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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.03.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-03-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980301029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898030102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898030102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-03
- Tag1898-03-01
- Monat1898-03
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Die Morgen-AuSgabe erscheint um '/,7 Uhr, di« Lbcud-Ausgab« Wochentag» um b Uhr, /ilial«: Dtt» RIemm's Lortim. tAlkre» Hatzum Uuiversitätsstraße 3 (Paulinum), Laut» Lösche. Kattzarineustr. 14, pari, und »Svig-pla» 7. Lrdactiou und Erve-Mo«? Aohauuesgaffe 8. Die Expedition ist Wochentag» unnnterbroche» »eüffnrt von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Dezrrg-'Prei- ^t der Hanptexpedtttou oder den tm Stadt- b«trk «uh den Vororte» errichteten Au»» aabestellen ab geholt: vierteljährlich ^»4.50. kei »weimaliger täglicher Zustellung in» Han» ^l b.S0. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vitrtel,ährlich ^l . Direcre tägliche Kreuzbandieuduug tu» Ausland: mouatlich 7.S0. Avend-Ausgabe. ApMrIllgMllü Anzeiger. Ämlsölatk des Lönigkichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes und Molizei-Ämtes der Ltadl Leipzig. «nzeigen.Pret- die 6 gespaltene Petitzeile LS Pf^ Beclamea unter dem RrdactionSstrich (4 g— Malten) ü0^. vor den stramilieunachrichte» (6 gespalten) 40^. Gröbere Schriften laut unserem Prei«- verzeichuib. Tabellarischer und Ziffrrnjatz nach höherem Tarif. Extra-Veilagcn (gefalzt), nur mN tu» Morgen »Ausgabe , ohne Postbefürderuu^ 60.—, mit Postbesörderung ^li 70.—. ^nnahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgab«: Vormittags 10 Uhr. Vstorge n»Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Sei den Filialen und Annahmestelle» je ei»» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet» an die Expeditt»» zu richte». Druck and Verlag vo» L. Pol» tu Leipzig 108. Dienstag den 1. März 1898. 02. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 1. März. Die Einsetzung eines wirthschaftSpolitischcu Ausschusses zur Vorbereitung -er Haudclsverträgc war mit Freuten zu begrüßen, da anzunehmen war, daß die Einberufung von Vertretern der verschiedenen Erwerbszweige, selbst der extremen Vorkämpfer wirthschaftlicker Interessen, dazu bei tragen werde, den in das öffentliche Leben durch die Agitation bineingetragencn Giftstoff niederzuschlagen. Nun haben aber kürzlich zwei Mitglieder dieses Ausschusses, die Abgg. Graf Schwerin-Löwitz und Vopelius-Saarbrücken, den Aus schuß zu einer Art Wahlausschuß umzugestalten und in einer Versammlung ein Wahlprogramm aufzustellen ver sucht, auf daS die Eingeladenen verpflichtet werden sollten. Der Entwurf dieses Programms lautete, wie heute die „Nat.-Lib. Corr." mittheilt, folgendermaßen: Am 31. December 1903 laufen unsere Handelsverträge mit Belgien, Italien, Oesterreich-Ungarn, Rumänien, Rußland, der Schweiz und Serbien ab und wir werden alsdann auch in eine Prüfung unserer anderweitigen Handelsverträge einzutreten haben. Bei dem erneuten Abschluß solcher Verträge erscheint es aber zweifelhaft, ob die bestehende Meistbegünstigungsklausel, die allen Staaten auch solche Concessionen ohne Entgelt zusallen läßt, welche wir von dritten Bertragsmächten mit wirihschaftlichen Opfern er kauft haben, in der bisherigen Form fernerhin ausrecht zu erhalten sein wird. — Die wirthschaftliche Zukunft Deutschlands hängt von der künftigen Gestaltung unserer handelspolitischen Beziehungen zum AuSlande ab. Die Reichsregierung hat durch Begründung des wirihschaftlichen Ausschusses und durch