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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.02.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-02-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980219025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898021902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898021902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-02
- Tag1898-02-19
- Monat1898-02
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Wend-Ausgabe. ripMcr. Tageblatt Snck «»d «erlag voa r. Pol» ta LelpjkG SV Sonnabend den 19. Februar 1898. FrniHrtoir. kj .SA. ter!,.« »rt iQ kricLQ 107.25 76.25 .SÜ SS,50 84.40 2<i» >, voter U. 15^0. Li« Morgen-Ausgab« erscheint uu» Uhr, di« Lbeud-AuSgab« Wochentags um b Uhr, l03.— :5950 lSO.60 os,— 99,40 03.6' 00, w 9125 58.50 81.— 84,20 89,SV <U«A in «.) von 2.4V5- SS 75 555.50 176 — 198.60 122.50 98,50 182.50 177.50 175.60 190Z5 113,90 115.40 80,60 107,10 i« Ls- Amlahmeschtvk für 2ln;eizea: Ibead-AuSgabe: LormittagS 10 Uhr. Morgeu-AuSgabe: Nachmittag- 4Uhr. Bet de» Ffliale« und Annahmestellen je rin« halbe Stund« früher. «meigen sind stets an die Ertzeditis» -u richten. 59,— 37,— S43S 20,60 11» Le-artto« «ad Erve-Mo«: AohanneSgasse 8. Dir Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr» Durch eigene Kraft. Roman von Alexander Römer. Nachdruck verboten. na. Du weißt es doch, wie verzweifelt mir zu /Malm: ktt» Klemm's Lortim. «Alfred Hatz»), UoiversitätSstrab« 3 lPauliunm), Louis LSsche, Katharinenstr. 14, pari und KöuigSvlad 7. w,— 17,— 58^60 »0,»0 10,75 13,— »9,55 >,78 20.15 .571, K 74.— » Lvt 09,— »01, 20', S6-< SO'i, 4»> 2->. 100^ 2^ Anzeiger. Amtsblatt -es Höniglichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Nathes und Nolizei-Anttes der Ltadt Leipzig. „Emily, Muthe ist." Sie sah sich nach ihm um, aber ihr Gesicht bliob eiskalt. „Es war eine große Thorheit von uns Beiden, aber der Mensch muß sich zu rechter Zeit besinnen. Sie müssen Ihren Weg gehen und ich den meinigen." Sie schritt eilig hinaus, er blieb leichenblaß, ganz erstarrt an seinem Platze. Dann griff er langsam an seinen Kopf und sank stöhnend auf einen Stuhl. Sie huschte über die Corridore und hinauf in ihr Zimmer, um sich rasch umzukleiden. Sie hatte sehr wenig Zeit dafür, die Glocke mußte gleich zu Tisch läuten. Ihr Herz klopfte, ihre Wangen brannten — eine sehr un- nöthige Aufregung! Sie hatte gebrochen, hoffentlich endgiltig, sie hatte es schon seit mehreren Tagen beabsichtigt. Sie war damals sehr unvorsichtig gewesen, hatte sich in schwachen Stunden hinreißen lassen. Hatte sie den guten Jungen eigentlich je ge liebt? Was weiß man davon, wenn das Blut Einem einen Streich spielt! Würde er schwer tragen an dem Bruch? Sie dachte einen Moment darüber nach, während sie mit flinken, geschickten Händen ihr Haar vor dem Spiegel ordnete. Er hatte ein weiches Herz und war sentimental, es war mög lich, daß er eine Weile litt — sie zuckte die Achseln, und der Spiegel gab da ein kaltes, beinahe böses Gesicht zurück —, sie konnte sich nicht darum kümmern, sie mußte vorwärts. Regte sich da etwas in ihrem Gewissen? Unsinn! Sie lachte herbe vor sich hin. Rur frisch den Kopf gebadet in kaltem Wasser, hübsch acht gegeben auf den Körper, und die Maschine functionirt normal. Nebenbei hatte sie diesem Menschen nur Gutes gethan. Was an gesunden Ideen in ihm steckte, kam von ihr; wo er sich gerührt hatte, war es