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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.01.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-01-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980111016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898011101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898011101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-01
- Tag1898-01-11
- Monat1898-01
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Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stund« früher. Anzeigen sind stet» an di» Expedition zu richten. Druck und Verlag von <k. Polz in Leipzig. 1ö. Dienstag den 11. Januar 1898. 92. Jahrgang. ZUM Wiederbeginn der Reichstllgsslhnngen. sr Nach einer dreiwöchigen Pause nimmt heute der Reichstag seine Arbeit wieder auf. Er kann bis zum Beginn der Osterferien fast drei Monate hintereinander versammelt bleiben. Der gegenwärtige TagungSabschnilt ist somit der längste der Session, denn fall« der Reichstag nach Ostern überhaupt noch Zusammentritt, hat er dann nur noch etwa 6 Wochen Zeit für seine Berathungen. Der jetzt beginnende Tagungsabschnitt wird aber nicht nur der längste, sondern auch der wichtigste der Session sein und überhaupt einer der wichtigsten der ganzen nunmehr zu Ende gebenden Legislaturperiode. Denn in der Zeit vor den Osterferien muß die Marinevorlage erledigt sein, weil sie aufs Innigste mit dem zum l. April fertigzustellenden Etat in Verbindung steht. Freilich ist zu erwarten, daß sie erst in der letzten Zeit dieses Tagungsabschnittes, also etwa im Monat März, zur zweiten Berakhung im Plenum gelangt, denn die die Situation absolut beherrschende Partei, da- Centrum, bat da- Brdürfuiß, die Entscheidung mög lichst weit hinau-zuschieben. So dürften dir ersten Wochen der Plenarberathungen vorübergehen, ohne eine allzu große Theilnabme zu erregen. Denn die beiden wichtigen Vorlagen, die Marineforderungen und die Militairproceßreform, werden dann noch ein be schauliches Daiein in den Commissionen führen und die Beratbung des Etats wird kaum zu sehr lebhaften Er örterungen Anlaß geben, weil an oer Spitze einiger Ressorts neue Minister stehen, die entweder bereits bewiesen haben, daß sie auch durch die leidenschaftlichsten Heißsporne nicht auS ihrer Ruhe zu bringen sind, oder wegen ihrer erst kurzen Tbätigkeit in ihrem Ressort noch nicht eine solche Fülle von Gegnerschaft gegen sich aufgestapelt haben wie ihre Vorgänger. So wird der Reichstag aller Voraussicht nach bis zum Beginne der Marinedebatten ein ziemliches Stillleben südren und seine Bänke werden noch leerer sein als vor de» Weib- nachlSferien. Sobald aber die Entscheidung in der Marine frage herannaht, dürfte das Parlament eine Besetzung auf weisen wie bei den entscheidenden Abstimmungen über den russischenHandetSvertrag. Denn die Abgeordneten allerParteien werden sickr sagen müssen, daß die Entscheidung möglicherweise von wenigen Stimmen abhängt. Würde das Centrum geschlossen für oder gegen die Vorlage stimmen, so würde sich ja eine erheb liche Mehrheit für die Annahme oder die Ablehnung ergeben. So zweifelhaft die Haltung veS CentrumS aber auch noch ist, so kann man doch schon so viel als höchst wahrscheinlich annehmen, daß die Partei nicht unter einen Hut zu bringen fein wird. Denn eS besteht ein Mangel an Einigkeit nicht nur über das Maß des zu Bewilligenden, sondern auch über die Form. Wohl sind die Centrumsmilglieder, wenn nicht fämmtlich, so doch in ihrer überwiegenden Mehrheit der Meinung, daß die Bindung des Reichstages nicht in der von der Regierung