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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.01.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-01-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980118010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898011801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898011801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-01
- Tag1898-01-18
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Brüser» Schriften laut unserem Prets- verzeichniß. Tabellarischer nnd Ztssernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen »Ausgabe, ohne Postbesörderung ^l 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Äanahmeschluß fmr Anzeigen: Abend-Ausgab«: Vormittag» 10 Uhr. Margeu-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an di» Expedition zu richten. Druck und Verlag von L. Polz in Leipzig. 92. Jahrgang. 1848. Vor zwei Jahren feierten wir da» 25jährige Jubeltest der glücklichen und erfolgreichen Beendigung eines grcßen Kriege- und teS endlichen Zusammenschlüsse- aller deutschen Staaten zu einer festen und machtvollen Einheit. In da» jetzt begonnene Jahr 1898 fallen die 50. Jahrestage einer Reihe von Ereignissen ganz anderer Art, und doch in ihrer Weise ebenfalls bedeutsam und vor Allem lehrreich. DaS Jabr 1848 wurde damals von vielen Seiten als ein Jahr deS „VölkerfrühlingS" freudig begrüßt. Leider fiel in die HeffnungSblüthen dieses Lölkersrüblings verderbend und ertödtend erst das wilde Feuer der Maiaufstande von 1849, dann der falte Reif der Reaction, die infolge besten bald darauf über Deutschland herembrach. Zum Theil unter dem Eindruck sowohl jener wie dieser, »um Theil nach der nicht ungewöhnlichen Erfahrung, daß spätere Generationen sich von dem abwenden, wosür frühere sich erwärmt, ist da- Jahr 1848 von den nachzeborenen Geschlechtern bi- herab aus die Gegenwart nicht selten in Bausch und Bogen da» »tolle Jahr" genannt worden. Jedenfalls verdient dasselbe eine so kurz absprechende Kritik nicht, schon um deswillen nicht, weil in dieses Jahr 1848 als dessen Höhepunkt caS „erste deutsche Parlament" fällt, diese erste, leider mehr als zwei Jahrzehnte lang einzige Gesammtvertretung der deutschen Nation. Jetzt, wo einerseits DaS, wonach jenes Frankfurter Parlament vergebens, wenn auch mit noch so redlichen Bemühungen gestrebt, glorreich hinauSgeführt ist, wo wir aber andererseits wabrnebmen, mit welchen Klippen und Untiefen die parlamentarische Arbeit eines Volkes selbst da zu kämpfen hat, wo alle Vorbedingungen und Bürgfckaften einer solchen gegeben und gesichert sind — jetzt können wir unbe fangener und gerechter uribeilen, sowohl über das, was 1848 verfehlt, als über das, was dennoch erreicht worben ist. Ein solches möglichst unbefangenes und gerechtes Unheil „über das erste beutiche Parlament" unter Berichtigung so mancher dagegen gerichteten Angriffe auf Giund einer ge nauen Kenntniß der einschlagcnben Thatsachen hat in dankens- werther Weise einer der wenigen (angeblich nur sieben) noch überlebenden Abgeordneten von der Mehrheit deS Frankfurter Parlaments, Professor Karl Biedermann, übernommen. In einem Artikel im Januarheft der Zeitschrift „Nord und Süd" (Verlag der Schles. VerlagSanstatt von S. Schottländer) bespricht er die erste Zeit des Parlaments, dessen Zusammen setzung, Parteigruvpirung, Stellung zu den Regierungen re., und sucht hier namentlich zwei dem Parlamente häufig gemachten Voiwürfe zu widerlegen, erstens den, als habe das Parlament aus „Souveränitätsdünkel" jede Vereinbarung mit den Negierungen über d>e Verfassung von sich gewiesen, zweitens