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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.01.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-01-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980110028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898011002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898011002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-01
- Tag1898-01-10
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Diese Ansicht ist bi-ber durch nicht- erschüttert worden; sie ist wesentlich bestärkt worben durch die Veröffentlichung der Anklageschrift de- ursprünglichen ProcesseS. Ihr Verfasser, der Major d'Ormescheville, mag ein sehr tüchtiger Soldat sein, jedenfalls ist er ein sehr schlechter Jurist. Selbst ein so wenig dreyfuSfreundlicheS Blatt wie der „Matin" muß gestehen, daß sein Bericht voll von — Naivetäten ist. DaS Motiv des VerrätherS soll seine Leidenschaft für das schönere Geschlecht gewesen sein, zu deren Befriedigung selbst seine ziemlich hoben Einkünfte ruckt auSgereicht hätten. Nun erzählt zwar die Anklageschrift nicht eben erbauliche Geschichten aus dem Vorleben deS CapitainS; allein seine Freundinnen waren danach entweder sehr reich, oder aber sie wurden im Stiche gelassen, wenn sie mehr nach seiner Börse als nach seinem Herzen ru trachten schienen. War DreyfuS ein enragirter Spieler? Es wird behauptet, so lesen wir in dem Bericht weiter, indeß — „die Zeugen, die wir hätten finden können, waren sehr verdächtig, wir haben des halb davon abgesehen, sie zu vernehmen.- Aber eS kommt noch besser. Daraus, daß man während der Haussuchung bei ihm durchaus nicht- Bloßstellendes gefunden hat, wird schlankweg geschloffen, daß DreyfuS alles irgendwie Com- promitlirende bei Zeiten weggeschafft oder vernichtet hat. Da- erinnert doch verzweifelt an die berühmten Formeln: Bei der Verhaftung zeigte sich der Angeklagte verwirrt; Zeugniß seine- Schuldbewusstsein-, oder: Bei der Verhaftung blieb der Angeklagte völlig ruhig; Zeugniß seine- unglaub lichen CyniSmuS. Fast alle Blätter stimmen denn auch beute darin überein, daß die Anklageschrift nicht ihre Ueberzeugung von der Schuld de- Hauptmanns zu bestärken, sondern sie wankend zu machen geeignet sei. ES ist nicht recht wabrscheinlich, daß sie in Verbindung mit dem Urtheil der Sachverständigen Über da- Bordereau, von denen ja bekanntlich nur drei von fünf für die Urheberschaft deS Angeklagten sich ausgesprochen batten, zur Verurtheilung auSgereicht hat. Die allgemeine Ansicht neigt sich also immer mehr dahin, daß wirklich außer dem Dossier den der Verlheidiger von DreyfuS erbalten bat, noch ein geheimer Dossier L existirt. Eine große Anzahl Blätter, und darunter einige, die bis jetzt inspirirt zu sein schienen, leugnen auch gar nickt mehr die Existenz diese» Dossier L, sondern finden sich ganz wohlgemutb mit der Tbatsache ab, daß ein Angeklagter verurtheilt worden ist, ohne auch nur da» Belastungsmaterial zu kennen. Aber nehmen wir an, daß den Mitgliedern deS Militair» gerichtShofe- wirklich noch geheime Beweisstücke vorgelegt worden sind, so stehen wir vor der neuen Frage: Waren die obersten Militairbehörden wirklich von der Echtbeit dieser Documente völlig überzeugt und vor Allem sind sie jetzt noch davon überzeugt? DaS würde Manche« erklären. Wenn man felsenfest an die Schuld deS Einen glaubt, so kann man Wohl die Bezichtigung