Wirkung ibreS Sporns gewesen. Jetzt mußte er allein weitergehen. Hoffentlich machte er ihr keine Scenen. — DaS war eine neue Aufgabe, ihn im Zaume zu halten ihm aus dem Wege zu gehen. Jndeß — eS wächst der Mensch mit seinen Zwecken. Sie schloß das sehr kleidsame bordeauxfarLene Kleid mit einer Camtze am Halse, steckte den Schildpattpfeil in die Frisur und lächelte. BezrrgS'Prel- «» b« Hanptexpeditto« oder de« 1« Stadt bezirk mrd de» Vororte« errichtete« BuS- oabestellen ab geholt: vierteljährlich ^44^ vei zweimaliger täglicher gustellaag i«S Hau« ^li S.äO. Lorch die Post bezogen für Deutfchland und Oesterreich: viertehädrlich S.—. Liren« tägliche Kreuzbaudiendoa- d>S Ausland: monatlich ^l 7.Ü0. „Wenn ich nur den Zubehör besäß«, der zu meiner Person paßt", murmelte sie, „aber sie, die Egoistin, hat nie einen Ge danken und einen Pfennig für einen Anderen übrig. Ich habe es ihr nahe genug gelegt, daß mir zu dem Jagddiner am 28. eine passende Toilette mangelt. Die gnädige Frau Tante ist taub für solche Winke, und ich werde als Aschenbrödel erscheinen. Ha! wann findet sich für mich der erlösende Prinz!" Sie stand noch einen Moment und sah starr in den Spiegel. Dann verklärte ein siegesfrohes Lächeln ihre Züge. Siebentes Capitel. Ottilie war mm über einen Monat bei den Tanten, in dumpfer Oede und Einförmigkeit verliefen ihr die Tage. Eine müde Gleichgiltigkeit fing an, sich ihrer zu bemächtigen, nachdem die leidenschaftlichen Ausbrüche wilder Verzweiflung und Qual — heimlich oben auf ihrer Kammer — sich erschöpft, all die aben teuerlichen, verworrenen Pläne, die ihr junges Hirn durchkreuzten, sich unausführbar erwiesen hatten. Sie bildete sich jetzt ein, daß es nichts mehr gäbe in der Welt, das für sie von Interesse sein könnte. Der Vater war nach Erlenmoor zurückgekehrt, um dort die letzten Geschäfte abzuwickeln und Auction zu halten. Das schöne Gut war in der Subhastation verkauft worden für einen noch niedrigeren Preis, als man erwartet hatte, auch das Inventar war geringer abgeschätzt worden, es blieb nichts übrig. Die Dinge hatten reichlichen Gesprächsstoff geliefert, Ottilie kannte jedes traurige Detail und zehrte mit herber Bitternitz daran. Tante Liesa war wenigstens freundlich, aber gedrückt und immer noch scheu, Tante Marianne wortkarg und mürrisch. Sie verkehrte viel im Kruge und hatte lange Beratungen mit dem alten Manne, dem Wirth, saß auch oft und machte Berechnungen, was ihr recht schwer zu werden schien. Ottilie hatte sich ein paar Mal schüchtern zu Dienstleistungen und Hilfen erboten. Marianne zuckte dann die Achseln, murmelte etwas von später, wenn eine Beschäftigung für sie gesunden werden müsse, einstweilen versteh« sie ja noch nichts. Liesa suchte einige grob« Betttücher hervor, in welcke Flicken einzusetzen waren — ihre Auaen würden zu schwach für solche Ar beiten, bemerkte st«, und mit einigem lüigeschick und viel man gelnder Erfahrung machte sich Ottilie daran, da» interessant« Werk zu vollbringen. Im Uebrigen versorgte man sie reichlich. Freilich aß man hier andere Kost, als die, an welch« sie gewöhnt war, aber trotz Allem stellte sich allmählich ihr jugendlicher Appetit ein. Mit der braumv Kaffeekanne fing sie an, fich auSzuföhnen. Extra »Beilagen (gesalzt), nur mit dW Morges - Ausgabe, ohne Postbesördrr««' ^l 60.—, mit Postbesörderung 70.