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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.02.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-02-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980228020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898022802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898022802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-02
- Tag1898-02-28
- Monat1898-02
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Ggtra»Vetl»gen (gefalzt), »»r mü de» Morgen.Ausgabe, ohne Postbefördaruaz ^g mit Poftbefördernng ^s 70.—>. ^uuahmrschluß str Anzeige«: >b«»tz-Au-g»b«: vormittag« 10 Uhr. ^torge ».Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. chtt d«» yillalea und Annahmestelle» je eia« halb« Stunde früher. Anzeigen find stet« ,n die -r-e-ttta» zu richten. Druck and v«l»g »0» L. V»tz t» SripziA 1V8. Montag den 28. Februar 1898. 82. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 28. Februar. Vor dem Beginn der gegenwärtigen Tagung batten Optimisten angenommen, daß der Reichstag in dieser Session sich eines regeren Besuche- erfreuen werde, weil die Abgeordneten schon auS Furcht vor dem Zorne der Wähler Migsotism würden prästiren wollen. Da diese Annahme in dem ersten Tagungsabschnitte sich als irrig erwies, so konnte man sich mit dem Trostgrunde darüber hinweghelfeu, daß ja im ersten Theile einer Tagung Abstimmungen in der Regel nicht nAtbig sind. Aber jetzt, wo der Reichstag nur noch eine geringe Zahl von Wochen von dem Ende seiner GiltigkcilS- dauer entfernt ist und täglich Abstimmungen uötbig werden können, ist e- immer noch nicht besser geworden. Am letzten Freitag betrug die höchste Zahl der anwesenden Ab geordneten 140, also LS weniger, als zur Beschlußfähigkeit erforderlich sind. Die Folge davon war, daß nicht nur die Berathuug über die Entschädigung unschuldig Ver- urtbeilter, sondern auch die zweite Lesung der aus Wieder einführung der Berufung gerichteten Anträge nicht zu Ende geführt werden konnte. Der letztere Fall ist besonver- bervorzuhebeu, da eS sich hier um einen Initiativantrag von Reichstagsabgeordneten handelte. Die Parlamentarier klagen oft darüber, daß die Regierung vom Reichstage gefaßteBcschlusse nicht respectire. Wie soll dann aber die Regierung Respekt vor Reichstagsbeschlüssen bekommen, wenn die Parlamentarier ihren Mangel au Respekt vor den auS ihrer Mitte hervor- geaangenen Anträgen dadurch bekunden, daß sie sich nicht in beschlußfähiger Zahl zur Berathuug dieser Anträge einfinden? ES ist Pflicht, daraus hiuzuweisen, daß jetzt, kurz vor der Vornahme der Neuwahlen, der Reichstag selbst diese trister: Zustände der Wählerschaft vor Augen führt. Die Mäkler sollten nun endlich daraus die dringende Aufforderung ent nehmen, sich zu vergewissern, ob ihre Candidaten nicht nur in Bezug auf die politischen, wirthschaftlichen, socialen und anderen Fragen mit ihnen übereinstimmcn, sondern auch gewillt und in der Lage sind, an den wichtigeren Verhandlungen des Reichstages theilzunehmen. Man sollte das geradezu zu einer Haupt bedingung machen. Denn was nützt alle Uebereinstim>"ung der Anschauungen, wenn der Abgeordnete sich vom Reichs tage fernhält? Man sollte von vornherein auf die Auf stellung solcher üandidaten verrichten, die auf Befragen zu geben müssen, daß ihre geschäftliche Tbätigkeit oder andere Verhältnisse sie voraussichtlich selbst von wichtigen Be- rathungen und Abstimmungen fernhalten werden. Und ferner sollte man, wenn irgend möglich, nicht solche Männer als ReichStagsabgeordnete wählen, die bereits dem Parlamente eines EinzelstaateS augehören, oder in