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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.03.1898
- Erscheinungsdatum
- 1898-03-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189803131
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18980313
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18980313
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-03
- Tag1898-03-13
- Monat1898-03
- Jahr1898
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.03.1898
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Vezug-'Pret- dir Hmepterp^tNo» ob« de» k» Stadt« iqlrk »ud de» Vororte» errichtete» A»S- gabesirllni ab geholt: vierteljährlich ^4ckO, bei zweimaliger täglicher Zustellung tn- t>aus S.50. Durch dir Post bezöge» für reutlchlaad und Oesterreich: viertel,Lhrlich >tl Ü.—. Dtrrcte tägliche Krellzbaodiendung 1»- Lutland: monatlich 7.SO. Die Morgeo-Au-gabe erscheint mn Uhr, di» Lbend-Lutgab« Wochentag- um b Uhr. Redaktion und Lrveditiou: Aohanue-gaffe 8. Die Expedition ist Wochentag- »nunterbrochr» geöffnet von früh 8 bl- Lbrnd- 7 Uhr, Filialen: ktta Klemm's Sortim. (Alfred Hahn), Uuiversität-strabe 3 (Pauliaum), Laut- Lösche, ikatharineustr. I-, pari, »ad König-Platz 7. UciWgtr.TaMalt Anzeiger. - Ämtskkalt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Aatljes und Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. «nzetgerr-VreiD die 6 gespaltene Petitzeile LV Pfg. Reklame» unter dem Rrdaktioa-strich (4g»> spalte») 50^, vor de» FamUieunachrtchte» (Kgrspaltea) 40 Gröbere Schriften la»t unserem Prei-- verzeichnib- Tabellarischer und Ztffrrnsatz nach höherem Tarif. Extra-veilagen (gefalzt), nur mü der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung SO—, mit Postbesörderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: vormittags 10 UhL Marge »-Ausgabe: Nachmittag» 4Uhr. Bei den Filialen und Aunahmestelleu je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet» a» die Expedition zu richte». Druck «ad Verlag von L. Polz in Leipzig 1LS. Sonntag den 13. März 1898. 82. Jahrgang. Aus der Woche. Nun soll e- Ernst werden mit den Reichstagswahlen oder dock zunächst mit der politischen im Gegensätze zur ge werbsmäßigen Agitation. Der Meldung, daß die Wahlen in der Zeit von Mitte bis Ende Juni stattfinden sollen, wird, wie wir aus Berlin hören, fast allgemein Glauben geschenkt. ES beißt, innerhalb der Regierung habe ein Kampf über Früh sommer und Spätherbst stattgefunden und zu Gunsten deS früheren Termin- geendet. Auch wir nehmen an, daß eS dabei bleiben werde. Da aber die Verschiebung einen sehr einfluß reichen Fürsprecher im preußischen Ministerium hat, so liegt eine Aenderuna de- Vorhabens nicht im Bereiche der Unmöglich keit. Hoffentlich erfolgt sie nicht. Mit Ausnahme Derjenigen, die die Dauer eine- WablfeldzugS unter dem Gesichtspunkte seiner Einträglichkeit betrachten, werden Alle froh sein, wenn die Wablleidenschaften so früh als möglich zur Ruhe kommen. Die Wahl deS Juni-TermiuS hätte noch den Vortbeil, daß sie das Wiederaufleben der staatsrechtlichen Controverse über die Geltungsdauer der Mandate bezw. über dir Zulässigkeit einer reichstag-losen Zeit Verbindern würde. Noch früher wäre an sich noch bester, allein der Wieder zusammentritt de- jetzigen Reich-tagS nach Ostern ist nicht zu vermeiden, und deshalb können die Neuwahlen nicht wohl früher als zwei Monate nach dem Feste angesetzt werden. Ein sehr großer Tbeil der Abgeordneten candidirt wieder, und von diesen wäre durch ein anderes Verfahren gerade das bessere Element benachlheiligt, dasjenige nämlich, ras sich durch Reichstags verhandlungen von der Wahlbewegung, wenn diese auf ihrem Höhepunkte