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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.01.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-01-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980115014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898011501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898011501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-01
- Tag1898-01-15
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Reclomen unter dem RedartionSstrich (4ge- spalten) bOA, vor den Familiennachrichtea (6 gespalten) 40/4- Größere Schriften laut unserem Preis« derzeichniß. Tabellarischer und Zissrrnsatz nach höherem Tarif. bxtra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbesörderung .M 70.—. Ännahmeschluß für Anzeige»: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet- an die Expedition zu richten. Druck uud Verlag von E. Polz in Leipzig. Sonnabend den 15. Januar 1898. 92. Jahrgang. Die gelbe und die weiße Rasse. 22 Durch das geschickte und zugleich bescheidene Verfahren Deutschlands in der vstasiatischen Angelegenheit ist der chine sischen Frage der acute Charakter genommen worden. Man würde aber fehl gehen, wenn man annehmen wollte, daß sie damit cndgiltig zur Ruhe gekommen wäre. Sie wird ebenso lange dauern und vielleicht noch conflictreicher in ihrem weiteren Verlaufe sein, als die orientalische Frage. Und eine wichtige Rolle wird in dem Widerstreit der Kräfte Japan spielen, jenes Japan, das vor drei Jahren China zu Boden warf, das heute sckon militairisch doppelt so mächtig ist, als eö damals war, und das in abermals drei Jahren noch viel mächtiger sein wird, als es heute ist. Ein französisches Blatt bat vielleicht nicht unrecht, wenn eS meint, daß die Festsetzung Deutschlands in Kiaolscyau und Rußlands in Port Arthur an sich genommen nicht den Stein des Anstoßes für Japan bilde, denn es sei für Japan nicht von entscheidender Bedeutung, ob jene Mächte einen ver« bältnißmäßig geringen Bruchtheil CbinaS für sich beanspruchen. Wohl aber empfinde es Japan störend, daß die europäischen Mächte überhaupt in China festen Fuß fassen, denn es müsse befürchten, daß China an diesen Mächten bann einen Rück halt haben werde, sobald Japan wieder, wie 1894, über daS himmlische Reich herfiele, um ihm den Garaus zu machen. Diese Besorgniß Japans ist wobl gerechtfertigt und sie erklärt eS, daß es in Japan noch immer Politiker giebt, die in der vstasiatischen Frage nickt so sehr ein Widerspiel zwischen verschiedenen europäischen Mächten erblicken und denen die Frage auch nicht von Bedeutung ist, ob Japan sich der einen oder der anderen Gruppe der europäischen Mächte anschließen soll, sondern die der Ansicht sind, daß es sich um einen Gegensatz zwischen der gelben und der weißen Rasse handle und daß es deshalb vom Slandpuncl der gelben Rasse aus daS Richtigste sei, sich zusammen zu schließen und vereint der weißen Rasse gegen über zu treten. Und was in China sich abzuspielen beginnt, ist in der Tbat ein weiterer Act jenes historischen Schauspiels, daß die kaukasische Raffe sich den ganzen Erdball zu unterwerfen 'jucht. Tie neue Welt ist bis aus geringe Ausnahmen in den Händen der kaukasischen Rasse. Afrika ist mit Ausnahme von Abessinien, Marokko und Tripolis in der Gewalt der selben Raffe und es ist nur eine Frage der Zeit, wenn die beiden letzteren Gebiete in den Händen der europäischen Mächte sein werden. In Asien haben die europäischen Mächte, vor allen Rußland und England, im letzten Jahr hundert ungeheure Fortschritte gemacht