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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.02.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-02-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980205013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898020501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898020501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-02
- Tag1898-02-05
- Monat1898-02
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Die Morgen-AnSgabe erscheint um '/,? Uhr, di» Abeud-Autgab« Wochentag« um b Uhr. Ledartisu und Lrveditio«: A»Hannes,affe 8. Die Expedition ist Wochentag« »unterbräche» »öffnet von früh 8 bi« Abend« 7 Uhr, /Male«: vtt» Klemm « Lorttm. (Alfrek Hahn)» UuiversitStSstraße 3 (Paulinum), LoniS Lüsche, katbarinenstr. 14. »art. n»d kömg«platz 7. BezugS-PreiS I» her Hml-texpehitto» oder den sta Etadt- bezirk und dm Vororten errichteten «u«- aabrstellrn abgeholt: vierteljährlich^S.öO, bei zweimaliger täglicher Zustellung in« Hans b.SO. Durch di« Post bezogen für Deutschland nnd Oesterreich: vierteljährlich S.—. Direkte tägliche krenzbandiendung in« An«land: monatlich 7.Ü0. Morgen-Ausgabe. ciWMr TagMatt Anzeiger. Mtsötatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes «nd Molizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzelgen.PreiS die -gespaltene Petitzeile L0 Pfg. Reklamen unter dem Redactionosrrich ilge- spalten) SO^, vor den Familiennachrichlea <6gespalten) 40 Größere Schriften laut nuferem Pkete- verzeichniß. Tabellarischer und Ztffernsah nach höherem Tarif. Srtra-Beilagen (gefalzt), nur mit de: Morgen»Ausgabe, ohne Postbefürdrrung ^tl M.—, mit Postbeförderung 70.—. Anvahmeschluß fak Äuzeigen: Abend-Ausgabe: vormittag« 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je »in« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet« an di« Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 63. Sonnabend den 5. Februar 1898. 92. Jahrgang. Gallischer Uebermuth. 6. Part«, 2. Februar. Wir sind seit der Schnäbele-Geschichte und den Zeiten deS Generals Boulanger an Manches in Frankreich gewöhnt und pflegen die Aeußerungen des Deutschenhasses im All gemeinen nicht tragischer zu nehmen, als eS nöthig ist; aber das, waS wir in den letzten Tagen hier in der Hetzpresse zu lesen bekommen haben, übersteigt daS Maß deS Erlaubten doch gewaltig. Man bat gut sagen, daßMillevoye, nach dessen Artikeln das sogenannte DreyfuS-Syndicat Zuschüsse aus der Privat schatulle deS deutschen Kaisers erhält, und Rochefort, der behauptet, Kaiser Wilhelm werde nicht eher ruhen, als bis DreyfuS befreit und in die deutsche Armee ausgenommen worden sei, Hanswürste sind. Gewiß sind sie das; aber eS ist schlimm, daß solche gemeingefährliche HanSwürste, die in einem geordneteren Staatswesen längst im Gefängnisse oder im Zrrenhause säßen, in Frankreich frei herumlaufen und daS Volk vergiften können. Viel bedenklicher noch ist die Haltung deS „Kleinen Journals". Dieses rühmt sich, eine Auflage von einer Million einhunderttausend Exemplaren zu haben; eS ist daS Blatt der kleinen Leute, das in der ganzen Provinz, in Stadt und Land, von den Angestellten in Handel und Gewerbe und von den Bauern gelesen wird, daS in jeder Schenke aufliegt. Man kann sich also vorstellen, welches Unheil es zu stiften vermag. Von seinen gemeinen Schmähungen gegen den Siaatssecrelair von Bülow und von seinem „Krieg in Sicht"-Artikel ist wohl in Deutschland schon die Rede gewesen. Gestern brachte es einen nicht minder scham losen Artikel über Kiaotschau. WaS darin von dem Verhalten unseres Kaisers gegenüber dem Zaren