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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.01.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-01-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980120015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898012001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898012001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-01
- Tag1898-01-20
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Gröbere Schriften laut unserem Preis- verzeichnitz. Tebrllariicher und Ztsicrniutz nach höherem Taris. Sptra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Au-gabr, ohne Pvstbrsörderunz .« 60.—, mit Postbesörderung .^l 70.—. Ännalsmelchluß süc Änzeiyen: Ab end »Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die ^rpeditiail zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 33. Donnerstag dm 2l>. Januar 1898. 92. Jahrgang. Krankenpflege auf dem Lande. o. Der Bauer geht lieber zum Advocaten als zum Arzt. So schnell er im Allgemeinen bereit ist, sein wirtliches oder vermeintliches Recht der dem Gerichte zu suchen, so schwer ent» schließt er sich, in Gesundheitsnöthen den Arzt zu Rathe zu ziehen. Es giebt Ausnahmen; aber sie find verhältnißmäßig selten. Oft plagt sich der Bauer Wochen, Monate und Jahre lang mit einem Leiden, ehe er zur Heilung desselben auch nur einen Nickel opfert. Höchstens kauft er eine Wundersalbe, ein Pflaster oder irgend einen scharfen „aufgesetzten" Schnaps. Holt er den Arzt, so soll dieser in drei Tagen rin Leiden curiren, das vielleicht drei Jahre vernachlässigt ist; der Bauer ist in dieser Beziehung keineswegs geschridter als viele Städter. Doch alle Mühen des Arztes sind in tstn Dörfern oft vergeblich, weil es dort meistens an jeder, auchnur die bescheidensten Ansprüche befriedigen den Krankenpflege fehlt. Der ohnehin schon viel ge plagte Landarzt kann sich natürlich nicht stundenlang an jedes Krankenbett stellen, er kann nicht auch die eigentliche Kranken pflege noch mit übernehmen. Er kann der Umgebung des Pa tienten nur bei jedem Besuche Das scharf einprägen, was zum Besten des Kranken gethan werden muß. Es ist unglaublich, was in den Dörfern trotz dieser sich immer wiederholenden eindringlichen Vorschriften und Ermah nungen des Arztes auf dem Gebiete der Krankenpflege gesündigt wird. Gegen die Unwissenheit und grobe Gleichgiltigkeit kämpft oft die Kunst des gewissenhaftesten und tüchtigsten Arztes ver gebens. Seinen Anordnungen wird kein Verständnih entgegen gebracht. Alles, was lästig ist, hält man oft für nicht noth- wendig. Die einfachsten Anordnungen werden häufig überhaupt nicht oder gänzlich verkehrt ausgeführt. So führt der Landarzt nicht nur einen aufreibenden Kampf mit den Krankheiten, sondern auch mit der Umgebung des Kranken. Die Folgen sind für beide Theile üble. Der Arzt verbraucht seine Kraft weit früher als bei einsichtsvoller Krankenpflege, und die Kranken haben bei den gegenwärtigen Zuständen eine geringere Aussicht, gesund zu werden. Früher Tod und jahrelanges Siechthum sind oft lediglich die Folgen der mangelnden Krankenpflege. In jeder größeren Fabrik giebi cs heute Einzelne, die hei Unglücksfällen und Erkrankungen die erste sachgemäße Hilfe leisten können; Verbandstoffe, Apothekerwaaren und ein passender Raum für den nächsten Aufenthalt