uud so weil der Westen und das Centrum Asiens noch nickt direct unter der Herr schaft eines europäischen Staates stehen, befinden sie sich doch unter dem Einflüsse europäischer Mächte. Von jenem Einflüsse hat sich Cbina bis vor einigen Jahrzehnten sreizuhalten ver mocht, jetzt aber ist eS zum Spielball der verschiedenen Ein flüsse europäiscker Staaten geworden. Wie einst die geringe Fruchtbarkeit des eigenen Landes und die Zunahme der Bevölkerung die alten Germanen in die Ferne hinaustrieb, so ist die kaukasische Raffe als eine Gesammlbeit immer wieder genöthigt gewesen, den wachienden Bedürfnissen und dem Wachslhume der Bevölkerung dadurch Rechnung zu tragen, daß sie sich neue Gebiete eroberte, in die der Üeberfluß an Menschen abströmsn und mit denen sie ihre Bedürsnisse befriedigen konnte. Und eS ist vielleicht kein Zufall, daß eben in diesen letzten Jahrzehnten das starke Expensionsbedürfniß der kaukasischen Raffe in der Unter werfung weiter Gebiete Afrikas und in dem Verrücken in Asien sich von Neuem gezeigt bat. Denn in diesen Jahr zehnten bat sick der Proceß vollzogen, daß der kaukasischen Rasse entstammende Völker sich zu einer eigenen Raffe, der amerikanischen, zusammengeschloffcn haben und daran gehen, sich von der alten Welt, der sie entstammen, abzuschließen. So sind die europäischen Völker darauf an gewiesen, in Afrika und Asien neue Gebiete zu erwerben. Ein Volk voll hoher Begabung, voll Thatkrast und starkem Willen, wie das japanische, muß es naturgemäß hart em- sinden, daß die kaukasische Raffe sich dort eindrängt, wo sie, obne durch Rechtsverletzungen, wie die Ermordung der deutschen Missionare, provocirt zu sein, nichts zu suchen hat, weil sie dorthin, wo eine alt- Cultur besteht, keine Cultur mehr zu tragen braucht. Aber die wirthschaftlichen Noth- wendigkeiten machen nicht Halt vor den „näheren An sprüchen" JapanS: die europäischen Völker können China mit seinen ungeheueren Schätzen nicht entbehren. Es mag sein, daß es rem juaendkräftigen, sich noch immer vorwärts entwickelnden Japan gelungen wäre, der morschen chinesischen Raff« neue Kraft aufzupfropfen und so die gelbe Raffe gegen daS Umsichgreifen der weißen widerstandsfähig zu macken, aber gerade darum mußte die weiße Raffe diese Möglichkeit zu Verbindern suchen. So diente die Allianz Rußlands, Deutschlands und Frankreichs im Jahre 1895 einem negativen Zwecke, der Abwehr der Vorherrschaft Japans in Ostasien; die Be setzung von Kiaotschau und Port Arthur stellt den Beginn deS positiven Ziele-, der Vorherrschaft der kaukasischen Rasse in Ostasien, dar. Damit wird sich Japan Wohl oder übel abfinden müssen. Selbst ein Bündniß mit England würde ihm nichts nützen, denn England würde nur selbst an Vie Stelle anderer europäiscker Mächte zu treten suchen und ebensowenig wie jene Mächte daran denken, Japan die Vorherrschaft in Ost asien zu überlassen. Tie einzige Möglichkeit für Japan ist, sich den Mächten der weißen Rasse, zu denen es nicht der Raffe, wohl aber seinem Culturstreben nack gekört, anzu gliedern und sich mit ihnen in den Einfluß auf China zu theilen. Rach dem Kriegsgerichte. 