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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.01.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-01-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980114023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898011402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898011402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-01
- Tag1898-01-14
- Monat1898-01
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V2S entnommen wurde. Um diese Andeutung des „Eclair" zu verstehen, muß daran erinnert werden, daß französische Blätter oft behauptet haben, da« Bordereau sei im Kehricht der deutschen Botschaft aufgelcsen worden. Den Karten brief habe man unter diesen Abfallpapieren zerrissen auf gefunden. Picquart wollte in der Schrift diejenige des deutschen Militair-AttachöS v. Schwartzkoppeu erkennen; daraus schloß er, daß auch nach der Verurlheilung des DreyfuS der Berratb fortdauerte und daß der Vcr- räther ein anderer Osficier sein mußte, dessen Schrift der jenigen des Bordereaus glich. In der „Anklageschrift" Navare'S war außerdem noch behauptet worden: „Picquart stellte die Bruchstücke der Rohrpostkarte zusammen, ließ sie durch Oberst Lautb photographiren und empfahl ihm, die Risse zu verheimlichen, damit er seinen Vorgesetzten versichern könne, er habe die Rohrposlkarle auf der Post abgesangen. Er verlangte auch, Louth solle bezeugen, die Rohrpostkarte sei von einer hohen ausländischen Persönlichkeit geschrieben. Dagegen verwahrte sein Untergebener sich lebhaft. . . . Picquart's Rohrpostkarte verdient keine ernste Beachtung, ihre Echtheit ist unerwiejen, ja sie ist salsch, und Picquart selbst ist ihr Verfasser." DaS ist die schwere Anklage, die gegen Picquart erhoben werden soll. Wäre sic begründet, so fiele allerdings aus die ganze Action gegen Esterhazy und für DreyfuS ein furcht bares Licht. Doch warten wir ab! Deutsches Reich. l— Reichenbach i.V., 13. Januar. Im 22. sächsischen ReichstagSwaklkreise (Reichenbach, Kirchberg rc.) ist dem Vernehmen nach von den Nationalliberalen und Eonservativen für die bevorstehende ReichStagßwabl Herr LandlagSabgeordneter Stadtrath Kramer aus Kirchberg ausgestellt worden. * Berlin, 13. Januar. Einen betrübenden Verlust hat, wie telegraphisch schon gemeldet wurde, die nationalliberale Partei zu beklagen. In Elberfeld ist einer der Senioren der Partei, der frübere nationalliberale Abg. An ton Ludwig Som bart, im 82. Lebensjahre infolge von Erkältung ver schieden. Sombart war am 14. September 1816 zu HauS Brück bei Hattingen an der Rubr geboren. Er arbeitete 1838—1850 als Geometer und Special-Commifsar in der Provinz Sachsen und war dann zwei Jahre Bürgermeister. 1850 ging er zur Landwirtbschaft über, und er hat sehr viel zur Verbesserung und Vervollkommnung derselben beizetragen. Somdart betrieb die Rübenzuckerfabrikation: wenn diese bald zu großer Höhe in der Provinz Sachsen sich entwickelte, so war dies mit ein Verdienst des Dabingegangenen. Sombart wurde Tirections-Mitglied des landwirtbschaftlicken Central- vereinS der Provinz Sachsen, deS Vereins der Rübenzucker fabrikanten im Zollverein und Vorsitzender des VerwaltungS- ratbS der sächsischen Provinziallandschaft. Auch daS preußische LandeSökonomie-Collegium zäblte ihn bald zu seinen eifrigsten und thätizsten Mitgliedern. Auf allen laudwirtbschaftlichen Aus stellungen wurden die Produkte der Sombart'schen Güter prämiirt, auch auf der Weltausstellung in Paris errang er einen hohen Preis für Zucker. In Ermsleben wurde Sombart zum Stadtverordneten - Vorsteher gewählt, und er hat dieses Amt eine Reihe von Jahren zum Wohle der Stabt bekleidet. Nach Einführung der Provinzial ordnung wurde Sombart zum LandschaftSdirector der Provinz Sachsen gewählt. Er veröffentlichte viele Auf sätze über landwirtbschaftlich - technische Fragen in Fach schriften. Bei der Neuaustbeilung lanvwirthschaftlicher