—. zu überbringen, sie hatte sich oben auf ihre Kammer geflüchtet und war erst wieder zum Vorschein gekommen, als sie sicher sein konnte, ihr nicht mehr zu begegnen. Eine lächerliche, alberne Scham war in ihr, in ihren jetzigen Verhältnissen mit jenen, denen sie sich bisher ebenbürtig gefühlt, in Berührung zu kommen. Sie schritt auf einem schmalen Rain, an dem ein ausge trockneter Graben entlang lief, zu ihrer Rechten dehnte sich ein weites Stoppelfeld. In der Ferne vernahm sie den brummen den Ton der Dreschmaschine. Der Nebelflor verschleierte die Fernsicht. Eine große Schafheerde mit ihrem Schäfer und seinem Hunde kam daher, der Schäfer schritt gemächlich und strickte, der Hund lief kreuz und quer, kläffte hier ein aus der Linie heraus brechendes Schaf an und trieb es zurück, jagte dort einem kühn vorwärts eilenden nach. Grau und schattenhaft war das Bild, die weite, ebene Fläch« schien sich endlos zu dehnen, der graue Horizont verschwamm mit der grauen Erde — öde Stille rings um. Hin und wieder flog ein Schwarm krächzender Krähen über das Feld, die sich dann in die Weiden jenseits des Grabens setzten und von dort ihre unschönen Rufe erschallen ließen. Der strickende Schäfer sah grotesk aus, er bog mit seiner Heerde quer ab und trieb sie nach entgegengesetzter Richtung, die Umrisse wurden immer schattenhafter. Es war ein tief melancholisches Landschaftsbild, und Ottiliens Herz war nur zu empfänglich für Melancholie. Die öde Gegenwart, die öde Zukunft legten sich wie ein Alp auf ihre Brust. Sie fühlte sich müde und setzte sich auf die mit gelbem Ginster überwucherte Erhöhung am Grabenrand, welche einen bequemm Sitz bot. War das Leben eigentlich auf die Dauer so zu ertragen? Sie fragte sich das zum hundertsten Male, und in ihrem sechzehnjährigen Kopf fand sich keine Antwort, kein einziger erlösender Gedanke. Die Außenwelt hatte ihre Thüren vor ihr zugethan, auch von den Freundinnen kamen keine Briefe mehr. Sie zogen sich zurück, eine Kluft hatte sich geöffnet zwischen ihr und ihnen, sie Ivar ausgeschieden, ausgestoßen aus jenem Kreise, und all die überschwenglichen Liebes- und Freundschaftsbetheuerungen in der Pension waren Strohfeuer, Rauch und Dunst gewesen. Alma v. Scebeck war wenigstens ehrlich, die Anderen schwiegen feige. Alma aber hatte ihr offen ausgesprochen, daß sie sich nie Wiedersehen würden. Sic war schon in der Pension wegen ihrer naiven, rücksichtslosen Offenheit berühmt gewesen, und so hatte sie ihr auch kürzlich geschrieben: „Arme, arme Ottilie! Wenn Du wüßtest, wie ich um Dich weine! Aber die Eltern sagen mir, daß Du in eine ganz andere Lebensstellung hinabsteigst und wahrscheinlich einmal rinerr Auf die große Erwart» na, die der Procctz Zola her vorgerufen Halle, ist eine große Enttäuschung gefolgt: Die sensationellen Enthüllungen, welche man von dem General stabschef BoiSdrffre am gestrigen elften VerhandlunaS- tag erwartete, sind gänzlich auSgeblieden. BoiSbeffre bestätigte nur, daß die Bekundungen deS Generals Pellieux über das geheime Schriftstück vom 4. December 1897 in allen Punclen wahr seien, eine Bestätigung, deren es gar nicht bedurft hätte, da Pellieux keinen Zweifel darüber gelassen batte, daß er im Einverständniß mit dem Generalstab bandelte. Ueber die wichtige Frage der Person des Briefschreibers und die Art, wie der Brief m die Hände deS Kriegsministeriums gelangt ist, schwieg er sich vollständig auS, ja er erklärte positiv, kein Wort weiter hinzufügen zu wollen und zu können. Also Gebeimniß auch hier! WaS aber bat unter