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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.01.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-01-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980112020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898011202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898011202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-01
- Tag1898-01-12
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(6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis» vrrzeichniß. Tabellarischer und Zissrrnsatz nach höherem Tarif. Extra-Vellage» (gefalzt), nur mit d» Morgen»Ausgabe, ohne Postbesörderunj- 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittag- 10 Uhr. Arorge u.Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Vei den Filialen und Annahmestellen je ein» halbe Stund« früher. Anzeigen find stet» an die Erpediti.» zu richten. Druck and Verlag von L Potz in L«k»ziH 92. Jahrgang. ' Politische Tagesschau. * Leipzig, 12. Januar. Ueber die Stellung der polnischen Reichstagsfractio» zur Alottenvorlagc werden bekanntlich von der polnischen Presse die widersprechendsten Nachrichten verbreitet. Nachdem eine Zeit lang angedeutet worden war, die Fraction stehe so ziem- ltch auf dem vom Centrumssübrer vr. Lieber bei der ersten Lesung der Vorlage dargelegten Standpuncte, hieß es dann plötzlich, die Fraction werde für die Vorlage stimmen, und dieser Meldung folgte bald darauf die andere, die Fraction habe zwar über ihre Stellung zu dem (Entwürfe noch gar nichts beschlossen, aber ihre Wähler seien entschiedene Gegner desselben. Der Zweck, dem dieses zweifellos abgekartete Spiel dienen sollte, wird jetzt plötzlich klar durch eine höchlich überraschende Enthüllung über Handelsgeschäfte, die zu Anfang der laufenden Legislaturperiode zwischen den Polen und der damaligen preußischen Regierung betrieben worden sind. Am verflossenen Sonnabend fand nämlich in Schroda, das dem deutschen Reichstag zwei Mitglieder aus der Zahl seiner Bürger geschenkt hat, Herrn Propst ».Jazdzewski und Herrn Kaufmann Kubicki, eine polnische Wählerversammlung statt, a» der außer diesen beiden Herren noch der preußische Landtagsabgeordnete v. Glembocki theilnahm. Dabei gab Herr Kubicki, nach Mittheiluug polnischer Blätter, beim Bericht über die Stellungnahme der polnischen Fraction zur — Militair- vo rlage eine Mittheilung zum Besten, die im hohen Maße compromittirend für die damalige Regierung ist. Er sagte, nicht die Polen hätten sich damals der Negierung genähert, sondern die Regierung sei an die polnische Fraction herangetrelen und habe ihr die Einführung der polnischen Sprache in den Elementarschulen angeboren für den Fall, daß die polnischen Ab geordneten für die Militairvorlage stimmten. Auch dann noch sei die Ansicht der polnischen Abgeordneten gethcilt gewesen, bis ein Schreiben in der Fraction ein getroffen sei, welches dafür bürgte, daß die Negierung ihr Wort halten werde. Das war Vie erste Scene. Ueber die zweite meldet der Bericht: Herr v. Jazdzewski berichtigte die Ausführungen Les Vor. redners, soweit Lies die Discretion, weiche ihn als Abgeordneten verpflichte, gestatte. Wenn die polnische Fraction sür die Militair- Vorlage gestimmt habe, jo beruhe ihr Verhalten weder auf irgend welchen Verhandlungen mit der Regierung, noch aus irgend welchen auf Gegenseitigkeit gestützten Verpflichtungen. Davon könne gar keine Rede jein. Die Fraction sei nach reiflicher Ueberlegung zu der Ueberzeugung gelangt, daß eine