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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.01.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-01-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980126027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898012602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898012602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-01
- Tag1898-01-26
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Unsere Annahme, daß dem Fürsten Hohenlohe in seiner doppelten Eigenschaft als Reichskanzler und preußischer Ministerpräsident, sowie seinem Stellvertreter im preußischen Ministerium vr. von Miquel die Betheiligung der drei Landräthe in der Provinz Hannover an einem Feldzuge der verbündeten Conscrvativen, Antisemiten und extremen Agrarier gegen die Nationalliberalen im Reichstagswahlkreise Hildesheim sehr peinlich sein würde, bat rasch ihre Bestätigung gesunde». Die „Nordd. Allgem. Ztg." veröffentlicht die folgende, durch Sperrdruck als officiös gekennzeichnete Auslastung: „In verschiedenen Blättern wird es lebhaft getadelt, daß einige Landrätbe in der Provinz Hannover einen Ausruf unterzeichnet haben, dessen Inhalt der von der Negierung an gebahnten Politik des Ausgleichs der verschiedenen wirthschaft« lichen Interessen und des Zusammenschlusses der pro ductiven Stände nicht entspreche. Wir nehmen an, Laß die Staatsregierung «in solches Verhalten nicht für geeignet hält und die erforderliche Correctur eintreteu lassen wird." Die „Nat.-Lib. Corr." bemerkt zu dieser Auslassung: „Wir nehmen hiervon Kenntniß mit dem Bemerken, daß diese Entschließung der Stoatsregierung der Stimmung Rechnung trägt, welche in der nationalgcsinntcn Bevölkerung Hannovers durch jenen Ausruf hervorgerusen worden. Wir geben uns der Hoffnung hin, daß die Verbitterung darüber dem Entschlüsse weicht, in allen Wahl kreisen nun mit verdoppeltem Eifer die gefährdete Sache des nationalgesinnnten, gemäßigte» Liberalismus wahrzunehmen." Diese Hoffnung tbeilen auch wir, aber wir können uns mit ihr nicht begnügen. Denn wenn auch, was nicht be zweifelt werden kann, die betreffenden Herren Landräthe ihre Unterschriften unter dem hetzerischen und ver leumderischen Aufrufe zurückzuziehcn veranlaßt werden und eine Verwarnung erhalten, so ist damit nur wenig ge nützt. Die übrigen Unterzeichner werden nicht verfehlen, die ganze Sache so darzustellen, als ob die Herren Landräthe nur wegen einer Wahlbceinflussung rectificirt worben seien, nicht aber wegen der durch ihre Unterschriften kundgegebenen Gesinnung, die nun von den unabhängigen Unterzeichnern mit doppeltem Eifer verfochten werden müsse. Der mit den Unterschriften der drei Herren veröffentlichte Aufruf muß öffentlich besprochen, seine verhetzenden und verleumdenden Auslassungen müssen öffentlich als solche gekennzeichnet und der zugleich mit den Nationalliberalen angegriffenen preußischen Regierung muß Gelegenheit gegeben werden, diese Kennzeich nung sich anzueignen und klipp und klar darzulegen, welche Bestrebungen sie als Durchkreuzung der von ihr sselbst angebahnten Politik des Ausgleiches der verschiedenenwirthschaftlichen Interessen und des Zusammenschlusses der productiven Stände an sieht. Darüber herrscht die wünschenswerlhe Klarheit noch nicht, und ganz wesentlich hierin liegt der Grund, daß man namentlich in gut conservativen Kreisen noch nicht weiß, wie man sich bei der Eingehung von Wahl bündnissen verhalten und durch welche Bündnisse man sich in Opposition zu den von der Regierung des führenden deutschen Staates und der überwiegenden Mehrzahl der übrigen Regierungen in Aussicht genommenen Zielen und Wegen der Reichspolilik setzen wird. Auch durch eine mehr oder minder geheime Rüffelung der drei bannoverschen Land- räkhe wird volle Klarheit