wiederholte ausdrückliche Er klärungen den festen Willen bekundet, die vielseitigen und schwierigen Fragen unseres Erwerbslebens zu vertiefen und begründet ge fundenen Forderungen nach wirksamem Schutze unserer schaffenden Arbeit gerecht zu werden. Der Reichsregierung auf dieser Bahn zu folgen, liegt im gemeinsamen Interesse aller Stände. — Die Ent scheidung aber liegt bei dem neu zu wählenden Reichstage, der sowohl über den zeitgemäßen Ausbau unseres Zolltarifs, wie über den Abschluß neuer Handelsverträge zu beschließen haben wird. Bon dem Ausfall der Reichstagswahlen hängt die Durchführung einer nationalen Wirthschastspolitik ab. Daher ist die Sammlung aller derjenigen Parteien und wirthschaftlichen Gruppen, welche an Stelle Les Kampfes der Interessen gegen einander den friedlichen Ausgleich derselben erstreben, für die bevorstehenden Wahlen geboten. — Die Vertreter von Industrie, Landwirthjchast, Handel und Gewerbe müssen sich vereinigen, unter Zurück stellung nebensächlicher Parteigegensätze nur für solche Eandidaten einzutreten, welche fest auf dem altbewährten Programm des Schutzes der nationalen Arbeit und gleichmäßiger Berücksich tigung aller Zweige des Erwerbslebens stehen. An alle Anhänger des Schutzes der nationalen Arbeit ergeht die dringende Aufforde- rung, schon bei der Ausstellung der Eandidaten sich über die Wahl eines Mannes zu einigen, welcher rückhaltslos auf dem Boden der nationalen Wirthschastspolitik steht. Von 23 eingeladenen Tbeilnehmern blieben 22 zurück; davon gehörten drei nicht dem Zollbeiratb an, darunter Geb. Finanzrath Jencke aus Essen, der politisch zur freiconserva- tiven Partei zu rechnen ist. Von dieser Resolution wurden die oben durch Sperrdruck hervorgebobenen Worte abgeänvert und statt „alsdann" „rechtzeitig vorher", statt „be gründet gefundenen" „begründeten" gesetzt. Sodann wurde der Passus „unter Zurückstellung nebensächlicher Parteigegensätze" auf Wunsch einiger Mitglieder des Cen- trumS und anwesender, zur nationalliberalen Partei ge höriger Mitglieder des Zollbeiraths umgeändert in die Worte: „innerhalb der bestehenden Parteien". Damit waren insbesondere die Einberufer wenig einverstanden, und da ferner der Passus über die Meistbegünstigungsklausel an gefochten und überdies von einem Theile der Theilnehmer darauf bestanden wurde, daß die bisherige Agitation für kurzfristige Verträge und den Antrag Kanitz auch „innerhalb der bestehenden Parteien" weiter betrieben werden solle, so fanden sich nur II Theilnehmer zur Unter schrift bereit; II andere, darunter viele landwirrhschaslliche, sowie die zur nationalliberalen Partei und zum Centrum ge hörigen, verweigerten die Unterschrift. Trotzdem werden, wie die „Post" heute mittheilt, eifrig im Lande Unterschriften von Industriellen, Landwirthen und Kaufleuten für den Auf ruf gesammelt, der zur Veröffentlichung gelangen soll. Seine Entstehung rechtfertigt das wahrlich nicht; ein Aufruf, dem nur die Hälfte der Berather zugestimmt bat, und noch dazu eine Hälfte, die sich die Fortsetzung extremer Agitation Vorbehalt, wird eher spalten als sammeln. Vielleicht gelingt ein neuer Versuch, den geschicktere Hände unternehmen, besser; vor der Unterzeichnung des nur mit Ach und Krach von einer einzelnen Gruppe durchgedrückten Aufrufs warnt die „Nat.