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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.03.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-03-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980314024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898031402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898031402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-03
- Tag1898-03-14
- Monat1898-03
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VezugS-Prei- «d Vlk HOIft»«-P«dit10» »ft«« d» 1» Et«ft»< b«ztrk m» d«, v«r«r»«a erricbteten >»». gab»stellen abg«holt: viertrljLdrlich^S.SO, bei zweimaliaer täglich« Z»ft«ll»»g in» Han» K.S0. Durch dir Poft bezogm für Deutschland und O«stttrrich: vierre>;öhrlich » . »irenr »gliche Kreuch andirud»»g ft» In-lrnft: »muttlich 7b0. Di» Morgen-Au-gab« erscheint um '/,? llhr. di« Sbrud-Au-gab« Wochentag» m» L Uhr. Nedarttou »«- Lrveditiou: A»ha»nr»-assr 8. VieExvebitiou ist Wochentag» «nnatsftroch« M»sf«» von früh 8 bi» «be»d- ? Uhr. FiN-leu: vtt« Rle««'» korti». (Alfreft Hah»X Universität-strah« 3 lPaulinom), e»«t« Lisch«. Sacharin««ftr. 1t. h«t. »ad K-ntg-plaft ft. 1A. Abend-Ausgabe. KlWigcrTagMalt Anzeiger. Ämlsblatt des Lönigkichen Land- und Ämtsqerichles Leipzig, des Rathes und Notizei-Ämles der Lladt Leipzig. Montag den 14. März 1898. Vn-ergen'Prer- die S gespaltene Petitzeile SS Pfß, Mtklamrn unter dem RedactionSstrich (4g» spalten) üO^Z. vor den Kamilieuuack>ricbt« (6 gespalten) 40ch- Größer« Schriften laut »aserem P»i»- verchichaiß. Tabellarischer und Atfferujatz »ach höherem Tarif. Extra-Veilagkll (gesalzt), nnr mit b« Morgen <> Ausgabe, ohne Postbesörder»»»' ^l M.—, mit Postbesörderuog ^l 70.—^ Iinnahmeschluß str Änzeige«: Ab «»d-Ausgabe: Lormfttag» 10 Uhr. Riorgru-Au-gabe: Nachmittag» 4 Uh«. Bei de» Filialen und Annahmestelle» je et»» halbe Stund« früher. Anzeigen find stet» an di« Expeditia» zu richte». Druck »ad Verlag vo» L. Polz tu Leipzig S2. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 14. März. Wenn auch der Tag, an welchem die ReichStagSwahlcn stattfinden sollen, noch nicht feststeht, so muß doch, wie beute die „Nat.-Lib. Corr.", jedenfalls auf Grund zuverlässiger Informationen, versichert, mit der Tbat- sache gerechnet werden, daß die maßgebenden Stellen dahin einig sind, die Wahlen mit oder unmittelbar nach Ablauf des Mandats de- gegenwärtigen Reich»tage» vornehmen zu lassen. Auö äußeren Rücksichten wird nach dieser Quelle als Termin ein Tag der dritten Iuniwoche angesetzt werden, damit auch di« Stichwahlen noch vollzogen sein können, ebe Anfang Juli die Schulferien beginnen. Unter diesen Umständen sind die Wahlvorbereitungen nun schleunigst znm Abschluss« zu dringen, so daß nach Ostern der Wahl kampf auf der ganzen Linie ausgenommen werden kann. Die Eentralleituna der national liberalen Partei hat demgemäß Vorkehrung getroffen, daß alsbald nach Ostern der allgemeine Delegirtentag veranstaltet werden kann, welcher da- Wahlprogramm der Partei zu beschließen hat. Der Ccntralvorstand der Partei ist auf nächsten Sonntag einberufen, um die end- giltiaen Beschlüsse darüber zu fassen. Der zur Vorbereitung des DelegirtentageS bereit» im Spätherbst vorigen Jahres niedergesetzte Ausschuß wird als Termin den Sonntag nach