des Kranken oder Verun glückten sind meistens vorhanden. Diese Fürsorge ist getroffen, obgleich in den Städten und Jndustrieorten ein Arzt schnell zu erreichen ist und auch verhältnißmäßig bequeme Gelegenheit zum Transport des Kranken nicht fehlt. Auf dem Lande ist in dieser Beziehung Mangel an Allem; mit wenigen Aus nahmen. Der Arzt wohnt oft in einem anderen Orte und kann mit dem besten Willen erst nach Stunden, nicht selten auch erst am anderen Tage eintreffen. Im ganzen Dorfe ist oft nicht eine Person, die auch nur die Anfangsgründe der Krankenpflege inne hätte; natürlich fehlt es auch an Arzeneien, schmerz- und blutstillenden Mitteln, Verbandzeug rc. Der Tod würde in manche Familie nicht unerwartet eingekehrt sein, wenn man in dieser Beziehung besser vorgesorgt hätte. In der Stadt hält man S a m a r i t e r c u r se ab, in den eigentlichen Bauerndörfern ist daS bisher, soweit wir wissen, nie geschehen. Aber mit den Samaritercursen allein würde auf dem Lande wenig gedient sein: fehlt es doch oft selbst an einem geeigneten Raume zur Unteroringung der Kranken. Jedes Dorf hat sein Spritzenhaus und meistens auch einen vergitterten Raum als Gefängniß, es hat seine Wirth-Häuser, Tanzsäle und Winkelkneipen; aber ein passendes Zimmer zur Unterbringung eines Kranken oder Verunglückten hat esnicht. Dieser Mangel führt oft zu Vorgängen, die geradezu barbarisch find. Es ist nicht selten, daß plötzlich erkrankte Fremde auf dem Lande in irgend einem Stall untergebracht werden. In unserer Nachbar schaft ereignete cs sich vor einigen Tagen, daß die auf der Reise plötzlich lebensgefährlich erkrankte Ehefrau eines Arbeiters von den Bauern in den kalten Stall deS DorfwirthshauseS auf Stroh gelagert wurde. Dort lag die Unglückliche bis zum an deren Tage. Dann gelang eS endlich den energischen Be mühungen deS Arztes, dieselbe wenigstens in einem Bodenräume unterbringen zu lassen. Die Bauerfrauen wollten Betten und einen passenden Raum für die Kranke nicht hergeben. Das ist ein Fall von vielen. Jeder Landarzt weiß, wie traurige Zu stände in dieser Beziehung oft herrschen. Es liegt im Interesse der bäuerlichen Gemeinde selbst, mit den gegenwärtigen Verhältnissen aufzuräumen. Es ist sowohl eine Pflicht der H u m a n t 1 L t, wie eine Maßregel vorbeugender Armenpflege, darauf zu dringen, daß in jedem Dorfe wenigstens ein Raum zur Unterbringung solcher kranker oder verunglückter Personen vorhanden ist, die entweder fremd sind oder für die es in der eigenen Wohnung einen passenden Raum nicht giebt, oder deren Krankheit eine Absonderung erfordert. Ein derartiges dörfliches Krankenzimmer muß auch mit den nothwendigsten Geräthen zur Krankenpflege, besonders aber mit Badewanne, gewissen Arzneimitteln, Verbandzeug rc., ausgerüstet sein. Vor Allem aber ist es nothwendig, daß in jedem Dorfe wenigstens eine männliche und eine weibliche Person vorhanden ist, die in der Krankenpflege sachgemäß ausgebildet und bereit ist, entweder um Gotteslohn oder gegen angemessene Entschä digung am Krankenbette thätig zu sein. Wo eine Hebamme im Dorfe wohnt, kann diese die Thätigkeit der Krankenpflegerin vielleicht mit übernehmen; natürlich nur, wo sich das mit ihrem anderen Amte vereinbaren läßt. In Sachsen sind in einzelnen Dörfern Schwestern des sich mit der Krankenpflege befassenden „ A l b e r t v e r e i n s " thätig. Ueberall, wo dieses der Fall ist, weiß auch die landwirthschaftliche Bevölkerung die äußerst segensreiche Arbeit dieser Samariterinnen zu schätzen. Es läßt sich also annchmen, daß auch in anderen bäuerlichen Gegenden das Verstcindniß für eine geordnete und sachgemäße Kranken pflege mit dieser selbst kommen wird. Die Kosten für die Ein richtung derselben sind so gering, daß es sich nur aus der er wähnten bäuerlichen Gleichgiltigkeit erklär!, wenn die Gemeinden es fast überall versäumten, der hergebrachten Hilflosigkeit auf diesem Gebiete endlich ein Ende zu machen. Wo die Gemeinden keinen eigenen Raum, der sich als Krankenzimmer eignet, be sitzen, da läßt sich für sehr wenig Geld ein solcher miethen. Die Einrichtungs- und Anschaffungskosten für Bett, Wanne, Arzneimittel betragen schwerlich mehr als einige Hundert Mark. Dir laufenden Unterhaltungskosten sind, auf den Kopf der Be völkerung vertheilt, selbst in armen Gemeinden kaum zu spüren. Auch die öffentliche Wohlthätigkeit wird nicht versäumen, der artige gemeinnützige Einrichtungen zu bedenken. So können die Kosten um so weniger eine Rolle spielen, als die eigentliche Krankenpflege nur in den Fällen von der Gemeinde zu bezahlen ist, in denen es sich um Ortsarme handelt. Für diese zahlen die Gemeinden schon heute oft noch höhere Kosten, da derartige Kranke, weil es im Dorfe selbst an einem geeigneten Raum und an zweckentsprechender Pflege fehlt, in das Krankenhaus der nächsten Stadt übergeführt werden müssen. Diese Ueber- führungen — gleich, ob es sich dabei um Ortsarme oder um einen reichen Bauer handelt — müssen meistens auf gänzlich un geeigneten Wagen vorgenommen werden, und nicht selten wird eine derartige Fahrt dem Kranken oder Verunglückten verhäng- nißvoll. Es würde sich empfehlen, wenn die Verwaltungs behörden im Interesse des öffentlichen Wohles einmal gründlich untersuchten, welche Vorkehrungen eigentlich in den Dörfern für die Unterbringung erkrankter oder verunglückter Personen und für eine sachgemäße Krankenpflege getroffen sind. Vielleicht findet sich dann auch ein Weg, um den Gemeinde vertretungen einen Tropfen gemeinnützigen Denkens einzuimpfen und mit Zuständen aufzuräumen, deren unsere Eultur sich schämen muß. Zur ReichslugswM im 9. sächsischen Neichstligswahlkreise. * Freiberg, 18. Januar. Wie an anderer Stelle schon mitgetdeilt wurde, haben Vie Gegner der Reichstagi-candivalur des CbefiedacleurS der „Deutschen Tagesztg." ttr. Oertel im Freiberger Reick,Stagcwahlkreise ihren Standpunkt in einem Flugblatt« ausführlich dargelegt. Es beißt darin: „Was er (vr. Oertel) auch in feiner Rede vom 13. Tecember an Versprechungen gegeben hatte, vermochte nicht das Gewicht der Thalsache zu beseitigen, daß der Chefredakteur des Organes des Bundes d. L. die Interessen der LanLwirthschaft über alle anderen stellen und die unhaltbaren und unerfüllbaren Forderungen seines Bundes vertreten werde. Im Einzelnen wurde bervorgeboben: seine Befürwortung des auf Erhöhung der Getreide- und Brod- preife abzielenden Antrag- Kanitz, seine ausweichenden Erklärungen zum Anträge auf Aufhebung des Jesuiten-Gesetzes, die von ihm zu befürchtende Bekämpfung der Handelsver träge und die Besorgniß, daß er die Flottenvorlage nicht ohne Gegenleistungen für die LanLwirthschaft bewilligen werde. Denn, wenn fein Blatt in einer Reihe von