eine- Andern al- qvLutitS u^gligeubls behandeln. So würde e- verständ lich erscheine», daß Esterhazy nicht verhaftet, daß bei ihm keine Haussuchung vorgenommen worden ist, obgleich er selbst rugestanden hat, daß die Handschrift deS Bordereau der seinigen fabelhaft ähnlich sei, obgleich nach der Ansicht deS berühmten Paläograpben Gabriel Monod, der damit einer großen Anzahl Unparteiischer au- der Seele spricht, sie selbst bei nur oberflächlicher Betrachtung identisch sind. Aber welche- waren denn dann die geheimen Beweise? An da- Märchen von dem Briefe de- deutschen Miliiairbevollmäch- tigten an seinen italienischen College» glaubt wohl heute Niemand mehr. Die Beweiskraft der Phrase voa dem „animal äs v." wäre überdies auch zu minimal. Oder sollten wirklich die von Rochefort mit so großer Bestimmtheit citirten sieben Briefe deS VrrrätberS an den deutschen Gesandten existiren? Daß sie nicht echt sein können, brauchen wir einem deutschen Leser nach der Haltung der deutschen Regierung und der deutschen Botschaft in der ganzen Sache nicht erst zu er klären; es könnte sich also nur um einen infamen Streich desselben Menschen bandeln, der da- Bordereau verfaßt hat. So dringt der „Rappel" einen langen Artikel über den geheimen Dossier, den da- Kriegsministerium über Esterhazy besitzt. Der „Rappel" behauptet entschieden, dieser Dossier bestehe au- eben jenen sieben Briefen, die DreyfuS an den deutschen Botschafter Grafen Münster, und auS einem achten Briefe, betreffend DreyfuS, den der deutsche Kaiser an den Grafen Münster gerichtet hat. Die Existenz dieser Briefe habe Rochefort vor einigen Wochen im „Intran- sigeant", wahrscheinlich aus Grund voa Informationen, behauptet, die er auS dem KriegSministrrium erhalten bat. Der Generalstabschef, meint der „Rappel", halte diese Briefe für echt und habe im besten Glauben Rochefort von deren Existenz verständigen lasten, um den Keulenschlag gegen die Vertheidlger deS DreyfuS zu führen, den der Kriegs minister nicht führen wollte. Der „Rappel" Hingtgen hält alle diese Briefe für gefälscht; wabrscheinlich habe sie der wabre Schuldige gefatscht, um den Glauben der Militair- bedörben an die Schuld de- Drevfu» zu bestärken. ES sei unbedingt notbwendig, diese Briefe öffentlich den Acten »,eS Esterhazy-Proceffe- beizufügen; dann müsse man sofort unter suchen, ob diese Briefe nicht die Handschrift Esterhazy'S tragen, und müsse auch den Geheimagenten, der die Briefe dem Kriegsministerium überbracht hat, mit Esterhazy confrontiren. Die deutsche Botschaft könne sich dem nicht widersetzen, da sie, wenn diese Briefe als gefälscht erkannt würden, eine eklatante Bestätigung ihrer fortgesetzten Dementis erhalten würde, welche besagten, daß die Botschaft niemals Beziehungen zu DreyfuS unterhalten hätte. Da- ist nun Alles ganz gut und schön, aber ist es denkbar, daß die oberste Militairbehörde auf eine solche Fälschung hätte hineinfallen können? Und selbst dann, wenn wir alle diese Dinge einmal al- möglich vorau-setzeu, kommen wir nicht auS dem Labyrinthe herau-. Denn dann tauchen neue Fragen auf: Hat em Dritter den Verratb verübt und Esterhazy'S Handschrift nachgeabmt, um den Verdacht von sich abzuleuken? Oder ist dieser selbst der Berräther? Oder hat er in höherem Auftrage da- Bordereau geschrieben, damit man außer den geheimen eia officielleS Beweisstück vorlegea konnte? Wir hüten uns, ein Urtheil abzugebea. Nur die