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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.03.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-03-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980304023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898030402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898030402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-03
- Tag1898-03-04
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Abend-Ausgabe Smck mi- Verla, von L. Pol» 1» Leip^» Li« Morgen-AuSgab« erscheint nm '/,? Uhr, di« Wbend-Au-gabe Wochentag« nm b Uhr, Ne-artion »»- LrveLitioo: Iohanne««asse 8. Li« Expedition ist Wochentag« nnnnterbroche» «röffuel von früh 8 bi« Abend« 7 Uh«» Auuahrueschluß für Anzeige«: Nbead-LuSgabe: Vormittag« 10 Uhr. «kargea-AuSgeb«: Nachmittag« «Uhr. Vri I«t Filialen and Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Aazeißen find stet« an die Vxpeditim» t» richten. Filiale«: Ltt» Klenim'S Eorttm. (Alfred Hatz»)» Universität-strabe 3 lPaulionm), Laut« Lösche. ««tharinenftr. 14, pari, und KSrüg«plad 7t» Extra »Beilagen (gefalzt), nur mU de» Morgen »Ausgabe, ohne Postbeförderuu^ ^l SO.—, mit Postbeförderung 70.—. WM. TaMaü Anzeiger. Amtsblatt -es Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes und Polizei-Amtes der Stadt Leipzig. «uzeigen'Prei» tzie Sgespaltme Petttzeile 20 Psg» M«elamen nater dem RedacttonSstrich (4ga» fpalteu) SO-4- vor den liiamiliennackricht«« (6 gespalten) '40 Größere Schriften laut unserem Preis» »erzrichuiß. Tabellarischer und Ziffern,», nach höherem Tarif. lvezugr^Pre» G dar Hanptexpedition oder den Mr Stadt» bezirk und den Vorort«» errichteten An«- aabrstelle» ab geholt: vierteljährlich ^«.ÜO. vei zweimaliger täglicher Zustellung in« Han« SSO. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich ^l 6.—. Direcre tägliche Kreuzbandieadung in« Ausland: monatlich 7.bO. 114. Freitag den 4. März 1898. 92. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 4. März. Welchen Zweck der CentrumSsührer vr. Lieber mit seinem Anträge, die „Belastung der stärkeren Schultern" in das Flotteugcsetz hineinzubringen, auch verfolgt haben mag, jedenfalls hat er mit diesem Anträge, der gestern Vie Budgetcommission des Reichstags beschäftigte, eine große Confusion angestiftet, die größte in dem Kopfe seines Fractions- genossen Müller-Fulda, den er auf die wundersame Idee gebracht hat, zur Deckung der Kosten der Flottenverstärkung auch die Deutschen im AuSlande heranzuziehen! Worauf der klerikale Herr das Recht deS Bundesratbs und deS Reichstags, den Deutschen im AuSlande eine Steuer aufzuerlegen, gründet und wie er sich die Bei treibung einer solchen Steuer denkt, das hat er wohl weislich im Dunklen gelassen. Daraus aber, daß ein solcher Vorschlag ganz ernsthaft gemacht werden konnte und nickt sofort durch stürmisckcs Gelächter der übrigen CommissiovS- mitglieder dem verdienten Sckicksale preiögegeben wurde, geht am deutlichsten hervor, daß Herr Lieber in der Tbat durch seinen Vorschlag zu der Deckungsfrage, die durch die be kannten Erklärungen des Reichsschatzsecretairs bereits gelöst zu sein schien, eine beillose Verwirrung hervorgerufen hat. Darüber wird er sich selbst schwerlich täuschen, und da es jedenfalls nickt im Interesse