Tadeusz Baird: Fünf Lieder nach Worten von Halina Poswiatowska Deutsch von Maria Kurecka I. das Scheiden ist ein Vogel der seine Flügel ausbreitet von mir zu dir alle Federn sind dunkel alle Tage ohne dich Nächte zittern Federn verstreut am Himmel wenn du kommst laufen goldene Federn in eine Sonne zusammen stirbt der Vogel II. teile mit mir das tägliche Brot meiner Einsamkeit fülle mit Gegenwart nichtgegenwärtige Wände vergolde das nichtexistierende Fenster sei mir eine Tür vor allem eine Tür die man öffnen kann sperrangelweit III. lieber Gott erbarme dich meiner warum hast du mich unähnlich den harten Steinen erschaffen deiner Geheimnisse voll bin ich verwandle Wasser in den Wein des Durstes verwandle Wein in die Blutflamme Gott meines Leidens fülle mit atlasweichem Atem das leere Nest meines Herzens IV. ich zerschneide die Leidesorange mit der einen Leideshälfte fülle ich deinen Mund Hungrige teilen Brot auf diese Weise Durstige das Wasser arm bin ich — habe nur einen Körper einen vor Sehnsucht verzogenen Mund Hände die Leidesorange teile ich redlich entzwei fülle deinen Mund mit bitteren Körnern V. immer wenn ich leben will schreie ich wenn das Leben mich verläßt umschließe ich es eng sage — o, Leben geh’ noch nicht seine warme Hand in der meinen mein Mund an seinem Ohr ich flüstere Leben als ob das Leben ein Liebhaber wäre der fort will ich falle ihm um den Hals ich schreie sterben werde ich wenn du fortgehst Programmblätter der Dresdner Philharmonie — Spielzeit 1968,69 — Chefdirigent: Kurt Masur Redaktion: Dr. Dieter Härtwig Druck: Grafischer Großbetrieb Völkerfreundschaft Dresden, Zentrale Ausbildungsstätte 42479 III 9 5 0,8 1168 ItG 009/97/68