02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.02.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-02-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980208028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898020802
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- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898020802
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- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-02
- Tag1898-02-08
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Gröbere Schrift« laut uns««» Preis» verzeichnib- Tabellarischer und tziffernsatz nach höherem Tarif. Extra«Beilagen (gesalzti, nur mit dm Morgen »Au-gabe, ohne Postbrfürderuo^ 60.—, mit Postbefördernng ^l 70.—. Auuahmeschluß für Anzeige«: Sb end-Au-gabe: Vormittag« 10 Uhr. Ktorgrn» Au-gabe: Nachmittag« «Uhr. Sei d« Filialen uud Annahmestelle« je ein» Halde Stunde früher. Anteile« find stet« an di« Gxtzedititz» zu richt«. Druck uud Verlag von L. Pol» tu Leipzig SS. Dienstag den 8. Februar 1898. S2. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 8. Februar. In der vom ReichSmarineamt ausgearbeiteten und dem Reichstage übermittelten Denkschrift über die AuS- »aben für Flotte und Landhccr und ihre Stellung im Haushalte der wichtigsten Großstaaten, aus der wir das Wichtigste bereits am Sonnabend mitgetheilt haben, ist u. A. mit unanfechtbaren Zahlen nachgewiesen, daß die ge waltige Handelsflotte Deutschlands verhältnißniäßig den geringsten Schutz genießt und daß Staaten mit viel schwächerem Seehandel sehr viel größere Mittel auswenden, um ihm denjenigen Rückhalt zu geben, ohne den er im Auslande und namentlich in minder civilisirten Gegenden nicht be treiben kann. In Bezug auf die Handelsflotte wird Deutschland nur von England übertroffen, wogegen nicht nur England, sondern auch Frankreich, Japan, die Ber einigten Staaten und Rußland sehr viel mehr, das finanziell weniger leistungsfähige Italien beinahe ebenso viel ausgebcn. Mag man eS nun unendliche Schraube oder natürliche Entwickelung nennen, jedenfalls ist eS nicht zu ver meiden, daß die einzelnen Staaten den von den anderen gemachten Aufwendungen Rechnung tragen und nicht hinter ihnen Zurückbleiben. Das erkennt sogar — der „Vorwärts " in einem „Weltpolitik und Dampfersubvention" überschriebenen Artikel an, der eine Reihe von Ausführungen enthält, die ebenso gut in der die Dampfer-Unterstützung befürwortenden Denkschrift, wie in der Denkschrift des Neichsmarinc-Amts stehen könnten nnd die überhaupt ganz dazu angelhau sind, die gegenwärtig von der Regierung befolgte Auslandspolitik zu vertheidigen und zu rechtfertigen. Allerdings sagt der „Vor wärts", daß seine Ausführungen sich nur auf daö Getriebe der heutigen Einrichtungen beziehen und daß in seinem Zukunftsstaat cs ganz anders aussehen würde. Da wir uns aber jetzt nicht in Wölkenkuckucksheim, sondern in einem Staat- befinden, in dem nicht die Ideen der Social—>uo- traten maßgebend sind und auch nicht maßgebend sein sollen, so plaidirt der „Vorwärts", und zwar in sehr wirksamer Weise, gegen diejenigen bürgerlichen Parteien, die auS den verschiedensten Gründen sich der Regierungspolitik, so wie sie in der Marine- und der Postdampfervorlage zu Tage tritt, ent- gegcnslellen. Augenblicklich, so schreibt der „Vorwärts", predige man überall das Evangelium von dem neuen Kampfe um den Weltmarkt, und er fährt dann fort: „Was solchen Bestrebungen auch bei uns zu Hilfe kommt, waö ihnen von Tag zu Tag eine ernstere Bedeutung giebl, das ist die