vorgeschlagenen Form erfolgen solle, aber sie sind nicht darüber einer Au faffung, was denn nun an die Stelle de- „SeplennatS" gesetzt werden soll. Während der Abg. Lieber der Regierung möglichst weit entgegen kommen will, wollen die bayerischen CentrumSabgeordneten den Reichstag möglichst wenig gebunden wissen. Es wird für das Schicksal der Vorlage von der größten Wichtigkeit sein, welche von beiden Richtungen im Cenlrum d>« Ober band gewinnt und ob die Richtung, die der Regierung auch in der Frage der Bindung des Reichstage« am weitesten ent- gcgenkommen will, mit ihren Glimmen dazu auSrcichen wird, um die Annahme der Vorlage zu ermöglichen. Denn darüber kann kaum ein Zweifel herrschen, daß die Regierung auf dir Bindung de« RerchülageS zur Bewilligung de« ganzen Flotteu- planrS mindestens «inen ebenso großen, vielleicht einen noch größeren Werth legt al- auf dir Bewilligung der für diese- Jahr gestellten Forderungen. Sie wird kaum so eigensinnig sein, zu verlangen, daß der Reichstag gruau die von ihr vor geschlagene Form acceptire, aber sie w«rd sicherlich verlangen, daß die von dem Reichstage beliebte Form der Verpflichtung der Sache nach mit ihren Wünschen sich in Uebereinslmnnung befinde. Sollte diese Ueberrinstimmvng nicht erzielt werden, so wird die Regierung schwerlich zögern, den Reichstag auf- zulösen. Dann wäre der gegenwärtige Tagungsabschnitt der letzte, den der 1883 gewählte Reichstag abhält. ES ist aber zu wünschen und zu hoffen, daß diesem Reichstage nicht ebenso rin vorzeitiges Ende bereitet werde wie seinem Vor gänger, sondern daß er durch patriotisches Verhalten am Schlüsse seiner Lebenszeit Manches vergessen laste, wodurch er während seine« Bestehens den Vaterlandsfreund schwer verletzt hat. In diesem Sinne wünschen wir dem Reichstage von Herzen eine recht ersprießliche, dem Vaterlande zum Heile dienende Arbeit. Deutsche- Reich. * Leipzig, 10. Januar. Im „Freiberger Anzeiger" lesen wir: „Der ReichstagSeaadidat für unseren Freiberger Wahlkreis, Vr. Oertel, bat in der Generalversammlung des Eonjervativeu Verein« zu Leipzig einen Vortrag über die bevorstebeudeo Reichs- tagswahlen gehalten, worüber sich da- „Leipziger Tageblatt" nebst anderen natiouattiberolen Zettunge» ganz unnöthiger Weise ausregt. Wir sagen: ganz unnöthiger Weise, denn im Grunde ge nommen geht ihnen dl« Sache doch gar nicht- an . .." Wie d,e extremen Agrarier ve- Freiberger Wahlkreises sich einen ReichStagScaudldateu auS Berlin verschreiben, so scheint der „Freiberger Anzeiger" die deutsche Sprache nach den Heften eines Berliner Schusterjungen zu behandeln. Ü Berlin, 10. Januar. Obwohl die Beitrags entrichtung für die Invalidität-- und Alters versicherung noch keineswegs in dem vollen, vom Gesetz vorgeschrirbenen Umfang erfolgt, ist doch die Zahl der Beilräg. allmählich von 427 182 850 iw Jahre 1831 auf 478 512 037 im Jahre 1836 gestiegen. Diese Steigerung ist einerseits durch die Zunahme der Zahl der versicherten Personen, anderer seits auch dadurch erfolgt, daß die Zahl der Beiträge, die im Durchschnitt auf den Kopf der versicherungspflichtigen Personen entfallen, von Jahr zu Jahr gewachsen ist. Im Jahre 1881 betrug diese Zahl noch 33,7, im Jahre 1886 schon 43,0. Die höchste Zahl, Vie erreicht werden könnte, wäre 52, da für jede Woche im Kalenderjahr ein Beitrag entrichtet werden kann, obschon da- BersicherungSjahr selbst nur 47 Wochen umfaßt. Diese Zahlen werden freilich wodl nie erreicht werde», da nicht alle Versicherten daS ganze Jahr hindurch arbeiten können. Doch gebt au- der Steigerung der Beiträge hervor, daß sich die Arbeitsgelegenheit