Be sitzungen in der Provinz Sachsen hat Sombart hervorragend mitgewirkt; die ersten von ihm gemachten Vermessungen in dem reichen Elbedorf Fischbeck bei Tangermünde gelten als musterhaft. In das parlamentarische Leben trat Sombarl 1862 ein, er wurde für den 5. Merseburger Kreis (ManS- felder See- und GebirgskreiS) in daS Abgeordnetenhaus gewählt und schloß sich dem damaligen linken Centrum an. Sombart'S Verdienst war insbesondere die Förderung der ReotengutSgesetzgebung, der er bis zum letzten Augenblick, als er von seinen Aemtern sich zurückgezogen, ein warmes Interesse entgegenbrachte. Lange Jahre hat er den Par lamenten angehört, al- ein echt liberaler, für seinen engeren Beruf begeisterter und dabei feder extremen Agitation ab holder Politiker. So schätzen ihn insbesondere seine politischen Freunde, die auch um seiner liebenswürdigen persönlichen Eigenschaften willen ihm ein herzliches Andenken über das Grab hinaus bewahren werden. — Der BundeSrath hat in seiner heutigen Sitzung der Vorlage, betr. die Ausprägung von Zehnpfennigstücken, und mit einigen Aenderungen dem Gesetzentwurf wegen Fest stellung deS LandeSbauShaltSetatö von Elsaß-Lot bringen für 1898/99 die Zustimmung ertheilt. Sodann wurde wegen der Besetzung von zwei Mitglicderstellen bei dem ReichS- versicherungSamt und über eine Reihe von Eingaben Beschluß gefaßt. Der Generalsteuerdirector Feh re ist zum stell vertretenden BundeSralhSbevollmächtigten für daS Königreich Preußen, der OberriegierungSrath LeydHecker zum Com- miffar der LanveSverwaltung von Elsaß - Lothringen er nannt worden. — Wie der „Hannov. Cour." mittbeilt, wird Herr voaBenaigsrn in die Commission für dieMarine» Vorlage eintreten. — Die inhaltlich schon mitgethrilte CabinetSordre des Kaisers an daS Oberkommando der Marine hat folgenden Wortlaut: „Icd babe mit Befriedigung dnrcki die Meldung des comrnan- direnden AdmiralS vernommen, in welch' umsichtiger und euerqijcher Weise die Besetzung der KiaotlLao-Bucht und die Unter- nekmung gegen Haiti im Sinne der ertbrilten Instruction durch- grsührt ist. Ich nehme hieraus gerne Veranlassung, den Coinman- danken und Besatzungen Meiner dabei brtheiligteu Schiffe Meine Anerkennung auSzujprechen. gez. Wilhelm, l. k." — Der frühere Redacteur deS Stöcker'schen „Volk" und langjährige persönliche Freund Stöcker'S, von Gerlach, veröffentlicht in der „Hilfe" einen Aufsatz über die Jubiläums feier der Cbristlich-Socialen; er kommt darin zu folgen dem Erzebniß: „Die christlich-sociale Bewegung in Berlin ist wirklich todt. Ich, der ich mit heißem Bemühen so manches Jahr in ihr gearbeitet habe, glaube aus genauester Sachkennrniß die- Urtheil abgeben zu können. Uud dir christlich-sociale Bewegung im Land e, die nach der LoSlösung von der konservativen Partei auszublühen begann, ist rasch wieder zur Ruhe gekommen. Die Gründe dafür stimmen in der Hauptsache mit den Gründen überein, die überhaupt das Scheitern der christlich-socialen Bewegung verursacht haben." Als solche Gründe führt Gerlach an: das mangelnde organisatorische Talent Stöcker'S, die OrganisationStaklik der Antisemiten, die Stöcker'S agitatorische Ernte vergnügt ein heimsten, Stöcker'S verkehrte Wahl zwischen Hospredigeramt und Politik, die ihn auf letztere verzichten ließ, um feinem Monarchen „Vasallentreue" zu bewahren, die Rücksichten des christlich-socialen Führers auf sein Stadtmissionswerk, die politische Unselbstständigkeit der Rechten gegenüber, die Ver quickung von kirchlichen und politischen Bestrebungen. — Christliche GewerkschastSorganisationen sollen, wie daS Organ der katholischen Arbeitervereine „Der Arbeiter" mittheilt, demnächst in der Hauptstadt gegründet werden. — Did Commission des Wirtschaftlichen Ausschusses für Landwirtbschaft und so weiter ist zum 21. d. M. ein berufen worden. Ja dieser Sitzung wird die Untercommission, welche Mitte December getagt hat, ihren Bericht erstatten. — Die Einnahmen, die