Gedanken, die ein mwßer Theil der Franzosen hegt, wollten wir wieder geben. Ein großer Theil. Denn es ist nicht wahr, daß daS„DreysuS-Syndikat" zusammengebrocken ist, daß seine Sache in den letzten Zuckungen liegt. Vielleicht weniger die Zahl Derer, die an die Unschuld deS „VerrätherS" glauben, sicher aber die Zahl Derer, die fühlen, daß etwas nicht in Ord nung i ft, wächst mit jedem Tage. „L'Aurore", „Le Rappel", „Le Radikal", „La Petite RSpublique", „Le Siöcle", „L'AuroritS", „La France" und noch verschiedene andere Blätter verlangen ungestüm nach „Licht", zwei frühere Minister und eine große Anzahl namhafter Schriftsteller sind erst neuerdings wieder zur Partei der „Revisionisten" über getreten. Und waS thut nun die Militairbebörde, was tbut die Regierung diesem ungestümen Verlangen gegenüber? Sir wird in den nächsten Tagen einen Proceß gegen Esterhazy führen lassen, bei dem sicher die Oeffent- lickkeit ausgeschlossen werden wird.*) Durch einen geheimen Proceß will man die unseligen Folgen eine- geheimen Pro cesseS auS der Welt schaffen! Da schon der Bericht deS untersuckungführenden OsficierS sich für die Niederschlagung des ProcesseS ausgesprochen hat, so werden die Verhand lungen natürlich mit der Rehabilitation Esterhazy'S enden. Aber wie wird man da- erreichen? Es beißt, baß sämmt- licke Zeugen deS DreyfuS - ProcesseS wieder geladen seien. Will man noch einmal mit den geheimen Dokumenten die Schuld DreyfuS' und somit indirekt die Unschuld Esterhazy'S beweisen? Glaubt man so die Freunde des VerrätherS zu beruhigen? Und wie reimt sich baS zusammen mit der Bebauplung deS Ministerpräsidenten, daß es keine DreyfuS- sacke giebt? Hoffen wir, daß man sich noch in letzter Stunde eine- Besseren besinnt! Wir Deutschen in Paris wäre» glücklich, wenn die Angelegenheit endlich ein Ende fände. So wie sie jetzt steht, ist dazu leider keine Aussicht vorhanden. *) Der Prozeß hat, nachdem Esterhazy sich gestern im Militair- gesängnig Eherche-lmdi gestellt, heute (Montag) begonnen. D. Red. Politische Tagesschau. * Leipzig, 10. Januar. Einer der gewichtigsten Gründe, die Herr Eugen Richter gegen die Alotteu»erstärkung ins Feld zu führen pflegt, ist bekanntlich der, daß alle Anstrengungen Deutschland- aus maritimem Gebiete erfolglos bleiben müßten, weil wir von England, Frankreich und Rußland doch immer über flügelt werden würden. Getreulich wird der „freisinnige" Diktator, wenn er mit diesem Einwande operirt, von den Vertretern der Socialdemokratie unterstützt, deren Hauprorgan, der „Vorwärts", heute, um zu zeigen, wie die von der deutschen Reichsregierung genährte Pest deS „Wasser- MilitariSmuS" immer weiter um sich greift, seinen Lesern Folgende- vorklagt: Ein Staat nm den andern vermehrt seine Kriegs flotte. Ueber die russischen Pläne wird jetzt etwa- Nähere- bekannt, die „Marine-Pol. Eorresp." theilt mit: „Durch ReichSraths- Beschluß sind dem russischen Mariarministertum für den Zeitraum von S Jahren 60 Millionen Rubel außerordentlichen EredtteS für Schiff-dauzwrcke zur Verfügung gestellt. Dir im Budget für 1898 geforderten sechs Millionen für Ber- stärkung de« Schiffsbau«» stellen die erste Rate dieie- Crrdit- dar." Auch die VereinigtenStaaten wollen nicht zurückstehen, wo Alle» um dir Wette Panzerschiffe und Kreuzer bauen will. Mac Kinley hat dem zusammrntretenden Congreß seine Botschaft übersandt, in welcher es heißt: „Im Bau befinden sich