plötzliche Frontänderung der Polin- scheu Aolksgesammtheit unberechenbare materielle und moralische Verluste zusügen würde, und dies allein sei für ihr Verhalten maß« gebend gewesen. Verhandlungen seien zu damaliger Zeit bereits seitLangem, unabhängig von der Abstimmung über die Militairvorlage, zwischen dem Ministerium und der polnischen Fraction gepflogen worden. Die Fraction habe es demgemäß durch ihr oppositionelles Verhalten mit der Regierung nicht verderben wollen, um so weniger, als kein neuer Grund hierfür, nachdem sich die Fraction bereits einmal für die Vorlage erklärt habe, hinzugetreten, die zweijährige Dienstzeit eine thatjächliche Erleichterung sür das Volk sei und die Regierung das Versprechen gegeben und es bisher auch gehalten habe, daß durch die Neuregelung der Dienstpflicht keine neuen Lasten die niederen Volksschichten treffen würden. Aus dem Vergleich der beiden Reden ergiebt sich, daß Herr v. Jazdzewski nur Nebensachen „berichtigt", im Uebrigen die Ausführungen seines Mitbürgers und Fraclionsgenossen bestätigt hat. Es ist selbstverständlich, daß die Herren Kubicki und v. Jazdzewski auf die Militairvorlage, die zu Anfang der Legislaturperiode unter dem Reichskanzler v. Caprivi erledigt wurde, jetzt nicht zurückgekommen wären, wenn nicht Vie Enlscheibung über die Flottenvorlage nahe bevorstände und wenn die Herren nicht die Absicht gehabt hätten, einer seits den polnischen Wählern klar zu machen, daß ihre Ab geordneten auf politische Handelsgeschäfte sich verstehen, und andererseits in Berlin die Folgen der vor fünf Jahren zwischen dem Ministerium und der polnischen Fraction gepflogenen Ver handlungen in Erinnerung zu bringen. Auch der Zweck der widerspruchsvollen Meldungen der polnischen Presse über die Stellung der polnischen Fraction zu der Vorlage ist nun völlig klar: diese Meldungen sollen die polnischen Wähler vor verfrühten Kundgebungen nach einer oder der andern Richtung abhalteu und der preußischen Regierung zu Gemüthe führen, daß die polnische Fraction eine Handelsgesellschaft geblieben ist. Daß man in Berlin, wo ja Kenner der Vor gänge während der Berathung der Militairvorlage noch jetzt von hohem Einflüsse sind, den damals betretenen Weg auch jetzt verfolgen wolle und deshalb den Erzbischof v. Stablewski be rufen habe, glauben wir nicht. Daß aber Herr v. Stablcwski seinerseits jene Verhandlungen wieder aufzunehmen versucht und zu diesem Zwecke seine für das Ohr des Kaisers bestimmten Aeußerungen in die Presse gebracht habe, ist sehr wahr scheinlich. Wir halten cs daher für dringend nöthig, daß die in Schroda gemachten Enthüllungen im preußischen Abgeordneten Hause zur Sprache gebracht und von den national gesinnten Parteien nach Gebühr gewürdigt werden. Die deutsche Bevölkerung nicht nur in den Ostmarken, sondern im ganzen Reiche ist durch den Besuch des polnischen Erz bischofs in Berlin beunruhigt worden und wird durch die Schrodaer Enthüllungen noch mehr beunruhigt werden; sie hat Anspruch darauf, vergewissert zu werden, daß derartige Handels geschäfte einer traurigen Vergangenheit angehören. In der Rede zur Eröffnung des preußischen Landtags vermißt die „Germ." „vor allen Dingen eine Ankündigung von Vorlagen kirchcn-olitischcn Inhalts, um endlich den traurigen Rumen des Culturkampfs ein Ende zu machen und den Frieden wiederherzustellen". Mit anderen Worten: Vorlagen, welche den noch aufrechterhaltenen Rest der kirchenpolitischcn Gesetze, also jede Eontrole des Staates über die Vorbildung und Anstellung der Geistlichen, jede