des Centrums liegt, daß ein von seinem Führer als norbwendig anerkanntes Gesetz durch unmögliche Centrumsvorschläge zum Scheitern gekrackt wird, so wird er sich wohl mit dem gestern vom Abg. vr. Häm in ach er vorgescklagenen Anskunftsmittel begnügen, seinem Wunsche durch folgende Resolution Ausdruck zu geben: „Der Herr Reichskanzler wird aufqesordert, dahin zu wirken, daß, falls in Folge der Ausführung des Gesetzes, betreffend die deutsche Flotte, eine die Ueberweiiungen des Reiches an die Einzel» staaten übersteigende Erhebung von Matrikuiarumlagen nach dem Reichselat nothwendig werden sollte, die Bundesstaaten die für die Deckung der Mehrmatrikularleistungen erforderlichen Mitte! nur durch größere Heranziehung der starken Steuerkräfte aufbringen, sofern die desiallsige Verpflichtung gegen das Reich überhaupt die Erhebung »euer Steuern bedingt." Eine solche Resolution, die lediglich für einen höchst un wahrscheinlichen Fall dem Reichskanzler eine Einwirkung auf die Einzelstaateu anheimstellt, trägt dem Bedürfnisse des CentrumS, eine populäre Arabeske an dem Flottengesetze an zubringen , in genügender Weise Rechnung. Und daß der Antrag Lieber bei keiner der dem Gesetze günstigen Parteien auch nur die geringste Aussicht auf Annahme hat, geht aus den Urtheilen ter Presse dieser Parteien klar hervor. Die „Kreuzztg." beurtbeilt ihn ganz ebenso, wie wir eS gestern gethan haben, indem sie ausführt: „Ter Vorschlag des Herrn Lieber geht zunächst daraus hin, den etwaigen späteren Mehrbedarf des Reiches für Marinezwecke nicht durch allgemeine Reichssteuern, sondern durch die einseitige Be» lastung einzelner Steuerzahler zu decken. Das Wider sinnige eines derartigen Gedankens erhellt sofort, wenn man sich vergegenwärtigt, daß mit demselben Recht, wie hier die schwächeren Schultern von jeder Last frei bleiben sollen, auch die Blinden verlangen könnten, daß sie von der Aufbringung der Kosten für die Straßenbeleuchtung ausgenommen werden möchten, oder diejenigen Staatsbürger, die nickt der preu ßischen Landeskirche zugehörcn, beanspruchen könnten, daß sie zu dem durch die Erhöhung der Pfarrerbesoldung erforderlich gewordenen Mehrbedarf nicht herangezogen werden. Aber auch die zweite Seite des Lieber'ichen Antrages läßt seine Durchführbarkeit von vornherein als ganz ausgeschlossen erscheinen, insofern er dem Reiche Eompetenzen über die Bundesstaaten, die eine all gemeine Einkommensteuer erheben, zuweisen will, die diese mit gutem Rechte zurückweisen werden, während es z. B. Bayern, das keine allgemeine Einkommensteuer hat, überlassen bliebe, wie es den auf seinen Theil entfallenden Beitrag ausbrächte. Daß gerade von Seiten des Eentrums, das sich sonst in der Rolle eines ganz besonders eifrigen Hüters der Particularrechte gefällt, ein derartiger Eingriff in die Befugnisse der Einzelstaatrn geplant wird, macht den Vorschlag des Herrn Lieber um so unverständlicher." Ueber den vielbesprochenen SnmmlungSversuch, der von Mitgliedern des Wirthschaftlichen Ausschusses (Zoll beiraths), insbesondere den Herren Graf Schwerin-Löwitz und VopeliuS, ausging, veröffentlicht heute in der „Nal.