den ganz entgegengesetzten, es habe mit einer weit schweifigen Berathung der „Grundrechte" eine kostbare Zeit ver loren, statt die „organischen Theile der Verfassung", die Cavitel Reichsgewalt, ReichSoberbaupt u. s. w. rasch fertig zu stellen, um die Regierungen, die damals durch die Märzbeweaung geschwächt gewesen, zu deren Annahme zu zwingen. Dort weist er nach, wie umgekehrt die Regierungen durch ihre Uneinigkeit unter sich eine Vereinbarung mit dem Parlamente unmöglich gemacht haben, hier, wie das Parlament im Sommer 1848 zu einer gedeihlichen Berathung der schwierigeren Theile der Verfassung noch unfähig, die Verwirrung der Ansichten noch zu groß gewesen sei, wie eS erst einer längeren Schulung und mannigfacher Erfahrungen bedurft habe, um eine Majorität für eine lebensfähige Verfassung heranzubilden. Ein zweiter Artikel (hoffentlich im Februarbeft) soll etwas länger bei einigen Vorgängen verweilen, welche dem Abschlüsse der Ver fassung tbeils vorauszingcn, tbeilS ihn begleiteten, und welche verhängnißvoll für daS Schicksal der Verfassung und des Parlamentes selbst wurden. Der Artikel beschränkt sich aber nicht auf eine Schilderung und Beurtheilung der Verfassungsarbeit des Parlamentes, sondern er schildert und ckarakterisirt auch die Vorstudien dieser Versammlung, die Märzbewegung, daS Vorparlament, den Fünfziger-Ausschuß. Und zwar thut dies der Verfasser alS Augenzeuge nach eigenstem Erleben. Rücksichtlich der Märzbewegung tritt er zwar, nach seinen Beobachtungen zwei unrichtigen Auffassungen entgegen, einmal der, als sei diese Bewegung plötzlich, unerwartet, gleichsam „über Nacht" gekommen, ebenso aber auch der, als sei sie das von langer Hand vorbereitete Werk einer radikalen Partei gewesen. Im Bezug auf die letztere Behauptung sagt er: „Das ist nicht richtig. Allerdings gab es in verschiedenen deutschen Staaten eine solche Partei; cs gab auch einfluß reiche und ehrgeizige Führer, wie Robert Blum in Sachsen, Johann Jacoby in Preußen, Jtzstein, Hecker, Struve in Baden u. s. w.; es gab einen gewissen Zusammenhang unter diesen tbeilS durch eine lbätige Parteipresse, tbeils auch (seit 1839) durch regelmäßige persönliche Zusammenkünste, bei denen die Taktik der Agitation vereinbart wurde. Allein von einer geheimen Verschwörung, wie etwa derjenigen der Car- bonaris in Frankreich und Italien, war alles dieses noch weit entfernt. Auch halte die Bewegung veS März dafür viel zu sehr einen spontanen, fast elementaren Eharakier. Der ganze Bürger stand, selbst in seinen gemäßigten Kreisen, war daran be- lheitigt, wenn nicht persöuliw, doch mit seinen Sympathien. Vorbereitet war allerdings die Märzbewegung von 1848, aber von ganz anderer Seite, nämlich durch die Mißregierung, die in vielen, ja den meisten deutschen Staaten bestand. Wir haben dafür ein unverwerfliches Zeugniß von einem nach Geburt und Lebensstellung durchaus konservativen Manne, dem königlich sächsischen Slaatsmmister a. D. Richard von Friesen. Dieser sagt in seinen „Erinnerungen auS dem Leben" (1. Band, S. 58): „Das Jahr 1847 ging zwar äußerlich ruhig vorüber, aber überall, nicht nur in Sachsen, sondern in ganz Deutschland, herrichte Unzufriedenheit, Mißtrauen, Beiorgniß für die Zukunft. Die staat lichen Einrichtungen TeuischlandS, sowohl der Bund selbst, alS die Verfassungen eines großen Tbeils der Einzelstaaten, waren alt ge worden, paßten nicht mehr zu den veränderten Verhältnissen, zu den Ideen, die sich der Bevölkerung in weiten Kreisen bemächtigt hatten Allgemein war die Ueberzeugung, daß es so nicht fort gehen könne. Viele Tausende an sich keineswegs revolntionair und