fünf Schlachtschiffe erster Elosse, sechzehn Torpedoboote und einunterseeischeSBoot. Die starke Vermehrung der Marine, welche in den letzten Jahren angebahnt worden ist, war durch die Forderungen der nationalen Berthetdigung gerechtfertigt und hat di« Billigung der öffentlichen Meinung gefunden. E« ist jedoch rin beklagens. wenheS Factum, daß an der Küste deS Stillen Oceans und an der Küste deS Atlantischen Meere« sich nur je rin Dock befindet, welche» im Stande ist, unsere größten Schiffe aufzunehmeo, und daß da» letztere sich seit sechs Monaten dauernd im Zustande der Reparatur befindet. Es sollten unverweilt Maßregeln ergriffen werden, um drei oder vier Docks an der atlantischen Küste, wenigstens ein- an der Küste des Stillen Ocean« und ein Schwimmdock im Golfe von Mexiko zu erbauen. Der Borrath an Munition und die Anzahl der Offictere und Mannschaften bedürfen gleicherweise der Vermehrung. Ich schließe mich dem Vorschlag de» Marinesecretairs an, indem ich den Bau eine» Schlachtschiffes erster Classe für den Stillen Ocean empfehle, sowie die Construction etlicher neuer Torpedoboote zur Vervollständigung unsere- allgemeinen Küstenvtrthtidigungs.SystemS." Und da man das, WaS der „Vorwärts" bringt, im Reichstage stet- von socialdemokratischer und häufig auch von demokratischer Seite nochmals zu hören bekommt, so wird man bei der weiteren Berathung der Flotlenvorlage wiederum vernehmen, daß ihre Annahme nur die übrigen Seemächte zu neuen Anstrengungen reizen und Deutschland statt eine- VortheilS lediglich den Nachtheil hoher Kosten bringen werde. Hoffentlich wird man dann Herrn Richter daran erinnern, daß er trotz seiner manchester- licken Anschauungen schon manche Million bewilligt bat, um die friedlichen Waffen zu schärfen, die Deutschlands Industrie und Handel nöthig hat, um beim Wettbewerb der Nationen nicht zu unterliegen. Auch die Schärfung dieser Waffen reizt die anderen Völker zu gleichen Maßregeln und zwingt unS deshalb zu fortwähren dem Fortschreiten. Jede Concurrenz ist eben „eine Schraube ohne Ende", aber wer nicht mitschraubt, bleibt am Boden. Ganz ebenso verhält e- sich mit Armee und Flotte. Sonst müßte eS, da Rußland bekanntlich die stärkste Landmacht ist, für Deutschland nicht nur überflüssig, sondern sogar schäd lich sein, ein starkes Heer oder überhaupt ein Heer zu hallen, da Rußland doch immer die stärkere Macht bleiben wird. Ein Staat wie Rumänien dürfte dann, weil von den stärkeren Heeren Rußland-, Oesterreichs und der Türkei umgeben, gar kein Heer halten. Und doch hat, wie die „Berl. N. Nachr." mit Recht hervorheben, gerade die rumänische Armee die Nothwendigkeit und den Werth ihrer Existenz glänzend er wiesen. Rumänien hat sich durch sein starkes und gutes Heer nickt nur zu einem Factor deS europäischen Friedens im Orient, sondern auch zu einer begehrenswerthen Er gänzung deS Dreibundes herangebildet. Ans Deutschland und seine Seemacht übertragen, heißt die-, daß wir als Freund und Feind ungleich weniger in daS Gewicht fallen, je schwächer wir zur See sind. Selbst das von Herrn Richter so wohlwollend behandelte England wird Deutschland als Freund wie al- Gegner wesentlich nach dem Maße der Seemacht beurtheilea, die eS zur Auf reckterhaltung der Seeherrschaft in den eigenen deutschen Meeren und, al- zweite Handelsmacht der Erde, zum Schutze seiner Handelsschiffe aussenden kann. Wer weiß, wie sick unsere BundeSverbältniffe