Zukunft in ein solches eintreten wollen; den» wenn ein RcichSlagsabgeordneter sein Mandat gewissenhaft wahr nehmen will, wozu ja nicht nur der Besuch der wichtigsten ParlamentSverhandlungen, sondern auch die ernsthafte Beschäftigung mit den dem Reichstage vorliegenden Entwürfen gekört, so kann er nicht Wohl gleichzeitig einem anderen Parlamente ««gehören, sofern er nicht eine ganz hervor ragende Arbeitskraft und von allen anderen Verpflichtungen frei ist. Nachdem am Sonnabend in der Budgetcommission deS Reichstags der Führer des Zentrums, vr. Lieber, in einer Weise über die Flottenvorlage sich geäußert bat, die Herrn Eugen Richter veranlaßt, an der Spitze seiner „Freis. Ztg." ingrimmig zu verkünden: „Da- Flotten-f gesetz ist fertig", wird voraussichtlich in den der „Kreuzztg." nahestehenden Kreisen nicht nur daS Lob de« „Mußpreußen" Lieder in den höchsten Tönen gesungen, sondern auch der Versuch erneuert werden, den konservativen Wählern Wahlbündnisse mit klerikalen Wählerschaften als wünschenSwerther und vorthcilhafter erscheinen zu lassen, «IS Bündnisse mit mittelpartcilichen Wählerkreiscn. Einem Vorläufer solcher Versuche begegnen wir bereits in mehreren Blättern, die als höchlich bemerkcnswerth Stellen aus einer Rebe mittheilen, die jüngst der Pfarrer Fl um aus Böhringen im katholischen VereinShause in RadolfSzell gehalten hat. Diese Stellen lauten: „Ein Hauptmittel, wahre Vaterlandsliebe zu pflegen, ist das Studium und die Kenntniß seiner Geichichte. Leider sah es damit leige, lange Zeit sehr böS auS. Der uralte Finch Deutschland-, die -Zerrissenheit, die Kleinstaaterei mit ihren selbstsüchtigen Dynastien und künstlich grobgezogenen Sonderinteressen erstickten das National- geiühl, ja selbst den Gedanken an ein gemeinsames Vaterland ... Man war eben ein Oefterrricher, ein Preuße, ein Sachse, Bayer, Badenser rc., aber kein Deutscher: ja, man wollte gar kein solcher sein, schämte sich dessen sogar. Dir einst so mächtige Mutter Ger» mania war daS große Aschenbrödel geworden, ans dem nicht nur die Fremden von allen Seiten her herumtrampelten, sondern daS von den eigenen Söhnen und Töchtern angespieen, mißachtet, ver spottet, verkauft und verralhen wurde. Deutschland war der Tummel- platz geworden, aus dem fast alle europäischen Kriege auSgrfochten wurden, wodurch da« arme Volk naturgemäß in immer tieferes Elend, in blutige Armuth und hoffnungslose Apathie versank. Daß unter solchen Umständen keme Vaterlandsliebe blühen, geschweige denn ein Interesse an der schöneren Vergangenheit sich regen konnte, bedarf keine» Beweise«. Wie viel besser ist nun Gott sei Dank Alle« geworden! Da» zu Ende gehende IS. Jahrhundert wird ewig denkwürdig und groß erscheinen; nicht nur wegen der an» Wunderbare grenzenden Er findungen und Fortschritte, die da» Angesicht der Erde und die Beziehungen der Völker völlig umgeschassen haben. Nein, das 19. Jahrhundert wird auch groß bleiben, weil in seinem Verlauf das Herz Europa», Deutschland, nach jahrhundertlan^em Siechthum wieder gesund geworden ist und die ihm gebührend« stelle im Rathe der Nationen wieder eingenommen hat. Wir haben die Auferstehung de» Vaterlandes zu neuem Glanze miterlebt. Ja, wir sind daran gewöhnt, leider auch lhrilweise verbittert und ernüchtert durch den Hader der Parteien uud manche», was besser unterblieben wäre, wie z, B. der Kulturkampf u. a., daß wir fast gor nicht mehr fühlen, wie groß unsere Zeit ist uud wie groß und kostbar die Errungenschaften in patriotischer Hinsicht. Stellen wir uns vor, ein patriotischer Mann — und solche hat eS immer gegeben —, der vor LOO, 100, ja nur 60 Jahren an der Zukunft des Vaterlandes