Artikeln die Ge nehmigung der Flottenvrrmehrung davon abhängig gemacht halte, daß die Regierung der Landwirthschaft zunächst Concessionen mvc! c, so konnte dies nicht wohl ohne die Zustimmung des als tempcrameni volle Persönlichkeit geschilderten Chesredacteurs erfolgt sein. Be sonders betonte man aber seine völlig abhängige Stellung und den berechtigten Zweifel, ob er sein hochdotirtes Amt je mals durch Selbstständigkeit zu g esährden geneigt sein werde. Erschien deshalb die Candidatur ungeeignet, so mußte man sie auch für aussichtslos halten. Denn man sagte sich weiter, daß auch einem erheblichen Theile der Conservativen und der großen Mehr zahl der kleinen Landwirthe ein auswärts wohnender, aus den, Programme Les Bundes der Landwirtbe stehender ReLacleur keine genehme Persönlichkeit sein werde, und daß vor allen Dingen einem solchen irgend welche werbende Kraft gegenüber den Arbeiterkreisen nicht zugesprochen werden könne. Eine Unterstützung der Candidatur Oertel war deshalb nicht möglich. . . . Das Flugblatt haben folgende Herren unterzeichnet: In Freiberg: Lberturnlehrer A. Bär, Fabrikant Rich. Barth, FabrikantHeinr.Barthel, Metalldreher C.R.Baumann, Fleischermeister Heinrich Berger, Rechtsanwalt Bernhard Blüher, Stadtrath Moritz Braun, Fabrikant Felix Clrmcu, Haudelsschultehrer Dietrich, Kauf mann Bruno Dreß. Kaufmann Oskar Förster, Lberschulrath Vr. Richard Franke, Bürgerschullehrer Götze, Fabrikant Max Görne, Fabrikant Max Gumpert, Malermeister C. Hahn, Justizrakh Ulrich Heisterbecgk, Postiecretair Hertwig. Commerzienrath Harschig, Pro fessor Richard Kallenberg, Gymnasialoberlehrer vr. Knaulh, Com merzienrath Carl Koethen, Stadtrath F. Kunze, Postdirector Legler, Handelsschuldirector A. Müller, Lohgerbermeister H. Müller, Bau meister Karl May, Kaufmann Georg Mittenzwey, Kaufmann Robert Näcke, Fabrikbesitzer E. Paschke, Fabrikbesitzer Emil Pause, Fabrikbesitzer C. Röhrs, Bankier H Rokland, Kaufmann Oskar Rühle, Rechlsan- walt vr. Richter, Apotheker M Raßmann, Stadtrath a. T. Rößler, Privatus Gustav Roscher, Fabrikant Alban Schippan, Landtagsabg. Baumeister W. Seim, Ledenabrikant Moritz Stecher, Lohgerbermeister C. R. Stahr, Fabrikbesitzer C. Slreubel, Fabrikbesitzer Franz Slreubel, Kaufmann Theodor Stölzner, Bücherrevisor Richard Stein, Apotheker M. Starck. Ledersabrikant Stadtrath Carl Steyer, Klempnermeister Hermann Thümme, Klempnermeister Adolf Witt, Kaufmann Max Wächtler, Kaufmann Julius Wolf, Destillateur Richard Wunderwald. In Hainichen: Fabrikant Fritz Breyer, Fabrikant Ferdinand Büschel, Fabrikant Wilhelm Büschel, Kaufmann Paul Büschel, Kaust mann Friedrich Wilhelm Büschel, Director H. Engel, Kaufmann August Fuchs. Kaufmann Anton Gerlach, Kaufmann Oekar Her- mann, Kaufmann Alfred Haase, Fabrikant Alfred Kuntze, Rentier Julius Kirbach, Kaufmann Julius Kuntze, Fabrikbesitzer Emil Kirbach, Fabrikant Georg K.rbach, Bankier Louis Lippmann, Fabrikant Max Meißner, Kaufmann Richard Neubaus, Fabrikant E. Otto, Fabrikant Stadtrath Emil Puschel, Kaufmann Max Schwabe, Stadtrath Emil Stein, Fabrikbesitzer Ferdinand Schröder, Kaufmann Schneider, Färbereibesitzer Joh. Stöff. In Oedrran: Landtagsabgeordneter Bürgermeister vr. Schöne. In Mulda: Holzschleifereibesitzer Ernst Steiner, Fabrikdirector Der Turfjargon. Nachdruck »«rieten. Der Sportjargon, wie er heute in den