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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.02.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-02-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980210015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898021001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898021001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-02
- Tag1898-02-10
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Morgen-Ausgabe ripMer TlWblaü Anzeiger Druck »ud Verlag von E. Polz in Leipzig. Jahrgang Donnerstag den 10. Februar 1898. Leieilletsn Di» Morgen-Au-gabe erscheint um '/,? Uhl« dir Abend-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr-. Extro-Vellagen (gesalzt), nur mit der Morgen-An-gabe, ohne Postbesörderung -4l 60.—, mit Postbesörderung 70.—. NedaUion und Lrveditiou: 2ohanne»»affe 8. Die Expedition ist Wochentag» ununterbroch*» geöffnet von srüh 8 bi» Abend» 7 Uh». Annahmeschlnß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag« »Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet« an die Expedition zu richten. Eingangsthür zu dem chinesischen Absatzge biet, wie Frankreich solche in Tonkin, England in Hongkong und Rußland im Norden besitzt. Das chinesische Reich mit seiner riesenhaften Bevölkerung von nahe 400 Mllionen Menschen bildet einen der zukunftsreichsten Märkte der Welt. Von diesem Markte durften wir uns nicht ausschließen, wenn wir Wirth schaftlich und damit politisch, materiell und damit moralisch voran wollten. Wir mußten vielmehr dafür sorgen, daß wir dort unter gleichen Chancen mit anderen Völkern zuzelassen wurden. Gerade weil die mächtig arbeitende deutsche Industrie auf vielen europäischen und nicht-europäischen Plätzen mit großen und wachsenden Schwierigkeiten kämpft, wo sich ihr leider manche Länder ganz oder theilweise verschließen, betrachten wir es doppelt als unsere Pflicht, dafür zu sorgen, daß uns für die Zukunft wenigstens der chinesische Markt erhalten blieb, nach welchem sich unsere Ausfuhr seit zehn Jahren verdreifacht hat. Die Con- cessionen, welche die chinesische Regierung den Unterthanen anderer Länder gemacht hatte mit Bezug auf die Anlage von Eisenbahnen und Ausbeutung von Bergwerken, legte uns die Erwägung nahe, ob es nicht im wohlverstandenen und wahlberechtigten Interesse der Entwickelung unserer Beziehungen zu China liegen würde, wenn deutsche Staatsangehörige analoge Concessionen erhielten. Solche Concessionen haben wir erhalten, ich werde sogleich auf dieselben zu sprechen kommen. Ohne einen territorialen Stützpunkt würden aber deutsche Unternehmungen in China im letzten Ende Anderen mehr zu Gute kommen als uns, ohne einen solchen würden unsere technischen und kommer ziellen Kräfte sich zersplittern, mit einem Wort, würde deutsche Arbeit und Intelligenz, wie dies früher oft genug der Fall war, für anderer Leute Aecker den Dünger liefern, statt unseren eignen Garten zu befruchten. (Sehr richtig! Sehr gut!) In maritimer Hinsicht war der Erwerb einer Statin ein Bedürfniß für unser« Flotte. Die Größe und der Umfang unserer ostasiatischen Handelsinteressen machen dort die dauernde Anwesenheit eines Geschwaders erforderlich. Dieses Geschwader braucht aber einen Hafen, wo deutsche Schiffe, ohne von dem guten und auch manchmal weniger guten Willen fremder Regierungen abhängig zu sein, ausgerüstet, verpro- viantirt und im Nothfalle ausgebessert werden können. Das Ansehen und die Schlagfertigkeit unserer Flotte wird verdoppelt, wenn dieselbe nicht mehr heimathlos um herschwimmt, sondern als Hauptquartier einen Hafen hat, wo sic zu Hause ist. In allgemein politischer Hinsicht brauche ich nur daran zu erinnern, daß Frankreich in Tonkin festen Fuß gefaßt