- Lib. Corr." der nationalliberale Abgeordnete Möller eine Erklärung, der wir Folgendes entnehmen: „Auch ich bin der Einladung der Herren VopeliuS und Graf v. Schwerin-Löwitz gefolgt, habe die Action an sich für berechtigt gehalten, wenn von beiden Seiten die bestehenden Gegensätze in genügender Weiseeingeschränkt würden. Das ist seither leider noch nicht gelungen, aber, wie ich hoffe, noch keineswegs aus geschlossen. Ich habe daher mit der Mehrzahl der in jener Versamm lung erschienenen Industriellen und, wenn ich mich recht entsinne, von fünf Landwirthen den Aufruf nicht unterschrieben, da sonst Mißdeutungen des Aufrufs unweigerlich erfolgt wären; hat doch Herr I)r. Hahn in der Hauptversammlung des Bundes der Landwirthe diese Politik der Sammlung als eine unklare be zeichnet und zur Sammlung um den Bund der Landwirthe aufgesordcrt. Mit Männern dieser Art, deren Existenz von der von ihnen betriebenen Agitation und der Fortdauer dieser Agitation in möglichster Schärfe abhängt, ist eine solche Politik der Sammlung nicht zu betreiben, und so lange keine Garantien gegeben sind, daß Männern, die den wirthschaftlichen Frieden ernstlich suchen, nicht in den Rücken gefallen wird, wie es in dem bekannten Hildesheimer Wahl aufruf geschehen ist, werden weder ich noch meine politischen und wirthschaftlichen Freunde sich entschließen können, durch ihre Unter- schrist zu bekunden, daß sie schon die Zeit für gekommen erachten, wo die absolut nothwendige Verständigung gesunden werden kann. Sobald von der Mehrzahl der ruhigen Vertreter der Landwirrhschast aber die Präliminarien für einen Friedenschluß gebilligt werden, wird man bald zur Verständigung kommen können." Es ergiebt sich daraus, daß der Verfasser der am Mitt woch von unS mitgetbeilten Zuschrift die Bestrebungen der Herren Graf Schwerin-Löwitz, VopeliuS und Möller in völlig zutreffender Weise geschildert hat. Leider scheint die Hindeulung des Abg. Möller aus den Mangel einer Garantie gegen die Wiederkehr von Vorgängen, wie sie in HildeSkeim sich abgespielt haben, auch zu bestätigen, daß die bisherige Erfolglosigkeit jener Bestrebungen „auf das Versagen der führenden Kraft der Regierung" zurückgesübrt werden müsse, bei der Herr vr. Hahn jetzt Oberwasser habe. Daß unter diesen Umständen Herr Möller und seine Parteigenossen eine vorsichtige Zurückhaltung beobachten, kann nur gebilligt werden; denn jevenfalls würde nur Verwirrung gestiftet werden, wenn unter einem möglichst farblosen und jeder Deutung fähigen Aufrufe neben den Namen gemäßigter, die berechtigten Inter essen aller productiven Stände im Auge behaltender Männer auch die Namen extremer Agraragitatoren erschienen. Und darauf scheint jetzt das Trachten der Freunde und Gönner dieser Agitatoren gerichtet zu sein. Der Missionar Homcycr hat in der Nacht nach dem bereits gemeldeten Ueb erfüll folgenden Brief an den Conferenzvorsteber Kolleker in Canton geschrieben, den dieser am 25. Januar erhalten hat: „Das war wieder rin bewegter Tag. Wieder auSgeplündert und geichlagen. Ich kam, begleitet von einem Träger, von Tichi chin sehr früh. Hinter Konghöu trafen wir drei Leute im Alter von 20—30 Jahren, welche, wenn ich nicht irre, kurz zuvor um unS herum gegangen waren. Einer redete mich an und nannte meinen Namen. Dann sprach er über den Unterschied der Männer und Frauenkleidung. Auf meine Fragen, woher er komme und wohin er gehe, erwiderten sie, daß sie aus Kong höu seien und nach Lang theu gingen, um