gestalteten, wenn wir bei ber Gestaltung unsrer Heeres- und Flotten-Gerbältniffe die Doktrinen deS Herrn Eugen Richter und seiner Freunde zur Richtschnur nähmen. Wir haben übrigen- gar nicht- dagegen, Fettttletoir. Kampf und Entsagen. Lj Roman voa M. voa Eschen. Nachdruck »«rieten. Man setzte sich nun zuerst per Droschke nach dem Tattersall in Bewegung — Lilian wollte nach den Pferden und ihrer Dogge sehen, welche dorthin adreffirt waren. Man traf hier Herrn von Mangern, schickte Friedrich heim und ließ sich von Jenem weiter begleiten. Pferde und Dogge waren „all right". Die Damen sahen einen Augenblick dem Reiten in der Manege zu, verabredeten ein Rendezvous zu Pferde für den nächsten Morgen mit ihrem La- valier und schlenderten dann, Lilian ihren Lord am Halsband führend, die Leipzigerstraße entlang. Hier begegnete ihnen Heri bert in Civil. Er hatte einen Augenblick bei Papa im Reichstage vorsprrchen muffen und sich für den Tattersall verspätet. Heribert, den FiffiS lustige Augen und Geplauder zehntausend Mal anziehender dünkten, als die ehrwürdigen Häupter und langen Reden derer, die über da» Wohl deS Vaterlandes zu Rath« saßen, schwenkte beinahe kühn mit den Herrschaften um. ES schien überhaupt, als ob die freie Luft einen vortheilhafteren Ein fluß auf den jungen Recken übte, als die Atmosphäre deS Salon» — ordentlich unternehmend schritt Heribert jetzt neben dem kleinen Dämchen einher. Ftffi erklärte, daß sie ihn erst gar nicht wieder erkannt habe, daß ibn da» Eivil besser kleide, als die Uniform, und daß überhaupt ein netter Mensch stets netter in Civil auSsäh«. „Diese Erfahrung haben Sie an un» gemacht, Fräulein Fiffi", neckte Mangern, der gestern Abend noch dou caweraäv mit der jüngsten Dernburg geworden war. Fiffi lachte, trotz der Leivzigerstraße, laut auf. Aber die» Lachen war so kindlich, die Kleine so unbefangen und niedlich, daß Niemand böse werden konnte. „In dem bürgerlichen Gewand kommt die individuelle Persön lichkeit deS Menschen zur Geltung", beeilte sich Lilian, die gern philosophirte, zu erläutern, „in der Uniform nur eine gewisse Specialität der SpecieS Mensch." „Die jedoch heute Alle» bedeutet, wie man Ihnen hier bald begreiflich machen wird", scherzte Mangern. — „Fragen Sie nur AlvenSlohe, der da wie gerufen erscheint." „Ist der Herr ein solch enragirter Officier?" „Nur correct." Und in der Thai, Hauptmann von Alvenilohe war so correct, daß er trotz seiner „Absichten" di«» ungezwungen« vegrgnitz mit den Damen hier auf der Straße ziemlich fatal fand. Fataler noch, sie nun sämmtlich in die Conditorei begleiten zu müssen. In der Rücksicht auf Lilian und der Hoffnung, daß man in der Großstadt nicht gleich Bekannte treffen müsse, rang der correcte Herr endlich seinem besseren Menschen die Begleitung der DernburgS alö Geniestreich ab. Lord erregte wohlverdiente Mißliebigkeit in der Conditorei. AlvenSloh« dachte: Na, da» wollte ich meiner Frau schon abae- wöhnen, verhielt sich aber still. Merkwürdiger Weise bewies hier der junge Rau einen angenehmen Tact in der Handhabung der Dinge, indem er mit der Erklärung, die Dame sei fremd und gäbe den Hund nicht von der Hand, zugleich ein Dreimarkstück in die Hand deS Kellner» fallen ließ, worauf sich die Feindseligkeit de» weißen süßen Jüngling» sofort in Wohlwollen gegen den Vierfüßler verwandelte. Mangern war stets Freiherr, soweit er nicht im Salon von den Damen — unter