Thatsache, daß alle Handelsstaateu heute im Banne ähnlicher Anschauungen stehen und daß vor Allem England in seiner politischen Praxis längst alle Nachtwächter-Ideen der alten eng lischen Theorie entschlossen über Bord geworfen hat... Kein Reich baut und garantirt so viele Eisen bahnen, an deren Anlage das private Capital sich noch nicht heranwagt, weil die durchquerten Gebiete noch keinen Verkehr haben, sondern erst einem engeren Handel erschlossen werden sollen. Conservative und liberale, liberale und conservative Regierungen find einander gefolgt, aber hierin haben sie sich vollständig geglichen, obwohl daS englische Privatcapital, seit Jahrzehnten in allen Welttheilen zu Hause und mit allen Besonderheiten der verschiedenen Völker- und Wirthschaftsstufen vertraut, in ganz anderer Weise für coloniale Zwecke zu gewinnen ist. Suoventionirte Dampfer laufen längst schon und in immer zunehmender Zahl zwischen allen wichtigen Puncten des britischen Weltreichs auS und ein. Mit der dlusbreitung dieses ungeheuren Reiches ist stets die Subvention der in kürzen Zwischenräumen und regelmäßig ver kehrenden Schiffslinien gewachsen, weil der rasche und sichere, vom Ausland möglichst unabhängige Post verkehr eine schnellere Personen- und Fracht beförderung mit zu den Grundlagen gehören, an denen, wie von festen Slützpuncten aus, das regere Handelsleben sich emporrankt, bis eö schließlich die Kraft hat, sich auS sich selbst zu erhalten." Kann man, so fragt die „Köln. Ztg." mit Recht, die Sache der Flottenpolitik besser vertreten, als es der „Vorwärts" mit diesen Ausführungen thut? Der Hohn über die „deutsche Bourgeoisie, die auch hier hinter ihren Rivalen imAuslandelangsam nachhinkt",—dieAnspielung auf eine„gewisse Kleinbürgerei und Aengstlichkeit", die bisher großen über seeischen Plänen entgegenstand, — daS Alles ist so treffend, daß man mit dem rheinischen Blatte fast glauben mochte, der Socialdemokrat, der daS geschrieben hat, würde im Innern eine gewisse Freude empfinden, wenn die Regierungs vorlagen, gegen die er als Abgeordneter stimmen wird, doch zur Annahme gelangten. Jedenfalls ist er als einer von Denen zu begrüßen, die dazu beitragen, die Richtigkeit der Seemachtspolitik der Regierung, sowohl was die Kriegs marine, als auch was die Handclsschifffahrt betrifft, zu be weisen und zu vertheidigen. Die Auseinandersetzungen zwischen Organen der cou- scrvalivc» Partei und des Bundes der Landwirthe über die aus dem Dresdner Parteitage für den Bund sich ergeben den Pflichten dauern fort. Sehr scharf wendet sich die „Cons. Corr.", das officielle conservative Parteiorgan, gegen die gestern von uns mitgetheilte Auslassung der offi- ciellen „Correspondenz des Bundes der Landwirthe", in der bekanntlich entschiedener Protest gegen die — angebliche — Aeußeeung des Herrn «. Mav.keuff l, „e? sü Pflicht VcS Bundes, bei der Concurrenz konservativer und antisemitischer, gleichmäßig agrarischer Candidaten für den conservativcn zu stimmen", erhoben wurde. Hieraus erwidert die „Cons.Corr.": „Im Lager der „Antiagraricr" herrscht große Schadenfreude über eine Auslassung der „Correspondenz des Bundes der Land» wirthe", welche auf angeblich in Dresden gefallene Aeußerungen des Frhrn. von Manteuffel Bezug nimmt. Wir habe» keinen An laß, aus die Anzapfungen der Bundescorrespondenz ein- zugehen; Las verbietet uns nicht nur die von derselben an geschlagene unangemessene Tonart, sondern auch der Umstand, Laß die Redaclion der Bundescorrespondenz bei Aufnahme der in Rede stehenden Auslassung verabsäumt