gesagt wird, ist schlechterdings nickt wiederzugeben. Und WaS soll man gar sagen, wenn rin Blatt wie das „Ecko de Paris", daS doch bisher als ziemlich ernsthaft gegolten hat, von der „gesetz mäßigen Beschlagnahme von Schriftstücken bei einem fremden Militairbevollmächtigten" spricht. Auch hier ist die Grenze überschritten, wo der Blödsinn staatsgefährlich zu werden beginnt. Allerdings wird man einwenden, daß die Blätter, die von den anständigen vernünftigen Leuten gelesen werden, der „TempS" und das „Journal des Dsbatö", in die Deutschen hetze nicht mit einstimmen. Aber man darf nicht vergessen, daß diese Zeitungen die Anschauungen der gemäßigten Republikaner vertreten, und daß eö nur zu wahrscheinlich ist, daß bei dem großen Entscheidungskampfe, der vielleickt noch nicht so nahe ist, wie Manche fürchten, der aber sicher einmal kommen wird, bei dem Kampfe zwischen der Rechten und der Linken, zwischen den Jesuiten Antisemiten re. einerseits und den Nadicalsocialisten und Socialisten andererseits, diese gemäßigten Republikaner völlig an die Wand gedrückt werden. „GauloiS" und „Soleil" aber, die auch von den sogenannten besseren Kreisen gelesen werden, stehen den Boulevardblättern kaum nack, und auf den „Figaro" ist kein Verlaß, er hängt sein Mäntelchen stets nach dem Winde. Wir wollen die Dinge nickt schwärzer malen als sie sind; direkt bennrubigeyd ist die Lage noch nickt. Weinen aber könnte man über die Haltung gewisser deutscher Zeitungen — wenn man nicht darüber lachen müßte. Nach ihnen sind an dem Ausbruche de« Deutschenbaffes einzig und allein schuld die jüdischen und judenfreundlichen deutschen Blätter. Unter letzteren sind die „Kölnische Zeitung", die „Münchener Allgemeine" u. s. w. zu verstehen. Sie haben „die Suppe eingebrockt", sie haben ihre Nase in Dinge gesteckt, die sie nichts angjnzen. ES ging uns nämlich gar nicht« an, daß unsere Minister, Botschafter und MilitairattachäS sür Halunken und Lügner erklärt wurden, eS ging uns gar nichts an, daß die französische Regierung im Jahre 1894 auf die unzweideutige Erklärung des Grafen Münster hin eine so zaghafte Note erließ, daß sie zum Wider spruche geradezu heraussorderte. Noch merkwürdiger aber ist eS, daß manche Leute in Deutschland jetzt sogar an da« Märchen von dem Verrathe des Hauptmanns DreyfuS an Rußland zu glauben scheinen, das zuerst in einem Brüsseler Blatte aufgetaucht war und allgemein humoristisch aufgefaßt wurde. Daß eS ein Märchen ist, liegt auf der Hand. Erstlich würde die russische Censur dann den Zeitungen die allergrößte Zurückhaltung auserlegt haben; die „Nowosti" z. B. haben indessen aus ihrem Herzen wahrlich keine Mördergrube gemacht. Zweitens aber, und das ist das Wichtigere, sind in der Anklageschrift gegen DreyfuS seine genaue Kenntniß der deutschen Sprache und sein — angeblich — häufiger Aufenthalt im Elsaß ausdrücklich als belastende Momente aufgesührt. Ist nun auch die Anklageschrift nicht allein maßgebend für die Verurtheilung gewesen, da erst während der Verhandlungen das belastendste Material beschafft wurde, so beweist die Behauptung der Anklageschrift immer hin, daß die Kenntnisse, die DreyfuS besaß, oder sich anzneignen versuchte, ibn zu einem Verräther Frankreichs an Rußland nicht qualificirten. Nein, nein, DreyfuS ist wegen angeblicher Beziehungen zu Deutschland verurtheilt worden, und gerade aus dem zweideutigen Verhalten der Regierung, die diese Beziehungen dementiren, dabei aber ruhig ihre Blätter die« Dementi be streiten ließ, ist die furchtbare Verlegenheit entstanden, in der sie sich jetzt befindet. Im Uebrigen — d. h. abgesehen von den Ergüssen