6. Paris, 13. Januar. DaS Kriegsgericht über den Major Esterhazy bat, wie vorauszuseben war, mit der Freisprechung deS — Angeklagten kann man nicht sagen — geendet. Der Proceß ist nickt, wie man allgemein erwartete, ganz hinter verschlossenen Thiiren geführt worden, man bat eS für würdiger befunden, eine Komödie zu spielen. DaS Publicum wurde so lange im Saale gelassen, als Sachen verbandelt wurden, die seil zwei Monaten in allen Zeitungen breitgetreten waren, und eS wurde sofort hinausgetrieben, als die Verhandlung anfing, interessant zu werten, wie sich ein naiver Zuschauer aus drückte, d. h., als Dinge zur Sprache kommen sollten, die geeignet waren, endlich etwas Lickt zu verbreiten, endlich etwas Ruhe in die erregten Gemütber zu bringen. Wir können also nicht wissen, woraufhin der Spruch erfolgte; wir werden nie erfahren, was der Oberstlieutenant Picguart, der Hauptzeuge, ausgesagt, jener Osficier, der eS gewagt hat, eine Enquete zu Gunsten eines Mannes fort- zuseyen, den er sür unschuldig dielt, obwohl seine Vorgesetzten, die ihn anfangs unterstützt batten, ganz plötzlich und un- motivirt ihm davon abrielhen; jener Osficier, den man ohne Begründung aus dem Generalstabe entfernt und in die ent legenste Garnison von Algier versetzt hat, weil seine Gegen wart unbequem wurde. Jeder kann sich darauf selbst seinen Vers machen. Glücklicherweise haben wir den Wortlaut deS Urtbeils. Danach ist Esterhazy von einem Verbrechen frei» ,gesprochen worden, dessen er gar nickt bezichtigt worden rst. In der Tbat hatte ihn Mathieu DreyfuS nur beschuldigt, das Bordereau versaßt zu haben; das konnte rbeniogut auf Commando ober zur Erpressung oder auS sonst einem Grunde geschehen sein. DaS Urtheil des Gerichtes aber lautet auf: nickt schuldig des Verra'.hs. Wir wollen annehmen, daß die ehrenwertben Osficiere nach bestem Wissen und Gewissen geurtbrilt haben; sie werden nach dem, waS ihnen vorgelegt worden ist, und besonders nach dem Urtheil der Sachverständigen nicht anders gekonnt haben. Vielleicht war daS von den Drcysus- frruuden zusammengebrachte Material auch wirklich nickt ausreichend. Wir wollen auch den Herren Graphologen nickt zu nabe treten, aber das Vertrauen deS Publicums inihre Kunst hat jedenfalls einen neuen Stoß erlitten. ES bleibt besteben, daß Dreysus für den Urheber deS Bordereau e>ka mt und dieses dem MajorEsterbazy abgesprochen worden ist, obwohl nicht nur nach Idem Urtbeil aller Unbefangenen, sondern auck nach dem einer Anzahl berühmter Gelehrter und vor Allem Esterhazv's selbst in des letzteren Handschrift eine ungleich größere Uebereinstimmung mit der des Bordereau vorhanden ist, als in der Handschrift des verurtbeilten Hauptmanns. ES wäre interessant, einmal alle in den beiden Processen ab gegebenen Urtheile der Schriftkundigen nebeneinander zu stellen: wie die einen die Urheberschaft aus der Unähnlichkeit folgern — natürlich hat der Angeklagte seine Handschrift ver stellt — und die anderen aus der Aehnlichkeit dagegen schließen — man hat eben seine Handschrift nachgeahmt. Jedenfalls täuscht man sich schwer, wenn man glaubt, daß nun die Sacke zu Ende sei. Mag der „Hnlan", wie ibn die DreyfuSpartei nennt, vorläufig aus dem Spiele ver schwinden, der Zweifel an der Schuld des „VerrätberS" bleibt bestehen. Für diejenigen Franzosen, die noch etwas ruhiges UrtheilSvermögen besitzen, bat er fick durch die neu lich schon erwäbnte Veröffentlichung der Anklageschrift des Majors d'Ormescheville wesentlich bestärkt, für uns Deutsche hat er sich neuerdings fast in Gewißheit über die Unschuld verwandelt. Wieder hat man im Proceß auf geheime Acten, auf jenen angeblichen Brief an den deutschen Militairbevoll- mäcktigien angespielt. Unsere Regierung bat darauf eine unzweideutige Antwort ertbeilt und wir Deutsche können unserer Regierung vertrauen. Bestehen aber bleibt vor allen Dingen die geradezu skandalöse Führung der Voruntersuchung in dem jetzigen Processe. Scheurer-Kestner hat unter seinem Eide wieder holt, woran wir