antimo mrchifch Gesinnter, die aber keine Möglichkeit eines friedlichen, streng verfassungsmäßigen Ausganges sahen, wurden für die Idee einer allgemeinen, wenn auch gewaltsamen Umwälzung — nach einer oder der anderen Richtung hin — geneigter und em pfänglicher gemacht." Damit spricht Herr von Friesen aus, daß nicht die „ver änderten Verhältniffe" oder die in die Bevölkerungen ein gedrungenen „Ideen" die Erhebung von 1848 verschuldet hätten, sondern das Zurückbleiben der Regierungen hinter diesen Verhältnissen und diesen Ideen. DaS entspricht auch vollkommen jenem unabänderlichen und daher nicht ohne schwere Gefahren zu mißachtenden Gesetze der Geschichte, wonach in dem Geiste der Völker und in den Verhältnissen unaufhaltsame Entwickelungen vorgeben, denen durch An passung der politischen und socialen Einrichtungen daran Rechnung getragen werden muß." Professor Biedermann fährt fort: „DaS Bewußtsein, diese Pflicht versäumt zu baben, war eS wohl auch, was, als die Bewegung von l848 losbrach, als der lange unterdrückte und mißachtete Volksgeist sein Recht forderte, den Arm der Regierungen läbmte, sie nach giebig stimmte und sie abbielt, von den Machtmitteln Ge brauch zu machen, die ihnen zu Gebote standen." Eine weitere Berichtigung in dem Artikel von „Nord und Süd" gilt der herkömmlichen (auch in dem unlängst erschienenen Buche „Die deutsche Revolution von 1848—49" von HanS Blum beibebaltenen) Bezeichnung ter Märzbewegung von 1848 als einer „Revolution". „Sie war dies", sagt er, „weder in ihren Mitteln, noch in ihren Zielen. Nickt in ihren Mitteln.denn auch die weitestgehenden Forderungen des Volkes suchten nickt sich mit Gewalt durckzusetzen, sondern wandten sich bitlweise, wenn auch bisweilen in etwas stürmischer Form, an die geordneten Gewalten. Die sogenannte Revolution von 1818 verfuhr darin sogar glimpflicher als Vie auch sogenannte „Revolution" von l830. Damals wurden in Leipzig die Wohnungen der Polizeibeamten erstürmt und geplündert, in Dresden daß Polizeigebaude in Brand gesteckt, in Braunschweig der Herzog verjagt und sein Schloß angeründet, in Ku> Hessen ebenfalls der Kurfürst gezwungen, daS Land zu verlassen. Einzelne Ausschreitungen kamen auch 1848 vor, aber sie batten mehr einen socialen als einen politischen Charakter und bewegten sich in engeren Kreisen. In ihren Zielen glich die Bewegung von 1848 keiner der großen geschichtlichen Revolutionen, Weber den englischen von 1640 und 1688, noch den französischen von 1789, 1830, 1848. Diese alle stürzten jedes Mal die ganze bestehende Ordnung der Dinge um, ver wandelten die Monarchie in Republik oder setzten wenigstens an die Stelle der einen Dynastie eine andere. Die März bewegung dagegen „blieb vor den Thronen stehen", wie man es damals nannte. Der republikanische Ausstand, den Hecker und Struve im badiscken Oberland im April erregten, beschränkte sich auf einen ganz kleinen Bezirk und fand selbst in diesem so wenig Anklang, daß Hecker, als er sich zum LoSschlagen entschloß, kaum 50 Mann um sich hatte und, alS eS zum Zusammen stoß mit den BunreStruppen kam, kaum 1200. Den allerstärksten Beweis dafür, daß die Märzbewegung nicht eine eiaentlicke Revolution war, liefert die Geschichte des Berliner Aufstandes vom 18. März. Einen halben Tag und eine Nacht hindurch wird mit großer Erbitterung zwischen Volk und Militair gekämpft. Auf Befehl deS Königs wird Letzteres am Morgen deS 19. Mär; zurück gezogen und durch ein unbegreifliches Mißverständniß auch vom Sckloß und auS der Stadt. Damit sind die Auf ständischen Herren ver Stadt und der Person deS Königs geworden. Aber nicht das Geringste geschickt, um