vornehmsten Kreisen, ja, besonders im Schriftdeutsch der Sportzeitungen blüht, ist neu, ist eine Errungenschaft der Vollblutzucht, die auS England zu unS gekommen ist. Freilich ist eS klar, daß die neue Sache eine ganze Reihe neuer technischer Ausdrücke mit sich bringen mußte. An statt sie aber zu übersetzen, nahmen wir sie, wie sie waren, ja, es ging und geht noch weiter: englische Ausdrücke wurden nicht nur nicht germanisirt, unsere deutschen Worte wurden vielmehr anglisirt und eS entstand nach und nach ein Kauderwelsch, der Sportjargon, der noch zur Stunde von allen Rennleutrn und Sportzeitungen gesprochen und mit Liebe gepflegt wird — eine Satire auf die reiche deutsche Sprache und den deutschen National, stolz. Während von allen Seiten, von Aemtern, Verwaltungen und Zeitungs-Rrdactionen Anstrengungen gemacht werden, unsere Sprache von denjenigen fremden Elementen zu säubern, die über flüssig sind, nimmt die Verballhornisirung und systematische Ver krüppelung unsrer Sprache in Sportkreisen ruhig ihren Gang. Heute ist es soweit gekommen, daß Derjenige, welcher sich nicht specirll mit dem Rennsport beschäftigt, den Jargon der Sport zeitungen schlechterdings niHt verstehen kann. Die Rennberichte könnten gerade so gut in chinesischer Sprache abge- saßt sein. Um dem Leser gleich einen Maßstab an die Hand zu geben, habe ich einen Bericht über ein angenommenes Rennen zusammen gestellt, den ich hier als Probe folgen lasse. Siimmtliche Sätze dieses Berichts sind deutschen Sport zeitungen entnommen, ich selbst habe sie also nicht ver faßt, sondern nur in paffender Weise aneinander gefügt. Also: Rückschau auf Pümpelhagen. So wäre denn auch dieses Meeting vorüber, das einen der größten Events der Saison zur Entscheidung brachte. DaS Wetter war ausgezeichnet, das Geläuf infolge reichlicher Nieder schläge in der letzten Woche nicht zu hart, der Besuch auf der jenigen Höhe, welche den rührigen Club stets auszeichnet. Gleich die erste Nummer, der Preis von Dllmmersdorf, brachte zehn Pferde an den Start. Das Rennen sah wie ein gutes Ding für „Rosie" aus, die als heißeste Favoritin auf die Reise ging. Allein sie konnte in keiner Phase des Rennens eine Rolle spielen und hatte mit dem Ausgange Nichts zu thun. Schon an her Dümmersdorfer Ecke ging sie in Nöthen und mußte hart angefaßt werden, um gleich darauf ganz aus der Rolle zu fallen. Dagegen lies „Buckelfritze" ein großes Pferd, wie wir es von diesem Enkel des „Schleimt" erwartet hatten. In der Geraden kam es zu einem heißen Endgefecht zwischen ihm und „Bauernfänger" und einen Augenblick sah es so aus, als sollte das feige Herz d«S Fünf jährigen über den Schlemilenkel die Oberhand behalten, allein er kämpfte wie ein Löwe und ließ sich nichts an den Schwanz kommen. Als mäßiger Dritter kam „Sectpfropfen" ein, der zu seiner großen Dreijähriaenform nicht aufzulaufen vermochte. Das Versagen von „Rosie" bleibt indetz unerklärlich, da der Stall «in fittes Pferd in das Rennen geschickt zu haben meint. Das zweite Item des Tages verlief so, wie wir es voraussagten: Sobald die Flagge fiel, stürmte „Pomuchelskopp" in schnellster Pace davon, stand aber nur bis zur Einlaussecke, wo er, total geschlagen, zurück fiel. Emwood dageaen auf „Neppich-S-pip" saß noch ganz ruhig und rührte keine Hand, während hinter ihm Alles zu reiten anfing. „Mummelschwein" versuchte