Schranke für die Ausbreitung des Ordenswesens, ferner jeden Einfluß der katholischen Gemeinden auf die Ver waltung des kirchlichen Vermögens rc. beseitigen würden. Daß das klerikale Blatt derartige Vorlagen „vermisse", ist selbstverständlich nur eine Redewendung; eS wird nicht ge glaubt haben, daß solche in der Eröffnungsrede angekündigt werden könnten. Aber die letzte Session der Legislaturperiode soll ohne Zweifel vom Eentrum ganz besonders benutzt werden, um daö in der katholischen Bevölkerung allgemach verglimmende Interesse an dem Kampfe gegen Gesetze, welche sie nicht als lästig empfindet, zum Theil sogar, wie das über die kirchliche Vermögensverwaltung, schätzt, wieder anzufachen. Vielleicht soll auch nach polnischem Muster der Regierung zu verstehen gegeben werden, daß es nur an ihr liege, wenn preußische Mitglieder der Centrumsfraction des Reichstags „Bedenken" gegen daS „Flottenseptennat" äußern. Die Führer des cnglischen Maschincnbauarbcitcrstreiks lassen in der Absicht, die dem von den Trave-Unionö ange zettelten Ausstande im Maschinenfach verloren gegangenen Sympathien des Publicums wenigstens tbeilweise zurück zugewinnen, in den Arbeiterblättern neuerdings behaupten, der ablehnende Standpunct der Arbeitgeber gegenüber den Forderungen der Streikenden sei nicht blvs mit den Grund sätzen der Humanität, sondern auch mit dem Interesse der nationalen Industrie unvereinbar, weil ein unter diesen Umständen erfochtener, noch so vollständiger Sieg der Arbeitgeber immer noch viel zu tbeuer erkauft sei durch die zurückbleibende ungeheure Verbitterung der Arbeiter. Dem gegenüber ergreift nun eine für die Beurtheilung des schäd lichen Einflusses der englischen Trade-Unions auf die Arbeiter gesinnungen so kompetente Persönlichkeit, wie der seiner Zeit durch seine Festigkeit im Londoner Gasarbeiterstreik weithin bekannt gewordene Director der Londoner Gaswerke Mr.George Livescy das Wort zu einer schlagenden Widerlegung. Er weist aus der Fülle seiner mit den GaSarbeitern gemachten Erfahrungen nach, daß der Trade - Unionismus syste matisch auf Vergiftung deö Verhältnisses der Arbeiter zu ihren Arbeitgebern hinwirkt. Nach allen denjenigen großen Arbeiterausstäuden der letzten Jahrzehnte, die von den Trade-Unions gewonnen wurden, nahm die Disciplinlosigkeit, die ArbeitSunlust, die Aufsässigkeit der sieg reichen Arbeiter gegen die Arbeitgeber überhand, während überall, wo die streikenden Trade-Unions Niederlagen erlitten, mit dem Rückgänge ihres Einflusses auf die Arbeiter auch eine merkliche Besserung des unter den Arbeitern herrschenden Geistes Hand in Hand ging. Insbesondere ist das Ver- hältniß der Arbeiter zu den Arbeitgebern der Gasindustrie nach der letzten schweren Niederlage des Trade-Unionismus besser als während der ganzen vorhergegangenen 50 Jahre. In wenigen Wochen tritt das norwegische Storthing zusammen. Damit erreicht die Regierung des CoalitionS- Ministeriums Hagerup ihr Ende, und die im Storthing zu so großer Mehrheit gelangte Partei der Linken wird auch die Regierung übernehmen. Aber wer soll Hagerup'S Nach folger werden? Zwei Eandidaten stehen zur Wahl, und die Entscheidung hierüber wird für Norwegen« Zukunft bedeut sam werden. Der radicale Flügel der Linken wünscht den alten, mehr als 70jährigen Steen wieder an der Spitze der Regierung zu sehen. Steen zählt, obwohl er sich in ge mäßigteren Formen hält, als etwa der intransigente Ullmann, doch zu den Extremen; ein Ministerium Steen würde die Aufrollung aller zwischen Nor wegen und Schweden