der preußische Staat aus den Gerichtskosten und Geldstrafen erzielt, ist in dem neuen Etat für 1898/99 auf 59 100 000 veranschlagt. — Einen Buchdrucker-Verein in Berlin zu gründen, haben, wie die „Post" berichtet, die sog. oppositionellen Buch drucker-Gehilfen gestern Abend beschlossen — In Sachen de» Märzgesallrnen-Denkmals wird dem „Berliner Local-Anzeiger" von angeblich bester Seite mitgetheilt, k.daß trotz aller bisherigen Dementis der Magistrat dem Beschlüsse der Stadtverordneten beitreten, und daß auch Oberbürgermeister Zelle mit der Mehrheit stimmen wird; andererseits soll eine Ver ständigung darüber angebahnt weroen, daß die Enthüllung deS Denksteins nicht am 18. März, sondern an einem späteren Termin stattfinden wird." — Die Berliner „Volkszeitung" will wissen, daß „das Staaisministerium" den Oberbürgermeister Zelle um seinen Besuch gebeten habe und daß im Lause der Unterhaltung man Herrn Zelle habe klar machen wollen, Laß er den Beschluß der Stadtverordneten, betreffend die Errichtung eines Denkmals für die Märzgefallenen, nicht ausführen dürfe. Herr Zelle habe rundweg erklärt, zu diesem Zwecke sei er nicht gekommen und müsse es ab lehnen, sich in vieler Hinsicht belehren zu lassen. — Es ist nicht recht verständlich, was die „BolkSztg." in Vielem Falle unter dem Staatsministerium versteht, denn cs ist doch nicht anzunehmen, daß man den Oberbürgermeister vor die Gesammtheit aller Minister geladen hat. Deshalb bleibt die Bestätigung dieser Nachricht abzuwarien. — Gegen daS Urtheil der DiSciplinarbehörde wider den Criminalcommissar v. Tausch, wodurch über diesen die Strafe der Versetzung in ein anderes Amt von gleichem Range mit Verlust deS Anspruchs auf Umzugskosten ver hängt worden ist, hat, wie die „Berl. Corr." meldet, die Staatsanwaltschaft die Berufung an das StaatS- ministerium eingelegt. (Wiederholt uud berichtig'.) * Königsberg i. Pr., 13. Januar. Der Magistrat beschloß, 100 000 zum Grunderwcrb für den Masurischen Canal hcrzugeben. * Marienwerder, 12. Januar. Eine beute abzebaltene Vertraucnsmännerversammlung, die von Vertretern aller deutsche« Parteien besucht war, beschäftigte sich mit der Candidatensrage für die bevorstehenden Wahlen. Einstimmig wurde, wie wir der „Voss. Zkg." entnehmen, Gutsbesitzer Witt-Kl.-Nebran, der den Wahlkreis Marienwerder-Stubm bisher im Landtage vertritt, für Reichstag und Landtag, und als zweiter Laudtagscandidat AmlSgerichtSrath Gördeler hier aufgestellt. Beide gehören der freiconscrvativen Partei an. * Schleswig, 12. Januar. Wie die dänischen Blätter des nördlichen SctleöwigS melden, hat der dänische Schul verein in NordschleSwig im Jahre 1897 an 237 Per sonen Unterstützungen zum Besuche dänischer Schulen ver liehen. In den Jahren 1894, 1895 und 1896 betrug die Anzahl 266, 198 und 200. Gegenwärtig befinden sich mit H sie des Vereins 123 junge NordschleSwiger auf dänischen Säulen. Der Verein hat bei einer Mitgliederzahl von jetzt 4740 eine Einnahme und Ausgabe von 14 377 gehabt. * Lübeck, 13. Januar. Nach der „M. Z." hat der Senat den Vertrag, betreffend die Einrichtung einer Lübecker Staatslotterie, heute abgeschlossen. * Hamel», 12. Januar. Im S. hannoverschen ReichS- taaSwahlkreiS Hameln-Springe hat der Bund der Land- wrrthe einen eigenen Candidatrn, den Gutsbesitzer MartenS, aufgestellt. An den Candidaten der National liberalen hatte der Buud der Landwirthe eine Anzahl Forderungen gestellt, die er, wie der „Hann. Cour." bemerkt, unmöglich erfüllen konnte. Jetzt ist der Wahlkreis durch Len Hofbesitzer Hische vertreten. * Rordhausc», 12. Januar. In der ersten diesjährigen Stadtverordnetensitzu»g gelangte nach einer längeren lebhaften Besprechung folgende Resolution zur Annahme: „Einer am letzten Freitag in einer Bürgcrversammlnng ge- zebenen Anregung folgend und unter Bezugnahme auf ihre am 22. November v. I. gefaßte Resolution bekräftigt die Stadtverordnetenversammlung aufs Neue ihre Bereitwillig