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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.01.1898
- Erscheinungsdatum
- 1898-01-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189801167
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18980116
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18980116
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-01
- Tag1898-01-16
- Monat1898-01
- Jahr1898
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.01.1898
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Die Morgen-Au-gabr erscheint um '/,7 Uhr, hi« Abentz-AuSgabr Wochentags um b Uhr. Filialen: Ltt» Klemm's Sortim. kAlfrcd Hahn), UniversitätSstraße 3 (Paulinum), LoniS Lösche, katharinenstr. 14, pari, und Könipsplatz 7. Nedaction und ErveLUio«: Iohanne-safie 8. Di«Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Ukw, BezugS'PreiS kl der Hanptexpedttto» od«r den im Stadt, bezirk und den Vororten errichteten AuS- aavestrllen ab geholt: vierteljährlich ^!4.bO, bei zweimaliger täglicher Zustellung inS Haus 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich 6.—. Directe tägliche Kreuzbandirndung InS Ausland: monatlich 7.50. npugerTagMalt Anzeiger. Amts Klatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Nathes nnd Valizei-Nmtes der Stadt Leipzig. Au-eigerr-Preis die 6 gespaltene Petitzeile SO Pfg. Reelamen unter dem Redactionsstrich k4ge» spallen) 50^, vor den Familiennachrichten (6gespaltrn) 40/^. Größere Schriften laut unserem Preis, derzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung vO—, mit Postbeförderung 70.—. Annahmeschluk für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen» Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz tn Leipzig. Sonntag den 1^. Januar 1898. 92. Jahrgang. Aus der Woche. L Im Reichstage finden wieder Sitzungen statt. Daß er „versammelt" sei, wäre eine gewagte Behauptung, aber zu einer Sitzung geboren, unseres Erachtens wenigsten-, nur eine Tagesordnung, ein Vorsitzender, zwei Schriftführer, die Stenographen und ein Redner. Das Präsidium und der Schriftführer sind noch nie auSgeblieben und der Redner findet sich auch immer. Man bat nickt einmal beobachten können, baß da- Gegenüber von leeren Bänken die Lust an sehr langem Reben beeinträchtige; Herr Nieberding bat sich hierin getäuscht. Voraussichtlich ist es die Gewißheit, daß der stenographische Bericht alle Weisheit an den Tag bringt, was die Abgeordneten vor dem limi-or vaoui im BerathungSsaale schützt. Wo es sich um die Beralbung wichtiger Gegenstände bandelt, wie die zur ersten Lesung gelangte Vorlage, betreffend die Aenrerung der Civilproceß- ordnung, es ist, bieten die amtlichen Sitzungsberichte auch in der Tbat manches nicht Wertblose, was in dem Hause mit seiner mangelhaften Akustik verloren gegangen ist. Von der Wiederaufwärmung aller Initiativanträge, die gleich die erste Sitzungswoche nach den Weihnachlsferien ausgezeichnet hat, kann man das freilich nicht sagen. Mehr Aufmerksamkeit als der Reichstag fand und ver diente das preußische Abgeordnetenhaus, das den Etat in Empfang nahm und dessen Erläuterung durch den Finanz minister anbörle. Die preußischen Finanzen, wir haben dies schon hervorgcboben, sind wirklich glänzend. Trotzdem muß man es billigen, daß