zwar, ibm an die Gurten zu gehen, er wir- jedoch den Angrrff leicht ao und siegte, wie er wollte. Der überlegene Stil, rn welchem „Nebbich-S-pip" nach Hause stand, stempelt ihn zu einem Pferde von entschiedener Claffe. Der Staatspreis IH. Elaste endlich brachte eine ungeheure Ueberraschung. Trotz deS offenen Charakter-, welche- diese- Rennen zeigte, hatte das wettende Publicum den Geheimtip „Graf Schnapsky" zu seinen Erklärten erhoben und die Maschine gab fast nichts Anderes heraus. Zwar wurde hier und da daS Gerücht laut, daß der Favorit in „Scnfgurke" eine mehr als ge fährlich« Gegnerin besitze, und sicherlich mußten die Besonnenen sich sagen, daß der clevere Neundorf'sche Stall die Zweijährige nicht ohne Chance — und keinesfalls ohne sie ordentlich aetrialt zu haben, ins Rennen schicken würde. Wie nun verlautet, hielt der Stall denn auch die Stute für den Crack seine- ganzen Picks. In den Adern der gut gemachten, etwas biegsamen Stute rollt das beste Blut. Denn durch Senf von Samt Cucumber abzu stammen, bedeutet heute den Besitz des fashionabelsten Pedigree-. Die kleine Stute strafte alle Zweifler an ihrer Stamina — bekanntlich spricht man diese den Senftproducien ab — Lügen. Tallenbine ritt sie auf Abwarten. Erst auf der Flachen gab er der riesig Pullenden den Kopf frei, und im Nu schien daS ganz« Feld stillzustehen. Gleich einem Pfeil schoß sie aus dem Rudel hervor, ging an den führenden „Graf Schnapsky" heran, der keinen Augenblick mit der feurigen Stute zu leben vermochte, und siegte, stark verhalten, mit zweieinhalb Längen. Der To talisator zahlte die Riesenquot, von 1160 :10 aus, damit wieder eine Probe von der glariou» uueertaintx deS Lurfe- geben. Hinter „Graf Schnapsky" wurde der dunkle Kaffernhäuptling I Dritter, in dem ein nützliche- Pferd zu stecken scheint. Nach diesem Hauptitem des Tage- flaute da- Interesse »twaS ab. Die Pümpelhagener Steeple-Chase verlief wie ein Farce, da die sämmtlichen Theilnehmer bi- auf Oberschnauzer und Johnny, die beiden ckoaä-licatep vom vorigen Jahre — con- tinuirlich refjisirten. In Folge dessen machten diese beiden Top- Weights, die als unsere beiden besten Steepler zu gelten haben, das Rennen unter sich aus. Gurt an Gurt sprangen sie dj, letzt« Hürde, und erst im Finish zwang Oberscknauzer, der auf der Geraden immer noch ein Flieger ist, den mehr vom Steher in sich habenden Johnnv nieder, ihn im Ziel um «inen knappen HalS schlagend. Alle Anderen weit zurück, ohne daß jedoch aocickonts vorkamen. Im Gretchen-Hiirden-Rennen erwarteten wir Trotz kopf, auf dem Rittm. Heingaed im Sattel war, in Front zu sehen, er machte indetz am Graben einen bösen Rumpler und verlor viel Terrain, das er nicht wieder gut machen konnte. So konnte Lt. von Borcken auf Ninepence einen leichten Sieg feiern, während der dritte Husar sich noch um daS zweite Geld von der alten Zuckerzange schlagen lassen mußte. Das vorletzte Item, ein Flachrennen über 1000 Meter, erhielt Bedeutung, indem hier Höremal, der junge Deckhengst des Lilliheim'schen Gestütes, seine Maidenschaft al» Daterpferd ablegen konnte, da einer seiner Sprößlinge, Telephon aus der Katz, der als crasser vutsülcr gestartet war, das Rennen gegen zwölf andere Bewerber leicht landen konnte. Man wird gut thun, die Producte des jungen Beschälers im Auge zu behalten, der schon auf der