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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.01.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-01-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980121017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898012101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898012101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-01
- Tag1898-01-21
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Größere Schriften laut unserem Preis verzeichnis. Tabellarischer und Ziffernsa, nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Annahmeschluß fiie Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eia« halbe Stund« früher. Anzeigen sind stets au die Expedition zu richten. Druck und Verlag von <k. Polz tn Leipzig. 35. Freitag den 21. Januar 1898. 92. Jahrgang. Die Alterszulagen -er Lehrer und Geistlichen in Sachsen. Von geschätzter Seite wird uns geschrieben: Die Uebernahme der Alterszulagen der Lehrer auf die Staatscasse, eine Frage, welche vor Kurzem im sächsischen Land tage öffentlich verhandelt wurde und nunmehr durch die De putation ihrer Lösung entgegengeführt werden soll, steht schon seit mehr als einem Jahrzehnt auf der Tagesordnung. Die Gründe, welche dazu drängen, sind einerseits der Wunsch, der Gemeinde die Schullasten zu mindern, andererseits die Unannehmlichkeit für dm Lehrer, von der Gemeinde um der Alterszulage willen scheel angesehen zu werden, und die Schwierigkeit, in vor gerückterem Alter eine Stelle mit höherem Grundgehalt zu er langen, da Lehrer mit weniger Alterszulagen leicht bei der Wahl bevorzugt werden. Der Staat hat nun bereits Großes geleistet, um dem ersten Grunde zu genügen. Seit 1886 hat er den Schulgemeinden die Hälfte der Grundsteuer überwiesen. Trotzdem wurde 1890 auf dem Landtage wieder der zweite Grund, die üble Lage der Lehrer, nachdrücklich geltend gemacht. Der damalige Unterrichtsminister v. Gerber schreckte vor dem Aufwande zurück, der durch Uebernahme der Alterszulagen der Staatscasse erwachsen würde, und bewilligte an deren Stelle seit 1890 den Schulgemeinden die ansehnliche Beihilfe von 300 Mark zum Gehalt eines ständigen, von 150 Mark zum Ge halte eines nicht ständigen Lehrers, gleichviel ob an der SchuleeinLehrermitoderohneAlterszulagen angestellt war. Nur eine Bedingung wurde gestellt: daß das Schulgeld nicht mehr als 5 Mark durchschnittlich im Jahre betragen dürfe. Mit Vergnügen wurde diese Bedingung erfüllt, dankbar das unerwartete Geschenk entgegenpenommen, — aber die Lage der Lehrer war noch dieselbe, denn selbst bei dieser Gehaltsbeihilfe war die Gemeinde im Vortheil, die einen Lehrer ohne Alterszulagen hatte. Es konnte deshalb das Drängen auf Uebernahme der Alterszulagen auf den Staat nicht zur Ruhe kommen. Auch jetzt scheint es, als ob man den alten Fehler wieder begehen wolle. Um die gleichzeitig vorgeschlagene Erhöhung des Mindestgehaltes (von 1000 auf 1200 Mark) und der Alters zulagen (von 800 auf 900 Mark) zu erleichtern, will man den Gemeinden die zweite Hälfte der Grundsteuer überweisen und nur die späteren Alterszulagen auf den Staat übernehmen. Für eine Gemeinde, die keine Alterszulage zu zahlen hat, ist aber die ganze Grundsteuer ein zu großes Geschenk, dessen sie in den meisten Fällen gar nicht bedarf. Andererseits ist es gerade für den Lehrer, der die ersten Alterszulagen (vom 30. bis 35. Jahre) bezieht, von ausschlaggebender Wichtigkeit bei Be werbungen, daß er nicht aus diesem Grunde hinter jüngeren