-Lib. Corr." die Parteigenossen mit Recht. „Wahl aufrufe für die nationalliberale Partei haben weder frei- conservative noch conservalive Politiker zu sormuliren; dafür haben die nationalliberalen Wähler ihre selbstgewählten, be rufenen Organe." Die „Tculsche Tageszeitung" bescheinigt uns abermals, in der von ihr gewohnten Weise natürlich, die aufmerksame Lecture ihrer politischen Auslassungen. Sie will es nicht wahr haben, daß sie Herrn v. Ploetz in den Verdacht ge bracht, als sei ihm die Floltenfrage und mit ihr die Ver- theidigungsfähigkeit Deutschlands zur See gleichgiltig. Die „Deutsche Tageszeitung" aber hat am 17. Februar geschrieben: „Uns ist cs vollkommen gleichgiltig, ob der Reichstag ausgelöst wird oder ein natürliches Ende nimmt, ob die Flotten- frage in den Mittelpunct gerückt wird oder verschwindet. Die Stellung zur Flottenvorlage ist jedem unserer Can did aten überlassen, sie kann also weder unsere Stellung, noch unsere Erfolge irgendwie bestimmen." Unter „unö" ist der Bund der Landwirthe zu verstehen, dessen oberster Leiter Herr v. Ploetz ist. Wir fragen jeden gerade deutenden Menschen, ob die „Deutsche Tageszig." im Vorstehenden etwas Anderes gesagt hat, als daß es Herrn v. Ploetz für den Fall, daß Wahlen über das Schicksal der Marinevorlage zu bestimmen hätten, „egal" sei, ob Freunde oder Gegner des Flottengesetzes in den Reichstag gewählt werden. Trotzdem behauptet das ableugnungseifrige Organ deS Herrn Dr. Oertel, es sei ihm niemals im Traume eingefallen, solches zu schreiben. Ueber die thatsächliche Stellung des Herrn v. Ploetz zur Marinesrage läßt sich die „Deutsche Tagesztg." nicht aus, wir nehmen an, daß ihm sein Organ in leichtfertiger Weise Unrecht gethan habe. Dagegen bemerkt das Blatt, Jedermann wisse, daß Herr vr. Hahn ein unbedingter Anhänger und warmer Freund der Flotten- verstärkuckg sei. Was Herr Vr. Hahn für sich allein ist, hat gar keine Bedeutung. Für uns ist die Thal sacke maßgebend, daß dieser Herr in Hannover aus persönlichem Hasse gegen die Mitglieder der nationalliberalen Partei eifrig daran ist, Wahlsiegen der Welfen und per S o c i ald e m o k r a t e n Vorschub zu leisten, Parteien also, die die heißesten Feinde der Flottenverstärkung sind. Schließlich bestreitet die „D. T.", daß der Beamte des Bundes der Landwirthe Or. Böckel gegen einen Conservativen für den Reichstag candidiren werde. Daß der „unbedingte Anhänger der Flottenverstärkung" in Herrn Böckel einen Mann als Agitator verwendet, der, wie wir bervorgehoben, die Axt an die Wftrzel der deutschen Heereseinrichtungen gelegt wissen mochte, stellt die „D. T." nicht in Abrede. Das behält seine Bedeutung, auch nachdem die Annahme des Flottengesctzes gesichert scheint. In dem ersten wahrlich gerechtfertigten Zorn über das Attentat bat der König von ÜiricchcnlanÜ für das Buben stück die unaufhörliche Preßhetze gegen die griechische Dynastie verantwortlich gemacht. Später soll er allerdings einem Vertreter der „Times" gegenüber versichert haben, daß unmöglich ein Grieche das Attentat verübt haben könne, und daß auswärtige Machinationen an dem Mordversuche Schuld hätten. Hat der König die letzterwähnte Aeußerung wirklich gethan, so ist er rasch genug eines anderen belehrt worben, denn die Mordgesellen sind Griechen. Daß die Mitglieder des Clubs, dem sie anzehören, sich aus den niedrigsten Bevölkerungsclassen znsammensetzen, und auch Karditzi eine Art Rowdi ist, wird vfficiöS behauptet, die Tbatsache aber, daß Karditzi auf dem Bürgermeisteramt angestellt und auch der andere Mordgeselle dort beschäftigt war, spricht doch dagegen, und Zuhälter und anderes Ge sindel regen sich schwerlich über die Einführung der Finanz- controle auf. Vielmehr scheint es sich, waS wir gleich ver- mutheten, um eine Verschwörung rein politischen Charakters zu handeln, deren Fäden in höhere Kreise reichen. Ueber das Attentat sind uns noch folgende Meldungen zugegangen. * Athen, 28. Februar. Ter verhaftete Karditzi hat eingestanden, daß er seinerseits 6 Kugeln und sein Mitschuldiger 2 Kugeln nach dem Wagen des Königs abgefeuert habe. Wenn sein Genosse mehr Kaltblütigkeit gezeigt hätte, würde