diesen Umständen die Aussage BoiSdeffre'S für einen Werth? Nach Ansicht jede« Unbefangenen einen äußerst geringen. Sie beweist nichts für die Schuld DreyfuS', sie be-1 Andere« übrig, als anzunehmen, hauptet nur etwas. Wohl aber lassen sich mancherlei > russisch er Seite auSgegangen ist. Es war die traulichste Stunde am Tage nach dem Mittagessen, wenn Tante Marianne sich in ihren Lehnstuhl setzte und ein kleines Schläfchen hielt, während Liesa in der Küche hantirte, wobei ein ausgiebiger Schwatz zwischen ihr und dem Dienst mädchen stattfand. Dann setzte sich Ottilie mit einem Buche in die Fensterecke und fühlte sich für kurze Zeit allein. Es war still und b-haglich, der Kessel summte in der Ofenröhre, und die Bilder und Gestalten aus der Dichtung verdrängten die trostlosen Gedanken der Wirklichkeit. Wenn dann Mariannens Schnarchtöne verstummten, steckte Liesa behutsam den Kopf zur Thür herein, nickte der wie aus einem Traum erwachenden Ottilie verständnißvoll zuundbrüble in der braunen Kanne den aromatischen Trank auf. Sie schlich dabei auf leisen Filzsohlen einher, um die Schwester nicht jäh zu wecken, und diese räusperte sich mittlerweile, hustete ein paar mal und erhob sich dann schwerfällig, indem sie jedesmal er klärte, daß sie an Schlaf nicht gedacht habe. Ottilie ordnete die blaugrränderten dicken Tassen auf der Wachstuchdecke, welche im alltäglichen Leben die Stelle der Ser viette vertrat, und Liesa goß den Kaffee ein. „Ja — ein« gute Sorte haben wir uns immer gehalten", pflegte sie dabei zu erklären, und diese Rede wiederholte sich alle Tage, „für alte Leute ist Kaffee ein Labsal, und solchen Rahm findest Du nicht allerorten, den stellt die Heidemann immer extra für mich bei Seite." Ueber Ottiliens müdes Gesicht flog dann ein Lächeln, sie nickte der Tante Liesa dankbar zu und fand, daß daS Getränk wirklich gut war sammt dem Butterbrod, das sie fich sitzt selbst nach ihren Wünschen zurecht machte. Wenn diese Sitzung beendet und der Tisch abgeräumt war, pflegte sie einen Spaziergang zu machen. Sie ging natürlich allein, die Tanten gingen nie spazieren. Heut« hatte es schon vier Uhr geschlagen; der Octobertag war schön gewesen, aber die Sonne verblich früh in dieser Jahres zeit. Ein leichter Nebel legte sich schon über die Landschaft. Ottilie ging meistens an der Mühle vorüber, wo das Wasser rauschte und in weißem Gischt um di« klappernden Räder sprühte, dann querfeldein, in Richtungen, wo sie am wenigsten Gefahr lief, irgend Jemand außer ländlichen Arbeitern zu begegnen. Am ängstlichsten vermied st« die Nähe deS Herrenhauses und den daran stoßenden Park. Auch in den Wald, der dahinter lag, hatte sie sich noch nicht hineingewagt, auS Furcht, einem aus jener Gesellfchaftssphäre zu begegnen. AuS der Ferne sah sie täglich die Equipagen rollen, den alten und den jungen Baron vorüdtrgehen. Fräulein von Eichswald war sogar einmal im Haus« bei den Tanten gewesen, um einen Bescheid der Baronin «»zetgex-Prei- tzie S gespaltene Petitzeile 80 Derlameu «ater dem RedactioaSstrtch (4 a» walt««) üO^j, vor de« Familteuaachttchtt» (6 gespalten) 40^- Größere Schriften laut unserem PreiS- «erzetchoiß. Tabellarischer und giffernsatz nach höherem Tarif. Politische Tagesschau. * Leipzig, 19. Februar. Wie der Telegraph bereits gemeldet hat, ist dem Central- vorftand dcS Evangelisch««, Bundes auf seine an den Fürsten Hohenlohe als preußischen Minister der auswärtigen Angelegen