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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.02.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-02-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980205024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898020502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898020502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-02
- Tag1898-02-05
- Monat1898-02
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Größer« Schriften laut utiserem Preis» perzeichnih. Ladellarischrr und Ziffernsatz nach höherem Laris. Extra »Beilagen (gesalzt), nur mit de» t-torgen-Ausgabe, ohne Postbrsörderum' ^l 60.—, mit Postbesürderuug 70.—» Äunahmeschlu- für Anzeige»: Abeud-Au-gab«: vormittag» 10 Uhr. Btorg « n - Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein» halbe Stunde früher. Anreise« find stet» an di« Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz i» Leipzig 6t. Sonnabend den 5. Februar 1898. 92. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 5. Februar. Wie der Reichstag am Dienstag die im Etat aufgestellte Forderung, das Gehalt des StaaatSsecretairS des Rcichsjustizaints von 24 000 auf 30 000 zu erhöhen, mit großer Mehrheit abgelehnt bat, so hat er gestern auch der beantragten Erhöhung des Gehalts des StaatssecrelairS deS Ncichspostamts nm 0000 seine Zustimmung versagt. Der Grund der Ablehnung war in beiden Fällen der gleiche; die Mehrheit verkannte nichl, daß die Gehälter der Staatssecre- taire mit den diesen Beamten obliegenden Pflichten nicht im Einklang stehen, aber sie war auch der Ueberzeugung, daß die Unterbeamten der Reichsjustiz- wie der Reichspost- Verwaltung schon aus socialpolitischen Gründen einer Auf besserung ihrer Gehälter noch weit dringender bedürfen, und da von der Regierung diese Ausbesserung auf die lange Bank geschoben wird und der Reichstag kein anderes Mittel besitzt, jenen Unlcrbcamten zu helfen, so lehnte er eben die Erhöhung der Gehälter der Staatssecretaire mit der ausdrücklichen Er klärung ab, daß hierdurch die Herren Ressortchess bewogen werden sollten, sich bei der Aufstellung des nächsten Etats ihrer Unterbeamten kräftiger anzunebmen. Schon die Budgetcommission batte, wie erinnerlich sein wird, in voriger Woche die Erhöhung des Gehaltes deS Staats- secretairS des Neichspostamts von der gleichzeitigen Gehalts erhöhung der Postunterbeamten um je 100 ab hängig gemacht; die „Köln. Ztg." bemängelte diese„Verquickung" zweier nicht zusammengehöriger Fragen, worauf wir in unserer Abendausgabe vom 27. Januar für den Commissions beschluß eintraten und den Wunsch aussprachen, daß das Plenum diesem Beschlüsse beitreten möge. Zu unserer Genugthuung trat am Dienstag bei der Berathung des Etats des Ncichsjustizamtes der Abg. vr. Hammacher ebenso warm für die gleichzeitige Erhöhung der Gehälter der Staatssecretaire und ihrer Unterbeamten, wie gegen die vorläufige Besserstellung der Ressortchess ein, indem er dem Abg. v. Kar dorff gegenüber, der vorder Anwendung eines solchen „Pressionsmittels" warnte, wörtlich ausfübrte: Meine Herren, ein mechanischer Zusammenhang zwischen der Mehrsorverung für die Staatssecretaire und der Forderung für die Unterbeamten liegt allerdings nicht vor, aber ein innerer Zusammenhang doch in eminentem Maße. Im vorigen Jahr wurde der Antrag aus Ausbesserung der Gehälter der Unterbeamten in der Budgetcommission mit der ausdrücklichen Erklärung gestellt und angenommen, daß man, sofern die verbündeten