Ostern und als Ort für die Abhaltung de» DelegirtentageS Berlin in Vorschlag bringen. Der frühe Termin wird mit Rücksicht darauf vorgeschlagen, daß alle folgenden Sonntage (mit Ausschluß des Pfingstsonntag» sind e» nur noch 6—7) für die Wahlthätigkeit innerbalb der Kreise frei bleiben müssen. Auch fällt der Sonntag nach Ostern noch in die Schulferien, so daß eS manchem VertrauenSmanne, der sonst durch häusliche oder berufliche Pflichten abgehalten wäre, noch möglich sein wird, den Delegirtentag zu besuchen. Für die Wahl de» Orte» spricht in diesem Falle, daß die auf den 17. April folgende Woche die wichtigsten parlamentarischen Entscheidungen mit sich bringt, daß also die Abgeordneten ohnehin um jene Zeit vollzählig in Berlin sich versammeln werden. Der Anschuß zur Vorbereitung de- DelegirtentageS hat in einem Rund schreiben bereits aufgefordert, daß jeder Obmann in seinem NeichstagSwahlkreise unverzüglich die Wahl der Delegirten her» beiführen möge. DerAuSschuß betont in dem Rundschreiben aus drücklich, wie dies auch 1896 schon geschehen ist, daß auf daS preußische Verein-recht strengstens Rücksicht zu nehmen sei, weshalb er selbst nur mit Personen, und zwar in jedem Reichstagswahlkreise nur mit je einem Obmann, in keiner Weise aber mit Vereinen oder sonstwie mit Organisationen der Partei in Verkehr treten könne. Selbstverständlich wird auch in Sachsen, wo die Abänderung des Vereins- und BersammlungSrechtS noch in der Schwebe ist, da- geltende Recht streng befolgt werden müssen. Wir unterstützen daher den Wunsch deS Ausschusses, daß die von ihm zugezogenen Obmänner sich unverzüglich „in geeigneter und durch das Gesetz gestalteter Weise" mit anderen Gesinnungsgenossen innerbalb ihres Wahlkreises in Verbindung setzen, um die Delegirten zu benennen, und wir hegen das Vertrauen, daß die mit dem Delegirtentag bezweckte Sammlung und Kraft tigung der nationallibrralen Partei in vollkommener Weise erfolgreich durchgeführt werden kann. Darüber, daß von den Agitatoren des Bundes der Landwirthedie „Politik »er Sammlung" erschwert werde, liegen auchheute wiederKlagen vor. So wird berichtet, daß eS im NeichstagSwahlkreise Hameln diesen Agitatoren gelungen sei, dem bisherigen nationalliberalen Vertreter einen Gegen- candidalen in der Person des Hofbesitzers Holzgreve gegen» überzustellen und dadurch die Gefahr eines welfischen oder socialdemokratischen Wahlsieges heraufzubeschwörrn. Der „Hann. Cour." schreibt darüber: AuS dieser „Tbat" der extremen Agrarier des Wahlkreises Hameln .... ersieht man aufs Neue, welcher Art die „Samm- lung" im Hahn'schrn Sinne ist. Wir bedauern nur, daß l)r. Habn und sein Anhang, ihrem Handeln entsprechend, nicht offen den Nationalliberalen und — soweit sie in Fragge kommen — Freiconservativen, also den nationalen Parteien unserer Provinz einfach erklären: „Entweder ihr unter werft euch völlig der Hahn'schen Interpretation der „Sammlung", oder wir stören eure Kreise und arbeiten Len Socialdemokraten und Welfen in die Hände." DaS wäre wenigstens ehrlich gebandelt; denn die ganze Agitation deS Bundesdirectors in der Provinz Hannover bezweckt nichts Anderes, als hannoversche Wahlkreise extremen, einseitigen Agrariern in die Hände zu spielen, unter allen Umständen aber wenigstens den jetzigen national