zurückstehe. Darum ist es dringend zu wünschen, daß nicht wieder eine halbe Maßregel, die auf der einen Seite zu viel, auf der anderen zu wenig giebt, getroffen werde, daß lieber der Staat die Hälfte der Grundsteuer in eigener Verwaltung behalte und zur Uebernahme sämmtlicher Alterszulagen auch in den großen Städten verwende. Denn selbst die geforderte Erhöhung des Grundgehaltes um 200 Mark können die meisten Gemeinden mit Leichtigkeit gewähren, wenn ihnen die bisherige Last der Alterszulagen abgenommen wird. Was aber von den Alterszulagen der Lehrer gilt, läßt sich mit noch höherem Rechte von den Alterszulagen der Geistlichen sagen. Lehrer auf Grund des Gesetzes im Schulvorstande auf dem Lande, wo die Verhältnisse am schwierigsten sind, meistens vom Geistlichen, der dem Schulvorstande als Vorsitzender oder als Ortsschulinspector angehört, vertreten wird, muß der Geistliche diese Forderung im Kirchenvorstande als Vorsitzender selbst geltend machen. Bereits jetzt übernimmt der Staat für nicht leistungsfähige Gemeinden auch diese Zulagen, aber in neuerer Zeit wird es mit der Heranziehung der Gemeinden wesentlich strenger genommen. Auf Grund genauer Kenntniß der Ver hältnisse äußert sich eine Stimme im „Sächs. Kirchen- und Schulblatte" wie folgt: „Die meisten Kirchengemeinden werden unwillig darüber sein und diesen Unwillen auf ihre immer älter werdenden Geistlichen, auch wenn sie noch so treu und eifrig gearbeitet haben, übertragen; sie werden bei sich denken: Wenn er sich doch um eine andere Stelle bewerben und eine andere Stelle erhalten würde, dann kostete uns das Kirchenwesen nicht so viel! Und der Geistliche, der dies merkt, würde, um seine Amts freudigkeit nicht zu verlieren, auch dahin trachten, eine andere Stelle zu erlangen, wo ihn keine Alterszulage drückt. Aber gerade das Alter ist vielfach bei Bewerbungen der Grund des Mißerfolges. So muß er auf seiner Stelle bleiben und unter dem Drucke der immer größer werdenden Alterszulage seines Amtes warten. Je älter er wird, um so saurer wird ihm das Amt gemacht. Die kirchliche Oberbehörde aber würde ihn gern weiter versorgen, wenn die Zahl der besseren Stellen, über die sie frei verfügen kann, größer wäre. Die Schulgemeinden sind eher willig, ihrem Lehrer eine Erhöhung seines bescheidenen Gehaltes aus eigenen Mitteln zu gewähren, als die Kirchen gemeinden, das größere Gehalt, das nach ihrer Meinung groß genug ist, durch Alterszulagen zu erhöhen. So wäre es min destens ebenso nöthig, die Dienstalterszulagen für die Geistlichen auf die Staatskasse ganz zu übernehmen." Der Grundschaden der ganzen geistlichen Besoldungsart liegt freilich in dem noch bestehenden Pfründensystem, welches ohne Rücksicht auf den Umfang der Arbeit und das Alter des Inhabers das Einkommen einer Stelle von Zufälligkeiten, wie Größe und Fruchtbarkeit des Pfarrgutes rc., abhängig macht und oft schreiende Mißverhältnisse, die an englische Zustände erinnern, zu Tage treten läßt. Leider ist daran nicht zu rütteln, da die Pfründen als Stiftungen nach der Landesverfassung zu keinem anderen Zweck verwendet werden dürfen, als wozu sie bestimmt sind. Möglich ist aber, daß man auch in Sachsen einmal den Ausweg beschreiten wird, den die kürzlich abgehaltene preußische Generalsynode eingeschlagen hat, nämlich aus einer Alterszulagenversicherungscasse, zu der alle Kirchengemeinden für geistliche Stellen bis zu 3600 Mark Einkommen beizusteuern haben, unter erheblicher Beihilfe des Staates die Alterszulagen zu bestreiten. (Die höher