der Anschlag zum Ziele geführt haben. Derselbe habe aber, als der König sich erhob und seinen Stock schwang, Furcht bekommen und nicht gut zielen können. Karditzi erklärt, es sei ihre Absicht gewesen, das Leben der Prinzessin Marie zu schonen. Ihr Plan sei gewesen, zu nächst den Kutscher und die Pferde zu tödten und dann den König mit großkalibrigen Pistolen, die sie bei sich halten, zu erschießen. Die für den Kutscher bestimmte Kugel habe den Lakaien getroffen. Ucbrigens habe der König verschiedentlich die Gewohnheit gehabt, an dem Orte, wo der Ucbersall stattfand, auszusteigen und ein Stück zu Fuß zu gehen; vorgestern war er zufällig der kalten Witterung halber im Wagen geblieben. Karditzi trägt noch immer den empörendsten Cynismus zur Schau. Er ist nicht verheirathet und ohne Familie. Seine Anlezedentien sind schlechte und man wundert sich darüber, wie er eine öffentliche Anstellung hat er« langen können. Die Polizei ist aus der Spur der Genossen des Karditzi. Die aus ganz Europa hier cingetroffencn Sympathie kundgebungen wecken überall im Lande ein lebhaftes Echo. Die Kammer wird sogleich nach ihrem Zusammentritte ihrer loyalen Gesinnung feierlichen Ausdruck geben. Im Namen der Armee in Thessalien hat General Bassos dem König telegraphisch die tiefe Anhänglichkeit der ganzen Armee an dieTynastie ausgesprochen. — Die Polizei verha stete zwei Freunde Karditzi's, von denen einer sehr verdächtig ist, der Complice Karditzi's zu sein. * Athen, 28. Februar. Die Verhaftung des der Mitschuld an dem Mordanschlage gegen den König verdächtigen Mannes ist einem Soldaten zu danken, der während der Nacht in dem Hofe des Hauses, in dem der Mörder wohnt, ungewöhnliche Bewegungen be merkte und so die Polizei aus die Spur des Attentäters lenkte. Es heißt, der Mörder sei ebenfalls auf der Bürgermeisterei be schäftigt gewesen. Karditzi ist sehr niedergeschlagen, schwört aber, er werde seine Mitschuldigen nicht verrathen. Der Stadtrath hat beschlossen, an der Stelle des Attentats eine Gedächtnißcapelle zu errichten. Die Gemahlin des ermordeten Präsidenten Carnot hat an den König ebenfalls ein Glückwunschtelegramm gesandt. * Athen, 28. Februar. Die Polizei hat au dem Orte, wo der Mord anschlag gegen den König verübt wurde, eine mit Dynamit gefüllte Grube entdeckt. Die über die Genossen Karditzi's ermittelten Einzelheiten werden bestätigt. Neben dem Gefühle der sittlichen Entrüstung über das Verbrechen beschleicht übrigens den Deutschen ein gewisses Gefühl der Befriedigung über eine Thatsache recht materieller Natur: daß nämlich Deutschland sich Rußland, Frankreich und England bei der Garantirung der neuen griechischen Anleihe nicht angeschlossen hat. DaS Attentat hat wieder einmal gezeigt, wie schlecht eS auch mit den inneren poli tischen Zuständen in Griechenland bestellt ist. Wenn die Mörder ihre ruchlose Absicht erreicht hätten, welches Cbaos wäre dann in Griechenland auSgebrochen! Und wer möchte dafür einslehen, daß der fluchwürdige Versuch nicht wieder holt wird? Deutschland thut also wahrlich recht daran, nickt für die Aufrechterhaltung der Ordnung in Griechenland gut zu sagen. Eine Schwenkung Tcutschlan-S in der kretischen Gouverncurfrage kündigt der russische officiöse „Nord" in einem durch den Druck als wichtige Information gekenn zeichneten Artikel an. Zunächst weiß der „Nord" von vor läufigen Pourparlers zwischen den Mächten über die Gouverneurfrage zu erzählen. Bei diesen Pourparlers, behauptet der „Nord", mache sich eine Annäherung Deutschlands an Rußland und Frankreich bezüglich der Candivatur des Prinzen Georg von Griechenland be merklich. Deutscherseits werde die Bestellung des Prinzen zum Gouverneur davon abhängig gemacht, daß die Annexion