gesinnte» Mandats inhabern ihre Wahlkreise zu entreißen, selbst auf die Gefahr, daß letztere Labet in die Hände der Socialdemokraten oder Welsen fallen. Und eine solche „Revolverpolitik" nennt vr. Hahn dann »och gar eine „Politik der Sammlung!" Und dafür, daß auch die Conservaliven Anlaß haben, über die Versuche des Herrn vr. Habn, seine Interpretation der „Sammlung" den Candidaten aufzunötbigen, sich zu be schweren, spricht folgende Auslassung der „Conservaliven Correspondenz": „In der ostpreußischen Generalversammlung des Bundes der Landwirthe erklärte dessen Director, der Abgeordnete vr. Hahn, „da der wirthschastliche Ausschuß dem bekannten Aufrufe keine be stimmte Deutung gegeben habe, wolle der Bund ihn tntrrprettren, damit nachher nicht pflaumenweiche Männer kommen, die mit all gemeinen Redensarten sich um die entscheidenden Punkte herumdrücken wollen; der Bund müsse ihre Eandidaten dem wirthschastlichen Drclarationszwange unterwerfen." Wir wollen dahingestellt sein lassen, ob diese Aeußeiung taktisch klug war; jedenfalls aber geht sie von unrichtigen Voraussetzungen aus. Erstens ist der Aufruf nicht von dem wirthschastlichen Ausschüsse, sondern von Mitgliedern desselben ousgegangen, dann aber bedarf dieser Ausruf gar keiner bestimmten Deutung; denn er verlangt eine Sammlung derjenigen Elemente, welche eine nationale WirthschastSpolitik im Sinne de» Fürsten BiSmarck, einen Schutz der nationalen Arbeit unter gleichmäßiger Berücksichtigung aller Zweige deSErwerbs leben- und damit einen friedlichen Ausgleich der verschiedenen Interessen haben wollen. In diesem Sinne haben sich die Führer des Bundes der Landwirthe und hat insonderheit Herr vr. Hahn selbst sich wiederholt ausgesprochen. Wenn die Leitung deS Bunde- der Landwirthe im Rahmen ihrer Competeuz al- Interessenvertretung nach wie vor die speciellen Vortheile der Landwirthschasi im Auge behalten will, so ist dagegen nichts einzuwenden, daS werden die Interessenvertretungen anderer ErwerbSzweige ebenfalls sich nicht nehmen lassen. Den politischen Parteien aber wird es gerade unter solchen Verhältnissen mehr als je obliegen, den oben erwähnten Ausgleich herbeisühren zu helfen; denn nur auf diesem Wege wird auch der Landwirthschasi eine Erfüllung ihrer be rechtigten Wünsche auf genügenden ProductionSschutz gewähr- leistet werden können. Die konservative Partei hat in Dresden durch Herrn Freiherrn v. Manteuffel auf das Be stimmteste kund gethan, daß nach wie vor darauf gehalten werden wird, unabhängige und entschiedene Männer al» Abgeordnete heranzuziehrn, welche auf dem Boden einer nationalen WirthschastS- Politik stehen; es möge aber nicht überseben werden, daß eine Partei, die die Pflege ihrer idealen Ziele in den Vordergrund stellt, niemals zu einer Interessenvertretung werden darf. DaS würde ober geschehen, wenn sie sich dazu hrrgrben wollte, die Unterwerfung ihrer Abgeordneten unter «inen „Declarationsz w ang" — von welcher Seite er auch immer versucht werden möge — zu dulden." Mit solchen Klagen und kalben Drohungen ist aber nichts gethan, was dem Treiben des Herrn vr. Hahn und seiner Gehilfen Einhalt thun könnte. Soll daS geschehen, so wird man sich entschließen müssen — und zwar schleunigst —, aus den Reihen derjenigen Parteien, welche die Politik der Sammlung