dotirten Stellen konnten zu dieser Versicherung auS rechtlichen Gründen nicht herangezogen werden.) Freilich muß erst abgewartet werden, wie diese neue Einrichtung in Preußen sich bewähren wird. Und darum darf vr. Schmitt bei den nächsten Reichstags wahlen nicht mehr candidiren, obwohl es gerade ihm gelungen ist, den WablkreiS Mainz den Socialdemokraten wieder zu entreißen. Aus dieser Verdrängung Schmitts sieht mau, daß der Einfluß Lieber's auf die Partei wieder sehr groß ist. Dafür spricht auch, daß der Nachfolger Schmitts Herr v. Fugger werden soll, den bekanntlich, als er im vorigen Frühiahr im Wahlkreise Wiesbaden candidirte, Herr I)r. Lieber persönlich auf das Lebhafteste unterstützte. Brachten doch damals Cenlrumsblätter eine rührende Geschichte, wie Dr. Lieber trotz schweren Unwohlseins im Wahlkreise herum gereist sei und zu Gunsten Fugger's Versammlungen ab gehalten habe. Damals freilich hat all' seine Aufopferung deni Schützlinge nichts genützt. Und ob in dem demokratisch gesinnten Mainz die Aufstellung eines Grafen an Stelle des sich demokratisch gebärdenden und zudem im Wahlkreise sehr beliebten vr. Schmitt günstig für die Centrums partei wirken wird, ist noch sehr die Frage. Aber das ist einerlei, wer sich gegen den Partei gewaltigen vergeht, „fliegt hinaus", um einen be kannten Ausdruck Liebknecht'S zu gebrauchen. Denn die Centrumsdevise „Wahrheit, Reckt und Freiheit", die bei der letzten Feier des Geburtstages Windthorst's wieder mit vielem Pathos gebrauckt wurde, bedeutet, daß die Parteimitglieder nur die „Wahrheit" reden dürfen, die von der Parteibehörde als solche anerkannt wird, und daß sie keine andere Freiheit und kein andere- Recht haben, als zu gehorchen. Vielleicht hat zu der Verdrängung des Abg. Schmitt auch der Umstand beigetragen, daß er zu sagen wagte, der Papst habe dem Centrum in innerpolitische Dinge nicht hineinzureden. ES ist damals sofort darauf hingewiesen worden, daß der Papst schon wiederholt die Haltung des Centrum- beeinflußt hat, und die Demission des vr. Schmitt scheint rin neuer Beweis dafür zu sein. * Berlin, 20. Januar. Dem preußischen Abgeordneten haus« ist die vergleichende Uebersicht der Ergebnisse der Ein kommensteuer-Veranlagung für 1896 97 und 1897/98 zugegangen. An Einkommensteuer ist in Preußen für das Steuerjabr 1897/98 bei 2 765 976 (1896/97 2 654 444)Cen- siten der Betrag von 134 954 972 (127 680 740) veranlagt worden, so daß sich gegen das Vorjahr ein Mehr an Cen- siten von 111 552 (49261) und an Steuern von 7 874 232 (3 647 274) ergiebt. Zu diesem Mehr tragen im laufen den Steuerjahre abweichend von den Vorjahren beide Per sonengruppen bei: die physischen Personen sind mit einem Mehr von 6 595 381 (4 789 694) die juristischen Personen mit einem Mehr von 1 278 851 (weniger 142 420) veranlagt. Die Zahl der Bevölkerung hat sich bei der zum Zwecke der Veranlagung vorgenommenen Personenstandsaufnahme 1897/98 auf 31 849 116 Köpfe gestellt. Einkommensteuerfrei als solche, deren Einkommen 900 Mark nickt überstieg, sind 21 195 738 geblieben; hiervon ent fallen an Einzelsteuernden und Haushaltungsvorständen auf die Städte 50,91 Proc., auf das Land 35,81 Proc. Die veranlagten Censiten ergeben 8,68 Proc. der Gesammt- bevölkerung; von ihnen entfallen auf die Städte 1 654 156, auf daS Land 1 109 839. Mit einem Einkommen von niehr als 3000 ^ sind veranlagt 345 328 (331 091) Censiten, und zwar in den Städten 263 453 (251 958) und auf dem Lande 81 875 (79 133). Das veranlagte Einkommen der Censiten beträgt 6 