Regierungen sich nicht dazu entschließen könnten, der in der bezüg- liche» Resolution zum Ausdruck gebrachten Forderung zu ent- sprechen, man nicht geneigt sei, den Staatssecretairen ein erhöhtes Gehalt, so sachlich berechtigt es auch sei, zu bewilligen. Diese Auffassung entspricht wenigstens meinem Gedächtnisse. Wenn ich nicht sehr irre, war es der Abgeordnete Herr Müller (Fulda), welcher dem Gedanken einen ganz unzweideutigen Ausdruck gab. Als nun die Regierung den Etat vorlegte — ich spreche nicht von dem Etat der Justizverwaltung, denn dieser ist in der Budgetcommijsion nicht vorberathen —, als vielmehr der Etat der Postverwaltung in der Commission verhandelt wurde, kam die heute zu ent scheidende Frage zur Sprache. Man drückt« sein Erstaunen darüber aus, daß die verbündeten Regierungen zwar der einen, aus die Erhöhung Les Gehalts der Staatssecretaire gerichteten Forderung des Reichstags gefolgt seien, der anderen, die Unter» beamten betreffenden, aber nicht. Ich muß fügen, ein irgendwie ausschlaggebender Grund hierfür wurde der Commission nicht angegeben; die Regierungevertreter wiesen nicht einmal aus die Finanzlage des Reiches, wie cs doch sonst geschieht, hin, um die Nichtbewilligung der nach der Ansicht des Reichstages be ¬ rechtigten Wünscht der Unterbeamten zu rechtfertigen. Nicht» blieb zuletzt übrig, als anzunrhmen, daß der preußische Herr Finanz minister keine Neigung Hobe, in der von dem Reichstag gewünschten Weise für die Unterbramien zu sorgen. (Sehr richtig! links und in der Mitte.) Das hat nicht dazu beigetragen, die Ueberzeugung der Budgetcommijsion irgendwie abzuschwächen, daß eS eine dringende Nothwcndigkeit ist, für eine Aufbesserung der Gebaltsstellung der Unterbeamten energisch einzutreten. Indem die Sache so lag, habe ich unter Zustimmung meiner politischen Freunde mich in der Budget- commission dahin ausgesprochen, daß es richtig sei, zunächst für die Erhöhung des Gehalts der Staatssecretaire zu stimmen, aber die demnächstige Entscheidung im Plenum davon ab- hängig zu machen, welche Erklärungen die verbündeten Regierungen bei der Behandlung des Gegenstandes im Reichstag abgeben würden. Nachdem nun heute weder seitens des Herrn Schatzsecretairs noch irgend eines anderen der Herren vom Bundesrath eine befriedigende Aeußerung erfolgt ist, nachdem wir also zur Zeit keine Zuversicht haben, daß der Beschluß des Reichstags vom vorigen Jahr im Interesse der Unter beamten bei den verbündeten Regierungen eine wohlwollende Auf nahme und Berücksichtigung finden wird, sind auch meine politischen Freunde entschlossen, heute gegen die Erhöhung des Gehalts der Staatssecretaire zu stimmen. (Lebhaftes Bravo links und in der Mitte.) ... Als bald nach dieser Rede der Präsident diejenigen Ab geordneten, welche die Besoldung des Staatssecrctairs mit 30 000 bewilligen wollten, ersuchte, sich von den Plätzen zu erheben, erhoben sich nur die Deutschconservativen. Alle Anderen, auch die freiconservativen Gesinnungsgenossen des Herrn v. Kardorff, lehnten die Gehaltserhöhung deS StaatssecrelairS ab. Gestern hatte natürlich Herr vr. Hammacher keinen Anlaß, nochmals den Stand- punct der nationalliberalen Fraktion zu betonen; seine Rede vom Dienstag batte sich ja auf die Gehaltserhöhung des Staalssecretairs des Reichspostamts ausdrücklich bezogen. Sie wirkte gestern nach und bewirkte, daß diese Erhöhung mit beinahe der gleichen Mehrheit abgelehnt wurde, mit der am Dienstag die des Reichsjustizsecretairs abgelebnt worden war. Es ist also der feste