hat, in das Stenogramm Einsicht zu nehmen, oder sich bei den ihr nahestehenden Persönlichkeiten, welche in Dresden anwesend waren, vorher zu insormiren, statt darauf los zu gehen und Unrichtiges zu behaupten. Wir ersehen aber leider aus dem Verhalten der Bundescorrespondenz, daß in den Kreisen, aus welchen sie injpirirt wird, Elemente ihrWesen treiben, die das beiderseitige Bestrebe» der conjervotiven Parteileitung und des Bundesvorsitzenden Herrn von Ploetz, ein gutes Einvernehmen herzustellen und festzuhalten, contrecarriren möchten. Es wird nothwendig sein, diesem Treiben einen Damm entgegenzusetzen, wenn dadurch die Sache der deutschen Landwirthschaft nicht ernsthaft gefährdet werden soll." Bemerkenswerth ist es, daß auch die „DeutscheTagesztg." annimmt, die Auslassungen des ofsiciellen BundeSorgäns beruhten auf einer „irrthümlicheu Voraussetzung". Herr v. Manteuffel habe sich nämlich nach dem von der „Cons. Corr." veröffentlichten uncorrigirten und nach dem Berichte von Ohrenzcugen durchaus richtigen Stenogramm folgender maßen geäußert: „Nun, meine ich, wird es die Pflicht des Bundes der Landwirthe sein, bei der Prüfung derjenigen, Lenen er esteris paribus seine Unterstützung zuwendet, folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Zunächst der alte Besitzstand. Der Einbruch eines Antisemiten in einen conservative» Wahlkreis, meine ich, muß für den Bund der Landwirthe ausschlaggebend sein, zu sage«: Nein, hier ist rin konservativer Wahlkreis, ein conservativer Eandidat wird mir präsentirt, der alle die Verpflichtungen erfüllt, die ich ihm aufzuerlegen im Stande bin; wir werden für den conservativcn Candidaten eintreten." ES bandele sich also nur um den Einbruch iu conser vative Wahlkreise, nicht um eine Stellungnahme zwischen Conservativcn und Antisemiten im Allgemeinen. Zunächst wird nun Herr von Manteuffel zu erklären haben, was er eigentlich gesagt, nnd dann wird der Bundesvorstand sich darüber zu äußern haben, wie er über die Manteuffel'sche Erklärung Lenkt. Vielleicht erfährtmandann, daß derganze Streit aus den Karren eines „Mißverständnisses" der ofsiciellen Bundes- correspondenz sich laden läßt und daß in der Thal in Dresden der Bund zu nichts Anderen! sich verpflichtet hat nnd ver pflichtet worden ist, als bei antisemitischen Einbrüchen in conservative Wahlkreise für einen conservativcn Candidaten zu stimmen, wenn dieser alle ihm auferlegten Verpflichtungen zu erfüllen versprochen hat, also unbedingt der Bundesleitung sich unterwirft. Vielleicht —; bis zur Entscheidung haben andere Parteien keinen Anlaß, von ihrer abwartenden Stellung abzugehen. Dem Abschlüsse des UebereinkommenS zwischen Deutschland und China in Bezug auf die pachtweise Ueberlassung der Kiaatschau-Pucht an Deutschland sind als bald die weiteren Verhandlungen zur Feststellung aller Einzelheiten gefolgt, welche die Ausgestaltung alles grund- ,/ätz'ick Vereinbarten bezwecken Iu der Hauptsache handelt cS sich hierbei, wie die „Ostasiatische Correspondenz'' erfährt, um eine geeignete Abgrenzung und Erstreckung der Einfluß zone deS deutschen Pachtgebietes, um die weitestmögliche Nutzbarmachung desselben nach dem Innern der Provinz Sbantung auf noch herzustellenden neuen Verkehrswegen, welche von Deutschland durch die Anlage eines im RnndkreiS combinirten Eisenbahnnetzes vorgeschlagen sind, sowie um Anlage von Bergwerken :c. Für die Abgrenzung in dem Umkreise des Pachtgebietes ist ein an letzteres anschließendes Terrain bis zu 6 deutschen Ouadrat-Meilen zur Grundlage genommen, wobei