sich befindet, fern kalten lasten würde. Nach Ostern sind noch wichtige Dinge zu erledigen. Ob dahin auch die Marinevorlage gekört, ist noch nicht ganz gewiß, aber höchst wahrscheinlich. Das Zaudern mit be jahenden Voten dieser Art war von jeder Centrumspolitik. Und diesmal dürfen die Herren Lieber, Gröber u. s. w. mit doppelter Sicherheit darauf rechnen, daß, wenn man nur Zeit zum Zögern gewinnt, den Centrumswählern der Lärm über das „verbliebene Streitobjekt" langweilig, sehr lang weilig werden wird. Vielleicht will man auch die Folgen der Romreise des Cardinal-Kopp abwarten und bauscht daher die MeinungSdifferrnz künstlich auf. Der Streit über die Kosten deckung wäre im schlimmsten Fall ein solcher über ein paar Pfennige auf den Kopf der Bevölkerung, nach Lage der Finanzen aber ist er ibalsächlich ein Streit um de« Kaisers Bart. Die ersten Schiffsbauraten au- dem Flottengesctze sind ja in der Budzetcommission im Etat für 1898 schon bewilligt und werden demnächst auch im Plenum genehmigt werben. Eine härtere Nuß ist die Militairstrafproceßordnung, deren Schwierigkeiten freilich weniger im Reichstag al» zwischen den Regierungen der zwei größten Bundesstaaten schweben. Im particularistisch-klerikalen Lager hat man ein Interesse, die Bedeutung auch dieser Differenzen zu übertreiben. Ist hier doch sogar schon dem bayerischen Ministerium der Todienschein mit der Militairstrafp»oceßordnung als Ursache des Ableben- au-gestellt worben. Freiherr v. Crailsheim steht aber noch ganz fest, und die erwähnte Angelegenheit wäre auch am wenigsten geeignet, seine Stellung zu er schüttern, da er sich darin in voller Uebereinstimmung mit dem Prinz-Regenten befindet. Eben um dies« Tbatsache zweifelhaft erscheinen zu lasten, ist der bayerische Gesandte in Berlin, der ja in der ReickStagScommission den Stand punkt des Münchener Hofe- srbr entschieden vertreten bat, als Nachfolger de« bayerischen Ministerpräsidenten bezeichnet worden. Hoffentlich macht eine Verständigung allen der artigen Treibereien ein baldige- Ende. Vielleicht kommt sie leichter zu Stande, wenn Preußen sich deS VortheilS bedient, den Bayern genießt, nämlich den eine- diplomatisch geschulten, bedächtig abwägenden Unterhändler«. Eine dritte wichtige Aufgabe, die des Reichstags nach Ostern noch harrt, ist die Erledigung der I u st i zgese tze, deren Zustandekommen eine Vorbedingung des Inkrafttretens deS Bürgerlichen Gesetzbuches am bestimmten Termine, dem l. Januar 1900, bildet. Dieser Erfolg ist nun am Donnerstag unerwarteter Weise in Frage gezogen worden. Der Reichstag bat ungeachtet der dringlichen War nung deS preußischen Justizministers in das Gesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit die Bestimmung gebracht, daß bei Beurkundungen ein Dolmetscher zuzuziehen ist, falls ein Betbeiligter nach seiner Behauptung oder nach der Behauptung eines anderen Bctheiliglen der deutschen Sprache nicht mächtig ist. Die Regierung batte schon in der Commission dargetban, daß die Annahme des Antrags der nationalpolnischen Propaganda Vorschub leisten und die Polen nicht nur im Nordosten, sondern im ganzen Reiche, namentlich aber in Westfalen, veranlassen winde, die Richter zu zwingen, in zahllosen Fällen unter Zuziehung eines Dolmetschers zu verhandeln. Herr Schön stedt gab sich im Plenum die größte Mühe, dem Reichstage den wabren Charakter deS von socialdemokratischer Seite ein gebrachten Antrags zu enthüllen. Er zäblte insbesondere eine große Reihe von Fällen auf, in denen Polen und Polinnen vor Gericht erwiesenermaßen ihre Kenntniß der deutschen Sprache unter Umständen verleugnet haben, die ein kaum mebr ehrend zu nennende- Zeugniß deutscher