Wille des Hauses, die von ihm selbst angeregte Erhöhung der Bezüge derjenigen Staats secretaire, die weniger als 30 000 „L empfangen, so lange für unzulässig zu erklären, bis die ebenfalls von dem Hause befürwortete Erhöhung der Bezüge per Unter beamten erfolgt. Diese wird nun jedenfalls nicht lange mehr auf sich warten lasten. Denn wenn auch Herr v. Levetzow meinte, die Staatssecretaire könnten nunmehr „anstandshalber" nicht mehr auf Besserstellung ihrer Unter beamten dringen, so darf man mit Recht erwarten, daß die Herren Staatssecretaire einen anderen Begriff von Anstand haben. Da das Haus selbst eine Erhöhung ihrer Bezüge angeregt hat, so setzen sie sich dem Verdachte nicht aus, aus egoistischen Gründen die Besserstellung ihrer Unterbeamten und damit zugleich ihre eigene zu betreiben. Und überdies bat Herr vr. Hammacher in seiner Rede ganz genau die Adresse angegeben, an die sich in erster Linie die Beschlüsse wenven. In der dem Reichstage zugegangenen Denkschrift über die Ausgaben für Flotte und Landheer und ihre Stellung im Haushalt der wichtigsten Großstaaten, welche auf Veranlassung deS Reicbs-Marine-AmteS zusammen gestellt ist, werden folgende Thatsachen statistisch nachgewiesen: 1) stehen unsere bisherigen Ausgaben für die Kriegsflotte hinter denjenigen aller anderen europäischen Großstaalen, mit Ausnahme von Oesterreich, und hinter denen der Vereinigten Staaten zurück. Sie entsprechen in keiner Weise der Be deutung, welche die deutschen Seeinteressen für unser Wirth- schaftsleben und im Verhaltniß zu denjenigen der anderen Staaten besitzen. Während unsere Handelsflotte sich zur zweiten der Welt emporgehoben und unser Seehandel seit 1880 einen außerordentlichen Aufschwung genommen hat, sind unsere MarineauSgaben, ungeachtet ihrer unverhältniß- mäßigen Geringfügigkeit im Jahre 1880, in der Folgezeit nach ihrem — hier allein maßgebenden — absoluten Betrage nicht stärker, durchgehends sogar weil weniger gewachsen, als diejenigen der anderen Staaten. Das Verhaltniß zwischen den deutschen Seeinteressen und den Ausgaben zu deren Schutz im Vergleich zu den anderen Großstaaten hat eine zunehmende Ver schlechterung erfahren: die Risikoprämie ist weder im Ver- hältniß zu dem vergrößerten Object noch zu der gesteigerten Gefahrengröße erhöht worden; 2) hat sich gezeigt, daß die Aufwendungen für die Landesverlheidigung überhaupt, ein schließlich derjenigen für die Schuld, in Deutschland gegen über den anderen Großstaaten sebr mäßig sind. Im Ver- hällniß zur Gesammtheit der öffentlichen Ausgaben sind jene „unproductiven Ausgaben" niedriger, als irgendwo sonst. Daraus folgt, daß aus der Stärke unserer Rüstung zu Lande und ihren finanziellen Anforde rungen ebensowenig ein Argument zu Ungunsten der Flottenvorlage entnommen werden kann, wie aus der Be fürchtung, daß die „unproductiven Ausgaben" diejenigen für kulturelle Zwecke in unzulässiger Weise zurückdrängen; 3) ergab eine Untersuchung der staatlichen Einnahmequellen, daß die Belastung der deutschen Bevölkerung durch öffentliche Abgaben — abgesehen von der wesentlich ärmeren russischen Bevölkerung — geringer, zumeist sehr viel geringer ist, als in irgend einem der anderen europäischen Großstaaten oder in der nordamerikanischen Union. Namentlich bleiben auch die Anforderungen, welche daS Landheer und die Marine an die Steuerkraft stellen, in Deutschland weit hinter denjenigen in allen anderen Großstaalen zurück. — Nach alledem liegen irgend welche sinanzwirtbschastliche Bedenken gegen