hat, England seit lange in Hongkong sitzt, Rußland am Amur steht, während selbst Spanien, Portugal und Holland im fernen Osten seit lange eigenen Boden unter den Füßen haben. Wo alle diese Mächte zu ihrem augenscheinlichen Vortheil sich Stützpunkte ge sichert haben in Ostasien, mußten wir dasselbe thun, wenn wir nicht dort eine Macht zweiten Ranges bleiben wollten. (Sehr richtig!) Dazu trat noch eine Erwägung. Außer der allgemeinen Pflege unserer politischen und wirthschaftlichen Interessen in Ostasien liegt uns dort auch der Schutz der sich im Innern Chinas oder in den geöffneten Häfen aufhaltenden Fremden, und Vez«g»^pretr ß» d« hauptixpedtttoa oder d« üa Gkodb» bewirk «nd den Vororten errichtete» Aas- aabtstelltn abgebolt: vierteljährlich ^l4.ü0, bei zweimaliger täglicher Zustellung in» Hau» ü.SO. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: virrl»l,Ldrlich 6.—. Direet» täglich« Kreuzbandienduag tu» N«»laud: monatlich 7.V0. «»zet-e«.Pre1- dte 6 gespaltene Petitzeile SO Pfg. Nee kamen unter dem RedactionSstrich (4ge- spaltrn) üO^, vor den Famtliennachrichtea (6gespalten) 40-H. Größere Schriften laut unserem Prels- vrrzeichniß. Tabellarischer und gissernsap nach höherem Tarif. Staatssecrelair von Bülow über die auswärtige Politik. Die Reden des Staatssecretairs v. Bülow in der Dienstag- Sitzung des Reichstages lauten nach ausführlichen Berichten wie folgt: Ich hatte gedacht, daß die Diskussion über Kiaotschau erst bei der Position Peking eröffnet werden würde. Ich freue mich aber, daß ich schon jetzt Gelegenheit finde, mich über eine Angelegenheit auszusprechen, welche die öffentliche Meinung lebhaft beschäftigt und die für die Regierung ein Gegenstand besonderer Aufmerk samkeit ist. Und hierbei möchte ich einen Punkt vorwegnehmen. Es ist in der Presse und es ist auch neulich in der Budgetcommis sion die Ansicht hervorgetrcten, als ob die Regierung bestrebt sei, über ibre auswärtige Politik und namentlich über unsere ostasiatische Action einen Schleier auszubreiten. Es ist auch die Frage aufgeworfen worden, wie weit sich die Regierung berechtigt glaube, über den Gang ihrer auswärtigen Politik Aus kunft zu ertheilen. Auf diese Frage möchte ich mit dem Wort antworten, mit dem in meiner Studienzeit ein hervorragender Professor der Theologie seine Vorträge über subtilere Themata einzuleiten pflegte, nämlich mit dem Worte: ckiLtiuguo: ich unterscheide. Ueber alle Phasen einer auswärtigen Amon und besonders über die Anfangsphasen einer solchen und die vertraulichen Verhandlungen mit anderen Mächten kann kein Minister der Welt vorzeitige Mitthei lung machen (Sehr richtig!); und wenn er so thäte, würden seine College«, die übrigen Minister des Aeußern, nicht mehr mit ihm verhandeln wollen. Er kann dies nicht, ungefähr aus den selben Ursachen, aus denen der Rechtsanwalt nicht über jedes Stadium eines Processes und der Arzt nicht über jede Erscheinung einer Krankheit seinem Clienten referiren kann. Ich kann nicht einmal beim Whist meinem Partner Aufschlüsse geben über jeden Trick. Wohl aber bin ich verpflichtet, hinterher zu sagen, was ich mit meinen Trümpfen angefangen habe. Seien Sie versichert, meine Herren, daß wir uns unserer Verantwortung dem Lande gegenüber sehr wohl und sehr ernsthaft bewußt sind, und daß wir nie daran gedacht haben, Versteck spielen zu wollen! Ich nutzte mich aber, nach Lage der Verhältnisse, als ich Anfang Deccmber zum ersten Mal die Ehre hatte, vor diesem hohen Hause'zu erscheinen, darauf beschränken, hervorzuheben, daß wir weder in Abenteuer hineindampfen noch ir gendwie den Frieden stören, noch irgendwem zu nahe treten, sondern lediglich die Rechte und Interessen schützen wollen, die wir in Ost - asienbesitzen. Die Entsendung unseres