Geld einzusammeln. Dann gingen sie mit uns, bald vorn, bald hinten, bald in der Mitte. In Lang theu ging ich in eine Herberge, nachdem wir etwa 4 Stunden zusammen ge- gangen waren, und der Träger behauptete, sie wären auch in eine Herberge gegangen. Wir gingen dann weiter; doch nahm ich mir vor, irgendwo zu übernachten, falls sie wieder zum Vorschein kommen sollten. Wir sahen sie jedoch nicht, bis sie etwa 3 Stunden von Dinfa in menschenleerer Gegend plötzlich wieder da waren. Sie letzten uns noch über den Fluß, da kein Fährmann vorhanden war. Einer derselben gab meinem Träger Zuckerrohr zu essen. Mein früherer Verdacht begann jetzt zu schwinden. Als wir noch eine Strecke gegangen waren, hatten sie sich unbemerkt zwischen mich und meinen Träger gedrängt. Gegen 3 Ubr Nachmittags wurde ich plötzlich von hinten angegriffen. Ich drehe mich schnell um, gleite aber auf dem schmalen Wege aus und falle etwa w herab auf den am Fluß user wachsenden Bambus. Ich konnte gerade noch einen jener Menschen greifen und mit mir hinabziehen. Diesen hatte ich bald unter mir, konnte jedoch nicht den Weg hinauskommen, da ein zweiter mich von oben zu greifen suchte, während ich mit dem unter mir zu kämpfen hatte. Einmal griff ich nach ihm und wollte ihn womöglich über uns weg ins Wasser ziehen; doch da faßte mein Gegner meine Hände und ich kam zu Unterst zu liegen. Der andere holte einen großen Pfahl und schlug auf meinen Kopf. Deshalb zog ich den auf mir Liegenden über meinen Kops. Da schlug er auf meine Füße. Mein Rufen, sie sollten haben, was sie wollten, half nichts, er hieb immer mehr. Ich glaubte, sie wollten nickt Sachen, sondern mein Leben. Da plötzlich liefen sie fort. Die Sachen auS den Körben waren alle zerstreut. Zu fehlen scheinen jedoch nur die Decken und vielleicht 5 Dollars nebst einigen Hemden. Aber mein armer linker Fuß! Die Schläge am Kops und rechten Fuß fühle ich weniger; aber mit dem linkxn Fuß kann ich kaum ausireten. Darum glaube ich säst, es müsse etwas entzwei sein. Fühlen kann ich jedoch nichts. Mit Mühe schleppte ick mich etwa zwei Stunden weiter, dann war »es unmöglich Ich schickte deshalb den Träger weg. Nach langem Warten kam die Sänfte nebst Gehilfen und Colporteur, einschließlich auch etwa 20 Soldaten mit Laternen, die der Kreisrichter schickte; denn es war finstere Nacht. . . Muß nun schließen. Um 3'/, Uhr Morgens stand ich auf. Jetzt ist eS l Uhr Nachts, und ich habe emen Weg von 140 Li (14 Stunden) gemacht, mit Räubern gekämpft und Schläge bekommen. Das ist keine Kleinigkeit." Missionar Kolleker fügt hinzu: „Nach weiteren tele graphischen Nachrichten ist der liebe Bruder außer Gefahr und, von Soldaten beschützt, nach Syuyin zurückgekebrt. Herr Consul vr. Knappe ist in sehr energischer Weise für unS eingetreten und hat bei den höchsten Beamten der Pro vinz das größte Entgegenkommen gefunden. Telegraphisch erließ der General-Gouverneur seine Befehle und verlangte telegraphische Berichterstattung von den Beamten der vier betbeiligken Kreise. Auf Einlieferung der drei Uebelthäter sind Kode Preise gesetzt. Missionar Hom eher ist auf Wunsch des Consuls telegraphisch nach Canton gerufen behufs münd licher Berichterstattung." Der herausfordernde Uebermutb der weit über wiegenden Mehrzahl der franzöfischen vfstctere