Herr Or. v. Miguel nickt nur mit Rosen farben gemalt und den verflossenen schleckten Zeiten, sowie der Wahrscheinlichkeit, um nicht zu sagen Gewißheit, kommender magerer Jahre fest ins Auge geblickt hat. Und wie lange in Preußen und in anderen Bundesstaaten die günstige Lage auch anhalten, wie viel Herr v. Miquel auch „thesauriren" mag, man muß den deutschen Finauzminislern mit Ubland zurufen: „Freier seid Ihr nickt geworren, wenn Ihr daS Recht nicht festgeslellt." Nämlich ein gesetzliches dauerndes Verhältniß zwischen den Finanzen des Reiches und der Einzelstaaten Die letzte sächsische Thronrede Hal bekannt' Uch mit gutem Grunde nicht versäumt, diesen Dämpfer auf die Etatsfreude zu setzen. Im preußischen Etat spiegelt sich der im Ganzen ausgezeichnete Stand der Industrie und des Handels wider, auf den auch die Steigerung der Erträg nisse aus der Forstverwaltung — starke Bautbätigkeit — zurückzuführen ist. Aber die Einkünfte der Tomainen- vcrwaltung haben wieder abgenommen, ein Ergebniß, das denn doch nicht ganz leichten Herzens hinzunehmen ist. Die Regierung ihrerseits und, wie nicht zu bezweifeln, der Land tag erkennen die Fortdauer eines Nothstanbes innerhalb der Lanvwirthsckaft durch die gesteigerten staatlichen Aufwen dungen für dieses Gewerbe gebührend an. Uebrigens sieht der Etat auf allen Gebieten ungewohnt viel an Ausgaben vor. Der Satz: „Die Culturaufgaben leiden" beginnt seine Nichtigkeit zu verlieren. Mit dem Reichstage wird man sich erst wieder ernstlich beschäftigen, wenn in den Ausschüssen die Beralhung der Militair strafpr oceßordnung und desFlot ten gcsetzeS in Fluß geratben sein wird. Die Sache der Marine hat neuerdings manche Förderung erfahren. Wir rechnen vor Allem dahin die Kundgebung von Vertretern der Industrie, des kleinen Gewerbes und des Handelsstandes, die im „Kaiserbof" zu Berlin erfolgte. Sie ist imposant und — was die Hauptsache ist — eine allgemeine deutsche, nickt eine norv- deulicke Veranstaltung geworden. Der letzte Redner war ein Nürnberger, und er erhob ausdrücklich auch im Namen von Freisinnigen der allen Frankenstart seine Stimme für die Flottenverstärkung. Daß die Kundgebung zu Gunsten der Interessen des Reiches und seines Handels gleichzeitig zu einem Protest gegen die „geordnete" Vertretung der reichS- hanptslädtiichen Kaufmannschaft wurde, ist die Schuld Berlins, daS sich wieder einmal isolirt hat. Aber auch Berliner fehlten nicht, wie denn kaum eine Stadt von Bedeutung unvertreten blieb, sehr zum Unter schiede von jener durch freisinnige Gegner deS BörsengefetzeS nach Berlin berufenen Versammlung, in der, wie man sich noch erinnert, die Vertreter von „Städten" wie Teltow und Pyritz die großen deutschen Gemeinwesen ersetzten. Immerhin waren bei dieser früheren Veranstaltung auch Eommerzienrätbe lbätig, ohne daß aber Herr Eug en R i ck te r diesen Umstand zur Verkleinerung der Kundgebung verzeichnet hätte. Gegenüber der Flottenversammlung thut er daS: „Die Hoffnung (daß die Kaiserhvf-Nesolution nachhaltigen Widerball finden werde) dürfte fehlgeben. Auf die Meinung der Herren Eommerzien- räihe und Großindustriellen wird im Volke herzlich wenig Gewicht gelegt." Schön: Auf wessen Meinung aber legt nach dem Dafürhalten des Herrn Richter daS Volk Ge wicht'? Etwa