deS Deutschenhasses — ist jetzt eine gewisse Ruhe in der DreyfuS- sache eingetreten. Man bat hüben und drüben — denn die Tonart der dreyfuSfreundlichen Zeitungen, wie „Aurore" und „DroitS de l'Homme" ist auch nicht viel besser, als die ihrer Gegner — so viel zusammengelogen, daß man notb- wendig erst einmal verschnaufen muß. Mit dem Processe gegen Zola am Montag wird der Veitstanz dann von Neuem anheben. So hat auch daS gestrige Ehrengericht gegen den Oberstlieutenant Picquart nicht soviel Staub auf gewirbelt, als man dachte. DaS Urtheil wird bis zur Ent- icheidung des Kriegsministers geheim gehalten, aber es ist nach Allem, was man hört, vorauözusehen, daß Picquart mit Dienstentlassung lestraft werden wird, weil er EwÜxersonen dienstliche Schriftstücke mitgetheilt hat. Vom militairischen Standpunkte aus ist das Urtheil nicht anzufechten. Mensch lich mindestens entschuldbar aber erscheint uns trotzdem daS Vergehen dieses Officiers, der, von der Unschuld eines Verurtbeilten überzeugt, bei seinen Vorgesetzten nur den obstinaten Hinweis auf die re8 zuäienta findet, und so, da er auf dem rechtmäßigen Wege nicht das edle Ziel, das ihm vorsckwebt, erreichen kann, zu einer Ver letzung der DiSciplin getrieben wird. Und ungerecht ist es auf jeden Fall, daß er allein büßen muß, während Die jenigen frei ausgehen, die dem „Eclair" und „Malin", dem „Echo de Paris" und dem „Jntransigeant" mindestens ebenso wichtige dienstliche Schriftstücke und Geheimnisse mitgetheilt haben. Evangelisch-Kirchliches in Preußen. Der „Schlesischen Ztg." wird auS Berlin geschrieben: „Das Zurückdrängen deS Einflusses der Stöcker'schen Richtung in der letzten Generalsynode und das einträchtige Zusammengehen der Synode mit dem Kirchenregimente, welches sich während der Tagung derselben in so erfreulicher Weise documentirte, bat bei Herrn Stöcker und seinen An hängern große Verstimmung bervorgerufen und giebt den Blättern seiner Richtung Anlaß zu heftigen Angriffen gegen die Generalsynode wie gegen das Kirchenregiment. Die erstere beschuldigt man des Byzantinismus, dem letzteren wirft man vor, daß es die M i t te l p a r t e i begünstige, namentlich nur Leute der mittelparteilichen Richtung in die kirchenrezimentlicken Stellen berufe. Die Generalsynode hat in jenen Kreisen dadurch sehr ange stoßen, daß sie Herrn Stöcker sowohl bei der Resolution über die sociale Frage, wie bei der Wahl deS Generalsynodal vorstandes gründlich desavouirt hat. Das wird nun in der Stöcker'schen Presse als Byzantinismus stigmatisirt. Leiter fehlt es auch nicht an Blättern anderer Richtung, welche diese Verdächtigung unbesehen für wahr halten und nach drucken. Die Mitglieder der Generalsynove werden sich über diesen Vorwurf nicht beunruhigen; denn es ist eine That- sacke, daß in kirchlichen, nicht von Parteileidenschast ver blendeten Kreisen über den ganzen Verlaus der Generalsynode allerseits große Befriedigung herrscht. Wie steht eS nun mit dem anderen Vorwurf, welcher der oberen Kirchen- bebörde gemacht wird, nämlich: daß sie die Mittelpartei begünstige, namentlich bei den Besetzungen in den Kirchen- bebörden nur Leute der Mittelpartei berücksichtige? Aus dem vorhandenen, überall zugänglichen Materiale läßt sich entnehmen, welche Neuberufungen seit dem Rücktritte deS v. Hermes vom Amte VeS Präsidenten des OberkirchenratheS erfolgt sind. Abgesehen von dem Präsidenten des OberkirchenratheS v. vr. Barkbausen, der niemals einer Partei angehört hat, sind folgende neun Mitglieder des Oberkirchenraths vorhanden: die Ober- consistvrialräthe v. Braun, Döblin, Möller, Küttig, Koch, v. Kleinert, Köhler, Kähler und