Langmutb dar stellen. ES half aber nickiS. Zwar wagte außer mehreren Polen und dem Antragsteller Niemand die Sanclionirung eines argen und gefährlichen Unfugs zu vertheidigen. Aber gestimmt haben für den Antrag auch die freisinnige Volkspartei und die große Mehrheit des Cent rums. Mit einigen anderen Klerikalen trennte sich aber der zweite Vicepräsident deS Reichstages, Spahn, von seiner Partei. Sehr erklärlich. Herr Spahn ist Richter im Westen und war der tbäiige und erfolgreiche Vorsitzende der ReichS- tagS-Commission für das Bürgerliche Gesetzbuch. Das Jns- lebcntretcn dieses Gesetzes ist aber durch den Zusatz deS Reichstages ernstlich gefährd:». Herr v. Schönstedt hat die- erhärt, und die Negierungen w. rden ihn nicht desavouiren. ES war die dritte Lesung, in der der Reichstag dieses Meisterstück fertigte, der Fehler ist also vorerst nicht mebr gut zu machen. Doch wird er Wohl noch rechtzeitig dadurch reparirl werden können, daß dem nächsten Reichstage das Gesetz aufs Neue und in der Fassung der Regierungen am fraglichen Puncte zugebt. Dann wird selbst Herr Richter, wenn ihn die Wablen wiederbringen, »über den Stock springen", um in seiner Sprache zu reden. Denn das Bürgerliche Gesetzbuch wollen auch die Freisinnigen im Lande sehr ernstlich. Wäre e« anders, so Kälte Herr Richter vor zwei Jahren eine gegnerische Stellungnahme seiner Partei durchgedrückt. Anläufe dazu bat er wiederholt unternommen. Die Abstimmung am Donnerstag war wohl nichts als der Ausfluß de- AergerS darüber, daß gleichzeitig im preußischen Abgeordnetenhaus« das Ansiedelungsgesetz für Posen und Westpreußen seiner endgiltigen Annabme entgegensab und in der Beratbung desselben die freisinnigen Verräiher am deutschen VolkSlhum nach Gebühr behandelt worden waren. Der Freisinn ist überhaupt sehr ungehalten. Die Marine- Angelegenheit verläuft in seinen Augen schief, der Ansturm gegen da- Materielle der Militair-Strafproceßordnung ist kläglich ausgegangen und die Politik der Sammlung, namentlich aber dir nativnalliberale Erklärung, ist der Linken äußerst fatal. Die Leute, die an dem Charakter und der Bedeutung der letztgenannten Kundgebung herumdeutrlten, hätten sich die Müde sparen können. Sie brauchten sich nur die WulhauSbrüche der Freihändler anzuhören, um zu wissen, daß der nationalliberale Commentar zum wirthschaftlichen Aufruf dem Friedensschlüsse nicht entgegen ist. Gerade die Mittellinie, auf der sich die Erklärung bewegt, ist dem Freisinn das Verhaßteste. Zur Zeil selbst obmnächlig, er wartet er Alles von einer Reaclion, die ein Obsiegen der extremen Agrarrichtung allerdings Hervorrufen müßte. Sie dürfen eS nickt sagen, aber die Vorbehalte, die die Erklärung nach rechts macht, sind der „Freisinnigen Zeitung" un angenehmer, als die Unvereinbarkeit der Kundgebung mit den manchesterlichen Grundsätzen und Plänen. Deutsches Reich. * Berlin, 12. März. Die „Berl. Pol. N." schreiben: „Nachdem der Bundesralh in seiner Plenarsitzung vom Donnerstage die kaiserliche Verordnung über die Inkraft setzung der Gewerbeordnungsnovelle vom 26. Juli 1897 an genommen Kat, ist mit Sicher beit darauf zu rechnen, daß die materiellen Bestimmungen des Handwerksorganisationsgesetzes zu ihrem größten Tbeile am l. April d. I. in Kraft treten werden. Ausgenommen werden davon hauptsächlich die Be stimmungen über die Handwerkskammern sein, was erklärlich wird, wenn man bedenkt, daß die letzteren erst geschaffen werden können, wenn ihre Grundlage in den freien Innungen, den Zwangsinnungen, Gewerbevereinen rc. möglichst vollständig vorbanden ist. In der Presse begegnet man nun hier und da der Auffassung, als ob, wenn das Gesetz in Kraft gesetzt wird und