die Ver mehrung der deutschen Kriegsflotte nicht vor, während die Geringfügigkeit unserer bisherigen Marineausgaben und die koke Bedeutung und fortgesetzt rasche Steigerung Unserer Sreii eressen solche Verstärkung unabweislich fordern. Im preußischen Abgeordnetenhaus« sagte kürzlich daS Centrumsmitglied Dittrich: „Daß in der heutigen Zeit noch von katholische» Staaten die Evangelischen unter drückt würden, ist mir absolut neu. Ich weiß nicht, wo LaS noch geschieht. Geschieht es in Frankreich, in Italien, in Oesterreich? (Zuruf links.) Auch in Spanien, mag auch in der Theorie der Äatholicismus noch als die allein berechtigte Staatsreligion anerkannt und angenommen werben, erfreuen sich doch die Evangelischen einer sehr großen Freiheit der Bewegung, wie das Gebühren des Pastors Flievner in und außerhalb Spaniens sattsam beweist." Diese Aeußerung kann, so schreibt man der „Köln. Ztg." aus Madrid, nicht unwider sprochen bleiben, da sie mindestens von einer groben Unkenntniß spanischer Verhältnisse zeugt. Von Spanien, wo es einer andersgläubigen christlichen Gemeinschaft nicht einmal ge staltet ist, ein einfaches Kreuz mit der Inschrift: „Christus, der Erlöser" an einem Bethausc, das sich wiederum durch nichts von anderen Häusern unterscheiden darf, anzubringen, wo sich, als die Anglicaner bei geschlossenen Thüren einen Bischof wählen, also eins rein innere Angelegenheit ver handeln wollten, die höchsten Würdenträger der Kircbe nicht scheuten, jeden Andersgläubigen in der Presse mit Koth zu bewerfen und mit dem gemeinsten Verbrecher auf eine Stufe zu stellen, wo man jeden Tag von der Kanzel hören kann, daß die verfluchten Ketzer in jeder Hinsicht den Auswurf der Menschheit bildeten, weit unter dem Thiere ständen und zu jeder Schandthat fähig seien, wo Geistliche öffentlich erklären können: „In Spanien giebt eS nur Katholiken ober gemeine Schufte", wo in die Säle der ruhig ihre Andacht verrichtenden Andersgläubigen brennende Raketen hineingeworfen werden, wo sich all dies in den Städten zutragen kann, während sich auf dem Lande überhaupt kein Protestant ansicdeln kann, ohne in der schlimmsten Weise verfolgt zu werden —, unter solchen Umständen von Spanien als dem Lande weit gehender religiöser Freiheit zu sprechen, ist doch der reine Hohn! Was versteht denn der Herr Abgeordnete eigent lich untere Unfreiheit und Intoleranz? Den Scheiterhaufen ? Es ist ja begreiflich, daß den ultramontanen Herren der Hinweis auf Spanien sehr unbequem ist und baß sie sich am liebsten mit einigen Phrasen darüber Hinwegsetzen möchten. Aber eben deshalb muß immer wieder auf die Verhältnisse in Spanien hingewiesen werden, sobald sie über Gebühr die Stimmen erheben, denn Spanien ist beute das einzige Land, wo der KlerikaliSmns vermöge der Stellung der Kirche als Staatseinrichtung noch eine unumschränkte Gewalt auSübt, daS also als bestes Beispiel für Zustände gelten kann, die der UltramontanismuS als Ideal betrachtet. In den von einer vorwiegend katholischen Bevölkerung bewohnten westlichen Landestheilen des russischen Reiches, ehemaligen Bestandtheilen des (älteren) Königreichs Polen, treten bei zahlreichen Mitgliedern der katholisch-polnischen Geistlichkeit immer häufiger Aeußerungen eines intran sigenten Fanatismus hervor, der zwar zunächst nur gegen die orthodoxe Kirche und deren Gebräuche sich richtet, von den Ruffen jedoch um so eher auch als ein nationaler Affront empfunden wird, als die russische Nationalität und die russisch orthodoxe Kirche als untrennbar