Kreuzergeschwaders nach Kiaotschau war eben nicht eine Improvisation, sondern sie war das Ergebniß reichlicher Erwägung und Ab wägung aller Verhältnisse und der Ausdruck einer ruhigen, ziel bewußten Politik. Hierüber kann ich heute Folgendes sagen: Wir waren uns schon vorher nicht im Zweifel darüber, daß wir in Ostasien einen territorialen Stützpunkt brauchten; ohne einen solchen würden wir dort in wirthschaftlicher und in all gemein politischer Hinsicht in der Luft schweben. In wirthschaftlicher Beziehung brauchen wir eine Filialen: Dtto Klemm'» Tortim. (Alfretz Hahn), UniversitätSstraße 3 (Pauliaum), Laut» Lösche, Katbarineustr. 14, Part, und König-Platz 7. Belichtungszeit, welche sich auf 2—3 Sekunden beläuft, bewegt sich der Streifen weiter; es tritt ein bisher unbelichtetes Stück unter den Rahmen, während das copirte Stück auf einer vor Beleuchtung geschützten Rolle aufgewickelt wird. Auf diese Weise ist man im Stande, je nach der Größe des Bildes 5000 bis 20 000 Copien in einer Stunde herzustellen. Ebenso auto matisch erfolgt das Entwickeln, Tonen, Fixiren und Trocknen, indem der die Positive enthaltende Papierstreifen sich wieder von der Rolle abwickelt und bei gedämpftem Lichte mit gleich mäßiger Geschwindigkeit von etwa 3 Metern in der Minute über Leitungsrollrn durch eine Reihe chemischer Flüssigkeiten hindurchgeführt wird, nach deren Passiren der Streifen ebenso mechanisch in reinem Wasser ausgewaschen und schließlich ge trocknet wird. Man kann mit diesen Maschinen bequem über 100 000 Photographien an einem Tage Herstellen und mit dem bisherigen Druckverfahren auch hinsichtlich des Kostenpunktes erfolgreich concuriren. Die Uebertragung eines ganzen Bildes mittels Elektricität auf weite Entfernungen ist einem Deutschen Namens Hummel in St. Paul (Minnesota) gelungen; die Einrichtung des Apva- rates läßt sich, ohne technische Vorkenntnisse voraussetzen zu können, nicht leicht beschreiben, übermittelt jedoch Zeichnungen wie Photographien in so überraschend naturgetreuer Weise, daß den Herren Durchbrennern nach Einführung des Apparates die Möglichkeit des Entkommens über See sehr geschmälert werden dürfte. Das unterseeische Kriegsboot „tlw plun^er", auf welches die Amerikaner große Hoffnungen setzten, hat diese zwar nicht er füllt: dafür ist aber den Uankees die Construction eines Taucher bootes „Argonaut" gelungen, welches sich zur Bergung werth voller Ladungen aus gesunkenen Schiffen vorzüglich eignet. Das Boot, welches mehr als 90 Meter in die Tiefe hinabsteigen kann, besteht aus dem Maschinenraume, der Taucherkabine und einem Ausguckraume, ist mit einem Scheinwerfer von 2000 Kerzen Stärke ausgerüstet und bewegt sich mittel« elektrisch getriebener Zahnräder auf dem Meeresboden selbstständig wie eine Straßen- locomotive auf dem Lande. Ein« besonders construirte Fall- thüre am Bauche des BooteS ermöglicht daS Verlassen und Wiederbetreten des Boote», ohne daß dabei Wasser in den Schiffskörper eindringt. Zwei in den Kreisen der Eisenbahntechniker wohlbekannte Erfinder von Ruß Prof. Alfred Watkin» und Prof. Langley haben eine Flugmaschine zum Antrieb von Eisenbahnfahrzeugen verwendet. Versuche mit derselben werden seit Kurzem auf der Pennsylvania Railway auSgeführt und haben bis jetzt eine Geschwindighrt von 12 Kilometer in der Stunde ergeben. Ob die Erfinder, wie sie behaupten, durch verbesserte Construction de» Lutjchiffrs die Geschwindigkeit einer Eilzuges erreichen werten oder ob die Sache wie die Gleitbahn der letzten Pariser Ausstellung, nur ein interessanter Versuch bleiben wird, kann bi« zum Herübergelangen der technischen Einzelheiten nicht ent- Entdeckungen und Erfindungen. Von Rudolf TurtiuS. Nachdruck »rrbotm. DaS Jahr 1897 hat hinsichtlich seiner Errungenschaften