keit, auch finanziell die Anlage des Nationalfestspiel platzes am Kyfshäuser zu unterstützen, und ersucht den Magistrat, bebusS Festsetzung einer Antheilsumme milden interessirten Gemeinden in Verbindung zu treten." tk. boburg, 12. Januar. Die hiesige Handelskammer hat einstimmig folgende Resolution angenommen: „Die Handelskammer für daS Herzogtum Coburg begrüßt mit Freuden die Bestrebungen, in angemessener Frist eine vater ländische Marin e zu schaffen, welche zu kräftigem Schutze und wirksamer Vertretung der überseeischen Interessen des deutschen Handels und Verkehrs geeignet erscheint, und hegt das feste Vertrauen, daß es dem Reichstage gelingen werde, eine der Flottenvermehrunz günstige Entscheidung zu finden." * Mannheim, 12. Januar. Im Anschluß an eine von Oberbürgermeister Beck auSgearbcilete Denkschrift zur Ver besserung der Arbeiterwohnverhältnisse in unserer Stadt hat der hiesige Stadtrath dem Bürgerausschuß be reits eine Vorlage unterbreitet. Darnach sollen, wie der „Schw. M." berichtet, Gesellschaften, Genossenschaften, Con- sortien und Einzelpersonen auf gemeinnütziger Grundlage die Straßenkosten erlassen werden, wenn sie sich verpflichten, die zu erbauenden Häuser in Wohnungen von 2—3 Zimmern nebst Küche einzntheilen und einen Mietzins zu erheben, der neben der Deckung der ständigen Kosten jür Stenern, Repa raturen, Abschreibungen u. s. w. den landesüblichen Zinsfuß nicht übersteigen darf. Außer den Straßenkosten wird auch der Kaufschilling für von der Stadt erworbenes Ge lände ganz oder thcilweise erlassen, wenn der Bau unternehmer außer den obigen Verpflichtungen rS auch übernimmt, die Genehmigung der Baupläne und der Mieth- zinse durch den Stadtrath einzuholen, sowie sich zur Ein führung von ein- oder zweiwöchigen Miethzahlungsterminen verpflichtet und endlich der Sladtgemeinde daS Recht ein räumt, nach 50 Jahren jederzeit die Baugrundstücke nebst allem Zubehör um den ursprünglichen Aufwand abzüglich der bisher erfolgten alljährlich '/a Procent betragenden Amortisation zu übernehmen. Endlich erläßt die Stadt Privatunternebuiern und Privatconsortien, welche mit Ge winnabsicht Arbeiterbäuser erbauen, die Slraßenkosten, falls sich die Unternehmer verpflichten, Wohnungen mit zwei bis drei Zimmern nebst Küche zu errichten, sie dauernd aut zu unterhalten und die Baupläne der Genehmigung deS Stadt- ralhS zu unterbreiten. * München, 13. Januar. Während der gegenwärtigen Session wird abermals ein Mitglied deS königlichen HauscS, nämlich Prinz Georg, ältester Sohn des Prinzen Leopold, in die Erste Kammer eintreten. Der Prinz vollendet am 2. April sein 18. Lebensjahr. (Allg. Z.) Oesterreich - Ungarn. Sprachcnsrage im Prager Landtage. * Prag, 13. Januar. Sitzung des Landtages. In der fort gesetzten Debatte über die Regierungsvorlage, betreffend die Befreiung der Personal-Einkommensteuer von Zuschlägen, sagt der Jung- tfcheche Herold, die Deutschen seien es gewesen, welche im Reichs- rathe die Erledigung der winhschaftlichen Angelegenheiten verhin derten. Der deutschradicale Jro meint, an eine dauernde Bethel- ligung der Deutschen an Len Landtagsverhandlungen sei nach der Stimmung in den Kreisen der Deutschen nicht zu denken, so lange di» Sprachenverordnungen ganz oder auch nur thcilweise in Kraft bleiben. Hieraus wird die Vorlage an eine Commission verwiesen und der Sprachenantraq des Abgeordneten Grafen Bouquoy (Einsetzung einer Sprachen-Commission) in Ver handlung gezogen. An Stelle des erkrankten Antragstellers be gründet Prinz Lobkowitz Len Antrag. Dieser beginnt seine Rede in tschechischer Sprache, wobei er durch Zwischenrufe: „Er soll deutsch reden" unterbrochen wird. Unter andauernder Unruhe fährt Redner in deutscher Sprache fort, wobei die tschechischen Abgeordneten rufen: „Er soll tschechisch reden". Redner führt in deutscher Sprache unter großem Lärm aus, der Antrag bedürfe eigentlich keiner Begründung, da ja die Sprachen frage