verzweifelnd, inS Grab gestiegen, er käme heute wieder auf die Erde und vernähme all do ll »glaubliche: Straßburg und Metz mit Elsaß und Lothringen, die so schmachvoll verlorenen Edelsteine der deutschen Kaiserkrone — sie sind wieder deutsch. Schleswig-Holstein, die von dem frechen Däne- mark so lange drangsalirten Nordmarken — sie sind unser. Die Nord« und Ostsee, Jahrhunderte lang in der Gewalt der Fremden — sie tragen eine stolze deutsche Panzrrflotte. Im neu erschlossenen Afrika haben wir zukunstreiche Eolomen, ü—6 Mal größer als Deutschland selbst. Ja, zur Zeit dampft ein stattliches Geschwader nach dem fernen Ostasten, um auch dort die deutsche Fahne aufzu pflanzen und die Macht und die Größe des Reiches zu zeigen und zu mehren. Und an der Spitze steht wie in alten Zeiten wieder eia Kaiser; aber nicht mehr ein Spielball der Fürsten, sondern ein Erbkaiser, der wahrhaft von Gotte» Gnaden den Scepter und da» Schwert mit Weisheit und Kraft zu führen weiß! Da- würbe der aus dem Grabe erstandene hören und er käme aus dem freudigen Staunen gar nicht heraus, daß alle Wünsche und Hoffnungen der besten Männer so gegen Erwarten und über Erwarten in Erfüllung ge- gangen sind! Auch wir, werthe Zuhörer, wollen uns freuen!" Auch wir freuen uns dieser Ausführung, aber waS beweist sie für daS Cent rum, ja auch nur für die CentrumSsraction in Baden? Seit daS Reich besteht, selbst in den Zeiten deS heftigsten CulturkampfeS, bat eS viele Tausende von Katboliken gegeben, die ganz dasselbe dachten und Wohl auch gelegentlich aussprachen, waS der Böhringer Pfarrer kürzlich gesagt bat. Trotzdem hat daS Centrum, wenn eS nicht kirchenpolitische Concessionen durch eine reickSsreundliche Haltung herausschlaaen zu können hoffte, eine Haltung beobachtet, die den Fürsten BiSmarck noch heule dazu bestimmt, vor jedem Pactiren mit der Gefolgschaft deS Herrn vr. Lieber dringend zu warnen. Speciell daS badi che Cenirum bat sich nicht gescheut, bei den letzten LandtagSwah en mit allen Kräften die Wahl demokratischer und socialdemokratischer Can didaten zu fördern, die alle» Andere eher, al» ihr „freudige- Staunen" über die Macht und Größe de- deutschen Reiche- durch Wort und Thal bewiesen. Damal- hätte auch Herr Pfarrer Flum eS nicht wagen dürfen, die Wabltaktik deS geistlichen Ratbes Wacker zu durchkreuzen. Läßt Herr Wacker jetzt die Zügel lockerer, so sind für ihn sicherlich dieselben taktischen Rücksichten bestimmend, die Herrn Or. Lieber veranlassen, mit allen Kräften an der Einschwenkung seiner Fraktion in das Lager der Flottenfreunde zu arbeiten. „Centrum ist Trumpf", da- wird für Herrn vr. Lieber, wie für Herrn Wacker allezeit Parole und Ziel deS heißesten Streben- sein, und die Art, wie dieser Trumps auSgespielt werden wird, wird stet» von den« Vortheile abbängen, den die Spielweise de- CentrumS dem internationalen Papstthume zu bringen verspricht. Gerade daraus, daß die Rede deS Pfarrer- Flum al» etwa» Unerwartete-, Auffällige» und Ueberraschrndeü angesehen wird, sollte doch jeder vorsichtige Politiker schließen, daß dies« Rede da» Wesen und die Gewohnheit de» EentrumS nicht charakterisirt. Wem fällt r» eia, auS einer reich-freundlichen Rede eines Arbeiter- auf Vie Gesinnung der Herren Bebel und Liebknecht und deren Bünbnißfähigkeit ru schließen? Und näher als irgend ein Arbeiter den „au-schließ lichen Arbeirervertretera" Bebel und Liebknecht steht der Böhringer Pfarrer den führenden Geistern d«S Ceutrum- sicherüch nicht. Wer also aufdiese von jenem schließt, täuscht entweder sich selbst, oder sucht Andere zu täuschen. , - —. Durch ausführliche Telegramme über das zum Glück erfolglose