schwebenden Fragen im Sinne eines Conflictes bedeuten. Jndeß hat sich eine Scheidung zwischen den Extremen und den gemäßigten Elementen der Linken vollzogen. Während „Dagblad" für eine Ne gierung Steen einlritt, ist der Candidat von „VerdenS Gang" Konow. Wollert Konow, ein bei Bergen ansässiger Kauf mann, der einer der ersten Familien deS WestlandeS an gehört, unter Anderen mit dem dänischen Dichter Oehlschläger nahe verwandt ist, ist weder in seinen Ansichten entfernt so radikal, noch seinem Charakter nach so eigensinnig, un verträglich und selbstbewußt, wie Steen. Steen ist der echte Vertreter des norwegischen DoctrinarismuS, Konow eine staatSmänniscb und conciliant angelegte Natur, von deren Zugehörigkeit zur Linken man sogar nur bedingungsweise reden kann. Wie wir zuverlässig wissen, ist König Oskar der Candidatur Konow lebhaft zugeneigt, und die gegen wärtige Sachlage ist die, daß Konow's Chancen allgemein für die günstigeren gehalten werden. Die Folgen, die ei i Ministerium Konow nach sich ziehen würde, seien heul: nur kurz dahin angedeutet, daß Schweden gegenüber ein: entschlossene, aber maßvolle Haltung eingenommen werd: l würde, in der inneren Politik Norwegens aber die Bildung eines gemäßigten Centrums unter Zustoß von recht- uns links zu erwarten wäre. WaS geht in Serbien vor? Das unruhige Königreich scheint wieder einmal vor einer Krisis zu stehen, deren Ur sachen hauptsächlich in den verworrenen Verhältnissen am KönigShofe zu suchen sind. Der jugentliche König Alexander Hal sich bekanntlich dazu verleiten lassen, seinen Vater Milan, der so oft feierlich versprochen hatte, nie wieder Serbiens Boden zu betreten, selbst ins Land zurückzuberuseu und nun gar an die Spitze der Armee zu stellen, eine Maßregel, die überall Mißfallen und Befürchtungen erreg«. In Konstantinopel betrachtet man die Ernennung Milan - zum Oberstcommandirende» als den Beginn einer Angrifst- politik Serbiens. Nachdem die Bewilligung der drei bul garischen Bischofssitze erfolgt ist, erklärt man serbischerseitc-, daß die Serben unter allen Umständen ebenfalls drei Bischofssitze in Makedonien beanspruchen würden, und die gegenwärtigen militairischen Maßnahmen der Bel grader Regierung werden als offenkundige Drohungen angesehen, welche die Gewährung der Forderung er zwingen wollen. Andererseits wird versichert, die Bc rufung Milan's habe, und daS bezeichneten wir schon als das Wahrscheinlichere, mit der auswärtigen Politik nichts zu thun, sondern sei erfolgt, nm die inneren Verhältnisse zu „saniren", und zwar wäre es nach den Belgrader Berichten der »K. Ztg." unbedingt nöthig gewesen, den Exkönig Milan in diese einflußreichste Stelle, in welcher er, nicht König Alexander, thal sächlich regiert, zu berufen, weil der jungr König quasi regierungs unfähig sei. Der junge Mann sei, wir allgemein bekannt, in deu letzten Jahren geistig und körperlich zurüagegangen. Er scheine schon jetzt nervenkrank zu sein, verfalle zuweilen in Trübsinn und finde trotz seiner 21 Jahre mitunter an gar nichts mehr Gefallen. Dabei sei er willenlos und lasse sich, wiewohl er Niemandem traue, eigenthümlicher Weise von Jedermann überreden und überlisten. Und das Alles inmitten der trostlosen politischen Lage. Dabei fällt eine eigenthümliche Beleuchtung auf die Vorgänge am Belgrader Hofe durch eine Skandal asfaire, in welcher die Pester Varivte-Sängerin Rosa Benkö die Hauptrolle spielt. „Man" suchte, wie der „B. L.