heiten gerichtete Eingabe betreffs der am letzten Geburts tage des Kaisers von deutschen Katholiken in Rom veranstalteten Feier eine Antwort ertheilt worden, die aus mehr als einem Grunde befremden muß. Sie lautet wörtlich: Berlin, den 17. Februar 1898. Euer Hochgeboren gefälliges Schreiben an den Herrn Reichs- kanzler vom 14. d. M., in welchem Sie im Namen des Evan gelischen Bundes über das Verhalten des königlichen Gesandten beim päpstlichen Stuhl anläßlich der Allerhöchsten GeburtstagSseier Beschwerde führen, ist hier eingegangen. Schon vorher hotte der Gesandte v. Bülow ein auf denselben Gegenstand bezügliches, ihm von Euer Hochgeboren direct zugegangenes Schreiben vom 6. d. M. eingereicht. Ich darf Euer HochDtboren nicht verschweigen, daß Se. Majestät der Kaiser und KönigMlllerhöchstwelchem diese Schreiben vorgelegt werden mußten, Allerhöchstsein ernstes Mißfallen über dieselben auszusprechen geruht haben. Wenn ich bedauere, daß ich Euer Hoch- geboren hiervon Mittheilung zu machen habe, kann ich doch nicht umhin, gleichzeitig ergebens« darauf hinzuweisen, wie Ihre gegen den Gesandten erhobenen Vorwürfe nach jeder Hinsicht der Begründung gänzlich entbehren. Alle deutschen und preußischen Vertreter bei fremden Höfen pflegen bei der Feier des Allerhöchsten Geburtstages und bei sonstigen festlichen Veranstaltungen, zu denen sich deutsche Reichsangehörige vereinigen, einem traditio nellen Gebote der internationalen Courtoisie folgend, in erster Linie ein Hoch auf Len Souverain auszubringen, bei welchem sie beglaubigt sind. In analogen Fällen geschieht dasselbe bei uns von Seiten der hier accreditirten fremden Ver treter. Dem Papste ist, auch durch das italienische Gacantie- geietz vom 13. Mai 1871, für seine Person die Souverainetät zu erkannt. Es wäre also ein grober Verstoß gegen den diplo- matiscken Brauch, wenn es der Gesandte Sr. Majestät des Königs unterlassen würde, ihm die einem Souverain zukomv.icaden Ehren zu erzeigen. Im vorliegenden Falle ist aber nicht einmal, wir es fönst gewöhnlich zu geschehen pflegt, der Trinkspr-ch auf den Papst der Rede auf Se. Majestät vorangegangen, vielmehr gipfelte der Toast des Gesandten in dem Rufe: „Se. Majestät Kaiser Wilhelm II. und Seine Heiligkeit Papst Leo XIII. leben hoch!" Ein Trinkspruch aus irgend einen anderen Souverain wäre bei diesem Anlaß nicht am Platze gewesen. Ich darf hier ergebenst an die diplomatische Arbeits- theilung erinnern, welche die Verhältnisse in Rom zur Folge haben. Während Seine Majestät der König von Preußen einen diplomatischen Vertreter beim Papst accreditirt hat, ist unser erhabener Monarch als deutscher Kaiser bei Seiner Majestät dem König von Italien durch den bei diesem Souverain be glaubigten Botschafter des Reichs vertreten. Dieser, oder in seiner Abwesenheit der kaiserliche Geschäftsträger, Hot nie ver fehlt und wird nt« verfehlen, entsprechend den oben erwähnten Grundsätzen, bei Festen der deutschen Colonie das Hoch auf König Humbert auszubringen. Diese Verhältnisse sind in Rom allgemein anerkannt, und wenn Euer Hochgeboren die Befürchtung aussprechen, daß die dem diplomatischen Usus entsprechende Haltung des Gesandten Sr. Majestät des Königs beim päpstlichen Stuhle eine Trübung in unseren Beziehungen zu dem verbündeten Italien herbeisühren würde, so kann ich Euer Hochgeboren in dieser Beziehung vollkommen beruhigen. Bei den maßgebenden italienischen Stellen ist der in Rebe