mit einander verbunden gedacht werden. Mit steigendem Mißvergnügen registriren die Organe der Öffentlichkeit diese Fälle beleidigend fanatischen Verhaltend, das nnen r e i a) s f e i n L l i ch e n Charakter anznnehmen de ginne, und heben namentlich auch hervor, daß von nichtkatholischer Seite jeder Schein einer Provocation solchen demonstrativen Ber haltens sorgfältig vermieden werde. Auch ist die russische Presse weit davon entfernt, eine Rückkehr zu den rigorosen Maßregeln der Zeiten der Grafen Murawjew und Berg zu empfehlen, wohl aber bringt sie in Vorschlag, daß, um dadurch eine allmähliche Aenderung des die niedere polnische Geistlichkeit beseelenden Geistes in die Wege zu lenken, zukünftig sämmtliche frei werdende Posten der obersten katholischen Hierarchie, namentlich also die der Erzbischöfe und Bischöfe, ausschließlich durch solche katho lische Priester einer ausländischen slavischen oder auch nicht- slavischen Nationalität, die den polnischen nationalen Präten sionen vollständig fremd gegenüberstchen, besetzt werden, also etwa durch Franzosen, Deutsche, Kroaten oder Tschechen. Die katholische Kirche würde dabei nicht Schaden leiden, die Politik aber würde damit aus solchen Sphären, in denen sie nichts zu schaffen hat, entfernt werden. Als einen der letzten Fälle an stößigen fanatischen Verhaltens eines polnisch-katholischen Geist lichcn führt die „Post" den nachstehenden an: In Lodz fanden vor Gericht Vereidigungen von Zeugen statt. Da nun in der Eidesformel sowohl für sämmtliche Christen, als auch für Juden und Mohamedaner der Name Gottes angerufen wird, so ist es in Rußland nicht nur allgemeiner Gebrauch, sondern auch gesetzlich vorgeschrieben, daß bei Vereidigungen sämmtliche An wesende sich von ihren Sitzen erheben. Als nun der orthodoxe FeuöHeton. Alice. 8j Roman von I. Lermina. Nachdruck verboten. Wohlgefällig, in bester Stimmung, ein Liedchen trällernd, trat Gaston ins Zimmer. Er sah in der That sehr gut aus in seinem blauen Frack, seiner weißen PiquSweste, von der schwere Berloques herabhingen, seiner blaugestreiften Hose und seinen eleganten Lackschuhen. Sie warf sich in seine Arme und rief: „Wie schön Du bist, mein Gaston, und wie glücklich Du zu sein scheinst!" Selbstgefällig ließ er sich streicheln und lächelte diesem Kinde zu, das er mit einem Blick seiner Augen nach seinem Willen lenkte. Sie hatte ihren Kopf an seine Schulter gelehnt und fragte: „Du liebst mich, nicht wahr?" „Ob ich Dich liebe?" „Nein, bitte, lache nicht. Sage mir ganz ruhig, ganz leise ins Ohr, daß Du mich liebst, daß Du nie eine Andere geliebt hast, daß Du nie eine Andere lieben wirst." Die Stirn an seine Brust gelehnt, sah sie ihn nicht an. Ein ironisches Lächeln umschwebte seine Lippen; doch gleichzeitig hatte er die Hände auf ihren Kopf gelegt und sagte ihr Alles, was sie wollte, dann sprach er zu ihr: „Jetzt, Alice, mußt Du vernünftig sein; ich habe ernsthaft mit Dir zu sprechen." Sie sah ihn erstaunt an, und ihre Lippen verzogen sich schmerzhaft: „Meine liebe Kleine", sagte er, „ich muß Dich um ein Opfer bitten." „O, sprich nur, mein Geliebter, Du weißt, ich gehöre nur Dir an und thue Alles, was Du willst." Er schien verlegen und sagte nach kurzer Pause: „Also höre mich an, ich muß Paris verlassen." „Paris verlassen?" Sie war zurückgewichen und heftete fast zitternd ihre schwarzen Augen auf ihn, in denen eine Thräne perlte. „O, nur für einige Tage! Du begreifst, meine Alice, daß man sich den Launen der Mächtigen fügen muß, wenn man eine