nicht geschaffen. Wir erwarten deshalb, daß die nationalliberale Fractiou des preußischen Abgeordnetenhauses durch die officiöse Kundgebung der „Nordd. Allgem. Ztg." sich von ihrer Absicht, den „Hildes heimer Zwischenfall" im Abgeordnetenhaus? zur Sprache zu bringen, nicht abbalten lassen und mit aller Entschiedenheit auf eine unzweideutige und keine Mißdeutung zulassende Er klärung der Regierung über die Details ihrer „Sammlungs politik" dringen werbe. Es liegt im Interesse des ganzen Reiches, daß rechtzeitig vor den Reichslagswahlen volle Klarheit geschaffen werde. Die Tafel socialdemokratischer Erfolge ist gegenwärtig so dürftig besetzt, daß man nickt nur mit Wenigem fürlieb nimmt, sondern sogar den komischen Versuch macht, aus dem absoluten Nichts Lorbeerkränze für die revolutionäre Partei zu winden. Wie richtig es war, die ganze auf die Er richtung eines TcnkmalS für die Berliner „Märzgefallenen" gerichtete Action mit dem Bedürfniß der Socialdemokratie nach einem Triumphe zu erklären, geht aus dem Verhalten hervor, das die socialdemokratische Presse gegenüber dem Anträge des Frank furter Stadlmagistrats, den Vorkämpfern der deutschen Ein heit ein Denkmal zu errichten, zu beobachten für gul findet. Sic zeigt sich hoch befriedigt von der würdigen Auffassung der Verwalter dec Mainstadt, die — setzt kommt cs — „im JubiläumSjahre der Revolution" ein „Freiheitödenkmal" auszuführen beschlossen hätten. Thatsächlich hält sich aber der Vorschlag des Frankfurter Magistrats von jeder Erinnerung an die Revolution und seine Begründung selbst von der Erwähnung der Revolution fern. Er schlägt ein Einheitsdcnkmal und nnr ein solches vor. Er bezeicknet auch die Gesa mm «geschickte der deutschen Einheitsbewegung als den zu nehmenden Vorwurf und sagt ausdrücklich, daß nicht das Jahr 1848 für sich allein aus dem Zusammenhänge der vorhergehenden und nachfolgenden Ereignisse herausgenommen werden dürfe. Dieser Ab sicht entspricht die gewählte Inschrift: „Dem Andenken der Vorkämpfer der deutschen Einbeit in den Jahren der Vorbereitung von 1814 - 1864." Und sogar an symbolischer Andeutung der Ereignisse deS Jahres 1870 soll eS nicht fehlen. WaS zur Wabl deS ZeitpuncteS führte, des „IubiläumsjahreS" von 1848, ist dieselbe Erinnerung, die die Errichtung des Denkmals durch die Stadt Frankfurt und in Frankfurt nahelegte: der Zusammentritt des Parlaments in der PaulSkirche, welcher auch ganz unzweifelhaft die wichtigste nicktkriegerische Etappe auf dem Wege zur Einheit bezeichnet. Die „Revolution" war überall in Deutschland, aber nur das Frankfurter Parlament, auf rechtlicher Grundlage ruhend, sollte ein einiges Deutsch land entstehen lassen. Daß der Versuch mißglückt ist, nimmt ibm nichts von seiner fortwirkenden Bedeutung, waS durch den Schöpfer deS heutigen Reiches anerkannt ist und auch in dessen Verfassung zum Ausdrucke kommt. Daß der freiheit liche Zug der Bewegung, die spät und auf anderen Wegen zur Einheit führte, durch de» Frankfurter Beschluß nicht verwischt werden soll, braucht nicht gesagt zu werden. Der Drang nach freiheitlichen Einrich tungen war bei allen Denen, die sich 1848 und später als Helfer am Einigkeitsban brauchbar erwiesen, mit dem Ein hcitSgedanken eng verstockten. Es zeigt sich dies noch beute an dem Wesen und dem Namen unserer Partei, deren Vor kämpfer und nachmalige Begründer theilS schon vor fünfzig Jahren, theils in den folgenden Jahrzehnten wie für die Einigung Deutschlands, so auch für den Liberalismus fochten und duldeten. Was die socialdemokratischen Zeitungen meinen, ist freilich etwas Anderes, etwas, waS^in Frankfurt aber nickt verherrlicht werde» soll und wird. Sie verratken cS unter Anterm dadurch, daß sie emc „loyale Durchführung" deS Programms deS Magistrats nur anerkennen wollen, wenn auch die Erstürmung ter