die Interessen deS arbeitenden Volkes wahrzunehmen. Die Socialdemo kratie allein ist es, deren Votum in dieser Frage unzweifelhaft ist. Sie verweigert nicht nur ihre Zustimmung, sie protestirt gegen diese Colonialpolitik, deren einziger Zweck es ist, die capitalistijche Ausbeutung, die sich selbst vernichtet, mit Hilfe der Staatssteuern noch eine Zeit lang aufrecht zu erhalten. Die Social demokratie protestirt dagegen, daß man dem deutschen Volk Lasten auserlegt, damit der Chinese in den Stand gesetzt wird, deutsche Maaren zu kaufen. Das deutsche Volk kann, was es producirt, auch selbst verbrauchen!" Wenn man sich's recht überlegt, ist eS auch wirklich ein starkes Stück, lediglich den Chinesen zu Liebe und Feuilleton. Kampf und Entsagen. 5s Roman von M. von Eschen. Nachdruck verboten. „Wie reizend sie sind, wie picant und chic, diese Amerikane rinnen", so heißen die Dernburg's, als habe man sich die Parole gegeben, plötzlich in jedem Mund. Und das allgemeine Entzücken steigert sich, als man erfährt, daß die Eltern — der Vater ein deutscher Edelmann, die Mutter englischer Abstammung — sich eben nach Amerika zurüäbegeben haben, um bedeutende Liegen schaften zu kaufen, die bei der zu erwartenden Ausstellung Mär chenpreise einbringen müssen. Die Reise ist der Grund, weshalb die Töchter bei Tante Weilar sich aufhalten. Die Kleine soll noch in Deutschland „xetinwüeä" werden, wie sie lachend in ihrem Deutsch-Englisch erzählt. Von Helja natürlich nimmt noch immer Niemand Notiz. „Hausen?" fragt die Generalin Hattenbach, als man ihr die Kleine präsentirt. Es gab eine Menge Hausens in der Armee. „Doch nicht etwa von dem, der —" „Ja, ja —" Und nun hatte sich die Hauptmännin fast ge- nöthigt gesehen, die Anwesenheit Heljas in ihrem Hause zu ent schuldigen. Worauf die Generalin noch einmal das Mädchen aufs Korn nahm, und da sie als kritische Mutter zweier dem Flügelkleid längst entwachsenen, doch noch immer ihres natürlichen Beschützers harrenden Töchter einen ganz unnöthigen, die correcte Gesellschaft höchstens schädigenden Liebreiz an der Hausen entdeckte, konnte sie nicht umhin, den Kopf über diese Acquisition der Weilar's zu schütteln und Jeden, ob er es mochte oder nicht, in die näheren Personalien von Helja einzuweihen. Die Damen halten also keinen Grund, gegen das junge Mäd chen liebenswürdig zu sein. Was sie an Höflichkeit dem Hause zu schulden glaubten, zahlten sie lieber mit verdoppeltem Tribut dessen Sternen, den Dernburg's, ab. Und die Herren — so anziehend schien Keinem das blasse, schüchterne Geschöpf in seinem Wollfähnchen, als daß er sich hätte lächerlich oder mißliebig machen sollen, indem er sich im Salon um eine Dame bemühte, die hier von ihren Mitschwestern nicht für voll angesehen wurde. Fast wie auf dem Spötterstühlchen des Kinderspieles saß um diese bezopfte Gesellschaft der Wohlthat der Erwerbung l deutscher Produkte theilbastig zu machen, dem deutschen Volke! schier unerschwingliche Kosten aufzuhalsen und ibm obendrein f Maaren zu entziehen, die Früchte seines Fleißes sind und zur Befriedigung seines eigenen Bedürfnisses kaum aus reichen! JedcS Kind weiß ja, daß die schnöde deutsche Industrie trotz aller Musterlager, Messen und Märkte den armen deutschen Consumenten alle die Fabrikate vorenthält, nach denen die Chinesen begierig sind, und daß der deutsche Arbeiter bei Hungerlöknen sich mit der An fertigung solcher Maaren quälen und schinden muß, die er dann nicht einmal um schweres Geld kaufen darf! Vielleicht aber hat wenigstens Herr EugenRichterso viel