Gunst von ihnen erlangen will. Nun denn, mein Beschützer, der Minister, wird einige Tage in Valenton zubringen und hat mich gebeten, wie solche Leute eben zu bitten pflegen, ihm als Se- cretair zu dienen. Du kannst Dir denken, wie unangenehm mir das ist, aber ich habe natürlich nicht „Nein" sagen können. Er hat versprochen, für meine Zukunft zu sorgen, und da bin ich ihm schon einige Dankbarkeit schuldig." Er hatte das Alles in einem Athem gesprochen, als wenn er eine Lection hersagte. Doch Alic« bemerkte nichts. Ganz von ihrer fixen Idee besessen, hatte sie bald erkannt, wie nützlich seine Abwesenheit war. In einer Secunde hatten sich alle Betrach tungen des Tages in einen einzigen Gedanken verwandelt. Sicherte er sich nicht gegen jede Gefahr, wenn er sich unter den Schutz eines der höchsten Beamten des Staates stellte? Wer wird es wagen, den Secretair eines Ministers zu ver dächtigen. . . . Ja, ja, er mußte abreisen, sein Verschwinden war seine Rettung. „Nun, Alice, Du antwortest nicht? Ich wiederhole Dir, Du mußt vernünftig sein." „Wie lange wird Deine Abwesenheit dauern?" Mit einer Freude, die er nicht zu verheimlichen suchte, denn er hatte Thränen und Geschrei befürchtet, beeilte sich Clairac zu antworten: „O, vier bis fünf Tage, auf jeden Fall nicht länger als eine Woche! Der Minister hat mir das fest versprochen." Bei jeder anderen Gelegenheit hätte der Gedanke, sic solle ihren Mann einige Tage lang nicht sehen, Alice in die größte Ver zweiflung versetzt. Doch in ihrer Selbstverleugnung dachte sie nicht einen Augenblick an sich. Es handelte sich nicht um ihr Glück, sondern um die Zukunft des Mannes, den sie vertheidigte. „Ich werde Dir schreiben, und Du wirst mir antworten, nicht wahr?" Sie hatte nicht einmal daran gedacht, sich ihr Opfer mit einem Dank, «iner Zärtlichkeit bezahlen zu lassen, und er war entzückt. „Gewiß", versetzte er, „alle Tage; aber Du mußt mir die Briefe postlagernd schicken. Ich traue den Dienstboten nicht. Diese Lakaien der großen Häuser sind von einer unbeschreiblichen Unverschämtheit." „Gewiß; wenn Du es willst, will ich Dir die Briefe post lagernd schicken", versetzte sie. „Was für eine vernünftige, liebe Frau Du bist", sagte Clairac entzückt. „O, lobe mich nicht, das versteht sich ja von selbst", erwiderte sie, dann fügte sie hinzu: „Du hast mir ja noch nicht den Namen Deines Minister» genannt." Clairac machte eine Bewegung der Ueberraschung, die er unter einem leichten Husten verbarg. Daran hatte er nicht gedacht. Schnell faßte er sich jedoch und nannte einen Namen, der ihm in letzter Zeit sehr geläufig geworden war: „Es ist der Maquis v. Herbecourt." Nun fiel es ihm wohl ein, daß er sich übereilt hatte, denn er fügte plötzlich hinzu: „Doch lass' es Dir nicht in den Sinn kommen, ihm zu schreiben!" Und etwas zögernd und verlegen sprach er weiter: „Du schreibst nämlich sehr gut und er möchte vielleicht die Dame kennen lernen, mit der ich in Correspondenz stehe; das würde mich eifersüchtig machen." Alice hatte von der Verwirrung ihres Gatten nichts gemerkt, für sie waren seine letzten Worte die Hauptsache. „Wärst Du wirklich auf Dein« Alice eifersüchtig?" „Gewiß", versetzte er, „und der Schurke, der sich erlauben sollte, Dich genauer anzusehen, sollte Bekanntschaft mit meinem Degen machen." Mit geröthetem Gesicht erhob er den Arm, in der Stellung eines Schauspielers der Boulevardtheater. „Du lachst immer", sagte sie, „Du weißt nicht, wie entsetzlich die Eifersucht ist! Als ich glaubte, Du täuschest mich, da