diesen Vortheil auszunutzen. Kein Ruf nach Entthronung deS Königs, nach Verkündigung der Republik wird laut. Ja, als einzelne Heißsporne dergleichen versuchen, werden sie von der Menge zum Sckweigen gekrackt und bedroht. Selbst die Volksbewaffnung, nach der ein Hanfe stürmisch verlangt, wird nicht etwa eigeumächlig inS Werk gesetzt, sondern erbeten und von der zuständigen Behörde mittels Auslieferung von 60V0 Flinten aus dem Zeugbause gewährt. Es ist nicht unwichtig, dies zu constatiren, denn man siebt die Bewegung von 1848 und alle daraus hervor gegangenen Bildungen, selbst das Parlament, mit anderen Augen an, wenn man in dieser Bewegung von vornherein eine „Revolution", wohl gar eine von langer Hand angelegte, erblickt, als wenn tieS nicht der Fall ist." Daß die Märzbewegung von 1878 keine eigentliche „Revolution", vielmehr nur der unvermeidliche Rückschlag deS nur zu lange und zu planmäßig unterdrückten Volks- aeisteS gewesen zwas selbst v. Friesen offen eingesteht), be stätigt auch die Charakteristik, die der Verfasser von dieser über alle deutsche Länder rasch verbreiteten Bewegung giebt. „In den Mittel- und Kleinstaaten", sagt er, „hatte di« Bewegung, abgesehen von einzelnen tumultuariscken Scenen, im Ganzen keinen gewalttbäligen Charakter. In Sachsen vollzog sie sich sogar ohne Betbeiligung der Mafien, lediglich innerhalb der Kreise deS gebildeten Bürgerthums, in der streng gesetzlichen Form von Adressen, Petitionen und Depu tationen an den König, daher auch ohne jede Störung der öffentlichen Ordnung. Auch der Stuick deS allmächtigen Staatskanzlers von Oesterreich, Fürsten Metternich, erfolgte nicht sowohl durch eine Revolution der Straße, als durch Fenilleton. Am die Erde. Reisebriese von Paul Lindenberg. ».ochdruck vrrbolrn. XII. Wieder einmal der König von Siam. — Seine Majestät schlafen noch! — Empfang beim Gou verneur. — Cour vor dem König. — Zwanglose Geselligkeit. — Im Singapore-Club. -—Unter unseren Landsleuten in der „Trutoni a." Singapore, 1L. Decrmber. Bum, bum, bum — dröhnend erklangen vorgestern von den Forts die Kanonengrüße, kaum daß ich recht „warm" — in jeder Beziehung — hier geworden war, und die leichten Rauchwölkchen schwebten über den weilen Hafen hin, in welchem viele der Schiffe Flaggenschmuck angelegt hatten. Wir saßen bei einem kühlen Cock-tail auf der breiten Veranda de» vornehmen „Sin- gapore-Clubs", von der aus man den herrlichsten Blick über den seeartigen Hafen, das Meer und hin zum nahen Festland hat; „was ist denn loS?" fragte ich meinen Nachbar, den Chef eines der größten hiesigen deutschen Handelshäuser, dem ich empfohlen war und der mich und meinen Begleiter sogleich in den Club als Gäste eingefiihrt hatte. „Ach richtig, der König von Siam langt ja heute hier an", erwiderte er und zeigte auf eine schnell näher kommende weihe Aacht, dasselbe Schiff, dem ich schon bei Js- mailya einen Besuch abgestattet, „er bleibt heute hier, wo er außer halb der Stadt ein Landhaus besitzt, und dampft morgen nach Bangkok weiter. Uebrigens ist heute Nachmittag zu Ehren des Königs Empfang beim Gouverneur, wollen Sie nickt daran theil- nrhmen?" — „Gewiß, äußerst gern, aber geht denn oas so leicht?" — „Natürlich, Sie ziehen sich schwarz an, selbstverständlich nicht Frack, und setzen sich, wenn sie ganz fein sein wollen, einen Cylinder auf, obwohl daS durchaus nicht nöthig ist. Sie treffen viele Herren der deutschen Eolonie, mich auch, und es ist vielleicht ganz interessant für Sie, einmal die Singaporer Gesellschaft zu sehen — also abgemacht, um fünf Uhr beim Gouverneur! Und nun, wenn Sie wollen, gehen wir hinunter zum