stehende Vorgang nicht einen Augenblick einer falschen Äeurtheilung begegnet. Die Dank der Loyalität der Politik Sr. Majestät deS Kaisers so wohl begründete Ueberzeugung, daß wir an dem Bündniß mit Italien in deutscher Treue festhalten, ist in allen entscheidenden Kreisen der italienifchen Bevölkerung viel zu tief gewurzelt, als daß dieselbe durch irrige Auffassung in Rom Schlüsse auS der Aussage Esterhazy - Pellieux' ziehen » d ie durchaus nicht zu Gunsten der Richter deS Excapitains und Derer ausfallen, die sich mit aller Gewalt gegen d>: Revision seines ProcesseS stemmen. Wir sagten schon, die Erklärungen Pellieux' bedeuten, daß man eS aufgiebt, die Schuld des DreyfuS durch das Bordereau zu beweisen. Aber sie bedeuten ferner daS Geständniß, daß die Beweisstück.', welche die Derurtheilung des DreyfuS herbriführten, ungenügend waren. Wenn man im Jahre 1897 den „absoluten" Beweis für die Schuld des BerrätherS erhielt, so folgt daraus, daß man 1894 keine absoluten Beweise! in der Hand hatte. Dafür spricht auch, daß man sich konstant weigert,, das geheime Schriftstück zu zeigen, daS 1894 DreyfuS und sei.« Bertheidiger nicht zu sehen bekamen. Man sah sich g> nötbigt, nach der Derurtheilung erlangte Beweisstücke Hera,: zuziehen, um nachträglich die Derurtheilung zu rechtfertigen, die im Princip nicht zu rechtfertigen ist. So argumentiU der „Siöcle", und es laßt sich nicht leicht etwas dagegen ein wenden. Oberst Picquart hat behauptet, daß der Brief und die Postkarte von 1897 gefälscht seien. Er wird eS nickl beweisen können, aber es kann ihm auch Niemand daS Gegen theil nachweisen, so lange die Schriftstücke nicht dem Gericht unterbreitet werden. Warum thut man dies nicht? Sie kamen nach unumstößlichen Erklärungen von betheiligter Seite weder auS der Feber eines deutschen noch eines italienischen Diplomaten. Oesterreich ist ausgeschlossen. Man hat also, da keine der Dreibundmächte in Frage kommt, nicht den geringsten Grund, sich auf eine Kriegsgefahr zu berufen Allerdings soll Pellieux in den Wandelgängen deS Justiz palasteS erklärt haben, die Regierrng habe vier Karten eines fremden Militairattacheö aufgefangen, welche die Schuld des DreyfuS bestätigten, und flugs wird wieder in den Blättern behauptet, dieser Militairattacho könne nur der frühere deutsche Oberst v. Schwarzkoppen sein, ein Verdacht, der in den Augen der Franzosen noch dadurch bestärkt werden muß, daß der Vorsitzende höchst unangebrachter und höchst unnölhiger Weise keine Frage über Beziehungen Esterkazy'ü zu v. Schwarzkoppen, als die auswärtigen Der hältnifse alterirend, zulafsen wollte. Pellieux erklärte weiter, die Echtheit der Karten sei unbedingt erwiesen. Weisen sie nun wirklich auf Schwarzkoppen hin, so kann eS sich nur um Fälschungen handeln und Pellieru befindet sich mit seinen Hintermännern im General stabe und der Regierung in einem veryängoißvolleu Jrrthum. Es fällt überhaupt schwer, an die Echtheit der neuen Beweisstücke zu glauben. Wie von Blindheit gc schlagen müßte doch der Absender deS Briefes und der Karten gewesen sein, wenn er, nachdem bereits im Jahre 1894 comprvmittirende Schriftstücke, die zu Derurtheilung deS DreyfuS führten, in die Hände der französischen Rc gierung gefallen waren, 1897, wo die Aufrührung der ganzen Angelegenheit durch dii Interpellation Castelin bevor stand, wieder Briefe und Karten hinauSaab, die von Neuem die Schuld des BerrätherS beweisen mußten, und