unterstützen, einen Ausschuß von Männern zu bilden, die aufrichtig einen Schutz der nationalen Arbeit unter gleichmäßiger Berücksichtigung aller Zweige deS Erwerbslebens erstreben und denen die Aufgabe zufällt, in allen Fällen, in denen über die Candidatenfrage ein Streit entsteht, eine Vermittelung zu Gunsten desjenigen Candidaten herbeizuführen, der einen friedlichen Ausgleich der Interessen redlich will. Da zum Bunde der Landwirthe auch Männer gehören, die weder zu den conservaliven Parteien noch zu den Nationalliberalen sich zählen, so könnten auch einige dieser Männer zu dem Ausschüsse zugezogen werden; der Bund könnte sich dann über zu geringe Belheiligung nicht beklagen. Um so entschiedener müßte aber auch von ihm ge fordert werden, daß er den Vermittelungsvorscdlägen sich unterwirft und seine auf eigene Faust opcrirenden Agitatoren zur Ordnung ruft. Die dem Centrum angehörigen Bundes mitglieder werden bei der Sammlung kaum ins Gewicht fallen, denn fast die gesammte klerikale Presse erblickt in der Sammlung eine Gefahr für das Cenlrum, das aus seiner ausschlaggebenden Stellung berausgedrängt werden solle, und warnt daher ihre Anhänger vor der Unterzeichnung deS Auf rufs zur Sammlung. Die „Köln. Volksztg." schließt ihre Warnung folgendermaßen: „Ein Cartell soll wieder herrschen. Sehr lieb wäre es Herrn v. Miquel, wenn er zugleich erreichen könnte, daß die Confervativen und die Freiconservativen eine Mehrheit für sich allein bilden könnten. Im Reichstage ist daS nicht g»t möglich; darum braucht man dort nothwendig die National liberalen; dagegen sind diese vielleicht so gutmüthig, sich selbst im Abgeordnetenhause auszuschalten, indem sie den Conservaliven noch zu den paar Mandaten Helsen, die ihnen an der Mehrheit fehlen. Die Crntrumspartei wird bei den Wahlen Alles daran setzen müssen, eine Cartrllmrhrheit im Reichs- tage und eine conservativ-fretconservattoe Mehrheit im preußischen Abgeordnetenhause zu verhindern." AuS China bringt der Telegraph fast! jeden Tag Nach richten, welche das ganze Interesse der übrigen Cultur- welt in Anspruch nehmen. Wie der bekannte Weltreisende Eugen Wolff dem „Berliner Tageblatt" auS Peking meldet, beabsichtigt die Kaiserin-Mutter von China demnächst die Eisenbahnlinie von Peking nach Tientsin zu besuchen. Diese Entschließung der bekanntlich einflußreichsten Persönlichkeit am Pekinger Hofe ist von großer Wichtigkeit für die Entwickelung deS Eisenbahnwesens in China. Sie zeigt, daß vor der herein dringenden Culturwelt des Abendlandes, auch die chinesische Mauer der Vorurtheile und deS passiven Widerstandes, die bisher am höchsten und stärksten um den Kaiserpalast in Peking war, Stück für Stück niederzusinken be ginnt. Zu den in China beabsichtigten Bahnbauten wird ferner auS Rom berichtet, nach einer Meldung aus guter Quelle hätte China bereits Rußland die Er- laubniß zur Fortsetzung der sibirischen Bahn bi- Port Arthur ertheilt. England werde von China Com- pensationen erhalten, Japan dagegen im Mai nach Be zahlung der ersten Nate der Kriegsentschädigung Wei-Hai- wei räumen müssen, widrigenfalls eS sich wiederum der selben Coalition wie nach dem letzten Kriege gegenüber sähe. DaS scheint unS sehr glaubhaft; dagegen dürfte sich die Meldung nicht bewahrheiten, nach welcher der englische