Pier und sehen uns den Empfang aus nächster Nähe an." — „Ich muß schon wieder fragen: ist denn das so leicht möglich?" Wir sind weih angezogen, haben Tropenhelm auf, tragen Sonnen schirm ..." — „Kommen Sie nur, wir sind ja nicht in Deutsch land mit tausend Absperrungen, Sie sollen jetzt wie am Nach mittage sehen, wie zwanglos e» hier zugeht." Und es ging wahrhaft so zu! Unten auf dem in die Fluth hinauSgebauten Pier stand ein Zug graugelb uniformirter Sol daten mit der Musik, dann sah man die Vertreter der fremden Mächte, sämmtlich in schwarzen Gewändern, und zwischen und nahe ihnen eine Anzahl Damen und Herren, durchaus nicht feier lich angezogen; keiner der Polizisten, die den vorderen Platz am Hafen von den Eingeborenen frei hielten, fraat» un», wohin wir wollten, Niemand wir» un» gar zurück, wir befanden un» sogleich unter den des Königs Harrenden. Aber, wie heißt es doch, „hoffen und harren" — und zum narren kam es auch hier, nur dah die, welche es nicht nöthig hatten, sich nicht narren liehen, denn das flinke kleine Dampfboot kehrte allein mit dem Gouver neur, welcher den König an Bord seines Schiffes hatte abholen wollen, zurück, und eS verbreitete sich schnell die Kunde: „Seine Majestät kommen kaum vor einer Stunde an Land, Seine Ma jestät . . . schlafen noch!" und r» war doch schon halb elf Uhr! „DaS hätte „Er" früher sich nicht herauSgenommen", sagt mein Begleiter, „Er" scheint in Europa Mel gelernt zu haben, und sein Volk wird über „Ihn" sehr glücklich sein! —" Die Soldaten stellten ihre Gewehre zusammen, die Musiker legten ihre Instru mente hin, die Damen und Herren entfernten sich, um nicht wieder zukommen, und auch die Lonsuln und sonstigen officiellen Per sönlichkeiten nahmen im Club einen stärkenden „ktriuk" unk freuten sich ob oes nichtprogrammmäßigen Frühschoppens und daß Seine Majestät noch schliefen . . .! Endlich müssen aber Hochdiesrlben doch aufgewacht sein, denn ich traf ja Hochdero am Nachmittage bei Seiner Excellenz dem Herrn Gouverneur. Der Gouverneur-Palast liegt auf einem Hügel außerhalb der Stadt und wird von den schönsten Park anlagen umschlossen; mächtige Palmen strecken ihre Kronen zum Himmel empor, die Traveller-Dalme (also Reisende-Palme, weil ihre Stengel viel Wasser enthalten und schon manchen dürstenden Reisenden erquickten) breitet gleich einem ungeheuren Fächer ihre Blätter auS, wie gigantisch» Blumensträuße erschienen die mit rothen Blüthen übersäeten Flamboyant-Bäume und von unzähli gen mannigfaltigen, zum Theil buntfarbigen Blattsträuchern waren die weiten GraSflachen vor dem Haupteingang des Pa lastes eingefaßt. Hier hielt auch unser Pony-Gespann, und wir wandtrn unS dem freien Platze zu, auf welchem sick bereits eine Gruppe von Herren und Damen eingefunden hatte. Aber halt, erst müssen wir uns einschreiben, um völlig gesellschaftsfähig zu sein; für Seine und Ihre Excellenz waren auf je einem kleinen Tischchen, hinter dem ein weißbefrackter Haushofmeister stand, der einem die Feder reichte, ein BesuchSbuch aufgelegt; so, auch daS war rasch gemacht, und nun konnten wir uns getrost unter die Anwesenden mischen.von denen dieDamen meist in Hellen luftigen Toiletten, die Officiere in weißen Tropen-Uniformen, die Ci- vilisten in langen oder kurzen schwarzen Röcken erschienen waren. Mit den einzelnen Besucherinnen und Besuchern plauderten der Gouverneur, in grauem Anzuge mit gleichfarbigem Gehrock und Cylinder, und seine Gemahlin, die eine sehr einfach gear beitete graue Seidenrobe trug, jetzt aber schritten Excellenz dem Palast zu, denn eben rollte der von einem Kutscher in scharlach- rother LivrSe gelenkte offene