Attentat auf den König von Griechenland sind unsere Leser bereits von allen Einzelheiten der verabscheuungS- wiirdigen Thal unterrichtet, in deren absoluter Verurtheilnng wir unS mit dem besseren Theii deS griechischen Volkes eins wissen. Leider konnten wir noch nicht- über die Personen der Mordgefellen berichten, sie sind spurlos verschwunden und trotz sofortiger Au-sendung zahlreicher Patrouillen in die Umgegend Athens bi- heute Mittag noch nicht ergriffen worden. Aber auch wenn sie un- enrdeckt bleiben sollten und somit nicht» Authentische» über die Motive der verbrecherischen That bekannt würde, lange braucht man nach den letzteren nicht zu suchen. Von socialistischer oder anarchistischer Propaganda ist in Athen kaum je die Rede gewesen, in diesen Kreisen werden die Attentäter daher kaum zu vermutden sein. Man hat e- offenbar mit einem beklagenSwerthen Nachspiel deS griechisch türkischen Kriege» zu thnn- entweder bat nationaler Fanatismus oder die Verzweiflung ruinirter Existenzen den Kugeln die Richtung gegeben. Man erinnert sich, baß der unglückliche Krieg ein namenloses Elend, speciell unter der Bevölkerung Thessaliens zur Folge gehabt hat. Zu Tausenden verließen dir dortigen Bewohner, namentlich die Grundbesitzer, HauS und Hof und flüchteten südlich. Große Schaaren kamen täglich in Athen an und heischten Aufnahme und Unter stützung; sie werden bei ihrer Rückkehr schwerlich mehr al» Stätten der Verwüstung wiedergefundrn Haden. Lft:ck> beute noch ist die Lage der arg Heimgesuchten eine brjammernSwcrthe, und eS ist nicht ausgeschlossen, daß eine Anzahl Individuen, den König für da- Elend verantwortlich haltend, auS Rache ihm nach dem Leben getrachtet haben. Die endlose Occupation Thessaliens durch die türkischen Truppen mag die Erbitterung aufs Höchste gesteigert und schließlich die Thal gezeitigt haben. Wahrscheinlicher aber ist eS, daß man eS mit dem Anschlag nationaler Exaldatos zu Ibun hat, deren Hintermänner vielleicht in den Reiben der Ethnike Hetäria zu suchen sind. Ihr Werk in erster Linie war ja der wahnsinnige Krieg gegen die Türkei, sie war daS treibende Element, dem der König und der Kronprinz zögernd, ja nach der Darstellung deS Letzteren nur widerwillig folgten. Die Hctärie hat eS dem König nie verziehen, daß er nach ihrer Meinung den Krieg lässig, ja nur pro torwu und um zu zeigen, baß Griechenland der Türkei und dem Willen der Großmächte gegenüber ohnmächtig sei, geführt, und nicht gleich ihr auf die „Alles überwindende, siegende Kraft de» Panhellenismus" vertraut hat, dessen Aufgebot die Hetärie wiederholt verlangt, aber selbstverständlich niemals erlangt hat. Schoa nach den entscheidenden Schlachten in der thessalischen Tiefebene machte sich in Athen eine solche Mißstimmung gegen daS König-Hau» bemerkbar, daß man schon damals glaubte, daS Leben de- Monarchen — der Kronprinz mied die Hauptstadt — sei in ernster Gefahr. Die hochfliegrnden GroßmachtSträume der Ethnike Hetäria baben sich an der barten Wirklichkeit die Köpfe eingerannt, die große Action ist kläglich gescheitert, Griechenland bankerott bis in- Mark und Kreta noch immer ein Brstandtheil de- ottomanischeu Reiche-. Da- konnten die nationalen Heißsporne nicht verwinden und darum war ihr Ruf: Fort mit dem Könighau», eS lebe die Republik! In diesem Sinne haben sie und die ihnen zur Verfügung stehende Preffe gehetzt und die Dolksleidensckasten bis heule geschürt. Ihre letzte Hoffnung mögen sie noch auf die Kandidatur de- Prinzen Georg für den Gouverneuröposten von Kreta gesetzt h^ben, al- auch dies« sch-.iterte, hielten sie die Zeit zum Handeln gekommen. Der König hat ganz recht