Ge ¬ sandte beim Tsung-li-Damen gegen dir Abtretung Port Arthurs formellen Protest eingelegt haben soll. Die jetzigen Ereignisse sind nur die nothwendigen und auch in London längst vorauSgesehenen Folgen von Prämissen, deren Eintritt England sich seiner Zeit nicht widersetzt hat. Durch den Abschluß deS Vertrages vom 8. September 1896, durch welchen die Russisch-chinesische Bank daS Recht erlangte, die sogenannte chinesische Ostbabn zu erbauen, hat die Pekinger Regierung die ganze Mandschurei politisch und militairisch an Rußland ausgelieferl. Diese Bahn, welche die Station Onon in Sibirien mit Nikolskoje nächst Wladiwostok im Ussuri- gebiete zu verbinden bestimmt ist, soll ausschließlich durch russische Ingenieure gebaut werben, welche ebenso wie die Bahn selbst durch die eigene Polizei der Gesellschaft beschützt werden. Der Bau der mandschurischen Bahn hat bereits begonnen und wird von sieben Sectionen auSgeführt. Den Schutz dieser Bau- abtheilungen besorgen russische Soldaten und Kosakeu. So bat Rußland schon jetzt ein ansehnliches CorpS in der Mandschurei sieben, daS den an den Grenzflüssen Amur und Shilka befindlichen Truppen als Avantgarde dienen könnte. Die Eisenbabnbau-Ingenieure sind meist russische Officiere, die genaue Karten und Pläne der nach dem Süden gegen Peking führenden Anmarschlinien ausgenommen haben. Die schlecht bewaffneten und undisciplinirten chinesischen Horden, welche sich in den mandschurischen Garnisonen befinden, kommen gegenüber den tüchtigen russischen Truppen umso weniger in Betracht, als sie von den Mandschuren Wegen ikrer Erpressungen und Räubereien gehaßt werden. Die Russen würden in der ganzen Mandschurei als Befreier be grüßt werben. Aus der Wiederholung der Peftunruhen in Indien läßt sich ersehen, daß die Engländer sich die trüben Erfahrungen vom vergangenen Jahre und von 1893 nur wenig zu Herzen genommen haben. Der Aufstand von Donnerstag, der sieben Eingeborenen und mehreren Soldaten daS Leben gekostet Hot, mag durch die zeitig ergriffenen militairischen Maßregeln wohl für den Augenblick gedämpft sein, der Mißmuth der Bevölkerung über die Maßregeln der britischen Behörden zur Bekämpfung der Pest dauert aber ungeschwächt fort, und e- ist gewiß ein sehr verdächtiges Zeichen, daß die Hindus bei dieser Gelegenheit gemeinschaftliche Sache mit den Muhamedanern gemacht haben. Für die Anhänger deS BrahminiSmuS wie des ISlam ist es eben ein Greuel, daß ihnen der britische Herrscher mit Gewalt seine eigenen gesellschaftlichen und gesund- beitlichen Ansichten, namentlich aber seine Art der Behandlung von Frauen aufzuzwingen sucht. Auch in diesem Falle handelte es sich wieder um eine eingeborene Patientin, eine Muhamedanerin, die auf höheren Befehl aus ihrer Wohnung fortgeschafft werden sollte. Kein Wunder, wenn fromme Brahminen, die ihre eigene Mutter mit Händen anzutasten zaudern würden, Steine ergreifen, um die Diener deS Gesetzes in die Flucht zu treiben. Die sanitäre Begrenzung und Ausrottung einer verheerenden Seucbe ist gewiß eine verdienstliche Ausgabe, sie sollte aber mit Menschlichkeit, Schonung und Geschicklichkeit zur Aus führung gebracht werden, sonst dürste die Herrschaft Derer, die ihr Joch so unsanft auf den Nacken geduldiger Unterthanen legen, eine« Tage« plötzlich ein Ende