Einsicht und Muth, an die Seite der „Sächs. Arbeiterzeitung" und ihrer parlamen tarischen Freunde zu treten, als Sachverständiger den pro- jectirten Bau von Festungen auf chinesischem Sande als be sonders thöricht hervorzuheben und mit dem Hinweise aus den Gram der Engländer über die deutsche Erwerbung das kolossale Gebäude der Gründe zu krönen, die gegen die Zustimmung des deutschen Reichstags zu einem so unerhörten Vertrage sprechen. Dagegen ist zu befürchten, daß der alte Liebknecht, der immer schwächer und „rück ständiger" wird, von der Schändlichkeit des deutschen Ex portes im Allgemeinen und nach China im Besonderen sich nicht überzeugen läßt und den parlamentarischen Freunden der „Sächs. Arbeiterztg." den Rath giebt: „Kinder, blamirt Euck und uns nicht gar zu sehr!" Aber hoffentlich ist der Einfluß dieses ebenso mannhaften wie einsichtigen Blattes groß genug, um den des Herrn Liebknecht lahm zu legen. Es wäre zu beklagenswerth, wenn Regierung und Reichstag um eine Belehrung über den wahren Werth oder vielmehr Un werth deS Kiaotschau-Vertrages kämen. Besonders wäre dies wegen der bevorstehenden ReichStagSwahlen bei unS in Sachsen zu beklagen, wo gewisse sich selbst importirende „deutsche" Politiker noch immer nickt begreifen zu wollen scheinen, wie gefährlich eine Zersplitterung der zur Unter stützung der Regierung auf der jetzt betretenen Bahn bereiten Elemente gegenüber dem Anstürme der svcialdemokratischen „wahren und einzigen Freunde" der deutschen Industrie, des deutschen Handels und der deutschen Arbeiter sein würde. Wenn die Meldung deS „Orendownik", daß die polnische RcichStagSsractton für die Marincvorlage stimmen werde, sich bestätigt, so unterliegt es kaum einem Zweifel, daß die Reise deS Erzbischofs von Posen und Gnesen Or. v. Stab lewski naL Berlin und sein Verkehr mit dem Reickskanzler und Herrn vr. v. Miquel nicht ohne Einfluß auf diesen Ent schluß geblieben ist. Daß aber der Erzbischof in die Lage versetzt worden sei, den polnischen ReichslagSabgeordneten für diesen Entschluß Concessionen in Gestalt einer Abstumpfung der Waffen gegen die polnische Agitation in Aussicht zu stellen, glauben wir deshalb nicht ernstlich besorgen zu müssen, weil durch solche Concessionen laue Freunde der Marinevorlage geradezu herauSgefordert werden würden, ihre Haltung nach dem Satze „kein Kanitz, keine Kähne" einzurichten und auch ihrerseits einen Preis für ihre Zustimmung zu der Vorlage zu fordern. Jedenfalls würde ein zustimmendes Votum der Polen einen gewaltigen Druck auf das Ccntrum be deuten. Zunächst auf seine preußischen Mitglieder, die sich doch dem Vorwurfe nicht ausgesetzt sehen möchten, minder deutsch zu fühlen und zu handeln, als die Polen, und dann auch auf den bayerischen Flügel, dem ein zu seinen Un Helja vor der Theemaschine, braute und verschenkte den belebenden Trank. Tante Weilar hatte, um ihr einen Halt zu geben, das Mädchen selbst an den Platz dirigirt, um den sich sonst die jungen Damen stritten. Freilich glich dann auch der kupfergetriebene Ständer und sein brodelnder Kessel, der zierlich mit kleinen Tassen ausgelegte Tisch, namentlich wenn die Siegerin in jenem Kampfe jung und hübsch, vielleicht eine Erbin war, oder nur einen Papa im Dienst ihr eigen nannte, einer belagerten Festung, und Friedrich hatte Muße, sich in den Knöpfen seiner LivrSe zu bespiegeln. Heute dagegen webte feierliche Stille um die heilige Flamme, während die grünpaspolirten Enden von Friedrichs Frack in steter Bewegung blieben. „Die Herrschaften danken Alle", hat