heute die brennendste sei. Ais Prinz Lobkowitz von der vermittelnden Thätigkeit des Großgrundbesitzes spricht, wird er neuerdings von zahlreichen Zwiscdenrufkn unterbrochen. Er schließt unter großem Lärm mir dem Anträge, daß die Commission, welche über die Sprachenfrage beantragt worden sei, alle ein- ichlägigen Fragen in Beralhung ziehe, und richtet einen Appell an die Abgeordneten zu einer beiderieitigrn Versühnung. Der deutjch-volkliche Abg. Schlicker begründet die Nothwendkgkeit der Abgrenzung der Bezirke und sagt, die Deutschen werden von der Entschieden heit ihres Auftretens nicht ablassrn, bis di» Sprachenvrrord- nun gen aufgehoben sind. Redner greift die Regierung an, welche sich hinter dem Anträge des Großgrundbesitzes verstecke. Während der Rede Schücker'S kommt eS zu einem heftigen Auftritt zwischen den Abgeordneten Wolf uud BrzrzuowSky, wodurch die Rede Schücker'S unterbrochen wird. Der Oberst-Land- marjchall untersucht den Fall. Abgeordneter BzreznowSky erklärt, er habe in einer Gruppe mit anderen Abgeordneten, darunter dem Abq. Ka-wendel gestanden, welcher ihm sagte: „Ihr werdet einmal bcdaueru, daß Ihr uns wirthschasllich auShungern wollt, wir sind stärker als Ihr", woraus BrzeznowSky antwortete: „Ja, mit preußischen Spionen." Damit habe er aber nicht die Abgeordneten gemeint, sonst würde er nicht mit ihnen zusammen sitzen. Der Obrestlandmarschall erklärt den Zwischen fall für erledigt. Abgeordneter Sch Ücker fortfahrenv, führt auS, die Deutschen seien gegen den Antrag Bouquoy, da eine Verständigung in dieser Commission unmöglich sei, und da die Deutschen die Competenz des Landtage- in dieser Ange legenheit nicht anerkennen. ES sei eine ReichSgesrtzvorlaqe einzubringen. Die Deutschen werden in diese Commiision nicht gehen, sondern in jene, welche sie für ihren Antrag auf Aushebung der Sprachenverordnungen verlangen. Der Iungtscheche Enget erklärt, die Jungtjchechen stimmen für den Antrag Bouquoy und werden in der Commission für eine gerechte Lösung der Sprachen frage eintreten. Der deutschvolkliche Abgeordnete Prade greift den Statthalter Coudenhove an und sagt: Wir werden trotz aller Dennnciationen immer deutsch „die Wacht am Rhein" singen. Die Sitzung dauert fort. (Ausführlich.) * Prag, 13. Januar. Landtag. (Fortsetzung.) Nach dem Abgeordneten Prade führte der Iungtscheche Herold aus, rS könnte, wenn man io der Commission für den Antrag Bouquoy mit gutem Wollen eintrete, doch noch zn einer Verständigung kommen. Herold schloß mit der Erklärung, die Deutschen könnten einmal bereuen, die Hand, die ihnen heute entgegengeftreckt worden sei, nicht ergriffen zu haben. Mehr, als sie heute gethan, könnten die Tschechen nicht thun, weil es ihnen ihre Ehre verbiete. Die Verhandlungen über den Antrag Bouquoy wurden hierauf ab gebrochen, und der Statthalter Gras Coudenhove beantwortete die Interpellation WerunSky über die Vorfälle in Prag. * Prag, 13. Jannar. Landtag. In der bereits gemeldeten Rede zur Begründung des Antrages Bouquoy führte Prinz Lobkowitz aus, dem konservativen Großgrundbesitze werbe von vielen Seiten eine vermittelnde Rolle zugetheilt; derselbe sei nicht auf nationaler Basis ausgebaut, er zähle in seinen Reihen auch eine große Anzahl konservativer Deutscher. Alle Mitglieder hielten an den Grundsätzen der Einheit und Untheilbarkeit des Königreichs Böhmen, der Gleichberechtigung der Sprachen, der Machtstellung der Monarchie nach außen und der friedlichen Entwickelung des wirthschastlichen Leben- deS Landes fest. Redner weist aus die Stimmen auS Len verschiedenen Lagern hin, welche den Frieden wiederherzustrllen wünschen, und sagt, der Antrag sei in der besten Absicht eingebracht worden, um allen fried lichen Einwohnern Gelegenheit zu geben, sich klar über die Frage auszusprechen. Redner stellt einen Zusatzantrag, nach welchem der im Anträge Bouquoy geforderten Commission alle die sprachlichen Verhältnisse Böhmens betreffenden