gesehen, wenn er „daS umstürzlerische Vorgehen einiger Preßorgane" in erster Reibe für die Tkat ver antwortlich machte, und die Polizei scheint auf der richtigen Spu r zu sein, wenn sie die Verbrecher in einen,, zweifellos poli tischen, Club sucht und annimmt, daß dieselben durch daS LooS bestimmt gewesen sind. Was nun weiter werden wird, läßt sich bei der Unzuverlässigkeit und Wandel barkeit deS griechischen VolkScharakterS nicht sagen. Wohl werden große rohalisttsche Kundgebungen aus Athen und dem Lande gemeldet, uud eS kann sein, daß die Geister, die das Böse gewollt, das Gute, d. b. die Erstarkung königstreuer Gesinnung im Griechenvolk, gewirkt haben. Allein eS kann sich auch Herausstellen, daß die republi kanische Bewegung schon zu mächtig geworden ist, al- daß rin momentanes Aufflammen ver Entrüstung gegen die Mörder ibr irgend erheblichen Abbruch zu Ibun vermochte und daß sie nach dem Attentat um so rascher anschwellen wird. Eine Folge aber, mit der noch zu rechnen ist, dürfte die sein, daß die mächtigen dynastischen Einflüsse, welche bis vor Kurzem an der Hebung de- Prestige- deS griechischen Königshauses tbätig waren, nun mit verstärktem Nachdruck eiusctzen werken, F-ttrlletsn. Durch eigene Kraft. 13j Roman von Alexander Römer. Nachdruck vrcbolcn. Zwölftes Capitel. Zu Hause war Ottilie am heutigen Abend sehr still. Die Tarnen achteten nicht darauf, sie hatten Anderes, was sie be schäftigte. Ihr Bruder war vorhin mit der Nachricht nach Hause gekommen, daß die GutSherrfchaft binnen 14 Tagen zu erwarten sei. Das ganze Personal im Herrenhaus« sei in Aufregung, Maler, Tapezierer seien angemeldet, der ein« Flügel, wo die Fremdenraume lagen, solle ganz neu geschmückt werden. Die fürstliche Freundin der Gnädigen, Prinzeß Ada von Braunfels- Lichtenstein, kam mit den Herrschaften, und für st« wurde Alles neu eingerichtet. Der Inspektor hatte seine Randglossen dazu gemacht, und Fritz Röpke überbrachte mit wichtiger Mime die Nachricht. Ottilie hörte nur halb zu, «s inftressirte st« wenig. Es war freilich unbequemer, wenn die Herrschafen da warm, aber sie hatte es im vorigen Jahre ja fertig gebracht, ihnen au» dem Wege zu geben, und würde eS jetzt ebenso machen. Die Sphäre jener Menschen war ihr versunken, ste sehnte sich auch nicht mehr hinein. Ottilie ging früh zur Ruhe, d. h. ste sagte dm Tantm und dem Bater, der heute zu Hause war, „Gute Nacht" und zog fich auf ihr Zimmer zurück. DaS Fenster lag nach der Straße zu, im Dorzärtchen blühten Rosen und weiße Lium. Die großen Kelche auf ihren hohen, geraden Stengeln fcpmmerwn silbern im Mondlicht, und der Duft strömt« in ihr Fenster. Drüben rauschte es in den dicht belaubten Kastanien, der wette Rasen platz lag finster in ihrem Schatten, und vom Herrenhaufe ge wahrte man nichts. Ab und zu wehte ein Luftzug dm vollen Duft der Lindenblüt-Hen vom Kruge herüber, und daS Zirpen einer einsamen Nachtvogels, der noch nicht zur Ruhe gekommen war, Netz sich vernehmen. Laut aber quakten die Frösche im Miihkenteich, und ein Schwarm Krähen ftoy über die Wipfel weg. Ottilie lag im offenen Fenster und rn ihrer Seele war es unruhig. Unten auf der Dorfstraße zogen singende Burschen und Mädchm auf und ab, die jungm, jauchzenden Stimmm kamen näher und verloren sich dann wieder in der Ferne. Sie waren glücklich. Und so glücklich konnte st« auch sein — wenn st« es wollt«. — Sie starrte sinnend in die Nacht hinaus, das Blut wogte Huß in ihren Adern, das erste Erwachen, das erste Sehnen regte sich in ihr — und sie flüsterte unbewußt vor sich hm: „Liebe ich ihn? Liebe ich ihn?" Sonst thut ein Mädchen wohl die umgekehrte Frage: liebt er mich — liebt