Friedrich, von einer Tournöe zurückkehrend, soeben berichtet. Helja bleibt es damit überlassen, Umschau zu halten oder zu träumen. Sich auf eigene Gefahr unter die Gesellschaft zu mischen, dazu fehlt dem armen Ding der Muth. Das Köpfchen geneigt, die Hand im Schooß gefaltet, sitzt sie da, und abermals übt die neue Umgebung ihren Reiz. Wie aus einem Märchen schlagen die Stimmen in Lachen und Scherzen be strickend an ihr Ohr. Ach, wie ernst und schwer hatte sich ihr junges Leben abge spielt! Mühe und Arbeit, Arbeit und Mühe, Entbehrung, Sorge oft um das tägliche Brod, namentlich in der letzten Zeit, wo die Pflege der Mutter Unsummen für das Familien-Budget ver schlang. Die arme Mutter! Das Schicksal und mehr noch die Krankheit hatten ihr das Temperament verdorben. Sie konnte zuweilen recht krittlig und bitter sein. Dennoch — unwillkürlich trübt ein Schatten des Mädchens Stirn — bei all dem schweren Ernst dieses Lebens hatte sie doch eine Heimath ihr eigen genannt, in der alternden, kränkelnden Frau besaß sie eine Mutter, einen Menschen, dem sie das Liebste war auf der Welt, den sie auch über Alles geliebt, für den sie hätte thun können, was in ihren Kräften stand. Damit verdichtet sich der Schatten zu einer Falte auf der weißen Stirn, die Lippen zucken — — Da, schon steht die Hauptmännin hinter Heljas Stuhl. Das Thermometer drüben an der Wand zeigt 18 Grad Röaumur. Die alte Dame aber meint, sie muß dem armen Ding etwas zu Liebe thun und legte ein leichtes Tuch von blauer Seide um die schlanken Schultern, damit man das häßliche, farblose Kleid vergißt. „Ich fürchte. Sie frieren, liebes Kind." So beugt sich die kleine Frau sorglich zu dem Mädchen nieder. Der Zufall will, daß Wolf und Mangern dies« Liebesthat be merken. gunsten ausfallender Vergleich mit den Polen doch auch nicht ganz gleichgiltig sein kann, am wenigsten dann, wenn die Letzteren ihre Haltung mit der Berufung auf Papst, Bischöfe und katholische Missionen motiviren. Vorläufig freilich verharrt der bayerische Flügel noch auf seiner Opposition gegen die Vor lage. Dieser Tage hat der Centrumsabgeordnete v. Lerno in Regensburg in einer Versammlung erklärt, daß die bayerischen Centrumsmitglieder sammt und sonders gegen daS „Septennat" und gegen jede mit der Flottenvermehrung verknüpfte Steuer- vermekrung stimmen würden, und die „Landshuter Ztg." ver steigt sich sogar für den Fall, daß sich der preußische CentrumS- flügel nachgiebiger erweisen sollte, dazu, der „Köln. Volksztg.", vie von einer möglichen Trennung des CentrumS gesprochen batte, ernstlich mit dem Abfall der Bayern zu drohen. DaS Landshuter Blatt schreibt nämlich: „Die klerikale Provinzpresse in Bayern weiß sehr wohl, was sie thut und will. Sie nimmt kein Blatt vor Len Mund und sagt, wie die Verhältnisse einmal sind. Wenn man das am Rhein und in Schlesien nicht hören will, so können wir doch nichts dafür. Die Folgen unseres Thuns, wohin es kommen kann, sind uns in Bayern ganz klar. Wir haben nicht sehr viel zn verlieren. Wenn uns die preußischen Centrumsmitglieder durch Nachgiebigkeit in Heeres« und Marincfragen schädigen, was bleibt uns dann anders übrig, als unsere eigenen Wege zu gehen! Wissen die Mitglieder des preußischen Centrums, was für die bayerischen Cen trumsabgeordneten die Bewilligung einer hohen Ma- rineforderung bedeutet, wenn alle Bayern dagegen stimmen? Es scheint nicht, sonst könnte man uns nicht mit solchen Redensarten kommen. Kein vernünftiger Mensch wird an eine Trennung denken, so lange eine solche nicht unumgänglich nothwendig