Anträge znznweisen sind. Redner schließt mit den Worten: „Der Ausblick auf eine Verständigung wäre das schönste Jubiläumsgeschenk, welches der böhmische Landtag Seiner Majestät darbringen könnte." (Lebhafter Beifall rechts.) * Prag, 13. Januar. (Landtag.) Die Interpellation Werunsky's hinsichtlich der Prager Ereignisse beantwortend, stellte der Statthalter eingehend die Prager Vorgänge dar und wies auf die Gefährlichkeit rücksichtsloser Anwendung der Waffen gewalt mit Rücksicht auf den sich ruhig verhaltenden Theil der Bevölkerung hin. Künftig werde Alles aufgeboten werden, die Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit deS Eigen- thums und der Person jedenfalls zu gewährleisten. Die Staatsverwaltung könne die Verpflichtung zur Entschädigung nicht anerkennen, beabsichtige jedoch Hilfeleistung für die kleinen schwergejchädigten Leute Lurch Subventionen oder unverzinsliche Darlehen. Der Statthalter drückte sein tiefstes Bedauern aus, ver- urtheilte die Ausschreitungen nachdrücklich und hofft zuversichtlich. Laß die Ruhe nicht mehr gestört werde. Der Rector der deutschen Universität intrrpellirte wegen Angriffen auf Couleurstudenten. Nächste Sitzung findet Montag statt. Gegen die Magyartsiruug Ungarns. * Pest, 13. Januar. Der Vollzugsausschuß deS unzar ländischen NationalitätencongresseS vom Jahre 1895 veröffentlicht den Protest der Nationalitäten gegen ihre Ver gewaltigung. Der Protest ist in deutscher Sprache verfaßt und appellirt an die Krone, die gebeten wird, dem Gesetzentwurf über die Magyarisirung der Ortsnamen die Genehmigung zu verweigern. Frankreich. TreysuS-Esterhazy. * Paris, 13. Januar. Wie der „Jour" meldet, bat Major Esterhazy freiwillig um seine Pensionirung nachgesucht, angeblich, um seinen Gegnern gegenüber freie Hand zu haben. Einer Meldung deS „Tempö" zufolge wurde Esterhazy thalsächlich bereits pensionirt. — Die Esterhazy freund liche Presse verlangt wegen deS heutigen Briefes die Ver- hastung Zola'ö oder dessen Unterbringung in einer Irren anstalt.— Einige Hundert RechtSbörer, verstärkt durch den gewöhnlichen Pöbel der Straßenauflänfe, wollten Nach mittags von der RechtSfacultät vor die RedactionSräume der „Aurore" ziehen. Sie gelangten jedock nur bis zur Seine, wo sie von der Polizei auseinander getrieben wurden. Ihr Geschrei „Nieder mit Zola!" „An den Galgen mit Zola!" erfüllte bis zu den Abendstunden daö lateinisch« Viertel. Nerven. Während sie ihn mit literarischen Interessen bom- bardirt, freut er sich an einem Salamis von Fasan mit Trüffeln. Und man ist sehr vergnügt, am vergnügtesten da, wo Fiffi und der Ungar weilen. In deren Nähe hatten sich auch die jungen Commerzienrathssöhne und die Uniformen hin verzogen mit dem jungen Damenflor, der, wenn er noch keine Krone im Taschen tuch führt, doch die Anwartschaft darauf in der Tasche hält — mit den Millionen des väterlichen Portemonnaies. Die Uniformen sind sehr munter; sie wollen erobern. Ein fröhlich Herz hat Gott lieb; einen lustigen, flotten Lieutenant jedes Mädchen im deutschen Reich. Die Commerzienrathssöhne, die unblasirten, amüsiren sich großartig; die blasirten sind wenig stens wohlwollend. An dieser Ecke knabbert und raspelt man Süßigkeiten, trinkt sehr viel Sekt und schwatzt noch mehr krauses Zeug. Frau Julie kokettirt mit dem Grafen Krona, den augenschein lich nur das Interesse für die interessante Frau herbeigeführt hat. Zugleich verspricht sie einem angehenden Dichter, der in seinem Zimmer, einem Juwel an Luxus und Behaglichkeit, sociale Dramen schreibt voll von Proletarierflüchen und von Proletarier- noth, daß sein neues Stück zuerst in ihrem Salon vorgelesen werden soll. Frau Julie weiß, wie man ein Haus macht, in dem cs den Edlen der Nation wohl wird und wo Kunst und Literatur den gebührenden Schutz finden. Und der Glanz der Lichter, die Pracht der Räume, das Rauschen der seidenen Schleppen, das Funkeln der Brillanten auf nackten Schultern und auf