Wagen mit dem Beherrscher aller Siamesen heran. In einem zweiten Gefährt folgte der etwa zwölf jährige Sohn de» König» mit mehreren siamesischen Herren. Der Gouverneur geleitete den König unter den Klängen der von der Militaircapelle gespielten siamesischen Hymne zu einigen, am Promenadenweg« stehenden Sesseln, wo der König Chulalongkorn die Frau Gouverneurin begrüßte. Und nun begann die „Cour": der König, im schwarzen Gehrock, weißer Weste und Hellen Unaus sprechlichen, auf dem Haupte d«n Cylinder, stand in der Mitte, etwa» vor ihm link« die Gouverneurin, recht» von ihm der Gou verneur und von dksnn wieder recht» sein Adjutant, rin statt licher, hochgewachsener Officier. Diesem nahte man, den Weg entlangschreitend, zuerst, nannte ihm, falls man nicht persönlich bekannt war, seinen Namen, den er dem Gouverneur wiederholte und den dieser dem König mittheilte; erst einen Knix vor'm Gouverneur, dann einen bessern vor dem König, der ganz gemächlich seinen Cylinder schwenkte und Einem ein huldvolles Lächeln gönnte, und den besten vor der Gouverneurin, die Einem mit freundlicher Zuvor kommenheit die weibbehandschuhte Rechte reichte. So wurden auch wir dem König mit dem langen Namen präsentirt! Ob sich wohl Majestät auf diesen geschichtlich-denkwürdigen Augenblick in Bangkok, wohin wir übermorgen dampfen und woselbst wir vielleicht nochmals seinem königlichen Antlitz nahen dürfen, be sinnen wird? Kaum, denn immer länger wurde nach unserem Vorbeimarsch der Zug der Defilirenden und, wohl von den Re gierungsgeschäften des Vormittags etwas geschwächt, geruhten alsbald Seine Majestät sich auf einem der Sessel gnädigst nieder zulassen und nicht mehr als Standesperson die Erschienenen zu begrüßen. Die, welche der Ehre des königlichen Gastes theilhaftig gewor den, versammelten sich auf einem etwas tiefer gelegenen zweiten Grasplatze, wo auch die Musik aufgestellt war und lustig trom melte, pfiff und trompetete. Es war em heiteres, gesellschaftliches Bild, dem es nicht an reicher Farbe fehlte, war doch ein Viertel der zwei- bis dreihundert Erschienenen Chinesen, ausschließlich reiche Handelsherren, in. ihr: prunkenden, kostbar gestickten sei denen Gewänder gekleidet, und sogar eine niedliche kleine Chinesin in roth-blauem, mit Edelsteinen geschmückten Seidenrock trippelte umher und schwang unaufhörlich den zierlichen Schildpattfächer, und, ich glaube wahrhaftig, koquettirte mit ihren geschlitzten Aeuglein zu einigen männlich-schönen englischen Officieren hin über. Herrlich ferner der Blick auf die bergab sich ziehenden Parkanlagen und das weite grüne Baummeer da unten, aus dem hier und da einige Villen weiß herausleuchteten und über welches jetzt die Sonne ihre letzten purpurnen Strahlen versandte. Aber Ansehen macht nicht fett, und wer wüßte die Wahrheit des alten Bauernwortes besser zu verstehen, als mein kunstfer tiger Begleiter, der mittels seines „einnehmenden" Wesens überall seinen Gastpflichten außerordentliche Ehre einlegt. Auf eine halbe Stunde riecht er's. wenn irgendwo eine Bratwurst brusselt, und sollte er einmal aus unserer weiteren Fahrt von feinschmecke rischen Kannibalen gefangen und zum Verspcistwerden bestimmt werden, so dürfte sein letzter Seufzer sein: „Ihr Unmenschen, gebt mir nicht einmal waS von meinen eigenen Beefsteaks ab!" — So hatte er denn auch hier bald hcrauSgetüftelt, daß verborgen hinter einigen Büschen ein Buffet ausgestellt war, mit allerhand Getränken und Imbissen, und natürlich — wie hätte e» auch ander- sein können! — fanden wir hier mehrere Deutsche, die praktisch bethätigten, daß ihnen ein volles und rin leere« Glas ein