nehmen. Die bedenklichste Seite derPest istnicht der große Verlust an Menschenleben,sondern die unabsehbare Schädigung deS wirthschastlichen Lebens die nicht Bombay allein, sondern den ganzen indischen Handel an der Westküste betroffen hat. Im vorigen Jahre ,st fast die Hälfte aller Einwohner, gegen 400 000 Leute, meist Händler und Gewerbtreibende, auSaewandert und auf Monate hinaus der heimgesuchten verödenden Stadt fern Durch eigene Kraft. L4j Roman von Alexander Römer. Nachdruck »«rdolin. Er war ihr näher getreten und beugte sich tiefer zu ihr herab, sein heißer Athem wehte über ihr« Stirn. Sie trat zurück und trat hinter den Wall von Büchern. .Hoheit, ich habe mich noch nie beklagt." „Beklagt — za Du lieber Gott, Sie arme- Dinq, man weiß ja, wie es hier zugeht. Aber Sie werden eS mir nicht einreden wollen, daß Ihre blühende Jugend nicht nach Anderem verlangte, al» was Ihnen hier zu Gebote steht. Seien Sie nicht un° gemüthlich, Fräulein Röpke, wir sind hier ganz unter uns, und auf Ehre, waS mich anlagt —" "Höhnt'." Ottilie war nahe daran, zu läuten und «inen Eclat zu machen, ihre Empörung erstickte sie fast, da öffnet« sich zu ihrer grenzenlosen Erleichterung die Thür und der Lakai erschien in derselben. „Der Herr Baron von Waldfiätten bittet um ein paar Minu ten Gehör, er hat im Auftrage der Frau Prinzessin dem Fräulein eine Mittheilung zu machen. Ottilie holte tief Athem. „Sagen Sie dem Herrn Baron, daß ich ihn im grünen Eck zimmer erwarte. Ich bitte um Beurlaubung, Hoheit, Sie hören, ein Befehl von Durchlaucht. Wollen Sie di« Gnad« haben, in den kleinen Salon zu treten —" Prinz Anton biß sich wllthend auf die Lippen. War da» ein abgekartetes Spiel zwischen den Beiden? Dieser fatale Wald stätten, er haßte ihn ohnehin, und lange schon hatte er auf eine Gelegenheit gewartet, bei der Kleinen zum Ziele zu kommen. Zum Teufel auch, das reizende spröde Ding mußte doch zu ködern sein, Zeit, Geduld, Gelegenheit führen endlich überall zum Sieg. Diese Unterbrechung war ein hinterlistiger Streich. Ottilie eilte, ohne sich weiter um ihn zu kümmern, mit stolzem Schritt an ihm vorüber, daS Mädchen hatte etwa» Vornehmes, Schwebendes im Gang und in der Haltung; sie konnte Airs an nehmen wie «ne Königin. Langsam und widerwillig trat er auf den Korridor hinaus, an dem harrenden Lakai vorüber, der hinter ihm di« Thür schloß, und lehnt« dann mißmuthi- am Kaminsims in dem kleinen Salon, wo der Theetisch schon servirt war. Gleich nach ihm erschien Fräulein von EichSfeld, welche Felix, dessen Wagen ihr in der Einfahrt begegnet war, bereits hier vermuthetr, und ihre Augen spähend umhergleiten ließ. Der Prinz begegnete ihr sehr nachlässig, beinahe unritterlich, und erwies sich völlig unempfindlich gegen daS Kreuzfeuer ihrer Augen. Felix und di« Röpke fehlten — WaS bedeutete das? Auf eine von ihr hingeworfene Bemerkung klärte der Prinz sie durch die lässig gegebene Erwiderung auf: «Ihr Herr Vetter besitzt das Talent, allerhöchste Aufträge für bequem« Fälle in Bereitschaft zu halten, wenn ein erwünschtes tSts L Ms zu bewerkstelligen ist. Wollen Sie es auf sich nehmen, im grünen Eckzimmer zu stören?" „Ach so!" sagte Emily und lachte, aber ihr Gesicht ward grün unter dem Puder und ihr« Augrn schossen Blitze. Im grünen Eckzimmer stand Felix in