auf technischem und naturwissenschaftlichem Gebiete ganz bedeutend« Fortschritte und Ausblicke zu verzeichnen, daß man allem Anschein nach von den kommenden Jahren Großes zu erwarten haben wird. Allgemein bekannt ist, daß die werthvollsten aller Edel steine, die Diamanten, nichts anderes sind, als krystallisirte Kohle, und es nimmt uns daher nicht Wunder, wenn sich zahlreiche in geniöse Köpfe damit beschäftigen, auf künstlichem Wege aus ge wöhnlicher Kohle die glitzernden harten Steine zu erzeugen. Setzt man nämlich dem flüssigen Eisen der Hochöfen Kohle in pulveri- sirter Form zu, so verwandelt sich ein großer Theil der letzteren, vermutlich in Folge des ungeheuren Druckes, welcher im Innern des erstarrenden Eisenblockes herrscht, in Graphit, das bekannte Material unserer Bleistifte, welcher neben der gewöhnlichen Kohle und dem Diamanten eine dritte Form ist, unter welchem Kohlen stoff als Elemnet vorkommt. Di« Ueberführung de» amorphen Kohlenstoffe» in Krystallform wollte indeß trotz aller Bemühun gen nicht gelingen. Die hohen, alles früher« weit übersteigenden Hitzegrade in den modernen elektrischen Oefen in Verbindung mit der Anwendung ganz außerordentlicher Druckkräfte haben jedoch da» Problem der künstlichen Herstellung von echten Diamanten im Princip zur Lösung gebracht. Moissan und Majorans setzten kleine Stücken amorpher Kohle, wie sie zur Fabrikation der Kohlenstift« der Bogenlampen zur Verwendung kommen, einer Hitze von 4000 Grad Lelsiu» und gleichzeitig einem Drucke von ungefähr 50000 Atmosphären auS, d. h. einem Drucke, wie ihn ein Gewicht von 1000 Lentnern auf die Fläche eines Ouadrat- centimeterS auSübt, und erhielten auf diese Weise Krystalle, welche sich in keiner Beziehung von den natürlichen Diamanten unterscheiden. Die so gewonnenen Diamanten werden zwar vor der Hand den Diamantgruben noch nicht gefährlich werden, denn sie sind viel zu Nein und theuer, um den natürlichen Edelsteinen Concurrenz zu machen. Aber die billigere Herstellung größerer Stein« hängt schließlich doch nur von der weiteren Vervoll kommnung des Verfahrens ab, und da» dürfte jedenfalls nur eine Frage der Zeit sein. Da wir der Kohle gerade unser Interesse zugewandt haben, sei bei dieser Gelegenheit gleich erwähnt, daß di« Behandlung derselben im elektrischen Lichtbogen, Dank dm Forschungen de» oben erwähnten Pariser Gelehrten Moissan zur Entdeckung einer großen Familie von Kohlenstoffverbindungen geführt hat, welche al» „Carbide" bezeichnet werden und im Begriffe stehen, geradezu sensationelle Umwälzungen in der Technik herbeizuführen. Bei äußerst hohm Temperaturen von 3000 bi» 4000 Grad vnbtndet sich aLmlich d«r Kohlenstoff, weicher wir für gewöhnlich Amtsblatt -es Aöniglichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes im- Motizei-Ämtes -er Ltadt Leipzig. nur mit Sauerstoff gepaart oder in den organischen Verbin dungen des Thier- und Pflanzentörpers finden, direkt mit vielen Metallen zu den betreffenden nach ihnen benannten Carbiden. Besonderes Aufsehen erregte- die Verbindung des Kohlenstoffes mit dem Metalle Calcium. Begießt man nämlich diesen, seitdem unter dem Namen Calciumcarbid bekannt gewordenen Stoff, mir Wasser, so entwickelt sich Acetylengas, welches entweder rein oder in Mischung mit unserem gewöhnlichen Leuchtgas berufen zu sein scheint, dort, wo elektrische Beleuchtung nicht anwendbar ist, die bisherige trübselige Beleuchtung zu verdrängen, wie es auch die Fabrikation des Alkohols aus den Elementen ermöglicht. Das Acetylmlicht übertrifft vermöge seines goldigen, dem Sonnenlicht gleichenden Glanzes alle bisherigen Beleuchtungsarten einschließ lich des elektrischen Lichtes und zeigt uns einen Ausweg aus den Gefahren des Petroleumwuchers, mit welchen