ist durch die im Zola-Processe ganz offen zur Schau getragene Unter würfigkeit der Gerichtsbehörden inS Maßlose gesteigert worden. Es konnte daher nicht überraschen, daß ein Haupt mann deS Generalstabes Begouen sich berauSnahm, an dcu früheren Iustizminister und Senator Trarieux, der im Processe ru Gunsten ZolaS ausgesagt hatte, einen von rohcu Beschimpfungen strotzenden Brief zu schreiben, auS dem wir Folgendes hervorheben: „ES giebt Infamien, die man züchtigen muß. Der Schänd- pfähl wartet darauf, daß Ihr Name auf demselben verzeichnt! werde zwischen dem deS modernen Judas und jene::, des pornographischen Schriftstellers, welcher in seinem Alice der Beleidiger aller edlen Dinge geworden ist. Sie sind der eifrigste Arbeiter an allen Frankreich feindlichen Werke». Ueberall, wo Franzosen kämpfen, sei es in Madagascae, sei eS in den Vogesen, ist man Lessen sicher, Ihnen als schändlichem Genossen ihrer Feinde zu begegnen, gleichviel ob es Engländer oder Andere seien. Es giebt eben geheime Sympathien unter allen Schändlichkeit»», und instinctiv muß Ihr Herz für den Berrätlier aus der Teufelsinsel schlagen. Es ist gut, daß rin Soldat Ihne» diese Dinge sagt." Der Brief schließt: „Ich bedauere, daß unsere schöne Sprache keinen Ausdruck hat, uni die Größe meiner Ver achtung auszudrücken und Ihre Feigheit zu kennzeichnen." Der Kriegsminister General Billot lehnte zunächst ab, auf die Beschwerde Trarieux' sich mit der An gelegenheit zu befassen, bis der Conseilpräsivent Mälinc infolge der Intervention des Senatspräsidenten Loubel veranlaßte, daß der Capitain einen leichten Tadel erhielt. Mit Recht wird aber diese Genugthuung nicht für ausreichend erachtet. Die Blätter der Dreyfus-Partci sind entrüstet über die Unverschämtheit BcaouenS und seine Protektoren und verlangen unter scharfen Angriffen auf den Kriegsminister, daß das ganze Parlament sich mit Trarieux solidarisch erkläre und daß in der Kammer oder im Senat ein Republikaner aufstebe, um darzuthun, das das Parlament noch nicht gesonnen sei, sein Haupt unter den Säbel zu beugen. Senator Delpech bat an seine College« ein Schreiben gc richtet, in dem diese auTgefordert werben, ihre Rechte gegen über gewissen „unverschämten Soldaten" zu wahren, die treuere Diener der Jesuiten als der Republik seien. Der von uns schon mitgetheilte Artikel des „Soleil": llesiütes ot In äietLtnro wUiträi" erweist sich denn auch in jeder Hinsicht al« zutreffend. Mit Fug wird dort zugleich auf die Gefahren hingewiejen, die sich für das französische Heer selbst auS dem mit diesem ge triebenen Götzendienste ergeben. Insbesondere wird auf den Feldzug auf Madagaskar exemplificirt, ter mit einem „unge heuerlichen" Mangel an Voraussicht organisirt worden ist, so daß man wohl verstehen müsse, „daß, wenn man die Armee über jede Kritik erhaben stelle, man sie auch unfähig oder doch viel weniger fähig gemacht habe, den Boden des Vaterlandes zu vertheidigen." Deutsches Reich. -2- Dresden, 3. März. Mit der gelegentlichen Bemerkung des konservativen Landtagsabgeordneten Opitz bei Berathung des Titels „Universität Leipzig" und der Debatte über die Frauenfrage, „daß die conservative Partei die Bewegungs freiheit der Frauen einruschränken nicht die Absicht habe, auch auf dem Gebiete deS VersammlungsrechteS nicht", hat sich in der Stellung der konservativen Fraction der Zweiten Kammer zu dem Regierungsentwurf, betreffend die Aenderung des Vereins- und VersammlungsrechteS,-eine be deutsame Aenderung vollzogen. Wie bekannt, legte die Regierung den Kammern bei ihrem Zusammentritt einen Gesetzentwurf vor, durch den gemäß dem Ver sprechen der Reichsregierung in Zukunft das Derbindungs- FsuiHrtsn Durch eigene Kraft. 