von denen es nicht ausgeschlossen war, daß sie abgefangen würden. Das ist doch schwer glaublich. Vielmehr liegt die Annahme nah«, daß auch daS neue „Beweisstück" eine Fälschung ist, die der Urheber des Bordereaus und deS Briefes „Diese Kanaille D..." dem Kriegsministerium — im rechten Augenblick — in die Hände zu spielen verstand, um eS in seiner vorgefaßten I Meinung gegen DreyfuS zu bestärken und sich selbst zu sichern ! Ist eS keine Fälschung, so bleibt kaum noch etwas sie be-1 Anderes übrig, als anzunehmen, daß die Spionage von ...° '". .Dagegen wird freilich dem Vorstande ertheilte Antwort nicht etwa beseitigt, sondern wesentlich verstärkt. Wir erwarten ^daher, daß die Angelegenheit durch die Antwort des Staats- secretairs nicht begraben, sondern nur noch lebhafter in Fluß gebracht wird. Der für das preußische Abgeordnetenhaus in Vorbereitung begriffene Antrag auf Aufhebung der preußischen Gesandtschaft beim Datican wird ja die günstigste Gelegenheit bieten, nicht nur die Vorgänge in Rom bei der letzten Geburtstagsfeier deS Kaisers, sondern auck die Eingaben des Centralvorstandes des Evangelischen Bundes und die ibm ertheilte Antwort einer eingehenden Betrachtung zu unterziehen. ES liegt auch heute kein Grund vor, von der Auffassung abzugehen, daß das Schickial der Flottenvcrstärkuns vor Allem in den Händen der Regierung ruht, und daß es verfrüht wäre, zu erörtern, was zu geschehen habe, wenn daS Centrum wesentliche Partien der Marincvorlage abgelehnt haben sollte. Wer aber, wie wir mit gesinnuugSverwandlen Blättern eS gethan, als die schlimmste Lösung die auf dem W.ge eines Schachergeschästs mit den Ultramontanen herbei geführte bezeichnet, der hat die Pflicht, die Regierung darüber nicht im Zweifel zu lassen, daß die Angst vor einer Auslösung des Reichstage«, wie sie einige Berliner Organe den Miltelparteien einzuflößen suchen, den Nationalliberalen im Lande völlig fremd ist. Die „Freis. Ztg." gießt ihren Spott über die Leute auS, die den Gegnern deS FtoltengesetzeS mit Papier gar nicht scharf genug zu Leibe gehen können, fich aber immer wieder mit dem Stoß gebet unterbrechen: „Um Gottes willen nur keme Auflösung mit der Marincfrage als Wahlparole!" Der Spott ist wohl berechtigt, auch wenn er sich gegen die nur zwischen den Zeilen sichtbar werdende Furcht vor einem Kampf um die Flotte richtet. Er trifft aber die national liberale Partei nicht. Wenn die Regierung zu einer gesunden und reinlichen Erledigung der Marine-Angelegenheit nur durch eine Auflösung gelangen zu können glaubt, dann wirb sie unsere Partei in zuversichtlicher Bereitschaft finden. Die nächste Gelegenheit, diese Versicherung auch auf nicbt- pudlicistischem Wege abzugeben, bietet der morgen in Magde burg statlfindende nationalliberale Parteitag für die Provinz Sachsen und die Herzogthümer Anhalt und Braun schweig. Es wäre zu wünschen, daß der Anlaß zu der Erklärung dieser Bereitschaft benutzt würde. wohl bekannter und wohl verstandener Verhältnisse erschüttert werden könnte. Dem mir von Seiner Majestät dem Kaiser und König, unserem Allergnädigsten Herrn, ertheilten Befehle entsprechend, füge ich die beiden Schreiben Euer Hochgeboren hier ergebenst wieder bei. gez. von Bülow. An den Vorstand des Evangelischen Bundes zur Wahrung der deutsch-protestantischen Interessen, zu Händen des Vorsitzenden, Herrn Grafen Wintzingerode. Hochgeboren Merseburg." Die Antwort ist also nicht von dem Fürste