Icke. Webers. Bon dielen sind Döblin, Möller und Wevers der positiv unirten, v. Braun und Köhler der kon fessionellen Richtung, Koch und I). Kleinert der Mittelpartei zu- zurechnen. Ueber die Stellung der Herren Küttig und Kähler ist nichts bekannt. Oeffentlich sind sie auf dem kirchenpolitischen Gebiete niemals hervoraetreten. Als Consistorialpräsidenten sind ringetreten: die Herren Schmidt (Berlin), von Weslhoven (Münster) und Meyer (Danzig). Bon diesen ist nach dem Fractionsverzeichnisse der letzten und der vorletzten Generalsynode Herr Schmidt Hospitant der Mittelpartei, Herr von Westhoven Hospitant der positiven Union. Herr Meyer befindet sich unter den zu keiner Fraktion Gehörigen. Als Generalsuperintendenten sind aufgesührt die Herren Textor (Magdeburg), Dryander lKurmark), Döblin (Westpreußen), Faber (Berlin), Braun (Königsberg) und Bieregge (Magdeburg). Herr Textor gehört nach dem Fractionsverzeichnisse zu den Fraktions losen, die Herren Dryander, Faber und Bieregge zu den Hospitanten der Mittelpartei, die Herren Döblin und Braun zu den Hoipitautcn der positiven Union. — Rach den, Fracrionsverzeich. nisse sind gegenwärtig fünf Generalsuperintendenten Hospitanten der positiven Union, zwei sind Mitglieder der konfessionellen Gruppe, drei Hospitanten der Mittelpartei, einer hat sich keiner Fraction angejchlossen. Ferner sind von den seit 1891 eingetretenen geistlichen Räthen der Consistorien, so weit zu ermitteln, zehn (Schrader, Schaper, Nchmiz, Webers, von Hase, Kritzinger, Kribitz, Zillessen, Hein und Grübler) der positw-umrten Partei, fünf (Schubart, Leonhardt, Keßler, Büchsel und Bettli) der konfessionellen Gruppe, vier (Deutsch, Jacobi, Kawerau und Siesfert) der Mittelpartei zuzurechnen. — Von den neuernannten weltlichen Consistorial- räthen läßt sich überhaupt nicht seststellen, welcher kirchlichen Rich- lung sie zuzuzählen sind, da keiner von ihnen im öffentlichen kirch lichen Leben bisher bervorgetreten ist. Für jeden Unbefangenen ergiebt sich hieraus deutlich, wie völlig unbegründet der Vorwurf ist, daß daS Kirchen regiment die Mittelpartei begünstige. AuS obiger Zu sammenstellung geht allerdings das hervor — und daher stammen auch im Grunde die Schmerzen deS Herrn Stöcker und seines Anhanges —, daß die gegenwärtige oberste Kirchen behörde mit dem für 1891 befolgten Systeme, nach welchem die Angehörigen der Mitlelpartei bei Besetzung der höheren kirchlichen Äemter so gut wie auSgeschlossen waren, ge brochen bat. Beispielsweise gekörten 1890 von den vorhandenen elf Generalsuperintendenten acht der positiven Union, zwei der konfessionellen Gruppe und einer (Brückner) keiner der kirch lichen Gruppen an. Von Interesse ist es wobl auch, fest zustellen, welche Parteistellung die vom Könige neuernannte» Mitglieder der letzten Generalsynode eingenommen haben. Bon diesen zehn Herren haben sich fünf (Daniels, Frowein, Gaebel, Goebel und Prentzel) der positiv-unirten, vier (von Jagow, von Maltzabn, Graf von der Schulenburg und Graf Stosck) der confessionellen und einer (von der Goltz) der evangelischen Bereinigung angeschlossen. Es ist wohl ein anzuerkennender Grundsatz, daß die Kirckenregierung sämmtliche am Leben der Kirche sich be- lhätigende kirchliche Richtungen auch in den kirchenregimcnt- lichen Behörden ihre Vertretung finden läßt." Deutsches Reich. * Leipzig, 4. Februar. Die von der „Aachener Post" ge brachte Mittheilung, daß auch gegen die Fran des Bezirks feldwebels Hahnenbruch die Anklage wegen Landes- vcrraths erhoben worden sei, bestätigt sich, wie wir erfahren, nicht. Frau Hahnenbruch ist früher einmal verhaftet ge wesen, dann