Bahn ein unverwüstlicher Hengst war, bis er im Körtefeld-Memorial 1894 lahm aufpullte und seinen letzten Sieg mit einem dreakciorcu bezahlen mußte. Das letzte Rennen endlich, von dem man ge glaubt hatte, es sei lediglich ein mnt«st zwischen Lohengrin und Thusnelda, ward zu einem vaklorer des gänzlich verkannten und äußerst günstig gehandicapten Korling, so daß der Tag schloß, wir er begann: mit langen OddS." * Kein Rennmann wird der Behauptung widersprechen, daß dieser Bericht so klar abgefaßt ist, daß er sich ganz besonders leicht und angenehm liest. Leute aber, die sich nur selten oder gar nicht mit dem Rennsport beschäftigen, werden zugeben müssen, daß sie von diesem Kauderwelsch ebenso viel verstehen, wie von einer Reihe chemischer oder mathematischer Formeln. Die Frage ist nun die: ist eS nothwendig, der Sprache diesen Zwang anzuthun? Lassen sich alle diese aus dem Englischen theils direct übernom menen, thrils nach dem Englischen zugeschnittenen Ausdrücke nicht in gutem, ebenso treffendem Deutsch wiedergeben?! Man mache nur einmal die Probe und man wird sofort finden, daß auch nicht ein einziger der fremden Ausdrücke wirklich nothwendig ist, alle lassen sich mit größter Leichtigkeit verdeutschen. Gilt der Sieg eines Pferdes als sicher, so ist es in England ,.u gnoä tkinz" für dasselbe, und wir machen sofort ein „gutes Ding" daraus, obgleich es im Deutschen komisch klingt; das meist gewettete Pferd ist, weil eS in England ..tlie liottost kavorit" ist, bei uns der „heißeste Favorit". Die Pferde gehen nicht ins Rennen, sondern „auf die Reise". Entspricht ein Gaul nicht den Erwartungen des „TipperS" der Sportblätter, so „fällt er aus der Rolle"; es geht, wenn seine Kräfte während des Rennens erlahmen, bald „in Nöthen" und wird „hart angefaßt" oder „geritten", womit gesagt sein soll, daß der Jockey Peitsche und Sporn in Anwendung bringt. Wenn auf dem Rennplatz auf einmal der Rus ertönt „Martin reitet", so sieht sich der Un kundige wohl dumm um: sie reiten ja alle miteinander! — allein das ist ein Jrrthum. Diejenigen, welche noch still auf ihren Pferden fitzen, reiten nicht. Läuft ein Pferd über Erwarten brav, so „läuft es ein großes Pferd", hat es früher bessere Leistungen gezeigt, so „vermag es nicht zu seiner früheren Form aufzulaufen" — was im Deutschen ein Unsinn, im Englischen aber ganz richtig ist. Die Gäule kämpfen „wie Löwen", sie ver- rathen ein „muthiges" oder ein „feiges Herz", sie lassen „sich nichts an den Schwanz kommen". Ein Pferd, welches Ausdauer besitzt, läuft nicht, es „steht die D i st a n z" oder Strecke, daher ganz folgerichtig, ober dennoch falsch „Stehvermögen" an statt Ausdauer: „steht" es indeß die „Distanz" nicht und verliert Boden, so „fällt eS zurück"; da- leicht durch'S Ziel gehende Thier aber „siegt wie eS will" und zeigt einen „überlegenen Stil". Ein Rennen, dessen Ausgang unbestimmt ist, zeigt einen „of fenen Charakter", circulirt aber ein Gerücht, daS den muthmaßlichen Sieger betrifft, so nennt man dieses Gerücht oder diese Vorhersage „einen Geheimtip", eine klug zu Werke gehende Stallleitung ist „clever", (engl.: „gerieben"), die Pferde haben „Chance" anstatt Au-sicht, denn sicherlich hat man sie vorher „getrialt", was (von dem englischen Trial-Versuch) so viel wie „geprüft" heißen soll. So lange die Fähigkeiten eines Pferdes unbekannt