n Hohenlohe, der als preußischer Ministerpräsident und Minister des Aus wärtigen directer Vorgesetzter des preußischen Gesandten in Rom ist, sondern von dem StaatSsecretair oes Aus wärtigen v. Bülow im Auftrage deS Kaisers ertheilt. Nur dadurch ist es möglich geworden, dem Vorstande des Bundes daS „ernste Mißfallen" des Kaisers kund zu thun. Und zwar ist dieses Mißfallen nicht nur hervorgerufen durch die Eingabe deS Bundes vorstandes an den Fürsten Hohenlohe, sondern auch durch daS dieser Eingabe vorausgegangene Schreiben an den Gesandten v. Bülow, worin dieser vertrauensvoll um Berichtigung der besonders von der „Germania" verbreiteten Berichte über jene Feier gebeten worden war. Wäre dieser Bitte von dem Gesandten entsprochen worden, so hätte der Bundesvorstand vielleicht von seiner Eingabe an den Fürsten Hobenlobe entweder ganz abgesehen, oder ihr eine andere Fassung gegeben, die ihm das ernste Mißfallen des Kaisers erspart hätte. Warum der Gesandte, statt die vertrauensvolle Bitte des Bundesvorstandes zu erfüllen, das Gesuch nach Berlin eingesendet und ob er daS wirklich gemußt hat, wie der StaatSsecretair v. Bülow erklärt, darüber wird wohl im preußischen Abgeordneten hause um nähere Auskunft gebelen werden. Aber nicht nur die formelle Behandlung der Schreiben des Bundes vorstandes befremdet, sondern auch der Jnbalt der Antwort. Ausdrücklich batte der Vorstand darauf hingewiesen, daß die Feier, an der das Personal der preußischen Gesandtschaft sich betbeiligt hatte, „im ausgesprochenen Gegensatz zu der von der großen deutschen Colonie geplanten" ins Leben gerufen war und daß die Veranstalter jener Separatfeier sich geweigert batten, an einem Feste tbeil- zunehmen, auf dem ein Trinkspruch auf König Hum bert ausgebracht werden sollte. Darauf aber geht Vie Antwort des StaatSsecretairs nicht ein, also auch nicht darauf, daß die Veranstalter jenes Festes diesem den Charakter einer „gegen-ita- lieniscken Feier" gegeben batten. Und darauf kam eS doch bei der Beurtheilung der Theilnahme des preußischen Gesandten an jenem Feste vor allen Dingen an. Dadurch, daß der StaatS secretair auf diesen Punct nicht eingeht, wird eS den ultra montanen Demonstranten erspart, ein mißfälliges Urtheil vernehmen zu müssen, das dem Bundesvorstände nicht geschenkt worden ist. Dieser ist auch insofern miß verstanden worden, als in der Antwort des Staats- secretairs gesagt ist, der Vorstand habe die Befürchtung ausgesprochen, jener Vorgang werde eine Trübung unserer Beziehungen zu Italien herbeisühren. Der Vorstand batte im Gegentheile erklärt: „Unsere Aufgabe mag es nicht sein, gleich einem italienischen Blatte etwaigen Besorgnissen um die Beziehungen Deutschlands zu dem verbündeten Italien Ausdruck zu geben." Nur d i e Befürchtung hatte er aus gesprochen, daß „jeder solcher Vorgang den Ueber- muth des deutschfeindlichen UltramontaniSmuS steigern" werde, und diese Befürchtung wird durch die -46,50 64.50 108.25 100 — 232.50 216.25 »69,75 147,— 262.25 268 50 126 SO 180.25 183.50 223.50 193.— 177,— 202.50 208.50 213.50 274.25 69,75 187.30 104.50 231,- 157,80 84.50 169,15 214.30 216,20 vrl«i ll 7100 3525 5025 5 3375 14550 3700 5 4250 3135 5 4775 10900 11800 9675 0 8750 5 7625 0 4025 625 0 3350 1125 0 14900 0 3660 2500 2950 14750 10175 4800 18750 4875 400 0 2675 2450 0 300 25600 0 — 0 760 13700 0 1140 2650 L. 1025 3550 4. tllr r«, v.
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