aber wieder entlassen worden. Von einer jüngst erfolgten neuen Verhaftung ist beim Reichsgericht nichts bekannt. -2- Leipzig, 4. Februar. Der Centralvorstand der nationalliberalen Partei wird am Sonntag im Reichs- tagögebäude in Berlin zu einer Sitzung zusammentreten und über den in Aussicht genommenen Delegirtentaz und Organisationsfragen berathen, sowie Zuwahlen vornehmen. * Leipzig, 4. Februar. In einer Polemik gegen die „National-Ztg." glaubt die „Leipziger Ztg." festsleUen zu können, daß aus der von Herrn v. Plötz auf dem conser- vativen Parteitage abgegebenen Erklärung die loyale Absicht erkennbar werde, dem Mißbrauche des Bundes der Landwirthe zur Verdrängung der Conservativen entgegen- zulreten. Dann aber fährt die „Leipz. Ztg." fort: „Eine andere Frage freilich ist es, ob die untergeordneten Werkzeuge des Bundes, namentlich die stilgcwandten, aalglatten Literaten der „Deutschen Tageszeitung", die gute Absicht der Herren von Plötz und Graf Könitz re- spectiren werden. Mit diesen Herren, die heute die Antisemiten auf die „pflaumenweichen" Conservativen Hetzen und morgen mit den Conservativen gegen die Antisemiten gehen, ist natürlich kein dauernder Bund zu flechten. Auch auf ihre Worte kann man sie nicht festnageln; wenn man es will, so wissen sie die Veranwortung dafür stets auf ein anderes Redactionsmitglicd oder sonst Jemanden abzuwälzen, für dessen Worte sie nicht rinstehen zu können erklären. Mit dieser Species von Agrarpolitikern wollen jetzt sogar die „Hamburger Nachrichten" Nicht« mehr zu thun haben." Hoffentlich gelangt man im 9. sächsische» Reichstags- Wahlkreise zu dem gleichen Urtheile. * Verliu, 4. Februar. Ein Pole Nowak hatte vor einiger Zeit beim zuständigen Amtsvorsteher die Erlaubniß nachgesucht, Placate, worin in polnischerunddeutscher Sprache eine Versammlung angekündigt wurde, öffentlich anschlagen zu dürfen. Der Amtsvorsteher eröffnete dem Antragsteller, daß eine Genehmigung zum Anschlägen der Placate nicht ertheilt werden könne, wenn der polnische Text des Placates nicht von einem vereidigten Dolmetscher übersetzt und der Polizeibehörde vorgelegt werden würde. Nowak erhob Be schwerde und machte geltend, der Amtsvorsteher sei wohl in der Lage gewesen, den polnischen Text zu prüfen, da der Amts vorsteher öfter politische Versammlungen überwache, in denen polnisch gesprochen werde. Der Landrath ebenso wie der Re gierungspräsident wiesen die Beschwerde ab, da nach dem Gesetz, betreffend die Geschäftssprache, vom 28. August 1876 eine be glaubigte Uebcrsetzung in deutscher Sprache hätte eingereicht werden müssen. Sodann erhob Nowak Klage gegen den Re gierungspräsidenten beim Oberverwaltungsgericht; der Minister hatte den Regierungsrath Kautz als Kommissar für das öffentliche Interesse bestellt und zum Termin entsendet. Regierungsrath Kautz beantragte die Abweisung der Klage und machte geltend, es handle sich hier um eine Beilage zur Eingabe; erstere hänge mit der Eingabe nicht nur lose zusammen, sondern bilde einen integrirenden Bestandtheil der Eingabe. Das Placat FerriHeton. Um die Erde. Reisebriefe von Paul Lindenberg. Nachdruck «erboten. XV. Auf der Siamesischen Eisenbahn. — Ein „Extrazu g." — JnHinlap. — EinersterStreif- zug. —Weihnachtsfeier. —JnsLandhinein. — Rast. — JmUrwald. — MürbeKnochen. — WiederinHinlap. Hinlap, 27. December. Nun liegt das Weihnachtsfest auch hinter uns, ein Weihnachts fest unvergeßlich-seltsamer Art, tief im Innern des Landes ge feiert. Mit einigem Bangen hatte man ihm entgegengesehen, in der Furcht, an diesem Abend ganz besonders schmerzlich die Hei- math zu vermissen, aber die lieben, neu