sind, ist es „dunkel", zeigt es mäßige Eigenschaften, dann ist es „nützlich", bei hervorragendem Rennvermögen „besitzt es Elaste". Ein schnelles Thier ist ein „Flieger", rin ausdauern des, wie schon erwähnt, „ein Steber". Der Sieg wird nicht nur erfochten, gewonnen, heimgebracht, erzwungen, sondern auch „gelandet". Der Gipfel des sprachlichen Unsinns aber wird erreicht, wenn ein He n g st als V a t e r p f e r d seine Maiden schaft ablegt. Weiter geht's nicht. Dieses sportliche Bild ist zu kühn. Daß ein Hengst seine Maidenschaft ablegt, ist schon ein naturwissenschaftlicher Blödsinn, hier legt er sie sogar als Vaterpferd ab. Dem Sportkundigen ist die Sache allerdings ganz klar. Er würde sie folgendermaßen verdeutschen: Das Vaterpferd hat die Freude, daß zum überhaupt ersten Male einer seiner Sprößlinge auf der Rennbahn siegreich ist . . . ES wäre thvricht, mit diesen bunten Blüthen des „grünen Rasens" allruhart §u verfahren, man mag eS sich gern noch weiter gefallen lassen, daß zwei ungleiche Renner nicht miteinander zu — leben vermögen, oder daß einPferd seinen Berpflich tungen nicht nachgekommen ist. Diese Zeilen wollen durchaus nicht die Schwierigkeit verkennen, mit Hilfe des engen Wort schatzes eines einzelnen bestimmten Sports interessante und wechselnde Bilder zu entwerfen. Es ginge freilich auch ohne die endlose Anglisirung. Dagegen hat entschieden Jeder, der seine Sprache liebt, das Recht, die Reinhaltung der Sprache von überflüssigen Fremdworten auch von den Rennleutrn und ihren Preßorganen zu verlangen. Die großen Rennclubs sollten, nach dem Muster vieler Behörden und angesehener Zeitungen, einfach mit diesen Worten aufräumen. Es ist nicht gut ein zusehen, weshalb die Frühlings- oder Herbst-Renntage „Meetings" und weshalb einzelne Rennen „Events" sein müssen. Wenn die Engländer in England die einzelne Nummer eines Rennens ein „Item" nennen, so haben sie Recht, für uns ist „Nummer" gut genug. Und so mit hundert anderen Ausdrücken, deren deutsche Bezeichnung zu Gunsten des Jargons umgangen wird. Der Ablauf heißt „Start", das Endgefecht „Finish". Ein gesundes oder meinetwegen „in Form" befindliches Pferd ist „fit", die Auswahl eines Stalles ist ein „pick" (von „to pick out": auswählen), das beste Thier der Auswahl ist der „crack". Schnelligkeit ist „spcocl", eine vornehme Abstammung „ein taslnonnlüo pcckixreo" und Ausdauer „stamina". Ein Pferd, das sich gegen die Zügel stemmt, pullt" — zieht —. Die Unsicherheit des Rennplatzes in Bezug auf Wetten ist „glorious uncorlaint.v". Todtes Rennen ist „clsack keat", die Pferde, die Kopf an Kopf durch'S Ziel gehen, sind in Folge dessen ..ckcack lie tor". Die Meistgewichteten sind die „tnp-vsiDl>tz", Springer sind „Steepler", ein Unfall ist ein „accickent" ,,n eine Verletzung, die ein Pferd von ferneren Rennen ausschließt, ein ..divnkcknrvn". Pferde, die sich fortwährend weigern, über Hürden zu springen, „refüsiren continuirlich". Ein Pferd, welches günstig gewichtet ist, ist „gut gehandicapt", das wenig gewettete Pferd, daS kein Vertrauen genießt oder unbekannt ist, ein „Outsider", der Kampf zwischen nur zwei Rennern rin „matcli" anstatt Zweikampf, ein sehr leichter Sieg wird zu einem „valkover" und die ausgezahlten Bruchtheile der Wetteinsätze sind „OddS". Philipp Berger.
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