Frankfurter Constablcrwacke, eines zwar naiven Gewaltacies, aber immerhin eines Ge- waltacteS, „zu ihrem Rechte komme". Das wird nicht ge schehen. Man sicht auch hieraus, WaS eigentlich die Social demokratie in Berlin durch das Denkmal für die Gefallenen deS 18. März „ehren" wollte. Beiläufig bemerkt, ist die Berliner Denkmalsfrage in ein neues Licht gerückt durch die Ermit telung, daß auf dem dortigen Friedhöfe der Märzgefallenen nur eine geringe Anzahl von Todten bestattet ist, die kämpften oder kämpfen wollten und nicht zufällig gefallen sind, wie einzelne Schüler, Lehrlinge, Dienstmädchen und Briefträger. Gegen 130 Leichen von Gefallenen find durch Angehörige mit Erlaubniß der Behörde auSgegraben uud auf andere Friedhöfe übergesührt worden. Die geplante Ehrung, so schließt daraus der Berliner Magistrat mit Recht, würde also haupt sächlich Todten gellen, die entweder gar nicht recognoecirt worden sind oder um die sich wenigstens schon vor fünfzig Jahren Niemand gekümmert hat. Wie eine Bombe haben die Erklärungen deS Staats- sccretairs v. Bülow in der Treyfussache in Paris ge wirkt. Wir theilten schon einige der ungebärdigsten Preß stimmen mit, aus denen die blinde Wutb darüber, daß dem französischen Chauvinismus wieder eine Feder aus dem Fitlig gerisicn ist, mehr erheiternder als bcsorgnißerregend spricht. Hier noch einige Proben: Millevoye veröffentlicht in der „Patrie" einen wüthenden Schimpf-Artikel gegen von Bülow, in dem cS u. A. heißt, Bülow habe cynisch gelogen und habe Frankreich provociren wollen. An anderer Stelle publicirt die „Patrie" eine Note, in der eS gesagt ist: in diplomatischen Kreisen betrachte man die Erklärungen Bülow'S als eine wahrhafte Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines anderen Landes. Nachdem Möline auf der Tribüne die Existenz der Geständnisse deS DrevfuS versichert habe, könne das Dementi, welches Herr v. Bülow den Erklärungen Msline'S entgegensetzte, ernste Zwischen falle Hervorrufen. Daran glauben wir nun nickt, am allerwenigsten im Hinblick auf die gegenwärtige internationale Lage, die es Rußland ganz unmöglich macht, Frankreich die elsaß-lothringischen Kastanien auS dem Feuer zu holen, während in Ostasien seine eigensten vitalen Interessen auf dem Spiele stehen; und Fraukreich allein wird schwerlich Lust haben, sich ein zweites, nock furchtbareres Sedan za bereiten. Staatssecretair v. Bülow war mit seinen bestimmten Erklärungen in vollem Rechte und man hätte nur wünschen müssen, daß sie bereits früher erfolgt wären. DaS ohnmächtige Geifern der Pariser politischen Fischweiber kann uns vollständig kalt lassen. Unser Standpunkt ist der der ,.vroit8 cko I'iwmmch', eines Organes der DreyfuSpartei, das sehr treffend schreib', wenn Deutschland sich nicht zum Stillschweigen über eine so delicate Frage verpflichtet glaube, dann dürfe auch die französische Regierung nicht mehr diplomatisuc Nothwendigkeiten als Gründe für ihr Schweigen anrufcu. Die unerwartete Intervention der deutschen Regierung in die Debatte, die Frankreich so errege, verpflichte Herr» Mvline, klar zu sprechen. Wenn er selbst diese Bc.^ pflichtunz nicht verstehe, werde hoffentlich seine Majorität sic ihm begreiflich machen. Nach denMeldungen und derSprache cnglifchrrBlätter sieht eSauS, als stände ein Zusammenstoß mit Rutzlanv, au den: auch Japan auf der Seite Englands betheiligt wäre, wegc.i der ostasiatischen Differenzen unmittelbar bevor. Wic „Daily Mail" erfährt, wird binnen Kurzem ein japanisches Handelsschiff mit japaniscken Maaren in Talienwau (nördlich von Port Arthur) auSladen, um festzustellen, ob dcr Hafen offen oder unter Controle Rußlands steht. Darnach würden sich die Beziehungen zwischen beiden Mächten richten. Ferner meldet dasselbe Blatt, wenu aucn keine Allianz zwischen England und Japan bestehe, so