374 627 798 (6 086 052 635) ist also um 4,74 Proc. gestiegen. Von der Gesammtsumme entfallen auf die Städte 4 410 126 055 (4 183 279 309) -6, auf das Land 1 964 501 743 (1 902 773 326) .6; das Durchschnitts einkommen stellt sich daher in den Städten auf 2666 (2660) auf dem Lande auf 1770 (1761) überhaupt auf 2306 (2294) Das Sollauskommen der Steuer in Höhe von 126 901 359 (120 305 978)vertheilt sich auf die Städte mit 95 179 520 (89 769 873) und auf das Land mit 31 721 839 (30 536 105) es ist mithin gestiegen von je 100 überhaupt auf 105,48, in den Städten auf 106.03 (103,84) und auf dem Lande auf 103,88 (101,56). Zur Ergänzungösteuer sind veranlagt 1 179 855 (1 166 745) Censiten, gleich 3,70 (3,72) Proc. der Gesammtbevötkerung. Veranlagt sind zur Ergänzungssteuer mit einem Einkommen von nicht mehr als 3000 ./L 895111 (892 641) Censiten, von - - 3000 . 284 744 (274 104) Von den Censiten mit einem Einkommen von niehr als 3000 .e? entfallen auf die Städte 213 129 (204 440) - - Stadtkreise insbesondere 139 657 (132 667) auf das Land 71615 (69664) Censiten. DaS gesammte Veranlagungssoll der Einkommensteuer und Ergänzunassteuer beträgt 166 788 452 (158 145341), oder aus den Kopf der Bevölkerung 5,24 (5,04). Bei der Einkommensteuer sind Berufungen eingelegt 217 030, ^egen 1896—97 weniger 1,5 Proc., bei der Ergänzungssteuer 58 374 gegen 1896—97 weniger 18 Proc. V. Berlin, 20. Januar. (Telegramm.) Der Kaiser unternahm gestern Nachmittag vom hiesigen Schlösse aus eine Spazierfahrt. Nack dem Diner beim OfficiercorpS de» Garde-Füsilier-Regiments kehrte er ins Schloß zurück. Heute Morgen von 9 Uhr ab hörte er die Vorträge deS CbcfS des MilitaircabinetS, deS KriezsministerS und des Chef» des Ingenieur- und Pioniercorps Generals Vogel v. Falckcnsteiu. Um 12 Uhr 25 Min. kehrte er nach dem Neuen Palais zurück. (D Berlin, 20. Januar. (Telegramm.) Bei der ersten Berathung des Ansicöelnngs-ÄcsctzcS im Abgeorvnctcn- hlmse legte Ministerpräsident Fürst Hohenlohe die wirthschaft liche Tendenz der Novelle dar: Was die politische Seite betreffe, so sei eS Thatsache, daß in nationalgemischten Landestheilen sich die polnische Bevölkerung ausbreite. Diesem entgegenzutreten und das Teutschlhvm zu stärken, sei die Absicht des Gesetze»; dasselbe hab« keinerlei feindliche Tendenz. „Wir müssen an di« Polen die Anforde rung stellen, daß sie Preußen gegenüber ihre Pflicht erfüllen. Cs giebt ja viel», die die» thun, es giebt aber auch ebenso noch viele, die Feindschaft gegen Preußen hegen. Es werden immer noch Hossnungen gehegt, die Provinzen abzutrennrn oder rin selbstständiges Polen zu errichten. Wir können und werden die Provinz Posen nicht wieder anfgeben. Bismarck hatte Recht, als er sagt«: „Wir müssen uns den Weg von Breslau nach Königsberg freihalten." Wo e» sich um die Jnterrssen des preußischen Staates handelt, kenne ich kein Compromiß. (Bravo!) Werden oder bleiben di» Polen ehrliche Preußen, werden wir stets freundlich mit ihnen leben." Abg. AazSzcwSki (Pole) erklärte: Die Polen hielten an den I Anschauungen fest, die sie bei der Vorlage im Jahre 1886 geäußert Deutsches Reich. X Berlin, 20. Januar. Im Centrumslager gehen interessante Dinge vor. Vor einiger Zeit sprach fick bekannt lich der CentrumSabaeordnrte für Mainz, vr. Schmitt, sehr scharss gegen die Flottenvorla^e und gleichzeitig gegen vr. Lieber au». DaS Erstere batte man ihm wohl ver- Während eine AlterSzulage für einen I ziehen, daS Letztere aber war eine unverzeihliche Missethat. Die Erzeugung des Goldes