-A." zu berichten weiß, den König zu zer streuen und verschaffte ihm „flüchtige" Beziehungen zum schönen Geschlecht, und unter diesen Huldinnen befand sich auch die Benkö, die in Verbindung mit Pester Freunden jene Beziehungen nachher auSzubenten suchte und sich auf Erpressungen legte. Es wurden Placate angefertigt, auf welchen die Variötö-Dame als „Alexandrine Obrenowic, Stern der Belgrader Burg" sigurirte, und Photographien deö Königs mit dessen eigenhändiger Unterschritt und glühenden Liebesergüssen in Verkehr gebracht. Jetzt fand cS der serbische Generalconsul Barlovac für gc rathen, einzuschreiten, und eS wurde polizeilich sestgestellt, daß die Benkö einige Bilder des Königs gekauft, dieselbe» be schrieben und die Handschrift deS Königs gefälscht hatte. Auf Grund dieser Erhebungen wurde sie an die Landesarenze Ungarns befördert, woraus sie sich nach Wien begab. So die Darstellung des „B. L.-A." und des „Neuen Pester Journals". Ferrrllstsn. Kampf und Entsagen. 8j Roman von M. von Eschen. Nachdruck verbot«». VIII. Wenige Stunden später hat die kleine Gesellschaft einen jener reizenden Plätze bei Dresse! inne, wo man sich so ungestört von seiner Umgebung und doch mit einem Ausblick auf deren Treiben vergnügen kann. Mangern hat richtig seine Karte im Club bekommen und sich mit Vergnügen eingestellt. Ein Fragezeichen schwebt noch an Stelle der anderen Herren. Das Alles stört die Laune nicht. Unter Scherz und Neckerei wird die Speisefolge festgesetzt. Man tafelt heiter; doch bleibt die Unterhaltung leis und gehalten. In seinem neuen Curs findet Wolf das Fahrwasser doch leichter, als er gedacht hat. Wenn er sich im Anfang Mühe gab, vergnügt zu sein, so ist er es jetzt wirklich geworden — freilich, wenn er sich auch nicht mit ihr beschäftigt —, das Mädchen mit den feuergoldenen Locken, dem süßen Lächeln um den kleinen Mund, das ihm lieber geworden ist als er weiß, sitzt ja mit in der Runde. Lilian ist ganz plötzlich, wie durch Zauber, zu der Ansicht gekommen, daß man einmal heirathen muß. Vielleicht, daß sie es schließlich müde wird, dies Treiben, das sich überall so gleich wiederholt, so leer läßt und so enttäuscht! Vielleicht auch, daß sie unbewußt nach einem Halt sucht, nach einem Schutz vor Etwas, das sie nicht kennt, nicht kennen mag, vor dem ihr un bewußt vielleicht auch bangt, daß es kommen könne, um ihr Wesen umzuwandeln. Ja, eine Frau muß heirathen, hat Lilian soeben entschieden. Und weiter hat sie dann für sich gefolgert, daß Vetter Wolf mit seinem Namen, seiner CarriSre, seiner Erscheinung und seinem Charakter unter ihren Verehrern wenigstens die zuver lässigsten Aussichten bietet für die Ansprüche, welche eine Dame wie sie an das Leben stellt. Jedenfalls verdient der Vetter, daß man sich ihn mal genauer darauf ansieht. Da Fräulein von Dernburg keinen Augenblick bezweifelt, daß Geld für Alles den Ausschlag giebt, ist sie auch keinen Augen blick im Zweifel, daß Wolf nicht unempfindlich bleiben kann für den Werth ihrer Persönlichkeit, der in ihrem Vermögen be gründet liegt. Die Bereitwilligkeit, mit welcher der Major sofort ihren Wünschen nachkommt, bestätigt nur des Mädchens Anschauung in diesem Punct. Und wenn sie darum nicht besser von dem Vetter denkt, so schadet es ihm doch auch in ihren Augen nicht. So kommt es, daß Liisa» unt^ Wolf sich heute ganz plötzlich und ohne irgend welches Zythun vnmer besser verstehen, immer näher zu treten scheinen. Nach und nach füllt sich das Local. Neugierig, staunend blickt Helja in das Treiben hinein. Vor Allem jedoch ist sie entzückt über Wolf's Nähe. Immer lieber kehrt ihr Blick zu ihm zurück. In dem Summen und