auf die Richter's und die der wenigen ihm treu gebliebenen, konfessionell kaum mehr gemischten groß städtischen Rechtsanwälte und Destillateure? Das scheint schon bei den Wahlen des Jahres 1893 nickt mehr der Fall ge wesen zu sein. Denn damals brachte die Freisinnige „Volks partei" auch nicht einen einzigen Kandidaten im ersten Wahl gang: durch. Erst auf Zureden von „Commerzienräiheu und Großindustriellen" wählte das Volk etliche Dutzend dieser Herren in der Stichwahl. Eugen Richter selbst würde ohne das erbetene Zutbun dieser von ihm jetzt offenbar als minder- werthig eingesckätzten Mensckengaltnng heule seine politischen Lorbeeren außerhalb de- Reichstages pflücken müssen. Die in der Tbat „uferlose" Armseligkeit, mit der dieser verrostete Agitator die Marinepläne der Regierung und der Nation bekämpft, findet nur noch Ihresgleichen bei den Führern der württe m bergischen Demokraten, deren einer die deutsche Politik als in der Verckinesung begriffen befunden und die Besetzung von Kiao tschau mit dem räuberischen Einfall von Iamcson in Transvaal verglichen Hal. Einige deutsche Zeitungen haben sich über diese letztere Infamie em pört; andere haben es vorgezogen, sie der Verachtung—- der englischen Presse zu überantworten, die dergleichen zwar wohl gefällig notirr, aber deswegen in der verdienten sittlichen Beurtheilung solcher ihrem Lande geleisteten Dienste nicht beirrt wird gemäß dem Worte: „Man liebt den Verralh, aber haßt den Verrätber." Die schwäbischen Demokratenführer, die theilS an die Rheinbunds-Patrioten, tbeils an die Krieger „aus der guten allen Zeit" in den „Fliegenden Blättern" erinnern, sind aber sehr gleickgiltig für das Schicksal der Marinevorlage. Hier entscheidet das Centruin, daS durch die Frage offenbar in einen Zustand der Gäbrung versetzt worden ist, deren Verlauf sich noch nicht völlig übersehen läßt. Eins scheint schon heule gewiß: von dem Irrlhum, daß mit der Parole „Gegen die flotte!" bei den Wahlen zu reussiren wäre, ist man auch in diesem Lager fast allenthalben curirt. Die deutschen Ansiedler in Palästina. Q Wie dieser Tage offciös mitgetheilt wurde, hat ein Jrade des Sultans den gejammten in Jaffa belegenen deutschen Grundbesitz, soweit er nicht in dem von einer besonderen Commission an Ort und Stelle aufgenommenen Verzeichnisse als Staatsland (Mine) bezeichnet worden war, als Mülk, d. h. als freies Privatrigenthum, erklärt und das Obergrundbuchamt in Konstantinopel angewiesen, den deutschen Eigenthümern die erforderlichen Befitztitel auszustellen. Damit ist eine Angelegen heit zum endlichen Austrag gebracht, um deren Erledigung zu Gunsten der deutschen Ansiedler in Palästina sich namentlich der nationalliberale Rcichstagsabgeordnete Siegle verdient gemacht hat. Schon im Jahre 1892 lenkte er die Aufmerksamkeit auf diese Angelegenheit, um dann nochmals vor nunmehr drei Jahren wiederholt nachdrücklich auf ihr« Regelung zu dringen. Da die Annahme berechtigt ist, daß die jetzt für Jaffa getroffene Ent scheidung des Sultans auch für die übrigen deutschen Ansiedelun gen in Palästina maßgebend sein werde, so ist damit die Rechts unsicherheit beseitigt, unter der die dortigen deutschen Colonisten seit mehr als 20 Jahren zu leiden hatten. Es bandelt sich dabei um etwa 1500 Deutsche, die — zumeist der christlichen Gemeinde der Templer angrhörrnd — in Palästina leben; nach dem Zeug nisse des früheren Staatssecretairs Freiherrn von Marschall brave, arbeitsame, friedliche Leute, die ihre deutsche Nationalität bewahrt haben, ihre Wehrpflicht erfüllen und dabei durch ihre Schulen, ihre Hospitäler und sonstigen gemeinnützigen Anstalten wie durch ihre musterhafte Wirthschaftsfiihrung in segenbringen der Weise in ihrer neuen Heimath wirken. Diese seit 1868 ent standenen Ansiedelungen waren seit Jahren in den Grundlagen ihrer Existenz bedroht, da die türkischen Behörden bemüht waren, von ihrem seiner Zeit rechtmäßig erworbenen Landbesitze so viel als möglich als Staatsland in Anspruch zu nehmen. Was das zu bedeuten hatte, erhellt zur Genüge aus dem Umstande, daß die türkische Regierung noch zu Anfang dieses Jahrzehntes den Ver such machte, einen Großherrlichen Ersatz vom Jahre 1861 zur Durchführung zu bringen, welcher bestimmte, daß alle Län dereien als Staatsland anzusehen seien, die sich zur Zeit der Er oberung Palästinas, also zu Anfang des 16. Jahrhunderts, in den Händen von Nichtmuhamedanern befanden. Dazu traten all gemeine Schwierigkeiten, die sich aus dem höchst verwickelten Grundeigenthumsrechte in der Türkei, das vier verschiedene Kate gorien von Grundeigenthum kannte, ergaben. Wenn nun auch die Erklärung eines Grundstücks zum Staats land nicht einer Expropriation des Besitzers in unserem Sinne gleichkam, da nach türkischem Recht auch das Staatsland in Form des Privatlandes besessen, vererbt und übertragen werden kann, so bedeutete sie doch sür den Besitzer eine zehnfach höhere Steuer belastung, die für die meisten der deutschen Ansiedler, die ihr Eigenthum in gutem Glauben als Privatland erworben hatten, mit völligem Ruin identisch gewesen wäre. Schon 1875 riefen die Colonisten das deutsche auswärtige Amt um Hilfe an. Trotz der aus den internationalen Vereinbarungen mit der Türkei ent springenden Unsicherheit seiner Legitimation nahm sich dieses durch Vermittlung des deutschen Botschafters in Konstantinopel der Beschwerden an und nach langen Verhandlungen, in welche die wiederholten Hinweise des Abg. Siegle auf die mißliche Lage der Ansiedler stimulirend eingriffen, willigte 1894 die Pforte rin, daß eine Commission niedergesetzt werde, welche die Grundeigen- thumsverhältnisse in einer der Billigkeit entsprechenden Weise regeln sollte. Zu dieser Commission, die seit Anfang 1895 an d°, Arbeit war, wurde als vermittelndes Organ zwischen ihr und den Colonisten der zweite Dragoman der deutschen Botschaft in Konstantinopel delegirt. Das Jrade vom 23. December v. I. hat endlich die Sache zu einem befriedigenden Abschluß gebracht, der dadurch an Bedeutung gewinnen dürfte, daß sich seine Con sequenzen auch auf die Angehörigen anderer Nationen in der Türkei, welche dort Grundeigenthum besitzen, ausdehnen werden. Deutschland, welches die Angelegenheit allein nachdrücklich verfolgt hat, hat damit indirekt allen fremden Ansiedlern in der Türkei einen hoch anzuschlagenden Dienst geleistet. Deutsches Reich. * Leipzig, 15. Januar. 