zuerst nicht glauben konnten. Wir citiren wörtlich: „Ich sprach ihm — dem untersuchungsfübrenden General — von dem Bordereau, von der Nolhwendigkeit, den Oberst lieutenant Picquart zu vernehmen. Er antworlete: Das ist auck die Meinung des Gouverneurs von Paris, aber nickt die deS Kriegsministers. Und was das Bordereau betrifft, so erkannte der General de Pellicux an, daß er es nicht zur Verfügung hatte. Ich kann es nicht kommen lassen, sagte er, denn das hieße an der Autorität der re8 zuckieata zweifeln." Die Untersuchung ist also von obenher völlig beeinflußt worben und man hat sie vor der Interpellation Sckeurer- Kestner'S als Farce behandelt. Bei dem Angeklagten ist trotz dringenden VerkachtSgrünben keine Haussuchung vorgenommeu worden, sondern bei dem Hauptzeugen und zwar auf völlig ungesetzliche Weise. Man bat den Hauplzeugen auf jede Art einzusckücklern gejuckt Ter Angesckuldigie ist höchstwahrschein lich durch Miltbeilung vorhergehender Zeugenaussagen in die Lage versetzt worden, solche Zeugen, die erst ver nommen werden sollten, zu bedroben. Diese letzteren Puncte beziehen sich auf beide Untersuchungsführer. Dem zweiten, dem Commandanten Ravai y, allein fällt der Bericht über die Untersuchung zur Last, in dem von Esterhazy fast gar nickt die Rede ist, und der eigentlich nur den Oberst lieutenant Picquart zu discreditiren sucht. Ter Schluß dieies denkwürdigen Schriftstückes schließt mit einer wahren Lob preisung des edlen Major-, dem, wenn nicht ein Verbrechen, so doch ein ganz scandalöies Vorleben nachgcwiesen worden ist. Und bei TrcyfuS genügten ein paar Liebesabenteuer, um ibn als „im höchsten Grade für den Verralh disponirl" binzustellen l Wir baden nur eine kleine Blüthenlese geben können. Wer sich näher dafür interessirt, mag sich den „Sckcle" vom 12. Januar kommen lassen, in dem der frühere Minister Aves Guyol diesen Bericht einer vernichtenden Analyse unter zieht. Er schließt mit den Worten: „Im Generalstabe giebt cs Männer, die aus Naffen- und ReligionSinteressen nickt gezaubert haben und nicht zaudern, alle Regeln des Rechtes zu verletzen und die ein fachsten Begriffe der Moral mit Füßen zu treten, um einen Elenden mit ihrem Schutze zu umgeben, mit ihrer Sympathie zu bedecken, und, damit ein mit grauenhafte: Gemeinheit ins Werk gesetzter und von naiven Leuten be gangener Rechtsirrtdum nicht erkannt werde, einen ausge zeichneten Osficier wie den Oberstlieutenant Picquart zu brandmarken, der das Unrecht gehabt bat, die Gerechtigkeit über gemeine Parteimackensckaflen zu setzen." Und was sagt nun Frankreich zu dieser Art Justiz? Nun, die wenigen Blätter, die bisher für die Revision eingetreten sind, halten mit ihren Urtheilen: Komödie, Satyrspiel rc. nicht hinter dem Berge. Weitaus die meisten aber stimmen einen wahren Jubelhymnus an über den Zusammenbruch des „Complotts der Juden und Protestanten gegen den Christen" — die feine Gegenüberstellung Protestant und Christ stammt von Cassagnac — oder des „Complotts der Juden und Deutschen gegen Frankreich" an, je nach Neigung. An ihrer Spitze marsckirt neben Drumont Held Rochefort, der selbe Rochefort, der in seinem vor zwei Jahren erschienenen ,,^vsuture8 äs ma vis" die militairiscken Richter einmal übers andere Idioten nennt, „deren Urtbeil natürlich im Voraus von den Vorgesetzten ausgearbeilel worden ist". Das Volk aber ist vom Antisemitismus und Deutschenhaß völlig verblendet. Die armen Kerle glauben wirklich, daß wir eine fürchterliche Sacke angezettelt haben, um Frankreich in einen Bürgerkrieg zu stürzen. Es ,st wahrhaft