er mich nicht? Sie brauchte die Frage nicht zu thun, sie war seiner gewiß, nur ihr eigenes Herz — warum konnte sie es nicht verstehen? Weil unlautere Stimmen da zwischen schwirrten, noch immer der Hochmuthsteufel, noch immer die alberne Eitelkeit. Ja, wär« er vornehm, wäre er hochgeboren, einen lieberen Menschen gäbe es für sie nicht aus der Welt. Draußen, am Ende des Gärtchens, setzte sich der Vater auf die Bank, er räusperte sich, er gähnte. Der arme Vater — sie war heute sehr weich gestimmt, sie bemitleidet« auch ihn. Er hatte ja keine Heimath mehr, nichts, was er sein Eigen nennen konnte; sie hatten Beide keine Heimath, sic waren hier nur ge duldete Eindringlinge, wie schwer war das! Und da war die Befreiung au» dieser Lage, sie brauchte nur di« Hand auszu strecken. Ludwig gab ihr ein« Heimath, ein sorgenfreies Leben, er trug sie in seinen starken Armen, wenn der Pfad rauh und uneben war er schützte ste vor jeder Noch, auch den Vater würde er liebreich versorgen. Ihr Herz schwoll in hoffnungsreichem Glück, ja, jetzt klärt« sich ihr Gefühl, er war doch der R«cht« — ste liebte ihn. In dem dämmernden Mondlichte kam eine hohe Gestalt den Weg entlang, st« erkannte ihn, und ihre Wangen erglühten. In mädchenhafter Scheu schloß st« ihr Fenster und ließ die Vor hänge herab. Rasch entkleidete sie fich und legte sich inS Bett. Sie Hirte ihn draußen mit dem Vater reden und blieb unter Herzklopfen aufrecht in ihren Kiffen sitzen, um seiner Stimme zu lauschen. Sie ging am anderen Morgen nicht hinüber zu Frau Doris. Ihre Unbefangenheit war dahin, ste fann darüber nach, wie sie sich benehmen solle. Heimlich hoffte ste, Ludwig werd« unter irgend einem Vorwande, zu ihr kommen. Sie machte sich viel M schaffen und wartete mit Spannung. Aber er kam nicht. Am Abend erschien seine Mutter, in Sorg«, was ihrem Herzblatt fehle. DaS sei doch seit Wochen nicht paffirt, daß ihr Liebling nicht einmal vorgesprochen habe. Ottilie umarmt« und küßte die liebe Frau und setzt« sehr eifrig auseinander, daß sie hier heute unumgänglich nothwendig gewesen sei. Mariann« sah st« freilich dabei höchst verwundert an, und Lies« schüttelt« den Kops dazu. „von Ludwig soll ich Grüße bestellen", sagte Frau Doris, „er hat heut« früh eilig fort müssen, der Braun« lahmte, und es fehlte ohnehin schon an einem Handpferd. Da ist «r auf d« Roßmartt gefahren, und wenn er nicht gleich etwas Paffendes findet, so kann es schon ein paar Tag« währen, ehe er heim kommt." Das also war es — Ottilie wandte sich ab, sie fühlte, wie ihr das Blut heiß ins Gesicht stieg. Mutter Heidemann klopfte ihr die Schulter und lachte. „Na, ich habe «die Grütze wohl ein bischen spät bestellt", meinte sie. „Er hat sie mir eUig genug aufgetragen, aber ich dachte doch immer, mein Herzblatt käme." Ottilie fiel es heut« zum ersten Male auf, wie eigen die Tonart war, in der man von ihr und Ludwig redete. Niemand schien etwas 2luffälligeS darin zu finden. War daS denn schon immer so gewesen, und hatte nur sie nicht darauf geachtet? Sie wünschte hastig von Anderem zu sprechen, und da ihr nichts Besseres einfiel, so fragte sie nach der Ankunft der Herr schaften. Da hatte sie nun instinctiv das Richtige getroffen; die Ablenkung war auSgiebig. Die Krugwirthin war im Stande, genau« Auskunft zu geben, und die Tanten hörten voll Interesse zu. „Ja, das ist 'n« nette Geschichte", erzählte Frau Doris. „Gestern kommt «in ausführliches Schreiben von der Gnädigen, sie wolle mit der Frau Prinzessin am 6. August, das ist in 14 Tagen, hier eintreffen, und ein langer Zettel, was Alle- fertig ««stellt sein soll bis dahin. Heute Mittag kommt eine Depesche, sie