aus chemischem Wege. Bon Rudolf Curtius. Nachdruck «erboten. Amerika, das Land der Trusts und Arbeitercoalitionen, in welchem der Kampf zwischen Capital und Arbeit mit nüchternster Rücksichtslosigkeit geführt wird, bleibt, obwohl kaum irgendwo anders in prosaischerer Weise von den Menschen um das Dasein gerungen wird, doch das Land der Wunder, aus welchem immer wieder auf'» Neue die Kunde von den seltsamsten Entdeckungen in die Welt dringt. Der Grundzug dieses fieberhaften Strebens ist freilich immer der Drang nach Erwerb, nach Gold, und so ist es nicht zu verwundern, daß, nachdem man sich kaum über den märchenhaften R«ichthum der neu entdeckten Goldfelder am Klon- dyke im nördlichen Alaska etwas beruhigt hat, die neuesten sensationellen Nachrichten sich wieder auf das kostbare gelbe Metall beziehen, an welchem Alles hängt, nach welchem Alles drängt. Wenn man den Mittheilungen, welche in ernster Form ver öffentlicht werden, Glauben schenken könnte, wäre dort gelungen, was das ganze Mittelalter hindurch bis in den Anfang unseres Jahrhunderts hinein Tausende von Köpfen beschäftigte, und Tausende an den Bettelstab und Viele in Schande und entehrende Strafe gebracht hat. WaS weder dem Egypter Hermes TriS- megistos, dem Großmeister der Alchymie, noch den Adepten des Mittelalters, wie Albertus MagnuS, Roger Baco, Basilius Va- lentiaus und anderen, noch der neueren, mit gewaltigen Hilfs mitteln arbeitenden Chemie gelungen ist, und was man sich mit schmerzlichem Entsagen endlich gewöhnt hat, endgiltig in das Bereich der unerfüllbaren Wünsche zu versetzen: aus billigeren Metallen Gold zu machen, will der amerikanische Gelehrte vr. Stephan Emmens entdeckt haben, indem er Silber in Gold verwandelt. Leider hat dieser Mann, dessen Name als derjenige des Erfinders eines nach ihm benannten Sprengstoffes in wissen schaftlichen Kreisen nicht unbekannt ist, den Schlüssel zu seiner Entdeckung nicht, wie es wünschenswerth wäre, und in wissen schaftlichen Kreisen sonst üblich ist, seinen gelehrten Collegen diesseits und jenseits des großen Wassers mitgetheilt, sondern zur Ausbeutung seiner Erfindung eine Gesellschaft, die bereits fix und fertig dasteht, das „^rgeutaui-uni Syuckicate" ge bildet, welche natürlich das kostbare Geheimniß mit Argus augen bewacht. Muß nun diese Thatsache gegründeten Anlaß zu äußerstem Mißtrauen geben, so muß man doch andererseits wieder stutzig werden, wenn man unter den Mitgliedern dieses Syndikats berühmte Namen wie Lea, Tesla und Edison findet und man kann die Sache von vornherein um so weniger in das Reich der Fabel verweisen, als die moderne Chemie längst den Standpunkt aufgegeben hat, daß diejenigen Stoffe, welche wir heute als Elemente betrachten, also auch das Gold, ewig un veränderliche Grundstoffe seien, aus welchen die Natur die ver wirrende Mannigfaltigkeit der vieltausendfachen Verbindungen aufführe. Aristoteles, das Universalgenie, das in so vielen Puncten bahnbrechend und befreiend, aber durch seine Jrrthümer ver möge der ihm beigemessenen Autorität auch lähmend zwei Jahr tausende hindurch auf die Naturwissenschaften eingrwirkt hat, stellte die Lehre von den 4 Elementen: Wasser, Feuer, Luft und Erde auf und beherrschte mit derselben die Vorstellungen der Gelehrten bis tief hinein in das vorige Jahrhundert. Als dann den Forschern diese Grundstoffe bei Anwendung der Waage und des chemischen Ofens unter den Händen sich auflösten, stellte sich eine weit größere Anzahl von Stoffen heraus, welche wir mit unseren Hilfsmitteln zur