die amerikanischen und russischen Syndikate eines Rockefeller und anderer Milliar däre uns bedrohen. Wenn die Verbindungen der Kohle mit Aluminium und Uran vorläufig nur von theoretischem Interesse sind, so ist praktisch von um so größerer Wichtigkeit diejenige mit dem überall auf der Erde in großen Mengen vorkommendrn Silicium. Dieses Si- liciumcarbid oder Carborund ist Dank seiner großen Härte das vorzüglichste aller bekannten Schleifmateriale, welches sogar den Rubin ritzt und der Härte des Diamanten nahe kommt. In chemisch reinem Zustande farblos, kommt es meistens als grünlich oder bläulich krystallischer Stoff vor, aus welchem in allerneuester Zeit ganz reizende Schmucksachen hergestellt werden. DaS abgelaufene Jahr brachte ferner die Herstellung des künstlichen Indigo in großen Mengen. Schon vor nahezu 30 Jahren löste die Chemie ein ganz ähnliches Problem, als es ihr gelang, daS Alizarin, den Farbstoff der Krappwurzel aus Stein- kohlentheer zu fabriciren. Diese Entdeckung hatte damals den Untergang de» Krappanbaues zur Folge, und eS steht nun das gleicht Loo» dm Hndigoplantagen der Tropenländer bevor, welche ihren Besitzern bisher einen schönen Gewinn abwarfen. Das Verahren ist -war schon seit langer Zeit bekannt, aber erst ganz kürzlich von einer deutschen Fabrik im Großen angewandt worden, welche da» Product unter dem Namen „Rein Indigo" in den Handel bringt. Von dem Werthe dieser Entdeckung kann man sich eine Vorstellung machen, wenn man in Betracht zieht, daß Deutschland allein im Jahre 1895 nicht weniger als elf Millionen Mark für Indigo ans Aukland zahlte, welche nun zum größten Theil im Lande bleiben werden. Das Verfahren besteht darin, daß man Monochloressigsäure auf Anilin eiuwirken läßt und den so erhaltenen Stoff mit Aetzkali schmilzt. Auf dem Gebiete der Metallurgie erregt Patrick's Glanz metall berechtigte» Aufsehen. E» ist eine Komposition au» mehreren Metallen und übertrifft da» für GebrauchSgegrnstände immer noch recht theuer« Nickel an Schönheit, wie e» sich durch seine silberglänzende Farbe und dm Vorzug de» Nichtrosten» in gleicher Weise aukzeichnet. Von außerordentlichen Fortschritten ist in jüngster Zeit auf dem Gebiete der Photographie zu berichten. Die Wiedergabe der natürlichen Farben ist wesentlich vervollkommnet worden. Die Stimmung nach dem ersten Tage des Zola-Processes. 6. Pari», den 8. Februar. Der erste Tag de» gewaltigen Processes ist vorüber. Er ist ruhiger verlaufen als man erwartet hatte. Allerdings wurden vor dem Justizvalaste Manifestationen versucht, aber dank der umfassenden Maßregeln der Polizei haben sie keine größere Ausdehnung gewonnen. Im Allgemeinen richteten sich die Manifastiouen gegen Zola, aber al» Rochefort vor dem Gerichte ankam, konnte man durch die vielstimmigen „Hoch Rochefort! Nieder mit Zola!" doch auch einige „Nieder mit Rochefort" vernehmen. Auf den Boulevards ging e» sehr lebhaft zu, dank den ZeitungSauSschreiern, die alle Viertelstunden mit neuen Ausgaben kamen — einige Zeitungen haben eS bis auf drei und vier Ausgaben gebracht. Aber an diesen Lärm sind wir jetzt wirklich gewöhnt. Zu Aus schreitungen ist es nicht gekommen. Ueber den Proceß selbst geziemt sich vorderhand noch eine gewisse Zurückhaltung. Trotzdem ist es wohl erlaubt, schon jetzt eine Prognose über seinen AuSgang zu stellen. Wahr scheinlich wird Zola verurtheilt werden. Wir haben von vornherein darauf hingewiesen, daß er bei weitem nicht alle in seinem berühmten Briese enthaltenen Anschuldigungen werde beweisen können, und daß gerade nur die am aller wenigsten beweisbaren Punkte in die Anklage ausgenommen worden seien. Die Angeklagten und ibre Vertheidiger haben gestern heroische Anstrengungen gemacht, die un trennbare Zusammengehörigkeit