wenn, wie es gleichfalls vor dem April als sicher anzuseben ist, die Normalstaiulen vom BundeSratb veröffentlicht werden, von den köderen Ver waltungsbehörden überall die Arbeiten zur Bildung von Zwangsinnungen oder wenigstens zur Befragung der be- theiligien Gewerbetreibenden ausgenommen werden würden. DaS Gesetz legt den höheren Verwaltungsbehörden weder diese Pflicht auf, noch giebt es ibnen ein Recht dazu. Im Gesetze ist vielmehr ausdrücklich vorgesehen, daß die höheren Ver waltungsbehörden sich erst dann mit der Frage der Er richtung eslier ZwangSiunung befassen, wenn ein Antrag Be theiligter d. h. der betreffenden selbstständigen Gewerbetreiben den vorliegt. Es wird also durchaus nicht nach dem 1. April in allen Bundesstaaten von Seiten aller höheren Ver waltungsbehörden die Errichtung von Zwangsinnungen er okücio in die Wege geleitet werden, sondern die Frage wird nur da acut werden, wo Anträge einer größeren Anzahl Handwerker vorliegen. Zur Stellung solcher Anträge wird man natürlich in Regierungskreisen eine bestimmte Frist geben. Es ist aber selbstverständlich, daß diese nicht allzulang sein kann, weil der eigentliche Abschluß der Organisation, der durch die Handwerkskammern herbei geführt werden soll, nickt zu lange ausgesckoben werden kann. Diejenigen Handwerkscorporationen, welche sich in der Zeil bis zum Erlaß einer zweiten kaiserlichen Verordnung und der darin ausgesprochenen Inkraftsetzung auch des Restes der Gewerbeordnungsnovelle vom 26. Juli 1897 bilden, werden sich an der Zusammensetzung der erstmaligen Handwerks kammern betheitigen können, später zu Stande kommende nicht." * Berlin, 12. März. Ketzereien des „Genossen" Eduard Bernstein über dir Aussicht auf einen baldigen „Kladderadatsch" sind innerhalb der Socialbemokratie zwar bekämpft, aber nickt durckweg mit sonderlicker Ent rüstung ausgenommen worden. In der jüngsten Nummer dir „Neuen Zeit" polemisirt Bernstein abermals gegen die Meinung, nach der eS eine Frage kurzer Jabre ,ein soll, wann der kommunistische Socialismus die Erbschaft der kapi talistischen ProduclionSordnung anlritt. Bernstein ist u. A. der sehr vernünftigen Ueberzeugung, daß die moderne Lohn arbeiterschaft nicht die Maste mehr ist, die im „Commu- nsttischen Manifest", diesem unantastbaren Dogma der marxi stischen Doctrinaire, vorausgesetzt wird. Große Schichten beben sich nach Bernstein aus dieser modernen Lohn arbeiterschaft zu kleinbürgerlichen Existenzverhältnissen empor, und andererseits geht die Auslösung der Mittelstände viel langsamer vor sich, als sie da- Manifest sich vollziehen sieht. DaS eherne Lohngesetz ist von Marx selbst verworfen, der regenerirende Einfluß der Fabrikgesetzgebung auf die Lage der Arbeiter von ihm selbst constatirt worden. Bernstein meint, daß der Staat oder die oberste Vertretung der Nation, die in einer Nevolutionsepocke alle Hände voll zu thun und den Kopf voller Sorgen hätte, wahnsinnig sein müßte, wenn sie sich dann auch noch neue Aufgaben so schwieriger Natur wie die Einrichtung und Coutrolirung umfassen der staatlicher Produclionsstätten in Masten auftaven wollte. Bernstein fragt, ob der Drang nach Geoosten- schaftSbildung denn wirklich so groß und kräftig sein würde, wie es von früheren Socialisten vorausgesetzt wurde. Abgesehen von den Consumgenosscnschaften, die auf einem anderen Blatt ständen, seien die Erfahrungen hier noch immer sedr bescheiden, obwohl den Arbeitern Geldmittel in ansehn lichem Maße zur Verfügung ständen. Käme die Social demokratie ans Ruoer, so würde sie den Capita- liSmuS vorerst nicht entbehren können, wenn nicht eine totale Stockung des GeschäftSlebenS ein treten solle. Aller historische