sich außerdem das Terrain beim Eingänge der Kiaotschau-Bucht bezw. an der Seite derselben zum offenen Meere hin über Höhen und Hügelzüge hinweg noch erweitert. Neber derlei als nothwendig und praktisch erachtete Erweiterungen auch noch an einzelnen Stellen im inneren Umkreise des AnscklußterrainS, über Fluß läufe u. dgl., sowie über eine zweckmäßige Bestimmung der neutrale n Zone, in einem Radius um die Bucht herum bis zu 50 km zur Schaffung bequemer Grenzen, wird noch verhandelt. Hierbei spielt auch der bedauerliche Zwischenfall mit der Er mordung des Matrosen Schulze eine Rolle, zumal da es heißt, daß der Mord innerhalb der — freilich nur ganz provisorisch bestimmten — neutralen Zone begangen worden sei. Hieraus ergiedt sich die Erwägung, daß ein Gebiet in der unmittelbaren Nähe des deutschen Pachtgebietes, wo Angehörige der deutschen Besatzung der Lebensgefahr aus gesetzt sind, der strengsten Ueberwachung bedarf. Solchen Zwischenfällen, welche die freundschaftlichen Beziehungen zwischen China und Deutschland zu stören geeignet sein können, must unbedingt in Zukunft vorgebeugt werden. Wohl den Wick- tigsleu Gegenstand der Verhandlungen bilden die Strecken, nnd Distrikte, durch welche die von China an Deutschland zugestandene Anlage von Eisenbahnen geführt werde» soll. Principiell war an Deutschland die Linie von Kiaotscha» über das nördlich gelegene Wei-Hsien nach der HauptstaN der Provinz Shantung Tsinan (fu) und selbstverständlich zurück nach Kiaotschau zugestanden worden. Damit war daö principielle Zngeständniß einer zweiten Linie von Tstnan-sn zurück nach Kiaotschau mit inbegriffen, und angeblich verlangt demgemäß Deutschland diese zweite Linie vo» Tsinan-fu in dem Umkreise über das südlich gelegene Aen-Tchou und das Weiler südöstlich gelegene Ai Tchou nach Kiaotschau zu leiten, bezw. von China concessionirt zu er halten. Eine Einigung ist darüber bisher nicht erzielt worden , indessen scheint cs, als bestehe Deutschland auch auf der Con cessionirung dieser zweiten Linie, wodurch die besten Distrikte SchantungS, in sehr geeignetem Rundkreise combinirt, mi: einem Eisenbahnnetze versehen werde» würden, durch welches sich die Kiaotschau-Bucht alsbald zu einem Mittelpuncte von Handel und Verkehr im NordenChinaS empor schwingen würde. Die Anlage von Bergwerken für Kohlen ist unter Andern aus den Strecken von Kiav- tschau nach Wei-Hsin, von Wei-Hsin nach Tsinan-fu und in unmittelbarer Nähe von Ai-Tchou geplant. In der Nähe des letzteren Ortes sollen auch viel: Eisenerze vorhanden sein. Die Verhandlungen bis zur Einigung über alle Einzelheiten dürften noch eine Zeit lang dauern. Es ist indessen dringend zu wünschen, daß dieselben nicht allzusehr in die Länge gezogen werden. Denn nach der ungeklärten Lage der Verhältnisse in Ost-Asien können Zwischenfälle nicht als ausgeschlossen erachtet werden, welche deu endgiltigen Abschluß über alle diese Details bei den Verhandlungen zwischen Deutschland und China ungünstig beeinflussen könnten. Mit dem Briefgchtimnisr in Frankreich sieht es sehr windig aus. Der Fall des Abgeordneten Delcass«, dem bekanntlich ein an ihn adressirter Brief mit Schriftstücken eröffnet und der Brief entwendet wurde, steht nicht vereinzelt, denn der „TempS" nimmt ihn zum Anlaß, eine ganze Klage liste vorznbringen. Das der Regierung nahestehende Blatt schreibt: Seit einiger Zeit spricht man viel von Briefen, die verloren gehen oder verspätet oder verletzt ankommen. Das sind ohne Zweifel, sagen wir: Jrrthümer, die nicht im Jahre des Heils 1898 erfunden