ist, denn wir wissen recht gut, daß die Herren Preußen dann eben in erster Linie Preußen sind und nur dann Anderer sich erinnern werden, wenn sie diese brauchen. Es ist das schon öfter angedeutet worden, daß man nach einer Separirung aus die Bayern sehr wenig Rücksichten mehr zu nehmen habe. Wir können das allerdings nicht recht glauben, weil wir auch nach einem solchen Vorgänge aus dem Boden der Centrums- Programme stehen werden, die sämmtlich den föderativen Charakter des Reiches und dessen Erhaltung betonen. Wir sind der Ansicht, daß man besser thun würde, die bayerische Centrumspresse nicht immer zu schulmeistern und ihr gelegentlich zu drohen, sondern wir hielten es für angemessener, die gewichtige Stimme eines so großen Blattes, wie die „Nöln. Volksztg.", dazu zu erheben, den preußischen Centrumsmiigüedern oegreistich zu machen, daß die Stimmung in Bayern keine sehr gute ist." Das klingt sehr ernst; aber am Ende wird doch auch die „LandSh. Ztg." sich der Einsicht nickt verschließen, daß die Gegner des Centrums in Bayern eine sehr schneidige Waffe in die Hand bekommen würden, wenn sie bei den Neuwahlen darauf Hinweisen könnten, daß die Polen in Uebereinstimmung mit hohen und höchsten kirchlichen Würdenträgern ein für die katholischen Missionen unentbehrliche- Schutzmittel be willigt hätten. Die Londoner „Pall Mall Gazette" hat die Unver schämtheit, in einer Kritik deS Ataotschau-BertragS die Be setzung des chinesischen Hafens in Parallele mit dem völker rechtswidrigen Einfall Jameson's in Transvaal zu stellen. „Wir waren", sagt das Blatt höhnend in Bezug auf die be kannte Krüger-Depesche, „der Meinung, wenn der deutsche Kaiser irgend etwas in der Welt nicht leiden könnte, so seien eS bewaffnete Einfälle. Wir glaubten, das sei ein höchst verwerfliches Beginnen in seinen Augen rc." Wir schenken unS eine Abwehr dieser Art Polemik, die schon durch den Hinweis darauf abgethan ist, daß Deutschland in China in Wahrung seiner schwer verletzten Interessen handelt, um von anderem zu schweigen, während der Jameson'sche „Heldenritt" Ist es der Widerschein von dem lichten Gewebe, der die Linien in dem blassen Gesichtchen so schmeichelnd erhellt, oder der dank bar strahlende Blick in den blauen Augen, der ihre Züge mit dem intimen Reiz ihrer Seele verklärt? „Donnerwetter, doch Rasse, diese Kleine — ja reines Ophelien- gesicht!" „Herr von Mangern, ich bitte, vergessen Sie nicht, die junge Dame wohnt in unserem Hause und steht unter dem Schutze meiner Mutter." Schärfer, als er es weiß, schärfer, als es hierher gehört, lautet Wolf's Verweis. Und schnell entschlossen, tritt er zu Helja hin. „Sie wünschen noch eine Taffe Thee, Herr von Weilar?" Wolf lächelt. „Bitte, ja. Dann aber müssen Sie erlauben, daß ich meinen Thee hier bei Ihnen trinke." So läßt sich am Ende noch besser sagen, was er ihr zu sagen so natürlich findet, was ihm aber plötzlich doch nicht ganz leicht zu werden scheint. Endlich aber muß es heraus: „Fräulein von Hausen, ich möchte Sie bitten, mir volles Vertrauen zu schenken. Ich stehe Ihnen zu Diensten, immer, wenn Sie eines Schuhes oder eines Rechtes bedürfen." Längst wieder hatte Helja den Kopf geneigt und die Wimpern gesenkt. Nun sieht sie zu ihm auf, die Augen leuchtend in einem Glanz, wie er einzig von einem großen Glück oder von Thränen kommt. „Sie sind so gütig, Herr von Weilar, Sie und Ihre Frau Mutter. Ich — bin so allein in der Welt." Dabei zittern um den Mund die Linien, die ihr junges ernstes Leben hier eingegraben hat. Und wenn jener Blick Wolf in