gewonnenen Freunde wußten uns den Abend so zu verschönen, in ihrem Kreise be fanden wir uns so wohl, daß die wehmllthige Stimmung schnell wieder verflog. Denn sie war doch gekommen, wenn auch nur auf wenige Minuten, als die Petroleum-Hängelampe ausgelöscht wurde und nur die Kerze in der leeren Champagnerflasche, die einen Zettel mit der Aufschrift „Unser Christbaum" trug, flackerte, und nun in klangvollen Weisen daS: „Stille Nacht, heilige Nacht" ertönte! Hatten wir aber auch keinen Christbaum, so hatte ihn . uns der Himmel angesteckt, dessen Sterne durch die Ritzen des grasgeflochtenen Daches unserer Bambushütte in wunderbarem Glanz herniederflimmerten und in einer Klarheit, die sie uns so nah erscheinen ließen, daß man sie hätte greifen mögen. Sieben Deutsche feierten wir den Weihnachtsabend oder viel mehr sechs, denn unser liebenswürdiger Herbergsvater, rin Sohn der ungarischen Pußta, dürfte sich trotz aller Sympathieen kaum zu un« zählen, destomehr der Führer unserer Heinen Expedition, ein Oesterreicher, Baumeister Bock, dem wir in erster Linie diesen Ausflug zu danken haben und damit die Bekanntschaft eines Stückes siamesischen Landes, das bisher nur wenige Europäer betreten. In aller Frühe des 24. December ging es aus Bangkok ab, in einem Wagen erster Claffe der königlich siamesischen Eisenbahn, deren höheres Betriebspersonal fast ausschließlich aus Deutschen besteht, während das höhere technische Personal sich zur einen Hälfte aus Deutschen, zur anderen aus Engländern und Dänen zusammensctzt. Der Bau der Bahn, deren Kosten — bisher etwa zehn Millionen Mark — hauptsächlich der König trägt, wurde vor vier Jahren begonnen und ist jetzt 150 Kilometer weit gefördert; die Bahn soll bis nach Korat, einer einfluß reichen Handelsstadt Siams, 265 Kilometer von Bangkok ent fernt, geführt werden und dürfte sich dann gut verzinsen. Die in England gebauten und der siamesischen Regierung zu sehr hohen Preisen angerechneten Wagen sind nett und bequem und jedenfalls viel besser wie diejenigen Frankreichs und Italiens, die siamesischen Schaffner und Bahnhofsvorsteher, in adretten Uniformen, machen einen trefflichen Eindruck, der ganze Betrieb ist pllnctlich und sicher — man merkt den deutschen Einfluß überall. Die Bahn fährt zunächst meilenweit durch Reisfelder, die mittels neuer und sorgsamer, von einem Deutschen unternom mener Canalbauten zu dreifachem Ertrag« als dem bisherigen erschlossen worden, wie überhaupt der Reisbau in Siam in steigendstem Maße zunimmt und, wenn sich das Canalnetz weiter auispinnt, dem an sich nach den verschiedensten Richtun gen hin sehr ertragSfähigen Lande neu« und reiche Quellen er öffnen wird. Nach zweistündiger Fahrt erreicht man die alte Krönungsstadt Ayuthia, dann wird die Gegend interessanter, Waldungen wechseln mit abgeernteten Reisfeldern ab, auf denen Büffelheerden weiden, und an einzelnen Stellen sind Karawanen- Lager aufgeschlagen, die sestverschnürtcn Waarenballen wallartig im Viereck ausgestaprlt, die zum Transport dienenden Bullochsen frei umhergrasend. Auch durch dichte Dschungeln führt uns gelegentlich die Bahn, und immer näher kommen wir den Prabat- Bergen, die unser Ziel bilden. In weiteren drei Stunden sind wir in Gen-Koi angelangt, der vorläufigen Endstation der Bahn; für uns aber war diese Bedeutung verschwunden, denn uns erwartete hier ein „Extra zug", bestehend aus einer kleinen Locomotive, einem offenen und einem geschlossenen Güterwagen; in letzterem wurden die Kisten mit Lebensmitteln, die Matratzen und Decken, die chinesischen Köche, Diener und Träger verladen, wir sechs Deutsche aber be stiegen