worden sind; aber das Alter ist kein mildernder Umstand für Len Mißbrauch, und wer ihn abstellt und das Publicum beruhig:, macht sich sehr verdient. Das Publicum glaubt nicht, daß die privaten Mittheilnngen so geschützt sind, wie sie es sein sollen. Es bat seine guten Gründe dazu. Auch das Telephon-Geheimniß wird nicht gewahrt. Es giebt Angestellte, denen das Telephon eine gesprochene Zeitung ist, die unterhält nnd nichts kostet. Was die Telegramme be trifft, so sind diese jetzt ein wirkliches Publicationsmittel, vergleich bar denr öffentlichen Anschlag. Sic wollen, daß eine Nachricht bekannt werde, ohne daß Sie selbst sie verbreiten'? Ganz einfach: Sie teiegraphiren sie! Kein Ausschreier und kein Ausscheller kann Sie wirksamer und billiger bedienen. Unsere eigene Erfahrung erlaubt uns, in diesem Puncte mit vollkommener Sachkenntnis; zu sprechen. Selbst die Ministerien schöpfen reichlich aus unserem Nachrichten-Dienst. Ta dieser Dienst schließlich für das Publicum bestimmt ist, so bedauern wir es nicht übermäßig, daß unsere ersten Leser die Minister sind, die von ihren Agenten schlecht Fenttlrton. Alice. 101 Noma» von I. Lermina. Nachdruck vcrbotrn. „In diesem Falle haben wir mit Ihnen zu thun. Herr b. Challes, der Untersuchungsrichter, bittet Sie, morgen früh 10 Uhr in sein Cabinet zu kommen. Hier ist die Vorladung." Das war Alles. Alice nahm den Brief, entfaltete ihn und las die Vorladung, die sie aufforderte, vor dem Richter zu er scheinen. „Es ist gut, ich werde kommen", erwiderte sie einfach und schlicht. Die beiden Polizeibeamien — Niemand konnte sich über ihre Eigenschaft irgend einem Zweifel hingeben — verabschiedeten sich nach diesen Worten und Alice sah, wie sie ruhig, ohne sich auch nur umzuwenden, davongingen. Im Grunde genomemn war diese Vorladung nicht geeignet, ihr besondere Furcht einzuflößen, denn man wollte von ihr wohl nichts weiter als eine einfache Auskunft. Trotzdem sah sie daraus, daß der Kreis sich immer enger zog. Der Augenblick war gekommen, sich zu vertheidigen, und von ihrer Festigkeit hing das Leben ihres Gatten ab. Und in dieser kleinen, anscheinend so gebrechlichen Frau vollzog sich ein wahres Wunder von Energie. Ohne einen Augenblick des Bedenkens nahm sie ihre Mission auf sich. Nach dem sie lange überlegt hatte, antwortete sie in einigen Worten auf ein neues Billct, das ihr Gatte ihr durch denselben Lakaien schickte. Der Brief Clairacs war sehr alltäglich; er schrieb, daß es ihm wohl ginge und er sehr viel zu thun hätte. Sie antwortete ihm: „Obwohl ich den lebhaften Wunsch habe. Dich wicderzusehen, bitte ich Dich dock, Dich mit Deiner Rückkehr nicht allzusehr zu be eilen; Deine Tante, Frau v. Versannes, ist todt, und man könnte Dich in eine Untersuchung verwickeln, die Dir unangenehm sein dürfte. Man weiß nicht, wo Du bist, und ich werde es den Neugierigen, die mich fragen könnten, nicht sagen. Sei unbesorgt, ich übernehme Alles." Sie hielt es nicht für nöthig, sich noch deutlicher auszu sprechen, ihr Mann verstand sie jedenfalls auch so. Als sie den Brief in den Postkasten geworfen hatte, blieb sie für den Retz des Tages hei Madame Davidpt, der ihr Sohn die Mittheilung gemacht hatte, er würde in der Nacht nicht nach Hause kommen. Die beiden Frauen unterhielten sich lange Zeit, und als Alice in ihre Wohnung zurückkehrte, war sie noch sehr blaß, doch sie lächelte beinahe. Sie hatte für die Sache des Criminalisten gesprochen und der Versuch mutzte wohl nicht ganz trostlos ausgefallen sein. Am nächsten Tage um 9 Uhr schickte sie sich