Materialismus helfe über die Tbatsache nicht hinweg, daß es die Menschen sind, die ihre Geschichte macken, daß die Menschen Köpfe haben und daß die Disposition der Köpfe keine so mechanische Sache sei, um lediglich durch die Wirtbsckaftslage regiert zu werden. Lächerlich sei es, nach 50 Jahren noch mit Sätzen deS „Communistiscken Manifestes" zu argumentiren, die ganz anderen politischen und socialen Zuständen als den heutigen entsprächen. „Ich habe auch einmal", sagt Bernstein, „an jener interessanten Krankheit (der socialistischen Kataslrophitis) gelitten, aber ick bin längst von ihr zurückgekommen... . Ich bin der Ueberzeugung, daß die bürgerliche Gesellschaft noch beträchtlicher Ausspannung fähig ist und daß die Production und da- Geschäft innerhalb dieser Gesellschaft noch manche Formveränderungen durchmachen können, ehe diese völlig zusammenbricht. So haben z. B. die großen Waarcnhäuser mehr auf die Methoden der kleineren und mittleren Geschäfte zurückgewirkt, als sie sie abforbirt haben." Man- sieht aus alledem, daß Herr Eduard Bernstein über eine ganze Reihe verständiger Ansichten verfügt. — Den Masten werden natürlich genau dieselben Trugbilder vorge führt werden wie bisher. E. Berlin, 12. März. (Telegramm.) Der Kaiser machte heute Morgen um 8 Uhr vom Generalstabsgebäude aus einen Spaziergang durch den Thiergarten. Um 9 Uhr hörte er den Vortrag deS Chefs deS Generalstabs v. Schliessen und daran anschließend den Vortrag deS Chef- de« Mikitair- cabinets v. Hahnke. Um 12 Uhr besichtigte er die maritime Ausstellung im Zeughaus. Nachmittag- um 2»/. Uhr fand eine Besprechung ve« KriegSspielS im Apollo-Saal de« königl. Schlosses statt. Mittags um Il/i Ubr fand im königl. Schloß eine FrühstückStafel aus Anlaß de« Geburtstage« de-Prinz regenten von Bayern statt, zu welcher geladen waren: der Reichskanzler Fürst zu Hobenlobe, der StaatSsecrelair von Bülow, der Chef deS MilitaircabinetS, der Ebef de« CivilcabinetS, der Chef deS Marinecabmet-, der bayerische Gesandte Graf von und zu Lerchenfeld rc. (-) Berlin, 12. März. (Telegramm.) Da« EtaalS- ministertum trat heute um 3 Uhr Nachmittag« unter dem Vorsitze de- Fürsten Hohenlohe zu einer Sitzung zusammen. FeiriHstsn. Voldrenken. „Sagen Sie einmal, geehrter Herr und Freund", redete mich «in Bekannter auf der Straße an, „da sebe ich im Schaufenster von Hübner in der Grimniaischen Straße goldige geräucherte Fischchen, größer wie Sprotten und kleiner wie Bücklinge, mit der Länge nach aufgespaltenen Bäuchen, in denen Sperrbölzcken stecken. Neben der Scküffel mit den Fischchen ist eine Etikett», darauf steht geschrieben „Golbrrnkcn au- dem Traunsee". WaS ist da-, da« müssen Sie doch wissen?" — Ja, ich weiß »S, kenne aber dir Dinger nicht unter dem Namen, der mir eia Pbantasiename zu sein scheint. Renken sind eS allerdings und zwar dir Art derselben, die gewöhn liche Sterbliche in Bayern „Renke" schlechtweg, in der deutschen Schweiz aber Gangfisch oder Blaufelchen und am Neuenburger See palSs nennen. Felchen ist nicht etwa rin Verkleinerungswort und r« heißt auch nickt daS, sondern der Felchen. Tie Umwohner de« Traunsee- ini Calzburgiscken baden für Blaufelchen den Namen „Rbeinanken", und die Wissenschaft nennt ibn nach einem Schweizer Naturforscher de« vorigen Jahrhundert« mit dem Artennamen ^artmanni und mit dem Gattung«namen Carogonas. Beim alten Vater Ge-arr beißt er „weiße, Bläuling" und „Adelfisch", dir ganze Sippe der Renken aber „Albulen". Vom Adelfisch sagt er ausdrücklich, er sei der allerrdelste, beste und köstlichste der Aldulen, sein Fleisch sei gesund zu essen und „verursacht und gebiert ein löblich Geblüt". Als», Brrebrtester, kaufen Sie nur einen