aller Anschuldigungen Zola'S zu beweisen und so di« übrigen Punkte nut in die Debatte zu ziehen, aber der Gerichtshof bat unter Berufung aus einen entsprechenden Paragraphen alle ihre Anträge ab gewiesen. Wie eS indes möglich sein soll, zu beweisen, daß der zweite Gerichtshof die vom erstenzchegangene Ungesetzlich keit gutgeheißen hat, ohne vorher bewiesen zu haben, daß eine solche Ungesetzlichkeit überhaupt begangen worden ist, daS bleibt, für den armen Laienverstand mindestens, unbegreiflich. Schlimm wird die Strafe jedenfalls nicht werden, und außer dem giebt es ja immer noch die lex Berenger, die den Strafvollzug biß zu einem eventuellen Rückfallsvergehen aus zusetzen erlaubt. Dagegen ist «S nicht unmöglich, daß die Verhandlungen zu einem großen moralischen Siege Zola'S führen werden, dank der glänzenden Venbeidigung. Cassagnac, der in der letzien Zeit die volle Schale seines Zornes über den infamen Zola auSgeschüttet hat, schreibt heule: „Sckon nach den Verhandlungen des ersten TageS, bei denen eS sich doch nur um einfache Fragen der Procedur gedreht bat, hat man unglücklicherweise, obne den Schatten eines Zweifels, die Ueberlegenheit der Vertbeidigung über die Anklage, des Advokaten über den Staatsanwalt, feststellen können. Herr von Cassel ist unter aller Kritik gewesen." Seitens der europäischen meteorologischen Warten werden jetzt häufig unbemannte Luftballons abgelaffen, um mittels selbst- thätig registrirender Instrumente die physikalischen Verhältnisse in hohen Luftschichten zu erforschen, zu welchem vermuthlich nie ein lebender Mensch Vordringen wird. Diese Ballons versieht man mit automatisch wirkenden photographischen Cameras, welche in beliebig regulirbaren Zeiträumen Bilder der unter dem Ballon befindlichen Erdoberfläche aufnehmen und dadurch er möglichen, genau den Weg dieser Ballons zu verfolgen, welche in einzelnen Fällen eine Höhe von 18 000 Meter erreicht haben und mittels welcher man eine neue und sichere Grundlage für Wetterprognosen schaffen zu können hofft. Im Gegensatz zu der Photographie hoch in den Lüften, steht diejenige tief unten im Wasser der Meere, welche der Brasilianer Boiteux jüngst bedeutend vervollkommnet hat; er nimmt mit Hilfe d«s elektrischen Lichtes selbst in Tiefen von 30—40 Meter Bilder auf, welche an Schärfe nichts zu wünschen übrig lassen und mit dem in diese Tiefen nur spärlich dringenden Tageslicht auch bei langer Belichtung nicht zu erzielen wären. Auch die Entfernung zwischen dem Apparat und dem auf zunehmenden Gegenstand spielt keine Rolle mehr. Die Amateure wissen, daß, lvenn man Details auf der Platte erhalten will, Personenaufnahmen nur auf einige wenige Schritt, und Ge bäudeaufnahmen höchstens auf etliche Hundert Schritt möglich sind. Nun hat man aber unlängst — natürlich bei besonders günstiger Beschaffenheit der Atmosphäre — in der nächsten Um gebung von Potsdam mittels besonderer Apparate einzelne Ge bäude des 25 Kilometer entfernt liegenden Berlin, wie z. B. das Rathhaus, das Reichstagsgebäude und ver schiedene Kirchthürme mit allen Einzelheiten ihrer Architektur ausgenommen. Man bedient sich hierbei ganz neuer combinirtrr Linsensysteme, welch« die Wirkung eines aplanatischen Objektivs mit derjenigen eines Fernrohrs verbinden. Für die JllustrationStechnik eröffnet die sogenannte Ma schinenphotographie die erfreulichsten Aussichten. Wer die Ab bildungen in unseren Zeitschriften von heute mit denen vor ein bi« zwei Jahrzehnten vergleicht, wird wahrnehmen, daß die heutige Vervollkommnung im Wesentlichen auf der Benutzung der Photo graphie beruht. Immerhin aber sind die heute im Gebrauch stehenden Verfahren ziemlich umständlich, insofern ein Umdruck unvermeidlich war und der ganze Proceß demnach eigentlich doch keine