Kretas durch Griechenland ausgeschlossen werde, und ferner, daß der Prinz sich nach Konstantinopel begebe, um die In vcstitur des Sultans einzuholen. Soweit der „Nord". Nach Erkundigungen, welche der Berliner Berichterstatter des „Hamb. Corr." anscheinend au competenter Stelle eingezogen hat, ist die wirkliche Sachlage die folgende: Bald nack den Erklärungen des StaalSsecretairS v. Bülow über die kretische Frage im Reichstage und der bekanntlich gleich zeitig erfolgten russischen Verlautbarung im „Regierungs boten" wurde von einer der Großmächte, die ihre Zustimmung zu der Candivatur deS Prinzen Georg von der Ueberein- stimmung der betheiligten Mächte abhängig gemacht hatte, die Frage angeregt, ob man die Bedenken gegen die Candivatur durch Garantien für eine den Absichten der Mächte entsprechende Verwaltung abschwächen könne. Deutscher seits wurde als eine solche Garantie bezeichnet, wenn zwei Großmächten die thatsächliche Ver waltung der Insel nach Maßgabe des seiner Zeit beschlossenen Statuts übertragen würde. Unter dieser Voraussetzung würde die Person deS mehr nominellen Generalgouverneurs schließlich gleichgiltig sein. Daß mit der unverbindlichen Anregung Deutschlands eine An näherung an Rußlands und Frankreichs Stellung vollzogen werde, wie der „Nord" behauptet, würde zutreffend sein, wenn die beiden Mächte gewillt wären, dem deutschen Vor schlag zuzustimmen, wovon bisher nichts bekannt ist. Auch anderwärts scheint der Gedanke, dessen Ausführung eine schleunige Herstellung geordneter Verhältnisse auf Kreta sichern würde, keinen rechten Anklang zu finden. In der kretischen Durch eigene Kraft. 14j Roman von Alexander Römer. Nachdruck vrrboti«. Ottilie war zu Muthc, als würde sie zu einer Hinrichtung be fohlen. Der Gsdanke, ins Herenhaus gehen, sich dort unter so seltsamen Verhältnissen präsentiren zu sollen, erschien ihr ent setzlich. Sic stammelte in ihrer Verlegenheit etwas von Dank für die hohe Gnade, aber „Wer — Sie sind blöde und fürchten sich schrecklich", die Durchlaucht lachte wieder. „Man wird Sie nicht abschlachten, Kleine, arnd Ihnen gar nichts zu Leide thun. Indessen, ich sehe die Sache kommen, wir wollen das anders einrichten. Würden Sie, liebe Eichsfeld, die Freundlichkeit haben, das Kind heute Abend abzuholen? Ja? Ah, ich danke Ihnen, Die werden uns also die kleine Schüchterne zuführen. Halten Sie sich also gegen 7 Uhr bereit, mi^nonne, L rovoir!" Die Prinzessin war aufgestanden, sie küßte huldvoll die tief sich verneigende Ottilie auf ,die Stirn und schritt, von ihrer Begleiterin gefolgt, die Stufen hinab. Man hörte ihre Helle, hohe Stimme noch von weit herüber in der füllen Morgenluft. Ottilie blieb eine Weile wie gelähmt an ihrem Platze. Es wirbelte in ihrem Hirn, das unerwartete Ereigniß überwältigte sie, sie vermochte nicht recht klar zu denken. Neben der Furcht vor der heiklen Situation, in die man sie drängte, machte sich doch auch die geschmeichelte Eitelkeit geltend. Langsam wandle sie sich jetzt um und trat in den Krug. Mutter Heidemann stand da hinter der Thür, sie hatte den Posten natürlich nicht verlassen und Alles gehört. DaS kam Ottilien jetzt erst zum Bewußtsein, und sofort knüpfte sich der Gedanke daran: was wird sie dazu sagen! Das frische Gesicht der Frau sah so weiß aus, daß sie erschrak; sie sah es, obgleich vor ihren Augen noch immer Nebel war. Frau Dori» zitterte und faßte jetzt angstvoll Ottiliens Hände. „O mein Gott!" sagte sie in einem würgenden Tone, als ob es ihr an Athem fehle, „o mein Sott! Fräulein Tilly, was »vollen Sic thun?" Ottilie zuckte die Achseln, sie faßte sich mühsam. „Ja, Mutter Heidemann, was soll ich thun", entgegnete sie mit einem schwachen Versuch, zu scherzen, „ich bin