tüchtigen Posten „Goldrrnken" für sich und Ihre Familie, denn der Fisch ist nicht nur gesund, sondern edel, beinabe sogar adelig. Ge-ner fügt noch hinzu: „sie werden am Rauch gedörrt, werden also allerlei Fürsten und Herrn fürgrtragen". Man wußte also schon vor viertehalbhundert Jahren den auf dies« Weise zubereiteten Fisch zu schätze». Alle Felcheuartrn »eigen sehr zur Bildung von Varietäten und Localrassen, »ad manche Naturforscher, di« zu der Sorte der „Zersplitterer" gehören, machen aus diesen besondere Arten, so au- dem Blaufelchen oder der Rbeinanke de« TraunserS eine Ooregonus Kteimladmerl, den man mit wissen schaftlicher Höflichkeit nach einem der bedeutendsten Fischkenner Oesterreichs benannt bat. Wir Naturforscher von der Sorte der „Bereiniger" seben aber eben nur Localrassen, aber keine Arten in jenen verschiedenen, nahe mit einander ver wandten Formen. Nach unserer Meinung giebt eS in Deutschland nur fünf Arten von Renken: den Blaufelchen, den Kilch (Oorogonns biemalis) oder Kröpfling, die große Maräne (Oorogonug lavaretus), die kleine Maräne (Öore- gouu8 alkula) und den Scknäpel (Loroaonns oxy- rbynokns). Die beiden letzteren finde» sich in Norddeutsch land, Schweden, den Ostseeprovinzen u. s. w., der Kilch <m Boden- und Ammersre und al« gruvsmkv auch im Genfer see. Die große Maräne tritt in zwei Rassen auf: al« eckte Maräne (6. lavarotus) in Pommern, Mecklenburg und Schweden, und als Bodenrente (Ovregonns keru) in den Seen der Schweiz und Tirol«. Die e>Kere ist ein Wanderfisch, brwobnt die KVstengewässer der Ostsee und steigt, um zu laichen, in die Flüsse und in die benachbarten Süßwasserseen. Die Alpenraste dürste stellenweise wohl auch au- den Seen in die in diese fick ergießenden Gewässer zur Fortpflanzungszeit übertreten, gebt aber nie in da« Meer. Tie Rheinanken de« Traunsee« schwimmen z. Tb., um zu laichen, den Traun fluß hinauf bis Jsckl, andere bleiben aber im See. Der Blaufelchen de- Bodensee«, der sogenannte Gangfisch, dring», wir r« scheint aber auch nur zum Tbeil, zu demselben Zwecke in den Rhein zwischen Eonstanz und Ermatingen. Auch der Schnäpel steigt von der Nord- und Ostsee in di« Flüsse auf, in den Rhein di« Köln, wahrscheinlich einzelne bi« Straßburg, in di« Wes«, bi« zur Vrreinigungdrr Werra undFulda, in die Elbe einzelne bi« Torgau, in die Oder bi« Schwedt rc. Die kleine Maräne bewohnt die Seen de- nordöstlichen Deutschland, von Holstein bi- Niederschlesien, und wandert, um zu laichen, von einem in den anderen. Tie Gattung der Renken umfaßt 41 wissenschaftlich feststehend« Arten und eine nicht unbedeutende Anzahl von Localrassen. Ihrer Verwandtschaft nach gehören sie zu den LachSfischen oder Salmoniden, zu denen von deutschen Fischen noch der Lachs, die Lachs-, die See- und die Bach- oder Steinforelle, der Saibling (Alpenseen), der Hucken (Donau di- Ulm), der Stint und die Aesche gehören. Tie LackSsische haben eine schlanke Gestalt, ihr Körper ist entlang der Bauch seite nicht kantig, sondern abgerundet und mit kleinen runden Sckuppen bedeckt, der Kopfist schuppcnkos. Sehr charakteristisch ist eine oben auf dem Rücken, kurz vor dem Anfang des SckwanzeS, hinter der großen Rückenflosse gelegene sehr kleine Flosse, die keine Knochenstrahlen enibält und unter dem Namen Fettstoffe bekannt ist. Das Maul der Salmoniden ist obne Bartfäden. WaS die Renken im Besondern angeht, so unterscheiden sie sich von den eigentlichen Lachsen dadurch, daß sie gleich mäßig, oben dunkler, an den Seiten und unten Heller, silberig, nach den Arten etwa- verschieden gefärbt, aber nickt schwarz oder rotb gefleckt sind, und daß sie ein viel kleinere-, zahnloses Maul und eine tiefer