an, der Auffor derung des Untersuchungsrichters Folge zu leisten. Sie kleidete sich schwarz, verschleierte sich und suchte sich möglichst alt zu machen, um ihr kindliches Aussehen zu verdecken. Eine Viertelstunde vor der festgesetzten Zeit kam sie nach dem Justizpalaste. Eine heftige Kälte stieg in ihr auf und doch brannte ihr die Stirn. Sie hatte dem Diener ihren Namen ge nannt, hatte sich dann auf eine Bank des Wartezimmers gesetzt und blieb unbeweglich sitzen, bis ihr Name aufgerufen wurde. Sie erhob sich und folgte dem Diener, der ihr die Thüre zum Zimmer des Untersuchungsrichters öffnete. Herr v. Challes war ein Mann der vornehmen Gesellschaft, und als correcter Edelmann ging er ihr entgegen, deutete auf einen Sessel und setzte sich dann ebenfalls. „Verzeihen Sie, Madame", begann er, „daß ich Ihnen diese Unannehmlichkeiten verursacht und Sie gebeten habe, in mein Bureau zu kommen; doch meine zahlreichen Beschäftigungen ge statteten mir nicht, mich in Ihre Wohnung zu begeben. Es handelt sich, wie Sie wohl jedenfalls schon wissen, um eine arme Frau, die ebenso wie die Frau Gräfin v. Versannes das Opfer eines schändlichen Verbrechens geworden ist, und ich habe Sie im Namen der Justiz um einige Mittheilungen zu bitten und dann um einen Dienst." Die Worte klangen klar und hell zu Alice's Ohren. Diese hatte den Schleier aufgehoben, um den Richter besser betrachten zu können, jetzt verneigte sie sich und murmelte, sie stände ganz zu seiner Verfügung. „Also hören Sie mich an, Madame", fuhr Herr v. Challes fort; „Frau Benoit, so ist der Name dieser Unglücklichen, befindet sich in einem solchen Zustande der Er mattung, daß wir bis jetzt noch nicht die geringste Auskunft von ihr haben erlangen können. Zunächst wußten wir nicht einmal, wer sie wäre; dann erfuhren wir, daß sie eine Art Kranken wärterin sei, zu der Frau v. Versannes großes Vertrauen hatte. Sie befand sich bei ihr, als die Mörder in das Haus drangen und ist mit ihrer Herrin zusammen niedergeschlagen worden. Frau v. Versannes wurde erdrosselt und war auf der Stelle todt, Frau Benoit ist infolge der Strangulation Krampfanfällen ausgesetzt, die ihr Leben in die größte Gefahr bringen. Es ist nun wichtig für uns, zu erfahren, ob diese Frau, unbewußt oder nicht, die Mörder in das Haus geführt hat, oder ob sie wenigstens ihr Eindringen begünstigt hat, sei es nun durch irgend eine Unklug heit, sei es infolge einer indiscreten Mittheilung über die Gewohn heiten oder das Vermögen der Marquise. Sie verstehen mich doch, Madame?" „Gewiß, vollkommen." „Es war infolge dessen nothwendig, zu erfahren, was sie für Beziehungen hatte, jetzt und früher. Nach erfolgter Haussuchung erfuhren wir, daß sic allein eine kleine Wohnung inne hatte, dort mit ihren Hunden und Katzen wohnte, aber Niemanden empfing. Erst viel später wurde uns bekannt, daß sie längere Zeit in Diensten Ihres Herrn Vaters, des Doctors Barthomieu, gestanden hatte. Ist das richtig?" „Vollkommen richtig." „Und der Aufenthalt bei Ihrem Herrn Vater dauerte —?" „lieber zehn Jahre." „So hat sie Sie wohl aufwachsen sehen und liebt Sie wohl auch?" „Gewiß, beim Tode meines theueren Vaters war es mir sehr schmerzlich, mich von ihr trennen zu müssen, denn sie liebte mich, wie ihre eigene Tochter." „Sehr gut! Jetzt, Madame, komme ich zu dem Dienst, den wir von Ihnen fordern müssen. Bis jetzt war die arme Frau nur von ihr unbekannten oder sagen wir, von ihr gleichgiltigen Leuten umgeben. Seit dem schrecklichen Anfälle ist ihr Niemand zu nahe gekommen, dessen Name, dessenStimme