Photographie, sondern ein Druck ist. Die neue, aus Amerika gekommene Erfindung ist aber eine wirkliche Copirung, bei welcher Positivbilder erzeugt werden, und Copirung, Ent wickelung und Fixation automatisch besorgt werden. In dem Negativrahmen befinden sich, wenn ei sich um Massenproduktion rin und desselben Bilde« handelt, eine Anzahl Negativplatten, welche diesen darstellen; will man aber auf einer Seite Papier mehrere und verschiedene Ansichten abbilden, so müssen ent sprechend verschiedene Platten zusammengestellt werdm. Der Copirproceß erfolgt nun auf einem sogenannten endlosen Bande lichtempfindlichen BromsilberpapiereS bei intensivem elektrischem ! meiden* Lichte, in dem sich selbstthätig ein entsprechende« Stück de« I Papierstreifen» unter den Negativrahmen legt. Nach gehöriger! Dagegen hat der noch junge Vertheidiger Zola S, Rechts anwalt Labori, einen überaus günstigen Einvruck gemacht. Ich habe den überaus DreyfuS- und zolafeindlichen „GauloiS" vor mir, und selbst da entschlüpft dem Bericht erstatter zuweilen ein Ausdruck der Bewunderung. Für uns kühlere Naturen ist Labori vielleicht zu emphatisch und zu ungestüm, aber die Franzosen lieben das. Und wenn sich nun noch gar wie hier dazu der Eindruck gesellt, daß dieses schöne Pathos nicht schauspielerischem Talent, sondern inneriter Ueberzeuaung entspringt, so ist der Erfolg sicher. So bat da» wenigsten» in seiner Gesammtbeit anfangs Labori durchaus nicht günstige Auditorium ibm im Verlaufe der Sitzung zwei Mal lebhaften Beifall gespendet, das eine Mal, als er einen höchst unangebrachten Scherz des Staatsanwaltes energischst zurückwies, das andere Mal, als er versicherte: „Nicht« wird mich daran hindern bis zum Ziele meines Unter nehmens zu gehen, meine« Unternehmens, das muthig ist, wie Sie mir zugestehen werden, da ich dabei meine Carriöre, beinahe meine Ehre aufs Spiel setze." Albert Clemenceau, der Ver tbeidiger der „Aurore", ist gestern beinahe noch gar nicht zum Worte gekommen, und Georges Clemenceau, der berühmte frühere Parlamentarier, dem man gestattet hat, die Zeitung, deren Seele er ist, selbst zu vertreten, wird seine gewaltige Beredtsamkeit vielleicht überhaupt bis zum Schluffe aufsparen. Die Stimmung der Presse ist im Wesentlichen beute so, wie sie vor dem Proceffe gewesen war. „Temps", „Döbats", „Figaro" sind äußerst zurückhaltend. Der „Matin", der gestern eine sehr sympathisch gehaltene Unterredung mit Zola, heure eine ebensolche mit dem Oberstlieutenant Picquart gebracht hat, scheint langsam eine Schwenkung zu Gunsten Zola'S und der Revision zu machen. Interessant ist es übrigens, festzustellen, daß die dreyfusfreunblichcn Blätter „Siöcle" und „Droits de l'Homme" heute besondere Bei blätter mit dem stenograpbischen Berichte bringen, während die mit dem Kriegsministerium in Beziehung siebenden Zeitungen sich mit verhältnißmäßig kurzen Auszügen be gnügen. Darau« einen Schluß zu zie'ien ist nicht schwer. Die radicalen und sozialistischen Blätter greifen besonders die Tbatsache auf, daß von den als Zeugen geladenen Ofstcieren fast keiner erschienen ist, auf Commando, wie sie meinen, und ergehen sich in heftigen Angriffen gegen die „uniformtragende Kaste", für die das bürgerliche Recht nicht vorhanden zu sein scheine. WaS endlich die eigentlichen Hetzblätter betrifft, so machen sie sich die Tbat- sachen so zurecht, wie eS ihnen paßt. Aus einem „Beifall" ein „Auspfeifen" zu machen, fällt ja nicht schwer. Da die gegnerischen Blätter niederer Ordnung solche Kunstsrückchen auch machen, so grebt es nichts Amüsantere«, als zwei solche feindlichen Brüder nebeneinander zu lesen. Man möchte meinen, eS handelte sich um zwei ganz verschiedene Proceffe.
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