Kameraden von dem ewig Weiblichen — in Banden gehalten wurde; ein Scherz, den er liebte. AlvenSlohe und Heribert waren gerade dienstfrei. So zog man, nachdem die Herren noch einige BonbonniSren capriciösester Art auf den Altar der Galanterie geopfert hatten, von Neuem die Leipzigerstraße entlang hinunter zum DönhosSplatz und wieder zurück in die Friedrichstraße bi» zu den Linden hin. AlvenSlohe, einmal in seiner Correctheit erschüttert, machte immer mehr Concesfionen an dir Verhältnisse, betheuerte, einmal in dieser Gegend, müßten die Damen sich auch noch da» CafS Bauer ansehen. Heribert, der mehr und mehr beweglich ward, l^tte fast einen Luftsprung vor Freude gethan über den kapitalen Vorschlag seine» Superior» und die Aussicht, noch länger bei Fiffi verweilen zu können. Demgemäß kehrte man auch noch im CafS Bauer ein, dessen Ruf damals noch mit frisch grünem Lorbeer unter den Lurio« fitsten der Metropolis prangte. Und noch einmal heute bewies der sonst so schüchterne, baum lange, linkische junge Mann eine erfreulich«, schnell sichere Ent schlossenheit in der Handhabung fataler Verhältnisse. AlvenSlohe batte im Hintergrund de» Salon» einen Ka meraden, Vorgesetzten, mit Frau und Schwester entdeckt. Er hielt e» für nothwendig, hier Rechenschaft über seine Begleitung der immerhin — auch da» bemerkte er jetzt unangenehm — »twa- auffallend gekleideten Damen »u geben, zumal da er der Einen von ihnen die Ehre seiner Gemahlin zugedacht hatte, und war darum seiner Truppe auf einen Augenblick fahnenflüchtig geworden. Bei der ungewöhnlichen Toilette der Damen war e» kein Wunder, wenn ein paar Studenten an dem nahen Tisch immer Rdenklicher« Blick« nach Lilian hinüLrrschicktrn, und zul«tzt «in«r der jungen Männer Miene machte, auf etwas wirkungsvollere Weise die Aufmerksamkeit der kühlen Schwarzen zu erregen. Mangern kehrte den jungen Leuten den Rücken; er merkte nichts davon. Schnell gefaßt schritt da Heribert plötzlich zu dem Bruder Studio hin. „Mein Name Freiherr von Rau, Avantageur bei den ... .Kürassiren. Bin in der Familie der Damen bekannt —" Weiter sagte der junge Mann nichts. Dies Wenige aber klang so höflich und entschieden, so verständig und verständlich zugleich, daß der Sohn der alma water gar nicht auf den Gedanken kommen konnte, er solle etwa angerempelt werden, noch selbst etwa solche rempelsüchtige Gelüste emfpand. Und wieder so diScret und schnell war Alles daS erledigt worden, daß Niemand etwas davon merkte. So hatte man sich im Ganzen herrlich amüfirt. — Am Abend wollte man in die Oper gehen. Ob denn Wolf Billete bekommen hätte? Ja der Major hatte noch glücklich Billete für den „Lohengrin" erstanden, brillante Plätze! — Sie werven sich eilen müssen, der Wagen ist auf ein halb sieben bestellt; die Introduktion ist schön. Fiffi findet, daß die Tage zu kurz für Alles find. Schweigend hatte Helja den Berichten der Dernburg» ge lauscht; manch »in Scherzwort war dazwischen gefallen, Wolf liebte eine heitere Neckerei. Auch eben, als man sich in Bewegung setzte, blieb Helja zum Stillsrin verurtheilt. Natürlich forderte Niemand das junge Mädchen zum Mit gehen auf. Sie war arm, einzig zum Lernen und Arbeiten in Re Hauptstadt gekommen. Herb wollen sich Helja- blasse Lippen schließen — Wolf be dauert, daß er Re Damen nicht begleiten kann; er hat noch eine dringend« Arbeit zu erledigen für den morgenden Vortrag. Ein wenig später, und Helja