anregend auf sic wirken könnten. Sie, Madame, dagegen kennt Sie und Sie sagen selbst, daß sic Sie liebt. Obwohl Sie gesellschaftlich sehr weit von einander abstehen, so besteht zwischen Ihnen doch ein gewisses Band, Sie können durch Ihre Gegenwart einen be deutenden Einfluß auf sie ausüben. Sie können, wenn Sie sie fragen, allmählich ihr eingeschlafenes Gcdächtniß erwecken, ein Wort, ein Zeichen von ihr erlangen, das die Bemühungen der Justiz erleichtern würden. Madame, ich hege begründete Hoff nung, daß Sie sich nicht weigern werden, der Gesellschaft einen Dienst zu leisten, für den sie Ihnen Dank wissen wird." Alice hatte keine Bewegung gemacht, sie hörte stumm die Worte des Richters an. Sie sah, wie sich langsam ein Abgrund vor ihr öffnete, in den sie früher oder später stürzen mußte. Wozu sich also weigern, wozu noch zögern? Diese freundliche Bitte war nichts weiter als ein umschrie bener Befehl. Wer wußte denn, ob man sie damit nicht in eine Schlinge locken wollte? Der Versuch, sich ihrer zu entziehen, wäre nichts als eine ge fährliche und ganz unnütze Feigheit gewesen. „Ich stehe zu Ihren Befehlen", sagte sie, „und seien Sie über zeugt, daß ich Alles thun werde, um Ihr Verkrauen zu recht fertigen." Herr v. Challes erhob sich mit einer leichten Verbeugung. Ec bewunderte im Stillen diese so feine, junge Frau, die selbst am Hofe eine gute Figur gespielt hätte. „Madame", fuhr er fort, „wenn es Ihnen recht ist, wird mein Secretair die Ehre haben. Sie nach dem „Hotel de Dieu" in meinem Wagen zu begleiten und Sie dann wieder nach Hause bringen. Die Confrontation wird übrigens nur von kurzer Dauer sein. Ich bitte noch einmal um Verzeihung, daß ich Ihnen diese unangenehme Pflicht auferlege." Herr v. Challes rief seinen Secretair und forderte ihn auf, Frau v. Clairac zu begleiten. Seinen ersten Entschluß, sie selbst nach dem „Hotel de Dieu" zu begleiten, hatte er auf gegeben. Alice handelte wie ein Automat, und nur zuweilen packte sie die Furcht, ihr Zittern könnte sie verrathen. Auf das Lächeln des Beamten antwortete sie ebenfalls mit einem Lächeln, das nichts Gezwungenes an sich hatte. Im Wagen fragte sie der Secretair, nicht als Richter, sondern als Freund, über Herrn v. Clairac aus. Er schien überrascht, daß ihn Familienbande an Frau v. Versannes fesselten, und nahm eine mitleidige Miene an, um ihn wegen der Enterbung zu beklagen. Inzwischen waren sie im Hotel Dieu angelangt. Der Secretair wurde von allen Seiten begrüßt und schritt erhobenen Hauptes durch die Säle wie ein Mann, der sich seiner Bedeutung bewußt ist. Ein Assistenzarzt ging ihnen voran. In dem Augenblicke, als sie die Schwelle des Privatzimmers übertraten, wo sich die Sterbende befand, faßte der Secretair zwei Männer ins Auge, die hier Wache zu halten schienen. Alice erkannte sie; es waren die beiden Pokizeibcamten, die bei ihr erschienen waren. „Herr Lacour", sagte der Secretair, „Sie können mit ein treten; es ist sogar wichtig, daß Sie dieser Confrontation bei wohnen, die von größter Bedeutung werden kann. Lacour war der größte Gegner Vidocq's und verfolgte eben falls die Fährte der Mörder von Neuilly. Heute war er es, der an der Spitze der Untersuchung stand, und Alice fragte sich ängstlich, welche Gedanken sich in seinem Kopfe verbergen mochten. Der Assistenzarzt öffnete die Thür, ging zwei Schritte vor und wandte sich dann an die Anwesenden. „Die Kranke ist noch immer in demselben Zustande." „Glauben Sie, daß man sir ohne Gefahr verhorn kann?"
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