da ein nettes Schlachtopfer geworden, ich muß hingchen, natürlich." ' „O mein Gott!" wiederholte die fassungslose Frau, „die Frau Prinzessin war ja so — leutselig, so — man kann's gar nicht sagen, wie sie war, als ob sie Sie, unser Herzblatt, gleich ganz mitnehmen, ganz für sich behalten wollte. Und was sollen Sie da zwischen den Vornehmen, was wollen die da von Ihnen?" „Es ist eine Laune, Mutter Heidemann", sagte beruhigend Ottilie, welche sich mittlerweile besann und instinctiv sich ihrer Ueberlegenheit über -diese ungebildete Frau bewußt wurde. „Ich werde mich zusammennehmen und mich, so gut es geht, in die bedenkliche Lage schicken." „Wer -wenn Sie keine Lust haben, brauchen Sie doch nicht hinzugehen", meinte Frau Doris mit einem schüchternen, hilf losen Blick. „Das verstehen Sie nicht, Mutter Heidemann, der Wunsch einer so hohen Frau ist Befehl." Wie bestimmt das gesprochen wurde, solch einen Ton hatte die Krugwirthin noch nie aus ihres Herzblatts Munde gehört. „O mein Gott, was wird Ludwig dazu sagen", brach es ihr heraus. Ein lautes Räuspern hinter ihr machte sie zusammenfahren. Ihr Alter saß in der Gaststube, deren Thür offen geblieben war. Die Durchlaucht hatte ja -das ganze Haus durchstöbert, vom Milchkeller aufwärts. Sic sah sich scheu um. Auch Ottiliens Augen flogen zu der hageren Gestalt hinüber, dem faltigen, jetzt finster blickenden Gesicht hinüber, und sie er bleichte. Ja — was -würde Ludwig sagen? .^Beunruhigen Sie sich nur nicht", sagte sie hastig, und dann flog es ihr durch dm Kopf, daß sie mit den Worten ein selt sames Zugcständniß machte. Stand sie denn schon so zu ihm, daß er ein Richter war über ihr Thun und Lassen? Sich zum Gehen wendend, setzte sie hinzu: „Wie gesagt, ich werde versuchen, mich so gut es geht hindurch- zuwinden." Sie nickte, wendet« sich aber noch einmal zurück, als erinnere sie sich an eine Vergeßlichkeit, und küßte Frau Doris. Dann eilte sie wie gejagt die Stufen hinunter, über die Straße nach Hause. Die Krugwirthin stand noch eine Weile mit schlaff herab hängenden Armen da, ihre Füße waren wie Blei. Dann trat sie langsam in die Gaststube und setzte sich schwerfällig neben ihren Mann auf die Holzbank. „Mir ist der Schreck so in die Glieder »«fahren", sagte sie und s-h ihn, der unbeweglich da satz, fragend und furchtsam an. Seine Miene war ja finster wie die Nacht. Ma» sagst Du, Alter, denn dazu?" Er erhob sich steif, setzte seine kalt gewordene Pfeife bei Seite -und sagte hart: „Daß Ihr Weiber da wieder einmal zu früh gegackert habt, und daß ich Recht hatte wie immer. Geb's unser Herrgott, daß der Junge es verwindet." „So, meinst Du, Vater ?" „Ach was, ich meine gar nichts, hab' auch vorher nichts ge meint, als daß solch ein vornehm erzogenes Ding sich nur duckt, so lange ihr nichts zu Gebote steht, und daß der Hochmuthsteufel seine Krallen herausstreckt, sobald cs ein Guckloch giebt." „Vater, sie hatte aber gar keine Schuld, ich hab' ja Alles mit angehört und angesehen, sie wehrte sich, so gut sie konnte, und die Durchlaucht war gleich weg in sie — Du meine Güte. Sie ist ja zu bildhübsch und allerliebst — und wenn man's recht be denkt, daß alle Welt sie eben mag, das kann unseren Ludwig ja nur freuen." „Laß Ludwig aus dem Spiel, Alte, hörst Du", donnerte der Krugwirth. „Er hat noch nichts zu schaffen mit dem Fräulein, und dafür danke ich unserem Herrgott, Du aber hast Deinen Schnabel zu hüten, verstanden?" Dreizehntes Capitel. Frau Baronin Cäcilie hatte sich ihrer Meinung nach heute Morgen in grauer Frühe erhoben, und es packte sie das Entsetzen, als die Jungfer ihr die Nachricht überbrachte, Ihre Durchlaucht sei schon mit Fräulein von Eichsfeld ins Dorf gegangen. Sie zitterte in nervöser