fitzt auf dem kleinen Sessel in ihrem stillen Hinterstiibchen. Siegreich kämpft ein Lächeln mit dem herben Zug um den kleinen Mund. Sie hat sich ausgesöhnt mit dem, was sie eben wieder einmal drückend und traurig empfand, dem Leben in der Fremde, der Arbeit umS Brod, dem Unterricht, vor dem ihr bangte. — Sie will geduldig werden, will sich ernstlich mühen mit all den fremden Menschen, vor denen sie sich im Innersten scheut. DaS Leben ist so schön, und «» giebt so gute Menschen; er — und seine Mutter, seineMutter — und er. Immer lichter werden de» Mädchen» Züge, leicht öffnen sich die blassen Lippen, ihr kaum bewußt, zieht r» darüber hin, das alt modische Lied, mit dem sie heute schon einmal einen so glück lichen Erfolg gehabt hat „Du List m«in Traum in siill«r Nacht!" Nebenan wandert Wolf mit großen Schritten auf und ob. Er liebt es, sich seine Gedanken auf diese Weise zurecht zu legen. Der Teppich dämpft seinen Schritt. Dazu ist in Anbetracht von Heljas musikalischer Ausbildung Re VerbindungSthür der Zim mer so geschickt mit Matratzen und Portieren behandelt, daß kein störender Laut von dem einen in daS andere hineindringen kann. Nur wie auS weiter, weiter Ferne klingen eben ein paar Töne an Wolfs Ohr, die — man kann e» allerdings kaum erkennen — von großem Wohllaut durchathmet sind. „Schade", sagt der Generalstäbler da, wie am Motgen der Professor. Man weiß nicht, thut es ihm leid, daß er so wenig nur hört, oder denkt er, wie Jener, an die jugendliche Liebhaberin, die hier im stillen Hinterzimmer einsam und allein der Welt und sich selbst verloren gehen soll. Die Töne schweigen — — „Schade", murmelt Wolf noch einmal. Dann setzt er sich nieder an seinen Schreibtisch, Re nunmehr geordneten Gedanken hier festzuhalten, wie er sie morgen braucht. VI. Sehr verschieden von Helja Hausen richteten die Dernburgs ihr Leben ein. Zuerst wurden Besuche gemacht, mehr noch, als es sonst Frau von Weilar bei ihren Schützlingen zu halten Pflegte. Im Punkte der Geselligkeit stimmten die Schwestern überein und Tante Hilde hatte sich um sie nicht viel zu sorgen. Die Mädels, gut auSsehend und elegant gekleidet, von gutem Namen und reich — da brauchte man um keinen Tänzer sich erst groß zu bemühen, man konnte mit voller Gemüth»ruhe die Sache an sich herankommen lassen. Die jüngste Dernburg begleitete ah und zu Tante Weilar in die Vereine der christlichen Barmherzigkeit. Und wenn selbst hier der kleine Irrwisch eS nicht lassen konnte, den übermütytgen Kobold zu spielen, so wurde ihm da» nicht nur liebreich verziehen, Fiffi wurde sogar auch hier sehr gern gesehen. Streute sie doch, wie ein guter Geist im Märchen, da» Geld mit vollen Händen aus, sobald nur die alten Damen einmal kläglich Re Köpfe neigten, trauernd, daß die Mittel der Lasse wieder nicht reichen wollten. Nicht minder gern spazierte die kleine Dame in den großen Derkehrsstraßen herum. Dir Läden, das Kaufen machte ihr riesigen Spaß. Wie oft kehrte sie mit leerem Portemonnaie, dazu mit einem hübschen Conto hinter sich, aber auch mit vollen Händen und strahlenden Augen von solchen Gängen heim! Es war meist sehr hübsches, doch ziemlich unnützes Zeug, was sie ein gekauft hatte. Niemand aber konnte schelten, wenn sie mit lustigem Eifer in den schon recht reich au»gestatt»ten Räumen nach «in«r Stell« sucht«, wo sich noch solch «in Kram anLringen ließ,
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