2m „Vorwärts" lesen wir heute: Redakteur Adolf Thiel« in Halle a. S. hat am 12. Januar die dreimonatige Gesängnißsirase angetreten, die ihm wegen Beleidigung de§ Direktors der Böllberger Mühle auserlegt ist. Als Lektüre bekommt unser Genosse, wie das „Volksblatt" mittheilt, da- nationalliberale „Leipziger Tageblatt". Also eine Straf, verschärfungl Drei Monate lang nur daS „Leipz. Tagebl." lesen zu dürfen, muß für den zielbewußten „Genossen" allerdings eine Strafe sein, auch wenn er gleich den Redakteuren deS „Vorwärts" im Genüsse der Freibeit dem „Leip». Tagebl." täglich besondere Aufmerksamkeit zuwendet. Aber als Strafverschärfung ist ihm diese Lektüre sicherlich nicht verordnet worden. Die Verordnung ist selbstverständlich zum Zwecke der Belehrung und Besserung deS UebeltbäterS erfolgt. Und zu solchem Zwecke wird die ausschließliche Lektüre deS „Vorwärts" wohl niemals einem Sträfling auferlegt werden. ZurZeit würden nickt einmal vie „Sächs.Arbeiterztg." und die „Leipz. Volkszeitung" einen strafwürdigen Bourgeois durch Zwang zum täglichen Studium des „Vorwärts" und seiner „rollenwikrigen Seitensprünge" bessern zu können glauben. Wenn übrigen- die parlamentarischen Genossen deS socialdemokratischen „Centralorgans" die dem Herrn Adolf Thiele zugemessene „Strafverschärfung" im Reichs tage rügen wollen, so haben wir dagegen nichts einzuwenden. Berlin, 15. Januar. Der gewerbliche Auf- schwungder letzten Jahre tritt besonders deutlich in den Nach weisen zu Tage, welche die preußische Bergverwal tung über die Ergebnisse der staatlichen Bergwerke, Hütten und Salinen im Jahre 1896/97 erstattet hat. In diesem Jahre waren 17 Steinkohlen-, 8 Braunkohlen-, 13 Eisenerz-, 5 Blei-, Zink-, Kupfer- und Silber- und 3 Salzbergwerke im Betrieb, dazu 5 Eisen- und 7 Blei- und Silberhütten, 6 Salinen und 5 Steinbrüche; sie brachten 136,3 Millionen Mark, 13 Millionen Mark mehr als im Vorjahre, und gaben 62106 Arbeitern Be schäftigung, rund 4000 mehr als im Vorjahre. Von besonderem Interesse sind die Nachweise über die Arbeiterverhältnisse auf den Staatswerken. Von den 62 106 Arbeitern kamen 56 880 auf den Bergbau, 929 auf die Steinbetriebe, 3500 auf die Hütten und 797 auf die Salinen. Wie der Bericht meldet, waren 96 tödtliche Betriebsunfälle gegen 99 im Vorjahre zu ver zeichnen; davon kamen auf den Steinkohlenbergbau 79, den Braunkohlenbergbau 2, den Erzbergbau 9, den Salzbergbau 4, den Salinenbetrieb 2. Für die Versicherung der Arbeiter gegen Unfall wurden von den Staatswerken im Berichtsjahre 1255 526 Mark aufgebracht, etwa 5000 Mark mehr als im Vorjahre. An die Arbeiter des Oberharzer Blei- und Silberbergwerks wurden 2195 Tonnen Brodkorn zu einem ermäßigten Preise abgegeben. Zur Deckung des Magazinschadens leisteten die Werkscassen einen Betrag von 57 661 Mark und die Cafse des Clausthaler Haupt knappschaftsvereins einen solchen von 5777 Mark. Die An siedelung der Arbeiter in der Nähe der staatlichen Werke ward: durch Gewährung von Bauprämien uckd Baudarlehen wie in den Vorjahren befördert. Im Saarbeziri kamen 71 Bauprämien in Höhe von 850 bis 900 Mark, insgesammt 63465 Mark zur Vertheilung. 