Erregung, und die Zoff hatte einen schweren Stand bei der Toilette. Diese Unruhe, -diese unberechen baren Einfälle der theuren Durchlaucht waren furchtbar un bequem. Es war eine unverzeihliche Verletzung ihrer Wirthinnen- pflicht, wenn sie ihren hohen Gast warten ließ. Auch die Dame der Prinzessin, Fräulein von Götting, war an solche frühzeitige Unternehmungen ihrer Fürstin nicht ge- wohnt und heut« Morgen dadurch überrascht worden. Durch laucht hatte nach ihr gefragt um halb neun Uhr deS Morgens, wer sollt« eS für möglich halten! Unter vielen Entschuldigungen eilte das Hoffräulein jetzt ihrer Gebieterin entgegen, als diese, von ihrem AuSgange heimkehrend, mit der Eichsfeld in daS Vestibül trat. „Wie kann man bei solchem Wetter auf dem Lande so lange schlafen", «rwiderte ihre Gebieterin nachlässig, ohne die Dame eine» Blicke» zu würdigen. Fräulein von GStting bitz sich auf die Sippen und wurde einen Schein bleicher. Sie war eine junge Dame von etwa 36 Jahren, der die Natur wenig Reize verliehen und die sie auch sonst nicht mit Glücksgaben auSgestattet hatte. Die Stellung bei der Prinzessin war eine Versorgung auf Lebenszeit, wenn sich ihr keine Heirath bot, und sie hatte sehr mit der Gnade oder Ungnade ihrer Herrin zu rechnen. „Wenn Fräulein v. Eichsfeld sich nicht zur Verfügung gestellt hätte", setzte die Fürstin im Weitergehen hinzu, „so hätte ich meine Morgenpromenade allein antreten können. Auf Wiedersehen, liebe Eichsfeld, unsere theure Wirthin ist wohl noch nicht sichtbar." Emily sank tief in die Knie, ein leises, trmmphirrndes Lächeln auf den Lippen. Sie war gut geschult und hatte eine glückliche Witterung für Zufälligkeiten; sie hatte heute Morgen einmal wieder den Vogel abgeschossen. Aus dem Gartensalon trat jetzt die Tante. „Durchlaucht, ich bin untröstlich —" „Ach, nur keine Entschuldigungen, liebe, angebetete Baronin Cücile, hahaha! Es hat mir köstlichen Spaß gemacht, hier alle Welt zu hintergehen — heimlich, ganz heimlich hinauszuschlüpfen und wie die seligen Lucinden und Dorinden auf der Flur zu schwärmen. Das ist ja das Köstliche, was ich hier bei Ihnen finde, die einfach ländliche Häuslichkeit." Frau Baronin erröthete leicht und lächelte mit gemischten Ge fühlen. Du lieber Gott, was für Anstrengungen hatte sie ge macht, um diese ländliche Einfachheit zu übertünchen. „Und jetzt bringe ich einen Hunger mit -wie eine Bäuerin, sage ich Ihnen." „Die Chocolade ist doch Eurer Durchlaucht servirt worden vor dem Spaziergang, hoffe ich", stammelte die Baronin schreckensbleich. „Nein, ich habe sie ja Alle hintergangcn, wie ich Ihnen sagte. Und jetzt freue ich mich wie ein Baby, mit Ihnen zu frühstücken, meine geliebte Cscile. Wo -hoben Sie daS Dejeuner ferviren lassen, auf der Terrasse? Es ist köstlich draußen, bitte, bitte, auf der Terrasse." Die Baronin fühlte sich fassungslos, sie wechselte einen schnellen, hilflosen Blick mit Emily, welche im Hintergrund stand und den prickelnden Reiz hatte, laut heraus zu lachen. Darauf war man nicht vorbereitet. Als die Prinzessin im vorigen Jahre da war, schlief sie bis Mittag und nahm stets die Chocolade in ihren Gemächern. So waren auch jetzt die Ein richtungen getroffen, es stimmte mit den Gewohnheiten der Ba ronin, die es nebenbei gar nicht dertrug, in früher Morgenstunde draußen zu sein, auch an den wärmsten Lagen. Baronin Läcilie faßte sich rasch, sie machte ihr l-ebenSnmc- dtgstes Gesicht, führte ihren Gast hinaus auf die Terrasse, auf dem Weg« dahin durch Blicke, Winke und geraunte Bcselsse die Dienerschaft in Tritt setzend. , Es war noch nicht draußen servirt worden, aber in wenft Minuten werde Alles bereit sein, und fröstelnd, halb im F'
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