17j Roman von Alexander Römer. Nachdruck vecboUn. Dem Jnspector lag daran, seine Stunde nicht zu verpassen. Er mußte durchaus den Herrn orientiren, bevor dieser seine Ge mahlin gesprochen hatte. Vielleicht war er dann mit seinen Bewilligungen für die Forderungen der Gnädigen etwas vor sichtiger. „Es thut mir leid, Herr Baron", rief der Jnspector schon im Eintreten. »Ja, ja, Ihnen und den Anderen thut es immer leid, aber dessenungeachtet werde ich ohne Ende gequält. Was ist denn nun in des Himmels Namen wieder los?" „Ebbe in der Caffe, Noth an allen Enden, Herr Baron, es ist traurig, es zu sagen, aber ich weiß mir nicht zu helfen." Und nun folgte die lange Liste von allem Mangelnden, der Bericht über die Summen, welche die neuesten, auf Befehl der Baronin geschehenen Einrichtungen gekostet hatten. „Das Geld hätte ich nothwendig für Arbeiterlöhne und Ma schinen gebraucht, die Erntearbeiten sind zurückgeblieben, weil ich all« Mann hierher senden mußte", klagte der Jnspector. „Wir halten keine Eoncurrenz, Herr Baron, wir sind mit dem Be triebsmaterial zu sehr im Rückstände. Es muß baares Geld geschafft werden." Der alte Herr fuhr sich mit einer Geberde der Verzweiflung in seine spärlichen grauen Haare, die Anton eben so sorgfältig über die Glatze gelegt hatte. „Ich habe keins — die Wechselschulden steigen mir ohnehin schier über den Kopf, den Haferkamp habe ich im vorigen Jahre schon dem Heidemann überlassen, um die Zinsschuld an ihn zu decken — wo ich sie in diesem Jahre hernehmen soll, weiß ich gar nicht. Das ganze Gut wird verzettelt." Der Jnspector zuckte die Achseln. „Der alte Heidemann ist der Einzige, der baar Geld hergeben kann, er hat'«, Herr Baron, und wenn er auch vorsichtig und zäh ist, da» Gut, das er ja besser kennt als jeder Andere, bietet ihm Sicherheit." „Heidemann?" Der Baron kraute mit bittersaurer Miene seinen Kopf. „Wissen Sie waS? Ich schäme mich vor dem strengen Gesicht deS alten ehrlichen Kerl»; der hat eS besser ver standen, der ist hier bald mchr Herr aus dem Gute al» ich." „Und doch weiß ich keinen anderen Ausweg, Herr Baron, er ist der bequemste Gläubiger." Der Baron nahm die Schriftstücke, die eine eingehendere Prüfung forderten, und winkte dem Jnspector Entlassung. Er stöhnte schwer, als er sich in seinen Rock warf. Hole der Henker die Wirthschaft, er war alt, er wollte, er konnte nicht mehr. Felix mochte aus dem Staatsdienste, in den er ja noch kaum eingetreten war, ausscheiden — er hatte ja Cameralia stuvirt — und sich hierhersetzen und wirthschaften. Diese Auf gaben erforderten eine junge Kraft. Felix, ja, Du lieber Gott! Hatte der Mensch noch eine junge frische Kraft einzusetzen? Die Jugend von heutzutage war freilich viel, viel klüger als das Alter, aber kräftiger war sie nicht. Schwerfälligen Schrittes verließ er seine Gemächer und sah heute Morgen um Jahre gealtert aus. Seine Audienz bei den Damen