70 Empfängern der Bauprämie wurden außerdem unverzinsliche, in 10 Jahren rückzahlbare Baudarlehne im Ge- sammtbetrage von 105 000 Mark gewährt. Die Zahl der im Saarbezirk seit dem Jahre 1842 prämiirten Bergmannshäuser hat sich hierdurch auf 5836 erhöht. Ferner wurden im Bereich der Bergverwaltung der Bau von 17 Wohnhäusern mit ins gesammt 46 Familienwohnungen begonnen, deren Kosten auf 217 250 Mark veranschlagt werden. Zur Fortbildung der ju gendlichen Arbeiter der Staatswerke wurden auf bergfiscalischr Kosten Werksschulen unterhalten. Ein Theil der jugendlichen Arbeiter des Oberharzes besuchte städtische Fortbildungsschulen, welchen vom Bergfiscus Beihilfen gewährt wurden. Den größten Umfang besitzt die Werksschule der Saarbrücker Bergwerke, in welchen im Betriebsjahre durchschnittlich 2421 junge Bergleute unterrichtet wurden. In 11 Industrieschulen des Saarbezirks, in welchen die aus der Schule entlassenen Bergmannstöchter Anleitung im Anfertigen von Kleidern, Wäsche u. s. w. em pfangen, nahmen an dem Unterrichte 370 Mädchen Theil. Die 18 Kleinkinderbewahranstalten des Saarreviers wurden durch schnittlich von 2300 Kindern besucht. Die Errichtung einer ähnlichen Anstalt für die Königin-Luise-Grube in Oberschlesien ist in die Wege geleitet. Die Steigerung der Arbeitslöhne ergiebt sich aus einem besonderen Anhang, der über die staatlichen Steinkohlenbergwerke Nachweisungen bringt seit dem Jahre 1886; daraus ergiebt sich, daß von 1886 bis 1896 der Jahresverdienst gestiegen ist auf die Schicht in Oberschlesien von 490 auf 697 Mark, in Unterschlesien von 586 auf 757 Mark, in Dort mund von 772 auf 1035 Mark, in Saarbrücken von 808,5 auf 966 Mark. Diese Steigerung hat im verflossenen Jahre an gehalten; von 1896 bis 1897 stieg der Arbeitslohn pro Schicht in Oberschlesien von 2,49 auf 2,55 Mark, in Unterschlefien von 2,49 auf 2,57 Mark, in Dortmund von 3,29 auf 3,54 und in Saarbrücken von 3L8 auf 3,32 Mark. * Berlin, 15. Januar. Zur Flottenvorlage äußert sich in dem klerikalen „Deutschen Volksblatt", dem Organ der württembergischen CentrumSpartei ein mit G. unter zeichneter Artikel, als dessen Verfasser Herr Gröber ver- mutbet wird, u. A. wie folgt: „Dir Stellung de» Centrum- hat am klarsten Freiherr v. Hert- linq in seiner Mrmminger Rede gezeichnet. Er präcisirte seine Stellung dahin: Keine neue Anspannung der Steuerkraft, keine indirekten und keine direkten Steuern, keine Schmälerung der ohnehin Die verkehrte Welt. Wenn unsere braven deutschen Marinetruppen in dem neuen Reichshafen Kiaotschau an der Ostküste des Reiches der Mitte mit ihren bezopften Conpatrioten jüngsten Datums erst in nähere Beziehungen treten, oder wenn, wie es beabsichtigt sein soll, Prinz Heinrich mit seinem Gefolge die Hauptstadt und den Hof Chinas besucht, um die Grüße unseres Kaisers zu überbringen, und, falls dies überhaupt möglich, an allerhöchster Stelle in China etwas moderne Aufklärung zurückzulassen, werden sie auf Schritt und Tritt die Hände über den Kopf zusammenschlagen über die verkehrte Welt, der sie an den Gestaden des fernen Osten begegnen, und es wird ihnen sicherlich nicht leicht fallen, das Unterst: zu oberst und das Hinterste zu vorderst zu nehmen. Aber sie werden gut thun, wenn sie glatt durchkommen und etwas erreichen wollen, sich mit den den unserigen vielfach dia metral entgegengesetzten Einrichtungen und Gepflogenheiten be kannt und vertraut zu machen. Hoffentlich haben sie als zu verlässigen Führer E. von Hesse-Wartegg's, des bekannten For schungsreisenden, ebenso lehrreiches wie unterhaltendes Buch „China und