seien doch alle Einzelheiten für eine gemeinsame Action in den chinesischen Gewässern verabredet. Aus Nagasaki wird der „Daily Mail" gemeldet, daß die japanische Flotte sich gegenwärtig bei vsokosuka, 15 Meilen südlich von Dokohama, anfbaltc und in wenigen Tagen abdampfen werde, um vor Weihaiwei zu demonstriren. Die englische und die russische Flotte beobachteten einander scharf. AlS das englische Schlachtschiff „Centurion" am letzten Donnerstag Nagasaki mit unbekannter Bestimmung verließ, folgte demselben daS russische Kanonenboot „Siwutsch". Die englische Presse schlägt fortgesetzt einen kriegerischen Ton an. So schreibt der „Standard": Rußland und Großbritannien find jetzt aus einem Puuctc an gelangt, wo der Eine oder der Ander« aachgrben muß. Es sollic nicht Großbritannien sein. Wenn unser Auswärtiges Amt dein Geschäftsträger des Zaren erlaubt, den Tsangll-Aamen z» zwingen, unsere Bediuguugen zu verwerfen, so ist e» mit unserem Ein- fluß am Pekinger Hofe vorbei. ES ist nicht die erste, sondern die entscheidende Kraftprobe. Petersburg hat den Fehdehandschuh hingrworsen. Welchen wir zurück, so be stätigen wir das Recht Rußlands auf dauernde Controle Chinas. Aber das ist hypothetisch geredet. Tbatsäcklich kann eine solche Politik nicht verfolgt werden. Tie Erklärungen der Minister sind zu deutlich, als daß man eS mit leeren Worten zu thun hätte. — Die „Morntng Post" sagt: Besteht die Absicht, Rußland aus seinem Einfluß in China zu verdrängen, so muß eia großer Kampf gegen Rußland und dessen Verbündete eintreten. Wünscht man diesen Conslict nicht, so würde es einfacher und auch praktischer für Großbritannien sein, alsbald alle chinesischen Häfen, die die Regierung für nöthig und wünscheuswerth für den britischen Handel betrachtet, zu besetzen. Mag man sich entscheiden, wofür man will, unsere Morine und Armee können nicht genug für ave Möglichkeiten vorbereitet sein. Ein asiatischer Krieg bedeutet natürlich einen europäischen. Er muß mit einem Kampfe um die Beherrschung der See beginnen. — Aehnlich lassen sich „Dail» News"vernehmen:UnserePolitik ist wesentlich defensiv. Wir werdensic verfolgen, selbst wenn sie einen Krieg kosten sollte. Sicher aber werden Kampf und Entsagen. LOj Roman von M. von Eschen. Nachdruck «erboten. Lilian neigt leicht ihr Haupt. „Der Ueberbringer sagte uns, Herr Kirchner sei krank. Ich wünschte —" „Ach, Sie wollen bezahlen?" Ein froher Schein flog über Anna's Züge, den die niemals von Noth und Sorge berührte Dame unangenehm, ordinair fand. „Nein, das besorgt Herr von Weilar. Ich wünschte nur, Herrn Kirchner persönlich zu danken. Wollen Sie fragen, ob er empfängt? Herr Kirchner wohnt wohl bei Ihnen?" Es wallte in Anna auf bei der Frage. Jedoch die gnädige Frau schien zufrieden, er hatte endlich einmal einen Erfolg! Und der gewohnte Respect vor allen vornehmen Leuten machte sich bei ihr geltend. „Ja", sagte Anna dumpf und sie öffnete die Thür zu dem anstoßenden Raum. „Gefällig?" — Dann: „Renzo, hier ist Jemand, der Dich sprechen will." „Ach, Sie gehören zusammen?" fragte Lilian, unbewußt des Sinnes, den diese Frage auch einschließen konnte, herab lassend, fast gütig. Und das reine, stolze Mädchen und das arme, treu« Geschöpf maßen sich einen Augenblick lang mit den Augen. Ehe aber Lilian zum Berständniß kam, rvarum es ihr mit einem Mal so sterbrnsweh werden wollte, sah sie Lorenz sitzen auf einem schlichten hölzernen Stuhl, an einem schlichten höl zernen Tisch, den Rücken gegen sie gewandt, den Kopf vornüber geneigt wie zur Arbeit, oder im Schmerz — und sie trat einen Schritt vor. Der Wind fuhr durch das Fenster und schlug die Thür hinter ihr zu. Frau Anna blieb draußen und hielt nun DigginS fest. Ein impulsives Verlangen nach Auskunft über den fremden Gast machte sich in Fragen an die Jungfer Luft. Jener Schlag