in Teutschlaud jedenfalls nicht vermindert bat. Wichtig» Schlüffe läßt auch der Vergleich der durchschnittlichen Höhe de- in den verschiedenen Jahren gezahlten WochenbeitrageS zu. Diese stellte sich im Jahre 1881 auf 20.81 und stieg stetig so, daß sie im Iadre 1836 sich auf 21,17 -f belief. Die Wochrndeiträge für die InvattbitälS- und Altersversicherung werben in vier Lobn- classen erhoben, dir nach trr Höbe drr Lödue abgestuft sind. AuS dieser Steigerung geht demgemäß Mit Sicherheit di« er> freuliche Tbatsache hervor, daß die in Deutschland an die Arbeiterschaft gezahlten Löhn« sich im Allgemeinen gehoben haben. * Berlin, 10. Januar. Wenn der „Frkst. Ztg." aus München telegraphirt wird, in den officiellen Cen- trumSkreilen Bayerns scheine man trotz der nieder bayerischen Sccessionegelüste einen neuen Vorstoß zu Gunsten der Flotten vor läge zu planen, so scheint ein Artikel deS klerikalen „Bayr. Kur." diese Meldung mit veranlaßt zu haben. Der „Bayr. Kur.", der noch vor kaum acht Tagen in äußerst verhetzender Weise zu Protestkundgebungen gegen die Marinevorlage ausgcfordert batte, hat seitdem wiederholt seiner besseren Ueberzrugung von der Nolhwendigkeit und dem Nutzen einer Flotienverstärkung Ausdruck gegeben. Jetzt schreibt er in einem längeren Artikel u. A.: „Wir müssen schon in den nächsten Jahren zur See kräftig genug werden, um den „Bereinizien Staaten" energisch auf die Bude zu steigen. Wir brauchen eine starke Flotte nicht zum Schutze für diesen oder jenen wertblosen Colonialplunder, nicht zur Verfolgung gewisser hoher Liebhabereien; wohl aber brauchen wir sie zur Notbwekr für unser ganzes Land, für unsere Industrie und für unseren Ackerbau. Stadt und Land sind in gleicher Weise daran interessirt, und Bayern nicht weniger als Preußen oder Sachsen. Und wer unserem Volke vorsagen würde: „ES ist nur für die Großen, nur für die Kaufleute und Fabrikbesitzer, nicht für den kleinen Mann, nicht für den Arbeiter, nicht für den Bauern" — der würde lügen! Bedenken über das Septennat und über di« Beschaffung der Mittel girbt eS ja noch genug. Aber diese Bedenken können doch wahrhaftig nicht dazu führen, daß das Crntrum in den blind-blöesinnigen Protest der Bauernbündler, Demokraten und Socialdemokraten ein stimmt. Mögen die Demokraten ihre sachlichen Gründe für ihre Gegnerschaft haben: die Bauernbündler und die Social demokraten (wenn eS letzteren wirklich ernst ist um die Ver tretung der Arbeiterintrrrssen!) handeln direct gegen das Interesse der Bauern und Arbeiter, wenn sie die Vorlage rundweg ablehnen! Wir stehen unter dem Zeichen der Weltpolitik; nur Spießbürger vermögen nicht zu begreifen, daß das mit absoluter Notbwendig- keit kommen mußte; nur Spießbürger können unter philiströsen Auffassungen festbalten, daß all' das nur „künst liches Erzeugniß kaiserlicher Liebhaberei" sei, nicht rin Er- aebniß des mächtigen unaufhallbaren Zuge» der Zeit. Also Wcltpolitikl UnS erschreckt dieses Wort nicht im Mindesten, und hoffentlich verlernt auch da- Centrum in Bälde seinen Schreck vor diesem Popanz. Wir hoffen dies um so mehr, al- eben in der „Weltpolitik" nicht nur die ausreichende Begründung einer Flottenverstärkung, sondern auch zum großen Theil die Möglichkeit gegeben ist, die Mittel für die Flottenvermebrung zu beschaffen ohne Mehrbelastung der großen Massen... Wir würden eS bedauern, wenn daS Cenlrum aus kurzsichtigen Erwägungen ober gar aus philiströser Scheu vor der „Weltpolitik" die Marinevorlage in ihren wesentlichen Theilen ablehnen würde; das deutsche Volk würde ihm in Zukunft wohl wenig Dank dafür wissen." 