ruhiger Haltung, als Ottilie mit glühenden Wangen und allen Zeichen großer innerer Erregung eintrat. ' „Herr Baron —" Sr lächelte. „Habe ich es recht gemacht und Sie erlöst?" Sie sah ihn dankbar an und nickte. „Ich dachte mir'», al- der Lakai mir meldete, der Prinz sei auf Ihrem Zimmer. Das ist frech, sagte ich mir, und ergriff die Initiative. Einen Auftrag Abe ich natürlich nicht, unter richten Sie Durchlaucht, sobald Sie können, sie wird Sie wohl schützen. Er hatte ihre Hand ergriffen und küßte sie ehrerbietig, sie etwa» länger in der seinen haltend, als unumgänglich nöthig war. Durch ihren Kopf flogen rasche Gedanken. Sie fühlte sich ihm sehr verpflichtet, er war der Sinzig« hier, der fürsorgend ihrer gedachte, der ihr schützend zur Seite stand. Die Worte der Prinzessin vorhin, „uneigennützige Freunde giebt e» nicht", hallten ihr plötzlich in den Ohren, und die An deutungen, welche sie später hinzufetzte. Eine Blutwelle schoß ihr in» Gesicht, sie kühlte sich verwirrt, und sie war doch sonst diesem Manne gegenüber so ruhig. „Ja, Durchlaucht wird mich schützen", sagte sie hastig, „ich hatte schon vorhin eine Unterredung mit ihr, in der ich An deutungen machte — meine Stellung hier ist sehr schwierig, aber ich werde jetzt rücksichtslos vorgehen —" „Halt! Rücksichtslos muß man nie vorgehen im Leben, gnädige» Fräulein", fiel er ihr mit seinem leichten Lachen in» Wort, „dabei zieht man meist selbst den Kürzeren. Lieber den Feind zu Rücksichtslosigkeiten treiben. Wenn Sie schon An deutungen gemacht haben, so lassen Die es dabei bewenden, dann reimt sich die Frau Prinzessin Alles von selbst zusammen. Die hohe Dame ist erfahren auf dem Gebiet, und im Uebrigen — ruhig Blut, Märchen — Sie sehen wirklich wie ein Märchen aus in den weißen Spitzenhüllen mit der frischen Ros« im Gürtel. Wollen Sie mir di« Rose spenden zum Lohn für meinen Ritter dienst?" Er sah ihr tief in die Augen, ein fremder Ausdruck lag auf seinem Gfficht, etwas Weiches, WehmüthigeS, was gar nicht zu seinem Wesen und Charakter stimmte. Sie zögerte einen Moment, dann löste sie die Rose vom Gürtel und reichte sie ihm, er hatte sie verdient. Er preßte sein« Lippen darauf und steckte sie in sein Knopfloch, ein Blitz von Leidenschaft flammte in seinen Augen auf, im nächsten Moment wandte er sich ab und stellte eine Frage. „Es soll nach dem Thee wieder Sitzung gehalten werden, wie ich sehe, und Cousine Emily soll also noch einmal als Medium fungiren", sagte er. „Ehrlich gestanden, das wird langweilig, wir kommen mit Emily nicht weiter, ich schlug der Prinzessin vor, zu warten, bis die Neapolitanerin, die Eusapia, kommt —" „Glauben Sie allen Ernstes an di« Resultate dieser Experi mente?" unterbrach sie ihn. „Es ist mir lieb, daß ich Sie emmal unter vier Augen darnach fragen kann. Bis jetzt ist doch nur ganz Unwesentliches erzielt, was sich bei tieferer Untersuchung vielleicht erklären ließe." Er wandte sich zu ihr und blickte ihr ein paar Sekunden in die Augen, als wolle er dort etwas studiren, dann zuckte er di« Achseln. „Vieles bleibt unerklärlich", sagt« er, „wir sind hier ja im intimsten Zirkel unter unS, wo kein Betrug walten kann." Er hielt inne, auf ihren Mienen spiegelt« sich etwas, als ob sie nicht mit seiner Ansicht übereinstimme. Sie dachte an Emily, und