nicht angenehm, von einem Lande, in dem man als Gast lebt und wo man viel Schönes genießt, fast immer nur Schlechtes schreiben zu müssen. Es gebt aber nicht anders. Allen jungen Deutschen aber, die sür Republik und llbertv, sgrrlitö, krrrtsrwts schwärmen, sollte man einige Jahre Paris verordnen. Für Erfolg der Cur wird garanlirt. Deutsches Reich. O. Leipzig, 14. Januar. Wie bereits in einem Theile der Auslage unseres letzten Abendblattes kurz gemeldet, ist an Stelle des am 1. Februar auS dem Amt scheidenden Herrn ReicksgericktSratbs vr. Wiesanb von der sächsischen Negierung Herr Landgerichtsdirector Moritz Alexander Bartsch in Leipzig beim Bundesrath in Vorschlag gebracht und auf dessen Antrag vom Kaiser zum Reicksgerickts- ralb ernannt worden. Der ncuernannte Rath am Reichs gericht ist am 3. Mai 1845 in Löbau in Sachsen geboren, bat die Fürstenschule zu Grimma besucht und nack dem Bestehen der Reifeprüfung 1863 die Universität Leipzig bezogen, um Jurisprudenz und Cameralia zu studiren. 1867 bestand Herr Bartsch sein erstes Staatsexamen und arbeitete dann einige Zeit bei einem hiesigen Rechtsanwalt. Am 1. April 1868 trat er als Referendar beim vormaligen Bezirksgericht Leipzig ein, bestand 1872 die zweite StaatS- (Richler)-Prüfung und wurde am 1. Januar 1873 zum GerichtSratb beim Bezirksgericht ernannt. Seit 1879 wirkte er dann als stellvertretender Bezirksdirector am Bezirks gericht Oswatz, wurde im selben Jahre noch zum Amts richter ernannt und 1880 an das Amtsgericht Leipzig be rufen. Hier wirkte er bis zum Jabre 1882, in welchem er unter Beförderung zum LankgerichtSdirccior an das hiesige könig liche Landgericht versetzt wurde. In dieser Stellung hat er als Vorsitzender einer Strafkammer eine zwar nach außen bin nur wenig bervortretende, aber um so schätzenswerthere Thätigkeit als Richter entfaltet. Nickt geringere Verdienste hat sich Herr Director Barisch als Vorsitzender des Schwur gerichts erworben. Das Landgericht verliert in ibm einen seiner befäbigsten und tüchtigsten Richter, dessen erfolgreiche Thätigkeit unvergessen bleiben wird. * Berlin, 14. Januar. Neber die „im Interesse des Dienstes" erfolgte Versetzung des Oberlehrers vr. Fricke von Dirsckau nach Paderborn und deS Oberlehrers Di. Uppen kamp von Paderborn nach Dirschau sagt daS „Korr.-Bl. d. Philologen-Vereine Preußens": „Was für ein dringendes Interesse Les Dienstes vorgelegen hat, um diesen Wechsel ein Bierleijahr vor dem Schlüsse des Schul- Feuilleton. Wallenstein's Grab. Troß eingehendster Forschungen läßt das zur Neige gehende Jahrhundert, in dem so viel geschrieben und gedruckt worden ist, manchen Punct der Specialhistorie ungeklärt und wie z. B. in der vielumstrittenen Shakesspearefrage ist auch heute noch das Urtheil schwankend betreffs des Charakters des Herzogs von Friedland, des Generalissimus Wallenstein. Viel ist über denselben ge forscht und geschrieben worden. Dr. George Schmidt in Graz hat im Jahre 1884 in den Mittheilungen des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen einen Literaturnachweis begonnen, welcher mit zwei Nachträgen die stattliche Zahl von 1900 Num mern aufweist. Man möchte glauben, daß Alles wohl erschöpft sei, was sich über Leben und Sterben dieses gewaltigen Feldherrn sogen läßt, der noch nach Jahrhunderten auf Manche den Eindruck eines unlösbaren Räthsels gemacht hat. Erst neuerlichst jedoch hat man in der Stadtbibliothek zu Zürich über jene unglücklichen - Ereignisse des 25. Februar 1634 eine der ältesten Zeitungsnach richten aufgefunden in Exemplaren der „Zeitungspost" au» diesem