2. Berlin, 10. Januar. (Telegramm.) Der Kaiser hörte beute Vormittag von 9 Uhr ab die Vorträge deS Cbess de« CivilcabinetS, sowie die Vorträge des commandirenden Admirals von Knorr, deS ContreadmiralS Tirpitz nnd des ContreadmiralS von Senden-Bibran. Heute Abend gedenkt der Kaiser an einem Diner bei dem General der Artillerie Fürsten Anton Radziwill theilzuuehmrn. —- Eine von über 2000 Personen besuchte Volks versammlung fand gestern Nachmittag im Concerthause unter Vorsitz der Frau Startschulrath Caner statt, um zn den jüngsten polizeilichen Uebergriffcn Stellung zu nehmen. Es waren aus fast allen größeren Städten Deutsch land« ZustimmungSerklärungen, zum Theil mit Hunderten vou Unterschriften, eingegangen. Nachdem FrauCauer, Frau Rechts anwalt Bieber-Böinn, Lehrerin Mießner, Fräulein BarkowSka und Fräulein vr. AugSpurg gesprochen batte», wurde eine an den Reichstag zu richtende Resolution gefaßt, in der ver langt wird, daß SittlickkeitSdelirte und Beleidigungen gegen die weibliche Ehre auSnabm-loS drr öffentlichen Straf verfolgung zu unterstellen sind, daß Sittlichkeit-Verletzungen von Brodherren gegen ihre Angestellten in derselben Weise wie gegen Vormünder verfolgt nnd daß weibliche Gewerbr- unv Fabrikinspectoren angestellt werden- Da» Ministerium des Innern und die Polizeiverwaltungen sollen ersucht werden, scharfe Unterscheidung zwischen bloS Verdächtigten und Ueberführtcn zu machen, die Sittenpolizei zu refor- miren und bei dieser überall weibliche Beamte und Aerzte anzustellen. — In dem Proceß der Stadtgemeinde Bre-lau wider den NeichSpostfiScuS wegen des UeberschreitenS von öffentlichen Straßen durch Telegraphen- und Fern sprechleitungen stand am 8 Januar vor dem Gerichtshof zur Entscheidung von Cvmpetenzconfttcten Termin zur Ver handlung über den von den Ministern des Innern und der öffentlichen Arbeiten erhobenen Competenzcvnflict an. D«r Reich.postfiscuS war vertreten durch Geheimrath Dambach, die Stablgemeinde Breslau durch den dortigen RechtSanwalt Friedenthal. Der Gerichtshof entschied dahin, daß der Com- peten zconflict unbegründet und der Rechtsweg zulässig ist. Der Proceß wird nunmehr vor dem Reichsgericht als letzter Instanz zur Verhandlung kommen. — Tie für den 13. d. Mts., Nachmittags 2 Uhr, im „kaiserhos- anberaumte Versammlung -- der Ausruf zur B'thriligung an ihr ist in der Weihnachtsnumrner dieser Zeitung veröffentlicht worden — entspricht als Kundgebung fltr die Zwecke der Flottenvorlage den von drr großen Mehrheit des deutschen Volks bezüglich der Aus gestaltung unserer Wehrkraft zur See verheilten Empfindungen. Mögen in Betreff der einzelnen Bestimmungen über die Ausführung die Ansichten auch, wesentlich von politischen Gesichtspunkten aus, getheilt sein, so läßt der Umstand, daß die Vertreter von Handel und Industrie, von Groh- und Kleing-werbe sich zur Veranstaltung dieser Kundgebung vereinigt haben, doch deutlich erkennen, daß die poli tische Seite dieser Frage weit hinter ihre wirthschaftliche Bedeutung zurücktritt. Dies in nachdrücklicher Weise zu bekunden und ferner dafür Zeugnis» abzulegen, daß die gcwerbthätigen Kreise der Nation eine der Machtstellung und den überseeischen Interessen des deutschen Reiches entsprechende Stärkung seiner Streitmacht zur See für un bedingt erforderlich erachten, wird die Ausgabe der erwähnten Ver sammlung sein. Eintrittskarten zu dieser sind durch die Vermitte lung der Unterzeichner des Aufrufs und von den Geschäftsstellen des „Centralverbands deutscher Industrieller-, Berlin VV., Char lottenstrahe 48, und des „Bundes der Industriellen-, Berlin 81V., Krausenstraße 