hatte Lorenz aufgeschreckt; er hatte wohl kaum gehört, was Anna hineingerufen. Nun wandte er sich um. War es ein Trugbild seiner überreizten Sinne? Er springt empor. Jetzt erst sieht Lilian, wie ihn abermals die letzte Zeit verändert hat und macht auf's Neue eine Be wegung ihm entgegen. „Ist e» denn möglich?" Seine Hand fährt über seine Stirn. „Sie, Sie kommen zu mir, hier — hier her?" Er blickt an sich herunter, ringsum, sinkt auf den Stuhl zurück und schlägt die Hände vor das Gesicht. Nun sieht sich Lilian um in dem Raum, der so ärmlich ist und doch Schätze wie seine Bilder birgt, sieht auf den Mann, dessen Züge, verfallen wie sie sind, in ihrem Verfall selbst den Stempel des Genius bewahren, den Mann, dessen Haltung gerade in dem vertragenen Kleid den Adel seines Wesens erst recht zur Geltung bringt. Und näher tritt sie zu ihm hin, demüthig fast klingt es: „Man sagt« mir, Sie seien krank, Herr Kirchner." Er bleibt stumm. „Wolf und ich wollten sehen, wie es Ihnen ging. Im letzten Moment wurde der — Major verhindert — ich — ich aber, ich wollte mich nicht verhindern lassen. Es trieb mich. Ihnen zu danken —" Nur ein Seufzer dringt über seine Lippen. „Und auch jetzt noch" — wie nach einem Halt für den Augen blick suchend, deutete Lilian auf das Blatt, auf dem des Künstlers Stift soeben noch thätig war — „auch jetzt gönnen Sie sich keine Ruhe." „Das einzige Mittel — um zu vergessen —" bricht er da aus. — „Und, wie Sie sehen, bequeme ich mich dem Publicum an" — nun lacht er bitter auf. Dann fährt er mit qualvoller Entschlossenheit fort: „Ich male Fächer — Nymphen und Syl phiden" — und bitterer noch: „das nährt seinen Mann." Lilian zuckt schmerzlich zusammen. Sofort aber sinnt sie nach, wie man ihn herausreiben kann aus diesen Verhältnissen, ihm verschaffen, was er bedarf für sich und seinen Genius. Sie sind ein Meister, Herr Kirchner", beginnt sie mit frischem Ton. „Mein Bild ist ein Meisterwerk! Stellen Sie es aus, man wird sich reißen, von Ihnen gemalt zu werden. Der Weg ist geebnet für den Erfolg! Sie mögen nicht?" „Nein. — Nein, nur so viel erwerben, daß man gerade nicht verhungert und", — er macht eine Bewegung, die dem an grenzenden Raume und dem, waS er einschließt, gelten soll, die aber ein Uneingeweihter auch mit seinen nächsten Worten in Verbindung bringen kann: „dann zurück wieder zu meinen Bildern, zur Armuth und zur Noth — zur Häßlichkeit, wie Sie eS nennen!" Lilian ist verletzt. „Ich habe allerdings nicht gewußt, daß Sie solch ein geschworener Feind von Cultur und Bildung sind, von allem Schönen, daS mit dem verfeinerten Leben zusammen hängt", sogt sie mit bebenden Lippen. Und die gequälten Nerven reißen ihn fort: „Ich — ich, ein Feind von Eultur und Bildung, von Allem, Allem, was ich in seiner vollendetsten Verkörperung in Ihnen gefunden?" Er stürzt zu des Mädchens Füßen und birgt den Kopf in den Falten ihres Kleides. „O nein, Lilian, nein, das glauben Sie nicht!" Auf den Ausbruch ist Lilian nicht gefaßt gewesen. Doch wie ein Blitz die Nacht erhellt, ist es plötzlich licht geworden in ihrer Seele bis in die dämmernden Tiefen hinein. Weich legt sie die Hände auf des Knieendcn Haupt und beugt sich zu ihm nieder. Und es ist ihm, als ob eine klärende, leidlösende Macht von diesen reinen, kühlen Händen ausgeht. Lorenz steht auf: „Verzeihen Sie, gnädiges Fräulein, daß ich Sie erschreckt habe." Es klingt gewaltsam erkämpfte Ruhe daraus. Dann schreitet er ein paarmal in dem Zimmer auf und ab. Ganz nur der Künstler, mit seinen Problemen beschäftigt, steht er jetzt wieder da. „Nein, bei Gott, kein Feind von alledem. Nur, daß ich die Schatten von diesen Lichtern kennen gelernt und es nicht lassen kann, der Anwalt für die Eklösnngsbedürftig- keit — unser Aller — zu sein." Was all den Männern im vornehmen Kleid, dem beredtesten, feurigsten