die Seele getroffen, der selt same Schimmer der grünblauen Iris ihn bestrickte, der kleine blaffe Mund mit seinem Schmerzenszug trifft ihn ins Herz. Zum ersten Mal umfangen seine Blicke gefesselt des Mädchens Erscheinung. Sie ist nicht groß, um einen halben Kopf größer kaum als seine kleine Mama. Ueber die Figur läßt sich nichts entscheiden. Das häßliche schwarze Kleid und seine plumpen Falten decken jede Linie zu. Doch mag sie feingliedrig sein, denn die Hände, die aus den altmodischen Aermeln hervorlugen, sind sehr klein und zierlich; freilich, roth und verarbeitet sind sie auch. Ueber- haupt mögen Mangel und Anstrengung das Mädchen in seiner Entwickelung zurückgehalten haben, so daß ihre Gestalt jeglicher anmuthender Fülle noch entbehrt. Das sieht man trotz der plumpen Falten doch. Auch das Gesichtchen ist mager und blaß, eintönig blaß; auf den ersten Blick bemerkt kein Mensch, wie lieblich seine Züge sind, die feine Wölbung der Schläft, die kleine Nase, den kleinen knospenden Mund! Nur ein perfider Versuch war, die Selbstständigkeit eines ganzen Staates mitten im Frieden mit bewaffneter Hand zn zertrümmern und die Goldfelder Transvaals dem englisckcn Colonialbesitz „anzugliedern". Nur daran wollen wir erinnern, auf welche Weise England seiner Zeit in Besitz Hongkong gekommen ist. Die englischen Handelsbeziehungen mit Cbii: r haben mehr als 150 Jahre allein in den Händen der Ost indischen Compagnie gelegen. Der Haupteinfuhrartikel dcr Ostindischen Compagnie nach China war Opium, das Gin, welches seit jetzt mehr als 200 Jahren einen großen Theil der Bevölkerung Chinas verheert. Am 22. Apcil 1834 hörten die ausschließlichen Handelsrechte der englisch ostindischen Gesellschaft auf, und damit begann der Opium streit. China wollte in richtiger Erkenntniß der Sachlage die weitere Einfuhr deS Opiums verhindern und verbot am 7. November 1834 den Opiumhandel gänzlich. NichtSdesto weniger wurde durch englische Händler die Einfuhr von Opium fortgesetzt. Am 23. Februar 1835 und am 3. Februar 183 > wurden die vorhandenen Opiumlager in Canton durch die Chinesen durch Feuer zerstört oder ins Wasser geworfen Darauf besetzte England am 23. August 1839 Hongkong. Als Antwort darauf verbot der Kaiser von China am 5. Januar 1840 für immer allen Handel Chinas mit Eng land. Dies Verbot bildete den Ausgangspunkt zu einem Kriege, der unter dem Namen LeS Op»umkriegeö ein klägliche Berühmtheit erlangt bat. Am 2l. Januar 18t l ergriffen die Engländer dauernd Besitz von Hongkong. Am 31. Mai desselben JahreS mußte Canton ein: Entschädigung von sechs Millionen Dollar zahlen, im October desselben Jahres besetzte Eng land die Chusan-Jnseln und die Städte Chinhai und Ningpo; am 19. Juni 1842 wurde Shanghai eingenommen und am 29. August 1842 kam eS zu dem Vertrag zu Nangking, m welchem die Chinesen 21 Millionen Dollar bezahlen und die Opiumeinfuhr frei geben mußten. Heute beträgt die Opiumeinfuhr Englands von Indien nach China jährlich ungefähr 70 000 Picul, das heißt etwas mehr als 100 000 Centn» im Wcrthc von mehr als hundert Millionen Mark, daS heißt etwa den fünften Theil der gesammten chinesischen Einfuhr. Tie englisckcn Hetzblätter werden gut thun, sich an diese Thatsachen zu er innern und damit die Ursachen zu vergleichen, welche Deutschland zur Besetzung von Kiaotschau veranlaßt haben. Die bisher geheim gehaltene Anklageschrift auS dem DreyfuS-Proecsse wird vorn „Siöcle" veröffentlicht. Die Schrift bezeichnet, wie die „Franks. Ztg." mittheilt, das Borderau als die Basis der Anklage. General