29, zu beziehen. — Der Wirkliche Geheime Rath v. Wendt, früher Ministerial direktor im Handelsministerium, feierte gestern in voller Frische des Geistes und Körpers seinen 70. Geburtstag. * Lübeck, 9. Januar. In der gestrigen Versammlung des Nautischen Verein- fand einstimmig eine Resolution Annahme, welche den Reichstag auffordert, zum Schutze des deutschen Reiche-, deS Handel-, der Schifffahrt und des GroßgewrrbeS, sowie zur Sicherung der Küste innerhalb der Grenzen des Erforderlichen die nöthigen Mittel für die Marinrvorlage zu bewilligen. Graubenz, S. Januar. Der Druckerlehrling Kurzyn-ki von der „Gazeta Grudziadzka", welcher seiner Zeit dem Untersuchungsrichter de- Landgericht- Graudenz den Namen de- Verfasser- «ine- Artikel- nicht angeben Am die Erde. Reisebrtese von Paul Lindenberg. Stachdruck v.rtotin. XI. Die Teufelstänzer. — Ein deutscher Abend. — Indische Zauberer. — Deutschthum draußen. — Deutscher Handel und Wandel auf Ceylon. Colombo, 4. Drcember. Wie schwer Einem doch der Abschied von dieser idyllischen Insel wird, doppelt schwer, da wir hier so liebe, sich unserer aus daS Gefälligste und Aufmerksamste annebmende Landsleute gefunden, die Einem oft die Fremde gänzlich vergessen ließen. Was war da« vorgestern für ein wundervoller und eindrucks voller Abend im schön gelegenen Heim unseres TonsulS PH. Freudenberg, welch letzterem wir in jeder Hinsicht zu in nigstem Dank verbunden sind. Um unS ein nur selten und mit großen Schwierigkeiten zu sehende» Schauspiel zu bereiten, hatte er auS dem Innern der Insel eine Anzahl Trufelstänzer kommen lassen, aber mindestens die gleiche Ueberraschung verursachte un» die Anwesenheit fast sämmtlicher Mitglieder der deutschen Co- lonie, nahe an zwanzig, meist jüngere und unverheirathete Herren, die mit Freuden drr Einladung de» ConsulS zu einem „deutschen Bierabend" gefolgt waren. Zunächst jedoch, nachdem nochmal» und nochmals nach dem vortrefflichen Diner die Gläser mit dem perlenden kühlen Wein au» der Champagne gefüllt worden waren, kamen die Teufel»- iänzer an die Reihe. Sie bilden eine Kaste unter den Ein geborenen der Insel, wohl ähnlich den „Medicinmännern" der Indianer, aber, nne diese, auch bei religiösen Feierlichkeiten mit wirkend. Die Krankheiten entstehen, so glauben die Singhalesen und Tamulen, dadurch, daß Dämonen in den Körper deS Be treffenden fahren und nur durch bestimmte Ceremonien — eben jene Gesänge und Tänze der Teufel»krrle — au» demselben wieder vertrieben werden können. Diese wunderthätigen Herren nehmen im Ganzen achtzehn Krankheiten — die glücklichen Ein geborenen! wir In Europa kennen leider mehr! — an und dem nach achtzehn Dämonen, denen sie entsprechenden Fall« mit ihren Künsten zu Leibe gehen —, wie energisch und mit welchem Aufwand von Lungen- und Mu»kelkraft, davon sollten wir ja »in Mild erhalten. erstreckender GraL-1 ao Pechflammen und I H war auS Holz ein! ar lchem die Abbilder he iarren anboten. Bon dem Flügel her erklangen meisterhaft vom Hausherrn gespielt« Weisen, und nun löste sich daS erste Lied auS ihnen los, daS prächtige, klangvolle: „O alte Burschen herrlichkeit!" und wir fielen da dir jugendfrischen Stimmen ein und wir schlossen sich beim letzten BerS: „Drum, Brüder, reichet Euch die Hand!" die Hände zusammen — ein volles Stück echter deutscher Lustig- und Gemüthlichkeit! Und Sang folgte jetzt auf Sang: „Im Krug zum grünen Kranze", „Es steht ein Baum im Odenwald", „Dir Lore am Thore", und natürlich fehlte ebensowenig „Deutschland, Deutschland über Alles" wie die „Wacht am Rhein", und mit freudiger Hingebung spielte uns dann noch unser