Werben nicht gelungen, hat der Mann hier im ver tragenen Kleid, der nie um sie geworben, fertig gebracht, da er im selben Moment, wo sein Herz für sie gesprochen, sich gleich dem Höchsten, was er kennt, seiner Kunst zugewandt. Ein Lächeln fliegt um ihre Lippen, weich, wie es Lilian nie gekonnt. „So bleiben Sie Ihrer Aufgabe treu, Lorenz Kirchner und —", in Rosengluth getaucht erscheint das Antlitz, das nie ein Erröthen bewegte, leise, zaghaft beginnt sie, ein scheues Weib, um mit dem Heroismus ihres Geschlechts zu enden — „ich bin reich, Lorenz Kirchner — und ich habe Sie lieb!" „Barmherziger Gott, nein —" „So war es ein Jrrthum?" Die stolze Lilian zuckt zusam men, „ein Jrrthum wenn ich —" ihre Stimme erstirbt. Das ging über Menschenkräfte. „Nein, Lilian, nein! Wahrheit und Ehrlichkeit denn gegen Wahrheit und Offenheit. Nein und tausendmal nein. Sie irren nicht — nur, ich — ich bin gebunden —" Ein leiser Schrei, ein ohnmächtiges Stammeln, dann fragt sie mit einer Bewegung, die sich aufbäumen will gegen ein unge rechtes Geschick: „An jene Frau?" Er nickt kaum merklich, unfähig, sich zu rühren — und eine Weile schwiegen Beide. > > „Sie lieben diese Frau?" beginnt Lilian endlich. „Sie fragen grausam!" schreit er heiser heraus. „Nun denn"— und die ganze kalte, eigennützige, selbstsüchtige, grausame Souverainität von einst wird wieder über Lilian mächtig — „dann machen Sie sich frei!" „Führen Sie mich nicht in Versuchung", murmelt er dumpf. „Sie sollen sich lösen von Allem, was Sie einengt und knechtet!" „Unmöglich!" „Nichts ist unmöglich für den, der den Muth hat zur bc freienden That. Und Sie — o Lorenz Kirchner, der Du so viel Muth hast in Deiner Kunst — Du solltest so matt, so schlvach herzig sein in diesem Punct? Die Ehe ohne Liebe — ist ja doch nur ein Nichts —" „Ein Nichts — und doch ein Etwas, das sich nie wieder un geschehen machen läßt." Leise wendet er sich von ihr. Seine Gestalt bebt, ein Zittern überfliegt seine Züge. Dann wie einem Höheren gehorchend beginnt er: „Hören Sie mich an, ich will Ihnen erzählen, wie Alles gekommen ist, — tvarum — warum es nicht sein kann. — Farben, Linien, Zeichnen, Malen war das Entzücken meiner Kindheit schon. Ich wollte Maler werden. Meine Familie — ich stamme aus einer Familie, die seit Gene rationen und Generationen dem Staat nur Soldaten gestellt und auch hierin die einzig würdige Aufgabe seiner Söhne sah — brachte mich in die Uniform. Die hochgehenden Wogen des Nationalismus, die kriegerischen Erfolge der 70 er Jahre erleichterten mir die Treulosigkeit an meinem inneren Beruf. Ich gab mir Mühe, ein guter Ofsicier zu sein; ich war es nicht. Ich gab mir Mühe, mich all der Convention der Gesellschaft anzupassen, ich kam aus den Conflicten mit meinem inneren Menschen nickt heraus. Endlich — eine geringfügige Angelegenheit wirkte wie der zündende Funke auf eine gefüllte Mene, und ick reichte den Abschied ein. Meine Familie war empört, sagte sich von mir los — mein Vater enterbte mich. Mttellos stand ich da. Ich hatte kaum so viel, um meine Miethe zu bezahlen. Die Leute, bei denen ich wohnte, kleine wohlhabende Bürger, drängten mich nicht. Sie hatten Geduld mit mir, ja sie erboten sich sogar, mich während meiner Ausbildung zu unterstützen. Anna, ihr Enkel kind, liebte mich. Auch ich war dem Mädchen, das in seiner ein fachen Natürlichkeit Kopf und Herz auf dem rechten Fleck hatte, gut. Und ich — ich nahm ihr Anerbieten an, in der bestimmten Hoffnung, die mir vorgestrectten Summen binnen Kurzem zurückzahlen zu können. Ich kam vorwärts mit Riesenschritten und erwarb bald das Nothwendigste. Die erste Lehrzeit war um. Ich rüstete mich zu einer Studienreise. Anna und ich waren allein. Wir waren jung; ich zog sie an mein Herz und nannte
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