Gonsc, Unterchef des Generalstabes, übergab das Borderau dem Major Taty du Clam behufs Eröffnung der Voruntersuchung. Gonse fügte hinzu, daö Borderau sei an eine auswärtige Macht gesandt worden, aber in seine Hände gekommen; er könne jedoch auf Grund eines formellen Befehls des Kriegsministeriums nicht mittheilen, durch welche Mittel daS Borderau in seinen Besitz gelangt sei. Die Untersuchung ergab, daß die Handschrift des Dreyfus eine bemerkenswerthe Achnlichkcit mir der Handschrift des Borderaus aufwies. Der Kriegs minister ordnete die Befragung deS Schreibsachverständigen Gobert, Schreibexperten der Bank von Frankreich, an. Dieser erklärte die Schrift des Dreyfus mit derjenigen des Bordereaus nicht für identisch. Der Kriegsminister, welchem dieses Gut achten Mißtrauen einflößte, ordnete die Befragung eines einen Hauch von Roth in den Wangen, einen Tropfen purpur leuchtendes Blut in den Lippen, wie müßte das entzückend stehen zu den großen Augen und ihrer märchenhaften Bläue, zu dem Kranz von kunstlos sich höher, immer höher thürmenden Löckchen über der Stirn, schimmernd in jener seltenen Farbe, bei der das Blond sein Feuer dem Roth entnommen, oder das Roth sich in flüssigem Gold dem Blond vermählt zu haben scheint. Eine leise Rundung der Linien, ein Lächeln — Mangern hat Recht — es ist ein Opheliengesicht, anmuthig, lieblich, weiblich weich, ein wenig sinnlich-elementar; rührend und ergreifend zugleich in seiner Trauer und Verlassenheit. Armes Ding, denkt Wolf, gerade wie seine Mutter. „Darf ich Sie zu der Jugend führen?" fragt er, wie Jene bemüht, dem armen Ding etwas zu Liebe zu thun. Sein Haupt macht dabei eine Bewegung nach dem anstoßenden Zimmer. „Ich vermuthe, man richtet sich dort zu einem Pfänderspiel ein." „Nein, o nein." Und wieder allein bleibt Helja hinter der kupfergetriebencn Maschine. Aber die großen Augen blicken, als haben sie jetzt einen Freibrief empfangen, staunend, sich wundernd, ob der unbe kannten Herrlichkeit; die Lippen öffnen sich zu einem Lächeln, einem Gruß an das Leben, das mit dem Heute beginnt. Mitternacht war vorüber, als man auseinander ging. Es war noch zu früh für Mangern, um sich nach Hause zu begeben, doch schon zu spät, um seine kleine Freundin vom Ballet corps an der Pforte des Opernhauses zu überraschen. Die Mehrzahl der Weilar'schen Gäste wohnte in der Nähe; Mangern bei der Potsdamer Brücke. So preßte der Freiherr den jungen Rau mit in das Cafe Bellevue, um wenigstens auf diese Weise seinen Tageslauf mit der gewohnten Stunde zu beenden. Heribert war noch viel zu unerfahren, um nicht mit be wunderndem Staunen zu einem Manne wie Mangern emporzu blicken und die Einladung des überall seines Erfolges sicheren Cavaliers mit einem geradezu erdrückenden Gewicht von Ver pflichtung zu empfinden. Er sagte kein Wort vor Stolz und Scheu und starrte in seinen Kaffee, als ob es aus den hier auf steigenden Perlen des sich lösenden Zuckers zu weissagen galt. Ungestört durch irgend einen Einwand seines Partners fand Mangern Zeit, das Ergebniß des Tages dahin zu ziehen, daß man bei Weilars doch immer gut aufgehoben sei. Vielleicht war wieder nur sein schweigsamer Kamerad die Schuld, daß der Freiherr seine Gedanken weiter spann und zwar in einer Weise, die ihm nur so von selbst kommen mußte, nämlich indem er die Lage der Dinge erwog, welche das Opheliengesichtchen zu einem voll mv tangere für ihn machten und zugleich über die Möglichkeit sann, ob sich jene Lage nicht verschieben ließe,
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