wie sie diese jeglichen Betruges fähig hielt, auch großer Ge schicklichkeit — als sie gewahrte, daß er sie scharf beobachtete, senkte sie die Augen. „Ich halte wenigstens einstweilen jeden Betrug für ausge schlossen", fuhr er langsam fort, „aber ich finde ebenso, wie Sie, die Resultate gering und unwichtig und warte auf höhere Offen barungen." „Sie glauben also an die Möglichkeit solcher Offenbarungen?" „Mein gnädiges Fräulein — meine GloubenSfähigkeit ist überhaupt sehr gering, damit habe ich immer zu rechnen, und es wundert mich wirklich, daß Sie, gläubige Seele, Zweifeln Raum gaben. Im Grund« — lassen Sie «» mich Ihnen -«stehen — tadele ich es, daß man Sie in den mystischen Kreis gezogen hat, Sie sind zu jung für diese Dinge. Sie waren der Prinzessin als Thrilnehmerin bequem, die Gotting konnte sie nicht ge brauchen, aber für Ihre jung« Phantasie ist es reichlich schwere Kost." „Mit mir wird geschoben, wie es Anderen bequem ist", sagte Ottilie bitter, bereute aber dann da» Wort. Mitleid wollte sie nicht erwecken. Er schwieg — und in diesem Augenblick hörte man den Wagen der Prinzessin vor das Portal rollen, sie verfügten sich Beide in den kleinen Salon, wo Felix die wüthend-feinseligen Mienen des Prinzen und die flammenden Anklageblitze Emily'S mit stoischem Gleichmuth ertrug. Im kleinen Theezirkel herrschte ein zwangloser Ton, alle steifen Elemente fehlten, auch die langweilige Götting, und die Prinzessin war in brillanter Laune. Sie gewahrte bald den mißmuthigen Ausdruck in Prinz Antons Menen und machte sich ein Vergnügen daraus, ihn zu reizen und zu necken. Er besaß nicht ihren schlagfertigen Witz, und darum endeten solche kleine Scherzplänkeleien stets mit seiner Niederlage. „WaS für einen geheimnißvollen Auftrag hast Du denn Baron Waldstätten für Fräulein Röpke ertheilt, Tante Ada?" fragte der Prinz plötzlich und sah dabei hämisch herausfordernd auf Felix, dessen Gesicht völlig unbewegt blieb. Prinzeß Ada hob überrascht den Kopf, ihr entging der gereizte Ton des Neffen nicht, und bei ihrer raschen Musterung begegnete sie einen flehenden Blick Ottilien», deren Wangen «in ver- rätherischeS Roth färbte. Baron Felix sah ihr fest ins Gesicht mit einem humoristischen Zug um den Mund. Ein Ritter ohne Furcht und Tadel, dachte sie, und combinirte blitzschnell. Mignons Äußerungen vor ein paar Stunden gaben ihr einen Anhalt. Da war etwas vorgefallen, die beiden Leutchen, der Waldstätten und das Märchen, schienen einig zu sein. Ihr war das eine sehr erfreuliche Entdeckung. Bis so lang hatte sie eigentlich noch wenig über ihres Schützlings Zukunft nachgedacht, heut« erst, al- die Galanterien deS albernen Neffen für das schöne bürgerliche Mädchen, für das sie sich doch gewissermaßen verantworltich gemacht hatte, ihr in ein bedenkliches Licht gerückt warm, hatte sie unbehagliche Ge danken daran geknüpft. Das konnte gefährlich für die Kleine werden. Jung war sie, Fleisch und Blut hatte sie, eitel war sie natürlich auch wie jede Evastochter, und der Anton war ein schrecklicher Leichtfuß. Wenn auch nur ihr Rus litte, schade wär's. Ein paar Minuten auf dem Wege nach dem Opernhaus« hatte sie darüber nachgedacht und war zu dem Entschluß gekommen: ich muß da« Mädchen derheirathen.
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