Greuel sei! Durch daS Laubwerk hindurch sahen wir, wie der König mit dem Gouverneur ein Weilchen umherpromenirte, sich dann verabschiedete und mit seiner Begleitung davonfuhr, dem Hafen zu, und auch wir folgten nebst vielen Anderen seinem Beispiele, bekamen den Abschieds-Handdruck der Gouverneurin, deren weißer rechter Handschuh seit unserer ersten Begrüßung eine bedenklich dunkle Färbung angenommen hatte, und saßen rin» halbe Stunde später wieder auf der Veranda des Singapore- Clubs, unter uns den Hafen und daS Meer mit zahllosen ein- und auslaufenden Schiffen, großen und kleinen Dampfern und Segelbooten, malayischen wie chinesischen Dschunken mit dunkel- rothen Segeln und hoch aus dem Wasser ragenden Steuerrudern, schnellen Dampfpinassen und schweren Ruderkähnen, und von überall her schimmerten nun von all' diesen Fahrzeugen die Lichter auf, grün und roth und blau, ein Bild, wir wir es in der langen Reihe unserer wechselvollen Reisegrmälde noch nicht gesehen. Und wie behaglich weilt eS sich in diesem vornehmsten Club der volkreichen Stadt, wie schnell hat man hier sein etgentlickes Heim gefunden, in diesem Palast, der in seinen beiden Stockwerken eine große Zahl von Zimmern und Sälen enthält, von Speise-, Lese-, Schreib-, Billard-, Spiel-Räumen, der un» eine umfang reiche Bibliothek und mehr als fünfzig Zeitungen und Zeitschrif ten zur Verfügung stellt und dessen Vortheile lÄr nach jeder Hin sicht hin als eingesührte Gäste — mit allen Rechten der ordent lichen Mitglieder, aber glücklicher Weise nicht mit ihren sehr kost spieligen Pflichten — auSnutzen können. Wenn wir wollen, dürfen wir den ganzen Tag hier zubringen, dürfen hier unsere Mahlzeiten einnehmen, können uns an einem „ckrinlc" nach dem anderen er quicken, Alles zu bescheidenen Preisen; bezahlt wird vorläufig überhaupt nichts, man schreibt jedesmal sein„ticlret" aus und be gleicht dann die Rechnung im Ganzen vor der Abreise. Mit glieder des Clubs sind nur die Chef« der großen Handelsfirmen, di« Vertreter der Regierung, Officiere rc., und auch — der König von Siam, der sein Bild mit Unterschrift seinen Clubgenossen gewidmet hat, dir es im Spielsaal — wohl nur zufällig dort gerade — aufgehängt haben; d. h. die Widmung erfolgte noch vor der europäischen Reise, als sich Niemand besonders um den König kümmerte, wenn er nach Singapore kam — jetzt ist das ja ganz was Anderes und „Wir" würden wohl kaum diese Wid mung nun vollziehen! Ist der Singapore-Club im großartigen Stile eingerichtet, und tritt das deutsche Element hier kaum merkbar in die Erschei nung, so findet man deutsche Gemüthlichkeit und Behaglichkeit im deutschen Club „Teutonia", wo wir den gestrigen Abend zu brachten. Das prächtig gelegene Clubhaus befindet sich weit außerhalb der Stadt und birgt eine Reihe hübscher Räumlich keiten, von denen aus man überall in das üppigste Grün blickt. Gestern Abend war nun großes Preiskegeln angesetzt, verbunden mit Ausschank frischen Bieres, daS in etlichen Fässern unser „Prinz Heinrich" mitgebracht; sogar der englische Gouverneur erschien auf kurze Zeit und sah mit Interesse zu, wie geschickt und kraftvoll die schweren Kugeln ihr Ziel erreichten. Und dabei „tranken sie immer noch eins, noch ein», noch ein», noch ein», sie tranken immer noch ein»", und auch wir, die wir nicht kegelten, tbaten deSgleichrn, in der großen Trinkstube an langem Tische in langer Reihe sitzend, und von der Heimath und der Fremde plaudernd, mit echter deutscher Ausdauer, bi» — nun ich weiß nicht mehr, ob die Hähne krähten, aber ich weiß, daß sie hätten krähen können! —
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