nackten Armen, das Kokettiren und Medisiren der üppigen Frauen, die Galanterie der Männer, der Duft der Blumen und Essenzen, das Summen und Schwirren, diese ganze Atmosphäre voll Versuchen und Ringen, Hasten und Streben nach irgend einem Gewinn: etwas zu sein, meist nur zu scheinen, oder auch einzig nach Genuß und wieder Genuß, blendet, verwirrt, bethört und betäubt Sinn und Herz. Auf der Fabrt bierber hatte Helja heimlich noch ein paar Thränen geweint, jetzt, da sie mit Mangern nach Tisch den Saal im Tanze durchflog, noch schwindelnd dasteht von der unge wohnten Bewegung, hineinschaut in das schimmernde, bezaubernde Licht, im Ohr die süßen Melodien, in den Gliedern die bestricken den Rhythmen eines Strauh'schen Walzers, da meint das junge Ding: „Ach, es ist schön: Ich war nie auf einem Ball!" Mangern dreht an seinem Bart: „.Tant pis pour les dals. Warum waren Sie so grausam bisher —" Noch einmal dreht er die langen Enden zwischen seinen Fingern, dann wirft er das Glas vor die Augen und verneigt sich verbindlich: „Die Welt hat rin Recht auf soviel Asmuth und Schönheit." Helja kennt die Pose und die Phrase, die er bis heute noch nicht an sie verschwendet hat. Vielleicht aber doch, daß er damit eine Saite in ihrem Innern berührt hat, die klangfähig für der gleichen geworden ist. „Sie verwechseln die Adressen für Ihre Liebenswürdigkeiten, Herr von Mangern." Das kurze, kleine, spitze Wort entzückt ihn erst recht. „Nicht doch, meine Gnädigste. Ich habe bisher nur meinen Empfindungen keinen Ausdruck zu geben gewagt." „Und was hat Sie so verwandelt?" „Ihre eigene Metarmorphose. Der Schmetterling hat endlich seine Puppe abgestreift." Helja lächelt und noch einmal lächelnd, ob auch etwas ver ächtlich, streift ihr Blick die Falten von ihrem Kleid. „Das bischen Toilette." Wieder dreht Mangern an seinem Bart. Mit meisterhafter Berechnung, halb kühl und skeptisch, halb verbindlich, doch mit souveräner Ironie erklärt er: „Kenner wissen allerdings, daß die prächtigsten Schmetterlinge sich in den unscheinbarsten Puppen zu bergen lieben und schätzen diese nicht minder. Zum Schmetter ling aber selbst gehören einmal Flügel. Erst wenn er dahin gaukelt im Sonnenschein, neigen die Blumen ihren Kelch den schimmernden Sommervöglein entgegen. Darf ich bitten?" Und seinen Arm um das Mädchen schlingend, stürzt er sich mit ihr in die Reihen. Zum Schmetterling gehören Flügel! Wie ihre Füßchen mechanisch nach dem Tacte des Walzers wirbeln, so wirbeln die einmal angeregten Gedanken um den einen immer bleibenden Punct in Heljas Hirn. „Herr von Mangern", beginnt sie, da Beide endlich wieder zum Stehen gekommen find, „Fräulein von Dernburg — Lilian ist wohl sehr schön?" Sie ist doch noch sehr ungeschult, sonst wäre sie Wohl erst auf Umwegen zu solcher Frage gekommen. Mangern lächelt denn auch im Stillen über diese Impul sivität; doch, da er sie sich einstweilen zu seinen Gunsten deutet, ist sein Lächeln vergnügt: „O ja, Fräulein von Dernburg ist sehr chic, — verhält sich aber doch wie die Krähe zur Taube — Ihnen gegenüber." In den eigenen Gedanken verstrickt, bemerkt Helja gar nicht, wie seine Worte und sein Ton kühner werden. „Denken Sie, daß Wolf — Herr von Weilar — Fräulein von Dernburg liebt?" Der Freiherr zieht die Stirn kraus. Er ist viel zu skeptisch auch gegen sich selbst, um nicht sofort zu begreifen, woher der Wind weht, der jene Frage auf Helja's Lippen getrieben hat. Wenn einer jungen Dame der Rufname eines Mannes entschlüpft, dann hat sie sich sicher, wenn auch nur in Gedanken, viel mit ihm beschäftigt. Das schöne, unerfahrene, impulsive Gcschöpfchen Helja Hausen verliert aber darum für den Kenner nicht an Reiz. „Weiß nicht — heirathen wird er sie aber wohl auf jeden Fall", parirt er geschickt. „Fräulein von Dernburg ist reich —" Er bemerkt, daß Helja blaß wird; er ärgert sich darüber. Er will sich nicht ärgern; sie soll nicht sentimental werden. „Zum Leben gehört