Japan" mit auf die Fahrt genommen, das, gegen Ende des vor. Jahres im I. I Weber'schen Verlag in Leipzig erschienen, in bunter Reihenfolge Erlebnisse, Studien und Be obachtungen auf einer Reise um die Welt darbietet und, auf's reichste illustrirt, namentlich Uber die Verhältnisse des chinesischen Kaiserreichs nach allen Richtungen hin gründlichst orientirt und aufklärt. In erster Linie sind eS die täglichen Umaangsformen, die, bei den Chinesen strengen Regeln unterworfen, in einer der unserigen ganz entgegengesetzten Weise zum Ausdruck kommen. Empfängt beispielsweise, so erzählt Hesse-Wartegg, ein Chinese Besucher in seinem Hause, so nimmt er dazu nicht den Hut ab, sondern setzt ihn auf; er schüttelt bei der Begrüßung nicht die Hände deS Besuchers, sondern sein« eigenen, und er weist dem Gast nicht die rechte, sondern die link Seite als Ehrenplatz an. Es wäre ein schlimmer Verstoß gegen die Etiquette, wollte der Gast sich nach dem Befinden der Damen erkundigen, oder den Wunsch auSdrücken, ihnen vorgestellt zu werden. Die Damen bleiben unsichtbar, selbst bei Mahlzeiten, und statt ihrer werden als Dekoration Frauen der Halbwelt zugezogen, die sich aber zurückhaltend und decent zu betragen haben. Ihre langen sei denen Gewänder, meist mit kostbaren Stickereien bedeckt, reichen vom Hals bis auf die Knöchel; von Toilettefreiheiten ist weniger die Rede als in Europa. Betreten die Gäste den Speisesaal, so trippeln sie alle zusammen den Männern nach. In China würde es für Verrücktheit oder gar Unverschämtheit angesehen, wollte man einer Dame den Arm reichen, um sie zu Tische zu führen. Im gesellschaftlichen Leben werden die Frauen vollständig ignorirt, als wären sie gar nicht vorhanden. Das einzige weib liche Wesen, da» im Gespräch unter Bekannten beachtet wird, ist die Mutter. In einem fremden Hause erkundigt sich der Vorsprechende nach dem Alter und dem Befinden aller männlichen Familienglieder. Er fragt nicht: „wi« geht es Deinem Vater?", sondern in wörtlicher Uebersetzung: „Ausgezeichneter Bejahrter, welches ehrenwerthe Alter?", d. h.: „Wie alt ist Dein Vater?" Der Vater des Hausherrn wird von den Besuchern als der ausgezeichnet« Ehrenwerthe, oder als der ehrwürdige große Fürst bezeichnet; der Sohn nennt seinen Vater Majestät oder Fürst der Familie. Der verstorbene Dater heißt der frühere Fürst. Will aber ein Gast der Mutter de» Hausherrn (niemals der Frau) seine Aufmerksamkeit brzeugen, so sagt er: „Ausgezeichnrtr Langlebigkeit Halle, bezeuge für mich Wunsch Ruhe". Die drei ersten Worte deuten die Wohnung der Mutter an. Spricht ein Chinese mit einem seiner Bekannten von dessen Frau, so nennt er sie die ehrrnwerthe Dame, oder Deine Bevorzugte; spricht er aber von seiner eigenen Frau, so bezeichnet er sie mit den Worten: „tsien nui", d. h. die Geringe der inneren Ge mächer oder auch die Närrische der Familie. Die Tafel wird nicht mit einem weißen Tischtuch bedeckt, denn weiß ist bei den Chinesen die Farbe der Trauer. Während der Mahlzeit werden nicht kalte, sondern warme Getränke gereicht, und die Reihenfolge der Speisen ist die umgekehrte wie bei uns. Bei uns ist ein Ei eine Delikatesse, wenn es nicht nur gut zubereitet, sondern vor allen Dingen frisch ist. Umgekehrt im blumigen Reiche der Mitte. Da werden