Jahre, worin in Nr. 11 aus Eger vom 29. Februar die Vorgänge bei der Ermordung Wallenstein's und seiner Generäle geschildert werden. ES wird darin mitgetheilt, daß der Trupp Dragoner nach Ermordung d. h. Niederschießen der auf der Burg versam melten wehrlosen Graf Terhky, Graf Kinsky, Obrist Jllo und Rittmeister Neumann: „von denen zu deS Friedländers Quartier geeilet, die Schildtwacht, einen Kämmerling, einen Pa zen (so sie nicht zum Friedländer einlassen wollen) niedergeschossen: In diesem Tumult öffnet der Hertzog dir Thür, da dann der kom- mandirte Offizierer ihm einen Stich durch den Leib gegeben: al» aber der Hertzog sich ermundert und nach seinem Gewehr greiffen wollen, hat er ihn noch zween Stich gegeben, daß der Hertzog darnider gefallen, also daß da» Blut in der Ttub herumbg«: flössen: hernach ihn in ein Beth Tuch gewickelt und also auf die Burgk geschleppt." Ob das „Schleppen" auf dem Erdboden odrr nach anderen Berichten als Transport mittels Mistwagens bewirkt wurde, ist wohl ohne Belang, jedenfalls steht aber fest, daß alle fünf ihrer Kleidung beraubten Leichname der Ermordeten zunächst in een Burghof zu Eger hingeworfen wurden, wo sie der winterlichen Witterung auigesetzt blieben. Dieser ersten wenig ruhmvollen, einer Leichenschändung ähnelnden Niederlegung folgte eine jedoch nicht minder unwürdige Behandlung der Leichname der einst so hoch gefeierten Soldaten. Octavio Piccolomini, wohl der intellektuelle Urheber der meuch lerischen Ermordung, der wüthendste Gegner und Verfolger Wallenstein'», welcher doch eigentlich sein größter Wohlthäter gewesen war, beeilte sich, von MieS nach Eger zu kommen, um sich die Erfolge seiner Veranstaltungen nicht entgehen zu lassen. Er ließ, wie berichtet wird von Augenzeugen, am 28. Februar die durch Frost erstarrten Leichen unter „Biegung" derselben in einfachste hölzerne Särge legen und wollte sie nach Prag senden, wo sie als Miffethäter an dem verrufensten Orte ein gescharrt werden sollten. In Mies jedoch wurde der Transport aufgehalten durch den Befehl deS Generali GallaS, die Leichen in dem dortigen FranciSkanerkloster bestehen zu lassen. Kaiser Ferdinand H., welcher am 6. März in Wien die Nachricht von der Execution erhalten hatte, bestimmte, daß die Generäle zu begraben seien, und zwar in Eger, wo er die Leichen noch vermuthete, dagegen die Leiche deS Herzog« von Friedland seiner „Freundschaft" zu überlassen sei, welche sie wo sie wollen in aller Stille dürften begraben lassen. GallaS berichtet auf diesen Erlaß, daß wider seinen Willen die Leichen bereit» nach Miet abgeführt worden seien und daher die vier Generäle dort beerdigt worden wären, während dir Leiche Wallenstein'» zur Verfügung geblieben sei, wofern sich seine Freundschaft um die erlaubte Beisetzung melden würde. E» scheint kein Verlangen vorhanden gewesen zu sein, daß sich Jemand „al» zu de» ge wesenen Friedländer» Freundschaft gehörig" berechtigt gehalten hätte, die Beisetzung seiner Leiche vorzunehmen, denn mehr als 2 Jahre blieb dieselbe in Minoritenconvent St. Augustin der Stadt Mies, bis endlich der Cardinal-Erzbischof Graf Ernst von Harrach sich dieselbe ausliefern ließ und am Abend des 27. Mai 1636 sie dem Grafen Maximilian von Waldstein in Prag überwies. Nur eine Nacht jedoch gönnte dieser seinem einst so mächtigen und reichen Vetter den Aufenthalt in dem Sternberg'schen Palais auf der Kleinseile, und bereit» am nächsten Morgen wurde die Leiche weitergeschafft nach der Karthause Walditzbei Gitschin, eine der vielen Waldstein'schen Stiftungen. In dieser