liebenswürdiger Wirth, der so jung und froh mit den Jungen und Fröhlichen sein kann und dessen schöne braunen Augen so viel echte und rechte DaseinSlust verrathen, hehre Klänge aus „Lohenarin" und „Tannhäuser", auS den „Meister singern" und dem „Parsival" vor. Mitternacht war gekommen, als wir endlich, endlich Abschied nahmen und als die letzten „Adieu-" und „Lebewohls" und „Auf Wiedersehen!" durch die südlich-warme, sternklare Nacht verhallten. Mehrere der Herren trafen wir schon am nächsten, dem gestrigen Nachmittage wieder, im Hause des Herrn John Hagen- beck, deS jüngeren, unendlich gefälligen, durch seine männlich stattliche Erscheinung auch äußerlich daS Deutschthum trefflich zum Ausdruck bringenden Bruders Karl Hagenbeck's in Ham burg. Wir sollten diesmal mit den Kunststücken einer süd indischen Zauberertruppc bekannt gemacht werden, und in dem Garten, in welchem außer verschiedenen seltenen Federvieh auch rin zahme» Känguruh und rin innerhalb weniger Wochen ge zähmter fünf Monate alter Tiger, dem jedoch die drolligen Teckel behutsam au» dem Wege gingen, ihr Wesen trieben, huckten bereit» sech» braune, beturbante Gesellen. Tie gehörten der Truppe an, die Herr Hagenbeck nebst vielem anderen indischen Volk nach Deutschland bringen wird, und ihre Vorstellung bildete gewissermaßen eine Generalprobe, die zur vollsten Zu friedenheit auSfiel. Denn wa» diese hindostanischen LoSco's an Geschwindigkeit leistete», war erstaunlich, und einzelne ihrer Haupt-„Trics", so daS Verschwindrnlassen eine» ihrer Genossen in einem schmächtigen Korbe, war unS absolut unerklärlich, kurz, sie machten ihre Sache brillant und werden in unserem Vaterlande genügsames Erstaunen erwecken. In unserem Vaterland« — wie dicht und fest find doch die Fäden zwischen diesem und seinen Söhnen im fernen Ausland«, und wie war daS früher so ganz, ganz ander»! Ueberall, wo mehrere Deutsch« wohnen, tritt un» jetzt hier draußen da» Ein fich hinter der Freudenberg'schen Billa erstreckender GraL- platz war von aus Steinsäulen lodernden Pechflammen und Fackeln beleuchtet. Inmitten diese» Platze» war grell bemalter kleiner Tempel errichtet, kn welchem die Äböilder jener Dämonen aufgestellt waren, die heute auS diesem und jenem (fingirten) Kranken vertrieben werden sollten; zu diesen Götzen beteten um „Erhörung" die Trufelstänzer, ehe sie zum Vorschein kamen. Drei halbnackte Trommler bearbeiteten mit den Händen ihre langen Holztrommeln, aber da» weitschallendr Geräusch wurde jetzt durch ein gräßliche» Geheul übertönt, mit welchem ein Teuf«l»taazrr au» jenem Tempel heraus- und auf un» zu stürzte; er war mit einem mit rothen Federn und sonstigem Tand besetzten Gewand bekleidet und trug eine große, grauenhaft ge schnitzte und bemalte, von (hölzernen) Schlangen umringelte Holzina-ke vor dem Gesteht. In jeder Hand hielt er eine Fackel, die er bei seinem wahnsinnigen Umhertoben sehr geschickt zu schwingen verstand, gelegentlich einen Fruerregen um sich ver breitend. Bald sank er zu Boden, wälzte und überschlug sich, stet» mit den Fackeln, bald sprang er empor und tobte unter wilden Sprüngen umher, immer da» schrecklichste Geschrei au»« stoßend und sich endlich heulend nach dem Tempel zurückziehend. Au» diesem kam sofort An zweiter Tänzer herau»gestürmt, von einer ähnlichen Matkirung wie der erste, ebenso schreiend und dir Fackeln schwinaend; er wand sich in entsetzlichen Krümmungen auf dem Erdboden umher — „Bauchschmerzen will er vertreiben!" meinte einer von unseren Zuschauern — und sein Gelärm war wirklich nervenzerrrißend. Bon dem Dritten aber wurde er noch übertroffen; dieser