wäre ich fast gestorben." „Dich täuschen, wie kannst Du nur solche Kindereien sprechen!" „O, Gaston, ich bitte Dich, zanke mich nicht aus, ich habe Dich ja so lieb .... Nun denn, ja, ich habe Unrecht gehabt, doch ich bitte Dich um Verzeihung und werde es nicht wieder thun. Behalte mich lieb, mein Gaston, denn ich fühle es, wenn Du mich nicht mehr liebtest, dann müßte ich wahnsinnig werden, wie meine Mutter." „Ah! Jetzt kommen die Familienerinnerungen; aber, meine liebe Alice, woher hast Du denn nur diese trüben Gedanken? Ich liebe Dich, Du bist meine Frau, also sei doch unbesorgt Jetzt ist es sechs Uhr und ich reise um Sieben." „Wie? Schon so schnell?" „Ja, es ist Alles plötzlich entschieden worden; Du begreifst doch, man muß di« Gelegenheit beim Schopfe fassen. . . Uebrigens Geld brauchst Du ja auch. Nun, hier hast Du zwölf Doppel kronen; für acht Tage genügt das wohl?" Sie zuckte mit den Achseln; was fragte sie nach Geld? Er legte die Louisdors auf den Kamin. Was ihn anbetraf, so behauptete er, er nehme nichts mit, denn er bedürfe keiner Toilette. Er würde stets allein mit dem Minister sein und vom Morgen bis zum Abend arbeiten. Trotz alledem fühlte sich Alice furchtbar traurig; sie wußte wohl, daß es ihre Pflicht war, der Zukunft ihres ManneS nicht hindernd in den Weg zu treten, doch je näher die Zeit herankam, desto mehr mußte sie an die trüben Stunden des Alleinseins denken. Er zeigte sich äußerst gesprächig und wiederholte wohl zwanzig mal dieselben Erklärungen. Man konnte glauben, er hätte Furcht gehabt, Alice setzte Mißtrauen in seine Worte. Doch sie war weit davon entfernt „Ist es Dir recht, wenn ich Dich bis zum Postwagen be gleite?" fragte sie nach einer Weile. „Wozu? Ich würde mich nur verspäten." Er hatte einige nothwendige Gegenstände in eine Reisetasche geworfen und versetzte nun: „Du siehst, mein Gepäck ist nicht allzu schwer . . . Um arme mich, und vor allen Dingen, sei vernünftig während meiner Abwesenheit." Sie hatte ihn wieder in die Arme geschlossen, und er suchte sich loszumachen; doch sie hielt ihn fest und sagte mit fast feier lichem Ernste: „Gaston, erinnere Dich, daß ich nur durch Dich, nur für Dich lebe . . . .Ich liebe Dich — nein, Du kannst ja nicht wissen, wie sehr ich Dich liebe ... Ich bitte Dich, lasse mich nicht vor Angst sterben, komm bald zurück!" „Gewiß, gewiß! Sei doch ruhig, ich werde bald zurück kommen. . . ." „Und nicht wahr, dann werden wir uns nicht mehr trennen? Wir werden uns immer lieben, nicht wahr, immer, immer?" Gaston fühlte sich unangenehm berührt und hatte Mühe, seine liebenswürdige Haltung zu bewahren; darum beschleunigte er seine Abreise. Sie begleitete ihn auf die Treppe und wollte ihm seine Tasche bis hinab tragen. Gerade in diesem Augenblick fuhr ein Wagen vorbei; er warf sich hinein und rief mit lauter Stimme: „Nach Post d'Etain, schnell, ich habe mich bereits verspätet." Dann wirkte er seiner Frau noch einmal zu, die ihm mit einer Kußhand antwortete. Noch eine Weile blieb sie auf der Thürschwelle stehen und blickte dem Wagen nach, bis er um die Ecke verschwunden war. Endlich kehrte sie ins Haus zurück und stieg langsam die Treppen hinauf. Es war das erste Mal in ihrer Ehe, daß sie mehrere Tage allein bleiben sollte. Sie fühlte ein Frösteln ihren Körper durchlaufen, doch sie wollte nicht erliegen, denn sie wußte, daß sie ihrer ganzen Kraft und Willensstärke bedurfte. „Guten Abend, Nachbarin", sagte ein« Stimme hinter ihr.
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