verlief kurz. Seine Cäcilie hatte nicht Zeit, alle ihre Anliegen vorzubringen, noch viel weniger seine schüchternen Vorstellungen über die jüngsten Extravaganzen anzuhören. Die Einladungen, die zu erlassen waren, die Berathungen für das Fest, wie es die Durch laucht wünschte, mit Aufführungen und lebenden Bildern, füllten ihren ganzen Geist aus. Es war ungemein schwierig, das Alles hübsch und paffend in so kurzer Zeit ins Werk zu setzen. Sie war ein« Heldin, sie schonte ihr« «igen« Person wahrlich nicht, sie gab all ihre Bequemlichkeit, ihre täglichen Gewohnheiten dran, um die Pflichten der Hausfrau zu erfüllen. Vor den Ohren des armen Barons summte es, in seinem Kopfe schwirrte es, als er von seiner Gemahlin ging. Er wußte kaum, was eigentlich los war und wovon die Rede gewesen. Er begrüßte die Frau Prinzessin im Salon. Sie hatte aber auch wenig Zeit für ihn übrig, sie fertigte ihn mit ein paar liebenswürdigen Reden im Scherzton ab und war augenscheinlich von Garderobefragen in Anspruch genommen. „Wozu ich hier wohl nöthig bin?" brummte der Baron, als er sich auf sein Gebiet zurückzog. Hätten sie mich doch in Homburg gelassen." Auch in dem kleinen stillen Hause neben der Mühle gab es jetzt keine Ruhe mehr. Ottilie hatte sich vorgenommen, nach dem Frühstück zu Mutter Heidemann zu gehen und ihr Bericht zu erstatten. Sie fühlte, daß sie die liebe Frau jetzt nicht vernach lässigen dürfe, und dabei war ihr das Herz sehr schwer. Sie schwebte zwischen zwei getrennten Welten. Aber ihr Besuch mußte hinausgeschoben werden. In früher Morgenstunde schon kam Klöckchen, die GarderobiSre der Frau Prinzessin, um ihr das Masi zu nehmen. Durchlaucht habe allerlei WünfHe. AräuleiaMH» 1««» «»«en Vorstellungen Mit wirken, dazu seien Costüme erforderlich, und das Nothwendige dazu sei bereits aus Berlin verschrieben. Ottilie fühlte sich aufs Peinlichste berührt, und eine innere Stimme sagte ihr, daß sie, wenn sie sich vor den Consequenzen dieser Dinge retten wolle, jetzt ablehnen müsse. Aber wie das ansangen, sie fand nicht den Muth, nicht die Form dafür. Ihr Vater, welcher gerade eintrat, machte ihrem ängstlichen Schwanken ein Ende. Er erging sich sofort in Danksagungen und Beifallsbezeigungen, die seine Zustimmung ausdrückten. Ottilie verstummte; schwankend, verlegen, hilflos fügte sie sich der über sie hereinbrechenden Strömung. So ging sie d«nn schon am Morgen hinüber zu Fräulein von Götting, um dort Stoffe anzusehen, must«rte den Vorrath in ihrer eigenen Garderobe, und ihr junger Kopf «rfüllte sich mit den blendendsten Bildern. Die Prinzessin kam und ging da zwischen, gab ihre Befehle, hätschelte sie, machte allerlei An deutungen, welche schwindelnde Gedanken weckten. Diese prächtigen Stoffe, welche sie schmücken sollten, ver- feblten nicht ganz ihren Eindruck auf sie, die Phantasie arbeitete, Perspectiven öffneten sich, vor denen sie die Augen schloß. Uebermorgen schon sollten die Aufführungen stattfinden, die Proben vorher füllten die Zeit, es bliöb kein Moment zum ruhigen Nachdenken. So verging der Tag und sie sah Niemand von den alten Freunden. Am nächsten Morgen quälte sie das Bewußtsein ihrer Untreue so, daß sie zu früher Stunde, ehe die große Hetze wieder anging, yinüber eilte. Mutter Heidemann empfing sie anders als sonst, sie hatte ein