Karthause war bereits 1614 die erste Gattin des Herzogs von Friedland und sein 1628 verstorbener Sohn bei gesetzt worden, und zwar in einer kleinen Capelle, da die Stifts kirche noch unvollendet war. Obschon der Statthalter von Prag den Prior der Karthause angewiesen hatte, den Körper Wallen- stein's ohne Ehrenbezeugung zu bestatten, so scheint doch ven Mönchen so viel Dankbarkeit gegen ihren größten Wohlthäter innegewohnt zu haben, daß sie die Leiche wenigstens in einen würdigeren Holzsarg einbetteten. Bei dieser Gelegenheit wurde nun festgestellt, daß trotz der unwürdigen Aufbewahrung in Mies die Leiche sich vortrefflich gehalten hatte, sie wurde nackt aus dem eilig und schlecht in Eger angefertigten Sarge heraus gehoben und zeigten dabei die Glieder volle Beweglichkeit, die Leiche selbst machte keinen unangenehmen Eindruck. Nach Voll endung der Stiftskirche „Mariä Himmelfahrt" wurden alle drei Särge in derselben beigesctzt und die Gruft durch einen Grabstein geschlossen, welcher gänzlich ohne Inschrift blieb. In der Wal- ditzer Karthause verblieb die Leiche Wallenstein'» unter Obhut der Mönche, welche sicher in Gebeten oftmals sich derselben erinnerten und im Jahre 1744 einen metallenen Prachtsarg stifteten, in den gebührend der bescheidene Holzsarg eingesetzt wurde. Doch nicht ewige Ruhe war dem großen Todten beschieden; im Jahre 1782 wurden die Mönchskloster in Oesterreich aufgehoben und die Stiftskirche wurde herrenloses Gut. Da endlich gedachte die ehemal» fürstlich« Familie Waldstein ihres großen Ahnherr», und der Kaiser Joseph II. gestattete den Nachkommen des Grafen Maximilian, dem Grafen Vincenz von Waldstein-Wartenberg, die Ueberführung der Särge mit den Leichen nach dem Stammschloß Münchengrätz. Am 28. Februar 1785 ordneten die Söhne desselben die Ueberführung an und am 3. März desselben Jahres wurde in der Schloßcapclle St. Anna die Beisetzung in einer besonderen Gruft feierlichst bewirkt. Wenn auch der Graf damals schon die Errichtung eines würdigen großen Mausoleums über dieser Gruft geplant hat, so kam dasselbe doch bis heutigen Tages nicht zur Aus führung, obschon man angeblich den Gedanken dazu noch nicht aufgegeben haben soll. Bekanntlich besteht ein Theil der ehemaligen großen von Waldstein'schen Besitze auch in dem herrlichen Schloß mit Park zu Dux. Ein Familienmuseum daselbst enthält ein ziemlich großes Fragment eines Schädels, welches dem Haupte des Herzogs von Friedland zugehört haben soll. Angeblich hat ein Gc neralVecseidenselbenausdem Sarge entnommen und zwar wahr scheinlich im Anfänge dieses Jahrhunderts, als er in der Nähe von Münchengrätz als Rittmeister auf Einquartierung lag. Das Fragment ist durch Graf Larisch an die von Waldstein'sche Fa milie gelangt. Die ewige Ruhe des großen Wallenstein hat man auch noch später gestört und 1814 wie 1834 den Sarkophag geöffnet, wobei allerdings sich bestätigte, daß ein Theil des Schädels fehlte, und somit die Echtheit der Duxer Reliquie an Wahrscheinlichkeit gewonnen Hot. Einen zierlichen kleinen Barockbau bildet die Mllnchengrätzer Capelle St. Anna, in welchem nun endlich wohl der so vielfach verkannte und angefrindete kaiserliche Generalissimus Ruhe ge funden hat; prächtige ehrwürdige Linden, sein Lieblingsbaum, beschatten den stillen, einfachen Raum der Capelle, an dessen Wand eine Brettthür den Abschluß bildet für den Raum, wo der Sarkophag des ManneS steht, für welchen Schiller's un sterbliche Dichtung die deutsche Jugend anhaltend zu begeistern vermag.
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