Schwirren ringsum lauscht sie nur auf seine Stimme. Daß er sich zumeist an Lilian wendet, ist natürlich. Helja ist gewohnt, keine Rolle in der Gesellschaft zu spielen, sie denkt nicht an sich, sie freut sich ausschließlich an ihm! Endlich blickt sie einmal in den Spiegel, gehorsam, wie Mangern, der heute seinen Platz neben ihr gefunden hat, neckend befiehlt. Und immer wieder schaut sie nach dem Bilde, das da aus dem glänzenden Glase ihr gegenüber herausschaut. Lilian in schillerndem Sammet, sehr vornehm, eine Königin gegen das kleine Mädchen neben ihr, das aber ein Köpfchen hat, gleich dem Schneewittchens, viel tausend Mal schöner, als jede Frau Königin. Und Helja freut sich an sich selbst, freut sich auf den anderen Morgen, auf das Leben und sein Glück — lächelt und nickt hoffnungsselig ihrem Bilde zu. — Mit dem steigenden Abend verändert sich die Atmosphäre, der Duft des Weines, die blauen Wölkchen der Havannahs, mischen sich mit einander und steigern auch die Hitze in dem Raum. Mit trübendem Hauch beginnt sie ihre Spuren auf den glänzenden Gläsern zu zeichnen — trüb und verwischt schaut jetzt des Mädchens Bild aus dem großen Spiegel herüber; gleich einem Schatten liegt es auf der heiteren Stirn; und dem seligen Frieden des lächelnden Mundes gesellt sich ein schmerzlich-banger Zug, um so mehr, als Wolf und Lilian sich selbst genug zu sein scheinen. Daß es an seinem Herzen reißt, daß er sich selbst sehr heroisch vorkommt, wie er animirt animirter wird, sich der Aufmerk samkeit gegen eine Dame »ii LUian befleißigt, nur damit ein kleines armes Mädel sich überzeugen soll, daß er heiter sein kann ohne sie; das anzunehmen kann Niemand von solch einem armen kleinen Mädel verlangen. Der Tisch nebenan, der letzte noch unbesetzte hier, war mitt lerweile von einer Dame und zwei Herren eingenommen worden, welche, den mitgeführten Operngläsern nach, aus dem Theater kamen. Die Dame, eine üppige Brünette in dem Alter, in welchem bei den Franzosen die Frau erst interessant wird, erwies sich, nachdem der Pelzmantel von ihren Schultern gefallen, als ziemlich auffallend und mit einer Verschwendung von Brillanten gekleidet. Sie warf sich mit einer gewissen Lässigkeit, die vornehm sein sollte, auf ihren Stuhl, glättete an den langen Handschuhen, schaute sich um, zupfte an den Spitzen und Falbeln ihres Kleides und schaute sich wieder um. Sie that Alles, um Aufsehen zu erregen und mit dem jüngeren der Herren zu kokettiren. Der Aeltere, ein guter Fünfziger, mittelgroß, breischulterig, mit fleischigen Zügen, glattrasirtem Kinn, englisch geschnittenem Bart, dicken Händen und Fingern, einem Bäuchlein, wie ge schaffen, die massive Uhrkette zu schaukeln, sah dem Treiben zu mit einer Miene, ungefähr wie der große Hofhund das Kläffen eines kleinen Köters hinnimmt, oder wie ein Mann, der das Portemonnaie und damit das Regiment in Händen und eine schöne Frau nur zum Staat sich hält. In der That war dem Manne auch nichts lieber, als wenn diese seine schöne Frau Aufsehen erregte und die Welt zu ihren Füßen sah, was ihm gleichbedeutend mit vornehm erschien. Der junge Herr, der der dunkeläugigen Frau den Hof machte, machte sich damit auch dem Gatten nur angenehm — und er füllte einfach außerdem einen Act der Dankbarkeit und Pflicht: ohne der Dame Protection wäre er wahrscheinlich kaum nach Berlin gekommen, und wieder ohne sie würde ihm die Metropolis jedenfalls sehr viel weniger angenehm gewesen sein. Ueberdies stellte man in obigem Puncte keine übertriebenen Anforderungen. Die Toleranz, welche