Geld, viel Geld; das weiß der gute Wolf so gut, wie Alle", erklärt er sarkastisch. „Und die Liebe — wozu ist die Liebe in der Welt?" flüstert Helja, wie abwesend, dazwischen. Sapristi! — Er hat sich das Mädchen doch nicht so schwierig gedacht. Aber zu solchem Opheliengesichtchen gehört etwas Em pfindsamkeit — und um dies Gesichtchen soll es ihr verziehen sein! „Die Liebe, ja, mein gnädigstes Fräulein, das ist die Wunder blume der deutschen Romantik; die blaue Blume aus dem in dischen Märchen. Sie blüht nicht minder, wenn sie, wie heutzu tage, nicht mehr mit der Ehe zusammen geht. Was übrigens gerade nichts alsolut Neues sein soll, noch durchaus nothwendig ist. Im Gegenteil." Und nun, halb dem Wunsche folgend, die großen Augen des Mädchens etwas weniger starr blicken zu machen, halb um das Mädchen durch seine Laune zu gewinnen, läßt er dieser die Zügel schießen. „Aber der Staat hat sich einmal daran gewöhnt, in jener In stitution den Wall für seine Existenz zu sehen. Der moderne Mensch ist ein gewöhnlicher Racker und huldigt dem Grundsatz, je größer die Bedürfnisse, je größer die Bildung, Lrgo, die Leute zählen die Groschen, und der Bund zweier Herzen, richtiger zweier Portemonnaies, meist eines leeren und eines gefüllten, führt diese Gesellschaft?- oder Staatsthierchen für endlose Oede und Langweiligkeit zusammen. Wie aber um den plumpen Steinhaufen der mittelalterlichen Burgen die Romantik schwebt, wie der alte Ritter gerade im Vertrauen auf den starrenden Steinwall seines heimischen Nestes auszog nach Frau Aventiure, die ja immer Frau Minne bedeutet, so baut sich auch auf diesem Untergrund von konventioneller Philisterhaftigkeit und Lang weile ein lustig Reich, darin Schönheit und Freude das Scepter führen, wo man ncht rechnet und nicht wägt, was giebst Du mir, was bin ich Dir schuldig — sondern wo einzig von seligem Rausch bezwungen, die Herzen zueinander verlangen, jedes Wort, jeder Ton, jeder Blick nur noch sagt: ich bete Dich an, sei mein!" Die eigene Leidenschaft sprach aus diesen Worten, als richtete er sie an das Mädchen selbst, so fielen sie über des Manne- Lippen. Es war über ihn gekommen, gewaltsam, wie nie in seinem Leben — Mangern erschrak. Er war zu weit gegangen, weiter, als der Augenblick gutheißen mochte. Doch er hatte Glück, wie seines Gleichen meist vom Glück begünstigt wird. Helja verstand gar nicht, was er im Grunde angedeutet hatte, die fast persönliche Wendung der letzten Worte'bemerkte sie, da ihr Herz durch ein anderes Interesse in Anspruch genommen war, noch weniger. Wohl aber wirkte die Leidenschaft, die ihn durchglühte, in seiner Stimme zitterte, seltsam berauschend auf das selbst in Leidenschaft erglühende Mädchen ein. Ehe sie aber hier zur Besinnung kam, begann schon die nächste Quadrille, ein anderer Partner führte sie in das Cans. „Sie raspeln ja heute ungemein vorsichtig." Graf Krona schlug Mangern, der zurückgeblieben war, auf die Schulter. „Trinken wir ein Glas Sekt", fuhr der Graf gutmüthig fort, da der Freiherr ziemlich unverfroren die Störung seiner Gedanken als unliebsam merken ließ —, dann mit einem Blick nach links, wo der Arrangeur des Abend ssuchend unter den sich bildenden Carrös auftauchte, „sonst werden wir noch zuletzt gepreßt." Das half. Hastig sprang Mangern mit. Etwaige Mauer blumen zu cultiviren, dazu war er doch nicht hier. Die Herren begaben sich in den Speisesaal. Während Krona schnickt und schnackt über PremiSren, Pferde und Frauen, denkt Mangern, ab und zu ein Wort dareinwerfend, mit seinem Kneifer spielend, darüber nach, wie dieser tugendedle Wolf ihm ein uoli ms tLngors aufgebürdet hat, dieweil er selbst sich daran gemacht, das Mädchen zu gewinnen. Teufel auch! Das ver gißt er dem Generalstäbler nicht: das hebt Alles auf! Erst recht nun will er die Kleine haben, die ihm gefällt, daß er meint, er wäre noch einmal jung! lForisthung folgt.)
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