Zeit nicht weiter in einfachere Sub stanzen zerlegen können, und das sind die Elemente im Sinne der inodernen Chemie, deren man gegenwärtig 70 kennt. Ihre Zahl hat auch in den letzten Jahren mehrfach gewechselt, man hat einige aus der Liste streichen müssen, weil man sie als Zu sammensetzungen anderer erkannte, und neue sind dafür hinzu gekommen. Sicher sind wir aber bei keinem auch nur für den nächsten Tag, daß es nicht unter der Einwirkung der ungeheuren Hitze deS elektrischen Ofens oder durch andere Anwendung der elektrischen Kräfte weiter zersetzt werden kann, womit es für uns dann aufhört, Element zu sein. Alle uns bekannten Elemente verbinden sich miteinander immer nur in bestimmten GcwichtSverhältnissen oder in Mengen, welche ein Vielfaches derselben darstellen. 12 Gramm Kohlen stoff bilden, so oft man auch den Versuch wiederholen mag, immer nur mit 16 Gramm Sauerstoff 28 Gramm Kohlenoxyd oder mit 32 Gramm Sauerstoff 44 Gramm Kohlendioxyd (Kohlensäuregas). Die einfachste Erklärung für dieses Natur gesetz ist, daß beide Urstoffe aus Atomen bestehen, daß die re lativen Atomgewichte von Kohle und Sauerstoff sich wie 12 zu 16 verhalten, und daß also im ersteren Falle ein Atom kohle sich mit einem Atom Sauerstoff, im letzteren aber ein Atom Kohle sich mit zwei Atomen Sauerstoff zu den genannten Ver- bindungen vereint. Wenn man nun die Atomgewichte der Ele mente, welche auf zum Theil sehr mühevollen Weyen berechnet worden sind, mit einander vergleicht, gewahrt man bald eine eigenthümliche Gesetzmäßigkeit, daß nämllch die Atomgewichte verwandter Elemente eine sogenannte arithmetische Progression bilden, das heißt, sich unter den Nachbarn um einen gleichen Betrag unterscheiden. Ein Beispiel möge das Gesagte erläutern. Die Elemente Beryllium, Magnesium, Calcium bilden Verbindungen, nament lich Salze, welche in chemischer wie physikalischer Beziehung außerordentliche Aehnlichkeit unter einander aufweisen. Ihre Atomgewichte sind aber für: Beryllium 9, Magnesium 24,4, Calcium 39,9. Andere Reihen unter einander verwandter Elemente sind Lithium 7, Natrium 23, Kalium 39, Schwefel 32, Selen 79, Tellur 125. Wenn man diese Reihen betrachtet, ist es schwer, der Ver- muthung auszuweichen, daß Natrium nichts anderes ist als Lithium, verbunden mit einem unbekannten Etwas, welchem das Gewicht 16 gebührt (7 t-16 —23), und daß aus Natrium durch nochmalige Hinzufügung dieses unbekannten Kalium entsteht (23-j-16 — 39), dasselbe gilt von den Elementen der anderen beiden Reihen. Sämmtliche Elemente mit Ausnahme des eine ganz isolirte Stellung einnehmenden Wasserstoffes lassen sich in solche Reihen oder Familien eingliedern, und dabei kommt Gold, zu welchem wir nun wieder zurückkehren, in eine Familie mit Kupfer und Silber zu stehen: Kupfer 63,18, Silber 107,66, unbekanntes Element 152,18, Gold 196,70 mit der einen Maßgabe, daß es zwischen Silber und Gold noch ein bisher den Nachforschungen entgangenes Metall mit dem ungefähren Atomgewicht 152 giebt. Diese letzte Annahme ist nun durchaus nicht unwahrscheinlich; denn man hat, worin besonders der Moskauer Chemiker Men delejew sich ausgezeichnet hat, schon mehrfach auS einer Lücke in diesen Reihen auf die Existenz eines noch unbekannten Elementes geschloffen und dieses dann mit allen jenen Eigenschaften (Glanz, Farbe, Härte, Gewicht), welche es nach seiner Stellung im System haben mußte, später wirklich aufgefunden. Silber wäre nach dieser Hypothese nichts anderes als Kupfer und ein Unbekanntes vom Atomgewicht 44,5, und