die temperamentvolle Frau von ihren Ver ehrern für sich beanspruchte, gewährte sie — eine liebenswürdige Ausnahme ihres Geschlechtes — auch ihnen wieder. So ließ denn der junge Mann bald seine Blicke suchend durch die Räume schweifen und nahm schließlich Fiffi als einen allerliebsten Käfer auf's Korn, zum größten Vergnügen seiner dunkeläugigen An gebeteten, die ihrerseits das bekannte Geplänkel in Blicken und Mienen mit einem schlanken Ulanen an etwas entfernterem Tische eröffnete. Der junge Mann ist ein hübsches und offenbar auch ein flottes Kerlchen. Der modernste Rock des modernsten Schneiders konnte nicht die Feinheit seiner Glieder verdecken, noch deren leichte Beweglichkeit hindern. Er hatte einen schmalen Kopf, dichtes, weiches, schwarzes Haar, ein schmales Gesicht mit kühn geschnittenen Zügen von etwas gelblicher Färbung und einem entschieden ausländischen Gepräge. Dazu ein sorgfältig gedrehtes Bärtchen und ein Paar hübsche, spitzbübisch lustige schwarze Augen unter schwarzen Brauen. Und er weiß diese Augen zu gebrauchen. Feurig, neckend, bewundernd, schmachtend, dazwischen zur Abwechselung auch mal düster, melancholisch sogar blicken sie zu dem jungen Mädchen hinüber. Er zwirbelt das kleine Bärtchen, er spricht, er lacht mit seinem Gegenüber, doch gilt es Fiffi — sie muß es ja merken, — einzig und allein. So auffallend und kühn hat noch Niemand der kleinen Dern burg seine Verehrung bezeugt. Entschieden, der junge Mann ist apart, dafür spricht auch die kostbare Kleidung seiner Be gleiterin. Fiffi war noch viel zu unerfahren, um die ver schiedenen Schattirungen oder Grenzen hier auseinander halten zu können. Aehnlich in dem Puncte empfindend, wie das große kleine Publicum, fragte sie jetzt: „Was Feines, Vetter Wolf?" Der Major sieht hinüber: „Brillanten — echt, sonst Simili, Alles!" Nun wirft auch Mangern sein Glas vor die Augen, wendet den Kopf aber gleich nach der Seite. „Seefcldt's", sagte er. „Kann aber eben keinen Gebrauch davon machen." Das Glas fällt herunter. „Zuweilen Kurz sichtigkeit am Platz." „Der junge Herr?" fragt Fiffi von Neuem. „Einen Augenblick", wispert der Freiherr. „Werde gucken, wenn man drüben wieder neutral ist." Die Gesellschaft schien bemerkt zu haben, daß man Notiz von ihnen genommen hatte. Siegfried Seefeld besinnt sich, ob ihm nicht die elegante Figur in Civil — das Gesicht kann er leider, da Mangern ihm hartnäckig den Rücken kehrt, nicht sehen — etwa schon be gegnet ist, am Ende gar in seinem eigenen Speisesaal? Frau Julie schwankt einen Moment zwischen dem stattlichen General stäbler hier und dem Ulan drüben, wendet sich aber, da Letzterer mehr zu versprechen scheint, wieder der Kavallerie zu. Der junge Mann nimmt eine sehr distinguirte Pose an, fährt mit der feinen Hand durch das pechschwarze Haar und sieht mit seinen brennenden Augen herausfordernd in die Welt. Fiffi wird ungeduldig. „Ach der", erklärt nun Mangern endlich. „Natürlich, kenne „ihm" schon! Der neue Tenor bei Kroll. Nadaszy, ein Ungar oder Slave. Wahrscheinlich die neueste Acquisition der Seefeld für den nächsten Rout." Und die Augen, das Bärtchen — ein echtes Tenorbärtchen — ein Künstler, Sänger. Ungar oder Slave — Fiffi fängt Feuer. „Haben Sie mir nicht versprochen, mich mal dorthin mitzu nehmen? Es wäre sehr nett, wenn Sie endlich Wort hielten!" erklärt die kleine Dame energisch. ES hat sich bisher nicht gemacht, oder Mangern hat es aus Rücksicht für die Weilar'» nicht möglich machen wollen, was er
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