den offenen Wagen, der den von der Maschine geschobenen Zug eröffnete. Sehr gut meinte es zwar die liebe Sonne, aber man kümmerte sich nicht viel um ihre sengenden Strahlen bei den stets wechselnden neuen Eindrücken; ging es doch nun durch die echte und rechte Dschungel-Gegend: Urwald-Gestrüpp schließt die schmale Bahnlinie ein, undurchdringbar stehen Bambusen, Farrenbäume, Bananen und Palmen, vermischt mit allerhand Buschwerk, zusammen, Winden mit rothen und blauen Blumen umklettern die Sträucher und Bäume, in deren Kronen Orchi deen wuchern, mit Blüthen von zartesten Farben; Wildtauben mit dem buntesten Gefieder, schillernde Eisvögel und kleine grüne Papageien flattern beim Nahen unseres Zuges auf, zahllose große Raubvögel ziehen in den Lüften ihre Kreife, bunte Schmet terlinge und Käfer umschwirren unsere Wagen. Die Bahn steigt tüchtig bergan, mächtige Felsblöcke von grauem Marmor unter brechen zuweilen den Wald, dann fahren wir durch Bergein schnitte, die den Ingenieuren bei den unzulänglichen Hilfskräften die größten Mühen verursacht, und haben wieder von einzelnen Höhenzügen herrliche Ausblicke auf weite Waldthäler, deren Ruhe in dieser Mittagsgluth ganz feierlich wirkt; hier und da ist eine kleine Lichtung ausgebrannt und erhebt sich auf Pfählen eine Hütte, die das Heim eines europäischen Bahnangestellten bildet. Etwa anderthalb Stunden währte diese Extrafahrt, dann hatten wir den äußersten Punct dieser noch nicht dem Verkehr übergebenen Bahnstrecke erreicht, die vorläufig nur aus einem winzigen Wellblech-Häuschen bestehende Station Hinlap, wo uns unser Gastfreund, der dieses Eisenbahn-Departement verwal tende Ingenieur Barovhazy, schon erwartete. Das größere Gepäck wurde einem Elephanten, einem Riesenkerl, aufgebürdet, das kleinere auf richtige Schlitten gepackt, die von mächtigen Büffeln gezogen wurden; unserer harten Ponies, ganz prächtige, ausdauernde Thierchen, die uns in stetem Galopp über Stock und Stein auf schmalem Dschungelwege zu dem eine halbe Stunde entfernten Dorfe Hinlap und der Behausung unseres Ingenieurs trugen, einer auf erhöhter Stelle, gleichfalls auf Pfählen erbauten Hütte aus Bambusgeflecht, deren Inneres durch zwei Meter hohe Wände aus Bambusmatten in verschiedene Räume — Schlaf-, Speise-, Proviant-, Bade-, Fremden-Raum — getheilt ist, während sich die Küche und die Räume für die siamesische und chinesische Dienerschaft in einer nahen Hütte befinden. Das Mobiliar ist nicht umfangreich, »in Bett mit Mosquitonetz, ein paar Tische und Stühle, einig« wenige Schränke und Regale, eine blecherne Badewanne, das ist Alles! Vor dem Hause zieht sich eine kleine Veranda aus Bambus geflecht hin, von der man einen wundervollen Blick auf das Thal vorn mit den Hütten der Eingeborenen und auf die Berge da hinter hat, eine Landschaft, ganz im Charakter Thüringens oder des Teutoburger Waldes — aber nur von hier aus betrachtet; wie es innen aussieht, das sollten wir auf einem zweistündigen Ritt im Laufe des weiteren Nachmittags erfahren. Unser weither Reiseführer, der längere Zeit an dem Bahnbau hier thätig gewesen, kannte genau die Gegend, die er allerdings seit Jahr und Tag nicht betreten; diese verhältnißmaßig kurze Frist aber hatte genügt, die schmalen Pfade bereits gleich hinter dem aus etwa zwanzig Hütten bestehenden Dorfe an manchen Stellen völlig zuwachsen zu lassen, so daß wir erst einen Eingeborenen holen mußten, der, voranschreitend, mit scharfer Axt Gestrüpp und Aeste auseinander hieb und die über den Dez gefallenen Baumstämme von ihren spitzesten Zweigen befreite. Unser«
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