ganz fremde» Gesicht. Die einfache, keiner Verstellung fähige Frau kämpfte mühsam, weil sie keine Veränderung zeigen wollte, es gelang ihr schlecht. Auch Ottilie ran« oeraeben» nach dem alten Ton. Konnte sie binnen zwei Tagen so verwandelt sein, der hrimathliche Zauber, den diese« Hau» für sie gehabt hatte, war verschwunden. Der alte TabakSgeruch in der Gaststube, di« bäuerliche Atmo sphäre fielen ihr auf, sie wagte nicht, nach Ludwig zu fragen. Da trat er vom Hofe kommend auf die Diele. Eie erschrak deftig. WaS war mit dem geschehen? Die blühende Gefichts- farbr erschien fahl, die Züge warm streng und hark, da» freund» liche Auge kalt und matt. Sie eilt« auf ihn zu und reichte ihm die Hand. Er be rührte sie lose und wich ihrem Blick aus. Die Krugwirthin machte jetzt Entschuldigungen, daß sie Ottilie nicht in die Stube genöthigt habe, aber der Herr Baron sei gerade bei ihrem Manne, sie Hätten Geschäfte miteinander, da könne sie nicht stören. Ob sie einstweilen in die Gaststube treten wolle, es sei im Augenblick Niemand darin. Ottilie zauderte. Sie wollte ungern gleich wieder gehen und den Anschein wecken, als habe sie nur eine lästige Pflicht erfüllt, sie stand verwirrt und Frau Doris besann sich und sagte: „Wir können übrigens auch hier in Ludwig's Zimmer treten." Ludwig runzelte die Stirn und öffnete die Lippen, als wolle er Einspruch erheben, aber Ottilie ging schon auf die Thür zu und sagte hastig: „Ach bitte ja, wenn es erlaubt ist." Es überkam sie plötzlich die Furcht, dem alten Baron zu be gegnen, was sie sehr zu vermeiden wünschte. Aber ihr ward auch dies nicht erspart. Sie hörte schon Stimmen hinter sich und erblickte den gebeugten Kopf des Gutsherrn, der mit dem Krugwirth zu ihnen auf die Diele trat. Der Bacon sah blaß rind verfallen aus und schien sie gar nicht zu bemerken. Er grüßte nur flüchtig, schüttelte dem Krugwirth die Hand, und sie hörte ihn halblaut sagen: „Ich dank« Jhnrn, Heidemann, Sie helfen in schweren Zeiten, ich vergesse Ihnen das nicht." Ottilie sah unwillkürlich auf Ludwig, dessen Mienen finster wie die Nacht waren, und sie trat rasch über die Schwelle in sein Zimmer. „Wir könnten jetzt hirtWrr geh«n", sagte er hinter ihr. Er hatte bisher noch milcht gesprochen, und sie zuckte zu sammen unter drm heiser veränderten Klang seiner Stimme. „O, bitte, lassen Sie ckich hier", bat sie leise, während sie die mit Büchern und Karten bedeckten Wände musterte, diese ganze puritanisch« Einrichtung, in der jedes bequem«, der Ber- weichlichung dienende Möbel fehlte. Es war weit eher die Zelle eine« bediirfnitzlosen Gelehrten, als die eines LandwirthS. Ihr Auge fiel auf physikalische Jn- strumnte, in einer Ecke w« ein Apparat angebracht, den sie nicht kannte, d«r wohl ,u Experimenten diente. ^Wollen Sie sich nicht fetzen?" sagte er. Sie folgt« mechanisch seiner Aufforderung. „Ich wollte Ihnen erzählen von den Erlebnissen dieser Loge", sagte sie plötzlich mit einem gewissen Freimuth, „jetzt ist mir hier, als könnte ich es nicht." „Das glaub' ich Ihnen, Sie sind nun zu vornehm geworden für uns geringen Leute", platzte Mutter Heidemann heraus. Ludwig legte seine Hand auf ihren Arm. „Nicht so, Mutter", sagte er ernst, „Fräulein Ottilie, darf iH eine Frage thun?"
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