Gold ent stände aus Silber durch zweimaliger Hinzufügen dieses un bekannten Stoffes (107,66-j-2 X 44,52--196,70). Zu alle dem kommt noch die Erfahrungsthatsache, daß dort, wo Silber vorkommt, fast regelmäßig Gold vertreten ist, und daß alle Silbererze einen, wenn auch oft nur minimalen, aber doch nach weisbaren Goldgehalt haben. Nach dem Gesagten ist es unmöglich, sich gegenüber den Behauptungen des vr. Emmens auf den Standpunkt des über legenen Spottes über einen sonderbaren Schwärmer zu stellen. Die Besitzer südafrikanischer Goldactien brauchen indeß deshalb noch lange nicht zu verzweifeln; denn nach den spärlichen Mit theilungen, welche Emmens an befreundete Gelehrte hat ge langen lassen, scheint daS Verfahren ein recht kostspieliges zu sein. Emmens selber giebt zu, daß die ErzeugungLkosten un gefähr den halben Werth einer entsprechenden Menge gewöhnlichen Goldes betragen. Zudem salvirt sich der Erfinder tn einer höchst spitzfindigen Weise, indem er durchaus nicht die absolute Iden tität seines Kunstgoldes mit echtem behauptet, sondern nur aus sagt, daß dasselbe auch von Kennern nicht von echtem Golde unterscheidbar und von Seiten des amerikanischen Münzamtes nach dem Preise echten Goldes bezahlt worden sei, was nur ein anderer Ausdruck für die behauptete Identität ist. Ueber die Art und Weise des Verfahrens kann man nach den Briefen des Erfinders an den englischen Gelehrten Crookes und an den Franzosen Rochas nur vermuthen, daß es sich um eine Ver dichtung von Silber durch lang andauernden kolossalen Druck unter gleichzeitiger Paralysirung der entstehenden Wärme mittels künstlicher Abkühlung handelt. Die Lorbeeren des Entdeckers haben übrigens auch andere Personen wie schon Themistocles nicht schlafen lassen. Ein kalifornischer Professor O'Neilt behauptet, dasselbe leisten zu können, und auch in Frankreich rühren sich die Alchymisten, die dort sogar eine besondere Zeitschrift dasür haben. Diese Um stände geben zu gewichtigen Bedenken gegenüber der Richtigkeit der Entdeckung Veranlassung. So wird Amerika seit Jahren von einer Krisis erschüttert, welche ihre Ursachen weniger in der unleugbaren Ueberproduction der Industrie, als in dem Preisstürze des in immer größeren Mengen gewonnenen Silbers und in der Unsicherheit der Wäh rungsverhältnisse hat. Daß in diesem Lande, wo nicht nur die wirklichen Unternehmungen, sondern auch die Hoffnungen ins Gigantische gehen, Tausende auch unter den Gelehrten in der Aussicht auf märchenhaften Gewinn einer Idee nachfagen, deren Möglichkeit auch die ernste Wissenschaft nicht in Abrede stellen kann, ist begreiflich. Es bleibt nur zu erwägen, ob nicht vielleicht der brennende Wunsch der Vater des Gedankens gewesen ist; denn in den Statuten des ..XrpiontLurum gzuckieate^ wird be zeichnender Weise als Gesellschaftszweck angegeben, „die Arbeiten von vr. Emmens über die Umwandlung von Silber in Gold fortzuführen und eventuell die industrielle Anwendung der Me thode zu versuchen". Von einem vollen Erfolge war also damals wenigstens nicht die Rede. > Dies Alle» berechtigt zu der Erwartung, daß die Besitzer von Goldrenten sich mit dem Umtausch ihrer Werthe in Silber papiere keineswegs zu beeilen brauchen, sondern gut thun, den weiteren Verkauf der Sache abzuwarten, welche, wenn sie sich bewahrheiten würde, allerdings alle wirthschaftnnen Verhältnisse auf den Kopf stellen und eine fundamentale Neuordnung des nationalökonomischen Verkehrs zur Folge haben mühte.
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