gewöhnlich gegen Ende einer opulenten Mahlzeit kleine Schälchen mit schwarzer Gallerte gebracht, in welcher dunkelrothe Eier stecken. Zögern die euro päischen Gäste mit erstaunten Mienen, zuzulangen, so sagt wohl der Dolmetscher: „verzr gooch tbat verv vlä egp I" „Sehr gut, daS ist sehr altes G!" Sehr altes Ei — guten Appetit! Die Zubereitung dieser Delikatesse ist nach chinesischen Kochbüchern die folgende: Aus Holzasche, Kalk, Salz, Wasser und einigen aromatischen Kräutern wird ein dicker Brei bereitet, in welchen die frischen Eier gelegt werden. Darin bleiben sie unter hermetischem Verschluß vierzig Tage lang aufbewahrt, dann sind sie schon Halbwegs „genießbar", aber je länger sie liegen bleiben, desto besser werden sie nach chinesischen Begriffen. Je älter der Jahrgang, desto gesuchter, gerade wie bei unseren Weinen. Was werden die Pioniere unserer deutschen Cultur in Kiaotschau für Augen machen, wenn sie solche Leckerbissen vorgesetzt bekommen. Bei einem Besuch im Hause wird man allen Anwesenden vor gestellt, und diese beeilen sich, die üblich« Frage an den Besucher zu richten, welche» denn sein „ehrenwerthe» Alter" sei, und darauf erfolgt die gleiche Erkundigung bei dem Hausherren und seiner Umgebung. Bei einer solchen Gelegenheit schien der Begleiter Hesse-Wartegg's, Mr. Clark, ein junger Engländer, überrascht, als der Hausherr ihm sein Alter als Sechziger nannte. Auf die Frage nach der Ursache seines Staunens ließ Clark ihm sagen, er sähe viel jünger aus, er hätte ihn nicht für so alt gehalten. Consternation auf allen Gesichtern! Diese europäische Höflich keitsäußerung zog in diesem Falle entschieden nicht. Clark hätte besser gethan, ihm zu sagen, daß er ihn für einen Achtziger halte, denn während es in Ländern, die uns Europäern näher liegen, Sitte sein soll, daß besonders die Damen für jünger gehalten werden möchten, als sie wirklich sind, hören es die Chinesen sehr gern, wenn man ihnen ein paar Jahre mehr giebt und es ist daher die größte Schmeichelei für einen jungen Zopfträger, ihn zu seinem ehrwürdigen Aeußeren zu beglückwünschen. So geht es bei diesen „konträren" Menschen durch alle Lebens- bethätigungen und Gewohnheiten. Wir schneiden unser Kopfhaar kurz, der Chinese verlängert es noch künstlich durch Seidenschnüre und setzt darein seinen größten Stolz. Bei uns tragen die Frauen Zöpfe, in China thun das die Männer und zwar vom Kaiser bis zum Kuli ohne Unterschied, während den Frauen dieser Stolz der Männlichkeit durch Sitte und Gesetz versagt ist. Wir sind stolz auf unsere Bärte, der Chinese vertilgt bis zu seinem 45. Jahre sorgfältig alle Bartspuren. Die Chinesin schnürt sich nicht den Leib, sondern in der bekannten schmerzhaften, verun staltenden und die freie Bewegung hindernden Weise die Füße; geht sie aus, so setzt sie nicht den Hut auf, sondern entfernt jede Kopfbedeckung. Der Chinese trägt keinen Spazierstock, sondern einen Fächer; statt sich auf einem Spaziergange von einem Hund begleiten zu lassen, trägt er einen Käfig mit einem Bogel, und reitet er, so saßt er die Zügel nicht in der linken, sondern in der rechten Hand. Er schreibt nicht mit der Feder, sondern mit dem Pinsel und zwar von oben nach unten, von recht» nach link» und
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