kämen schon in 8 Tagen, und auf dem Hofe weiß Keiner, wie eS menschenmöglich sein soll, bis dahin das Befohlene be schafft zu haben. Na, der Inspektor weiß sich ja zu Helsen, er hat den Telegraphen in Bewegung gesetzt nach allen Enden hin, er nimmt die Leute von der Erntearbeit wog, was soll er auch machen? Schaden bringt'» und Geld kostet'» die schwere Menge, aber danach kann er ja nicht fragen unter solchen Um- ständen. Mein Alter meint, der Herr Baron wisse gar nichts von diesen neuesten Befehlen der Gnädigen, da mag er einen blassen Schrecken kriegen, wenn er die Beschcerung zu bezahlen hat." Marianne schüttelte den Kopf. „Die Leute wirthschaften unsinnig", sagte ste, und Ottilie wiederholte mechanisch für sich: „Also schon in acht Tagen." ES war ihr ein unbehaglicher Gedanke, daß Ludwig gerade jetzt fort war, und was sie gestern Abend kalt und gleichgiltig gelassen hatte, regte ste heute auf. Sie fürchtete sich vor dem Troß, dem man dann wieder überall zu begegnen in Gefahr war. Frau Doris riß sich los, sie hatte in den nächsten Tagen alle Hände voll zu thun, ste war« ja auch mitten in der Entte. Es kam Alles zusammen, Ludwig sott, m»L von drüben, vom Hofe, schickten sie stündlich und hatten Anliegen. Der Inspektor fluchte und wetterte, und die Wolters war ganz rabiat. Sc- war ein Koch verschrieben, und Gott weiß was noch an Hand Werkern und Personal. „Ich lasse mich diesmal auf nichts ein", setzte sie hinzu, „mein Ludwig will es nicht. Ich hab's nicht mehr nöthig, rmck so abzurackern. Die Gnädige hat mich sonst immer mit ihren süßen Reden gefangen." Sie lachte und eilte so rührig von dannen, als zähle ste zwanzig anstatt ihrer sechzig. „DaS ist 'n« tüchtige Frau", tmgte Marianne hinter ihr her. „Die hat ihr rechtschaffen Stück Arbeit gethan in ihrem Leben und ist dabei immer fröhlich und lustig gewesen. Was ihr an Sorgen und Kummer gekommen iki, hat sie mit ihrem frischen Sinn überwunden, und diel war's ja auch freilich nicht, sie haft- ein ebenes Leben." Liess seufzte. Ja, ja, 'S ist verschieden dertheilt, wer weiß, was auch ihr noch kommt. Den Einen trifft'- früh, den Anderen spät." „Bist Du heute wieder 'ne Unke?" fragte Marianne. „Unser Herrgott bewahre die liebe Frau." Liess seufzte noch einmcu und ging hinaus. Sie hattc so ihre Tage, wo ste schwarz sah, während sie im Allgemeinen ein- hoffnungsreiche Natur war. Ottilie hatte wohl auch ihren Tag. Ihr war das Herz schwer, ohne daß sie einen Grund dafür angeben könnt«. War eS, weil Ludwig ohne Abschied abgereift war? ES vergingen acht Tage, bis er zurückkam. Er hatte viel umherfahren müssen, ehe er Len richtigen, passenden Gaul fand, er war Kenner und vorsichtig. Der Vater wußte, daß er keinen Besseren zu dem Kaufe senden konnte. Am nächsten Tage wurden die Herrschaften erwartet, und da nahm der Inspektor, der dem jungen Heidemann in der Noth uftd Drangsal des Augenblicks noch allerlei Aufträge aufgebiivdet hatte, ihn völl'g in Beschlag. Ottilie sah Ludwig nur ganz flüchtig, auf «in paar Augen blicke. Sie freute sich an fernem lieben Gesicht, an dem glück lichen Aufleuchten seiner Augen bei ihrem Anblick; «r preßte ver- ständnißvoll ihr« Hand, aber an «in Aussprechen, ein Alleinsein, war nicht zu denken. Und welch eine Unruhe war im Dorfe! Ein Heer von Hand Werkern belebte nach Feierabend die Straße, im Herrenhaus? wurde mit Windeseile geschafft. Ottilie war, von Liess ubcr redet, einmal mit drüben gewcfen, um die Herrlichkeit zu sehen, die da entstand. Die Fremdengepiächer wurden prächtig; das Schlafzimmer, das für di« Frau Prin-esfin hng«richttt ward.
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