ausgeschnittene Schwanzflosse haben. Wenn die Fischchen bei HUbner'S im Schaufenster goldig au-sehen, so ist daS eine Folge des Räuchern«, daS wohl auch den mir sonst nirgend- vorgekommrnen Namen „Goldrenken" veranlaßt haben mag. Die Nahrung der Renken besteht, wie die aller LachSsischr, auS lebender tvirrischer Kost, und daber sind sie so wohl schmeckend, denn alle nur fleisckfreffendru Fische sind viel befferschmeckend als die gemischte-, oder gar rein pflanzliches Futter genießenden. E- wurde bervorgrboben, daß die Renken, obgleich sie Raubfisch« sind, keine Zäbne haben; wo solche etwa dock Vorkommen, sind sie äußerst klein und fallen bald au«, haben also für dir Thiere gar kein« Bedeutung und ge- kören z» den sog. „rudimentären Organen", wie unser« Obr- niuSkelo. Ern Naublbier und keine Zäbne, oder sagen wir lieber, keine Beißwerkzeuge? Da- klingt wunderlich. Nun da« ist eS auch, kommt aber öfter« vor. Die Sache bei den Renken ist folgende: sie ernähren sich bauptsäcklich von winzig kleinen KrebScken, von Hüpferlingen und Wafferflöben, die da« Wasser stellenweise in ungeheuren Mengen bevölkern Sie schöpfen riese« Wasser mit ihrcm Maul« auf und zugleich dabei Tausende jener winzigen Tbierchen, wir wir die Graupen, wenn wir Graupensuppe mit dem Löffel essen. DaS Wasser fließt aber bei den Fischen durch di« seitlichen Kiemenspalten ab und die kleinen Organismen bleiben im Maule zurück. Damit das aber geschehen kann, muß eine besondere Vorrichtung getroffen sein, und um deren Wesen verständlich zu machen, ist e« nöthig, daß wir unS einen frischen oder geräucherten Fisck, nur keinen Aal, am besten sonst einen Flußfisch, einen Karpfen, Bückling oder dergleichen darauf auseben, der Kopf genügt schon. Hinter dem Auge und vor und über den Vorder- oder Brustflossen haben die Fische an jeder Kopfseite eine backen artige Platte, da« ist der Kiemendeckel. Nach hinten stehl er ein wenig ab, und wir können ibn hier etwa- lüsten, so daß er noch mehr abstebt, und wir unter ihn sehen können. Da bemerken wir ein eigenartige-, bei lebenden und ganz frisck- gelödtelen Fischen blutrotheS, bei schon länger gelödteten blaßrotbeS und bei den geräucherten Bücklingen braun auSschauendeS Fransenwerk. Da- sind die in der Laien welt sogenannten „Fischohrrn", bei uns Leuten von Fach die „Kiemen", deren Färbung zur Abschätzung der Frische todter Fische mit Reckt dient. Diese Kiemen sitzen jederseitS auf vier Kiemenbogen, gekrümmten Knochen stäben, deren concave Seite schräg nach innen und vorn, deren convexe, die die Kiemen trägt, nach außen und hinten gerichtet ist. Die Zwischenräume zwischen den Kiemenbogen ' setzen sich in die Mundhöhle fort, so daß deren Wand von vier Spalten durchbrochen ist und sie selbst auf diese Art mit der Außenwelt in Zusammenhang tritt. Beim Athmen nimmt der Fisch da- Maul voll Wasser, dem mechanisch atmosphärische Luft und damit Sauerstoff beigemisckt ist, und hält die Kiemendeckel geschlossen, so daß da« Wasser in die daruntergelegene Kicmenböhle und auf d^Kiemrn gelangt. Dann bebt er die Kiemendeckel, und da- Wasser, daS seinen Sauerstoff an die Blutgefäße in den Kiemen abgegeben und dafür Kohlensäure ausgenommen hat, strömt nach außen ab. Bei solchen Fischen nnn, die wie die Renken und die Heringe sehr kleine Organismen genießen, die mit Leichtigkeit durch dir inneren Sienirnspalte» entschlüpfen könnten, find die Kiemenbogen an der Innenseite recht- und link- mit feinen, lange» zabnartigen Bildungen besetzt: hei de» gewöhnlichen, in den Alpensren weitverbreiteten Bodenrenkea stehen recht« und link« am erste» Kiemenbogen je 22, am zweiten 21, am
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