hatte «ine ungeheure Tbierma»ke über den Kopf gestülpt und einen engschliehenden ttgerarttg gestreiften Anzug an, er war wohl der „Doctor", der e» mit dm Thier- Dämonen zu tbun hatte. In Sprüngen, Drohungen, Tich überschlagen uno Schreien leistete er Unglaubliche» und wurde dann auch in keinerlei Beziehung von seinen noch folgenden „Collegen" übertroffen. Interessant war e», daS von dem flackernden Schein der Fackeln hell beleuchtete einheimische Publicum zu beobachten; wohl durch die weithin hörbare Musik angelockt stand r» in langer, doppelter Reib« an der einen Seite de» Platzes da, Männer, Frauen, Kinder in buntem Gemisch, alle mit sichtlich gespanntestem Interesse zuschauend und, wie un» gesagt wurde, viele Stunde« derart au»harrend, wenn ihnen hierzu Gelrgrn- I hett geboten wird. Mr warm schneller zufrirdevgestellt und kehrten in die inneren Räume de» gastlichen Heim» zurück, dessen I Diener fortgesetzt da» frischest» vier und di« trefflichstm TI- Deutschthum geschlossen mtgegm, und fast immer, wie beispiels weise in Colombo, nehmen Oesierreicher und Schweizer daran Theil. Und ein« treue vaterländische Gesinnung beseelt diese deutschen Herren und, soweit sie in Betracht kommen, auch die Damen, und mancher Klugschnabel daheim, er könnte hier etwas vom kernigsten vaterländischen Geist empfinden und lernen, von einer tiefen und ehrlichen Anhänglichkeit an Deutschland, die oft unter den schwierigsten Verhältnissen und vielen Opfern be- thätigt wird. Denn die Engländer merken wohl, daß ein anderer Wind von Deutschland her weht und daß ihre meerbeherrschendc Stellung wuchtigen Erschütterungen ausgesetzt ist, und an diesen und jenen Chicanen ihrerseits fehlt e» nicht. Nun denn, die großen Fortschritte unserer Kauffahrerflott; und die von Jahr zu Jahr zunehmende Ausbreitung des deutschen Handels verursachen den Herren Briten schwere Beklemmungen, und mit merkbarem Neid und Unbehagen verspüren sie den wach senden Einfluß deutschen Handels und Wandels wie deutschen Wesens und deutscher Eigenart. WaS beispielsweise den Schiffs verkehr in Colombo anbrtrifft, so siebt Deutschland hinter Eng land an erster Stelle; in langen Abständen folgen dann erst Frankreich, Rußland, Spanien rc. Allein achtzehn ReichSposi- dampfer liefen im letzten Jahre in Colombo ein, und jede» der mächtigen und so aulgezeichnet eingerichteten und verwalteten Schiffe, hinter denen die englischen und französischen Paffagier dampfer weit zurückstehen, verfehlte seines Eindruckes nicht. Auch bet der Handels-Ein- und Ausfuhr Ceylons ist Deutsch land erheblich betheiligt, obgleich noch ein guter Proeentsatz drr Ladungen nach London und von dort erst nach Deutschland geht, so Thee, Cacao, Zimmet; von Coco»-O«l, von Copra und von aus den CocoSnüssen gewonnenem Futtermehl ist Deutschland Haupt-Abnehmer. Al» Gegengabe liefert eS in erster Linie Bier in Flaschen (jährlich etwa für 150 000 Mark), dann Zucker, gewebte Sachen, Wollwaaren, Cigarren, Lampen, Druck- und Schreibpapier, Spiellarten (allein für 12 000 Mark), auch Streichhölzer, Seife, Arzneien und . . . Musikinstrumente. Und einzelne Musikklänge trägt gegenwärtig der Wind vom Hafen her zu meinem Hotelzimmer herüber, deutsche Weisen sind e», welche die Capelle dort auf dem gewaltigen, weißleuchtenden Schiffe spielt — drr „Prinz Heinrich" ist'«, ein ReichSpoft- dampfer de» „Norddeutschen Lloyd", und mit Stolz und Freude ruhen dir Augen auf dem Koloß, der un» noch heute gastlich auf nehmen soll, um un» durch den Indischen vcean noch Singapore zu tragen.
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