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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.03.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-03-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980316027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898031602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898031602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-03
- Tag1898-03-16
- Monat1898-03
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Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Zissernsatz nach höherem Tarif. Extra-veilaqen (gefalzt), nur mit dm Morgen-Ausgabe, ohne PostbeförderunU 60.—, mit Postbesördernug 70.—v Annahmeschluß für Anzeigen: Ab eud.Ausgabe: vormittag« 10 Uhr. Ktorgen»AoSgabe: Nachmittag« «Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet« an die GxhedttiyB zu richten. Druck and Verlag von E. Pol» in Leipzig 135. Mittwoch den 16. März 1898. 92. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 1«. März. Die Hoffnung, daß der Reichstag bei der zweiten Lesung der Milttairstraf-rocetzordnuug stets beschlußfähig sein werde, hat gestern einen argen Stoß erlitten: die Sitzung mußte vorzeitig abgebrochen werden, weil sich bei der ersten nament lichen Abstimmung, die glücklicherweise erst um 5 Uhr statt sand, herausslellte, daß nur 188 Abgeordnete von 399 an wesend waren und somit das HauS nicht beschließen konnte. Außerdem läßt sich aus dem Verlaufe der Beralhung schließen, daß zwar infolge der bestimmten Haltung der Centrums partei eine Mehrheit für das Gesetz wesentlich auf der Grund lage der Commissionsbeschlüsse vorhanden sein, aber die so wichtige Reform erst nach scharfen Debatten und fort- gesetzten ObstructionSversuchen derfreisinnig-socialdemokratischen Opposition unter Dach und Fach kommen wird, ganz ab gesehen von den auf conservativer Seite noch vorhandenen Bedenken. Nachdem gestern der preußische Kriegs Minister— der Reichskanzler war zugegen, ohne in die Discussion ein zugreifen — nochmals die Stellung der preußischen Heeres verwaltung dargelegt und im Allgemeinen die ComnnssionS- vorlaze, ausgenommen im Puncte der Zusammensetzung der Kriegsgerichte und der Zulassung der Rechtsanwälte, als Basis einer Verständigung acceptirt hatte, trat der Abg. Gröber, der Führer der CentrumSpartei in der Commission, in entschie denster Form für das Gesetz ein. Der süddeutsche Redner wandte sick speciell an die Bayern mit der Feststellung, daß die Vorlage nach den Commissionsbeschlüssen nicht nur gegenüber dem preußischen und dem württembergischen Rechte einen enormen Fortschritt bedeute, sondern auch das bayerische hinter sich lasse. DaS war beim 8 1, bei welchem die äußerste Linke vergebens den Versuch erneuerte, die zur Disposition gestellten Officiere von der MilltairgerichtSbarkeit zu eximiren. Beim ß 2, in welchem der Abgeordnete Munckel und die Socialdemokraten die Reserve-Officiere hinsichtlich der Duelle dem Militärgerichte entziehen wollten, wurde nun von dieser Seite ein concentrirter Angriff gegen den Abg. Gröber und die CentrumSpartei gerichtet, in welchem Herr Munckel die spitze Waffe seines Witzes spielen ließ und derAbg.Bebel ibn mit grobem Geschütz unterstützte. Das Centrum blieb indeß un erschütterlich in seiner einmal eingenommenen Haltung, die sich in der vorliegenden Frage, wie der Abg. Spahn erklärte, auf die bei den Commissionsberathungen gewonnene Ueberzeugung stützt, daß die kaiserliche Verordnung vom l. Januar 1897 zur Verhütung der Duelle unter den Officieren wirksamer in Verbindung mit der Militairgerichtsbarkeit, als mit dem bürgerlichen Gerichte beitragen kann. Dies wurde von der Militair-Verwaltung bestätigt mit dem Hinzufügen, daß auf die Aufrechterhaltung der Bestimmung ein großes und ent scheidendes Gewicht gelegt werde. Der Abg. Munckel beantragte hierauf namentliche Abstimmung, die den schon erwähnten Erfolg hatte. Heute wird voraussichtlich in der Budgetcommission des Reichstags die bisher offen gelassene Frage der Deckung etwaiger Mehrkosten der Flottenorganisatio» abgeschlossen werden. Die vorgestrigen Bcrathnngen des Bundesraths haben, wie die „Nat.-Lib. Corr." erfährt, das Ergebniß gehabt, daß heute in der Commission im Namen der verbündeten Regierungen eine Erklärung abgegeben werden soll, die den Grundgedanken der von den Abgg. vr. v. Bennigsen und Or. Hammacher in den Commissionsberathungen gegebenen Anregungen entspricht. Im Centrum wird sich, wie man bestimmt annimmt, inzwischen die Situation derartig geklärt haben, daß eine für die Annahme des Flottengesetzes ausreichende Mehrheit diese Erklärungen der verbündeten Regierungen acceptirt. Man kann daher der Versicherung der „Germania", daß die Reise des Cardinals Kopp nach Rom mit dem Flottengesetze nichts zu thun habe, glauben. Haben die Herren vr. Lieber und Müller-Fulda eine zur Annahme des Gesetzes genügende Anzahl von Partei genossen für sich gewonnen, so braucht in Rom nicht mehr über „Erkenntlichkeiten" für diese Annahme verhandelt zu werden. Eine andere Frage aber ist es, ob die Reise deS Cardinals nichts mit dem durch die Marinevvrlage geschaffenen inneren Zustande des Centrums und seiner Beseitigung zu thun hat. Jedenfalls ist die Gesammt- heit der Partei für die Vorlage noch nicht gewonnen; am wenigsten die Bayern. Auch unter ihnen sind Männer, die sich der Nothwendigkeit der Flottenorganisation nicht ver schließen konnten, aber die Zustimmung dürste ihnen sehr erschwert sein, wenn es sich bestätigen sollte, daß der erst kürzlich in der Oberpfalz gewählte Abgeordnete vr. Heim Drohungen für den Fall der Genehmigung des Gesetzes ausgestoßen hätte. Herr Heim hat sich vor seiner gleichfalls erst vor kurzer Zeit erfolgten Wahl zum Landtags abgeordneten als ein nur sehr bedingter Centrumsmann declarirt und ziemlich deutlich zu verstehen gegeben, daß er der Fraction in der Absicht beilrete, gegebenen Falles in derselben die particularistische und demokratische GotteSgeißel zu spielen. Heim ist auch von vr. Sigl, zu dessen beliebtesten Beschimpfungsobjecten er ehemals gehört hatte, recht freund lich als Abgeordneter begrüßt worden und bat das ihm damit bekundete Vertrauen erst wieder am letzten Freitag im Reichs tage durch die von uns bereits am folgenden Tage hervor gehobene Aeußerung gerechtfertigt. Es erscheint also sehr glaublich, daß vr. Heim mit der Begünstigung des Ab falles von Wählermassen vom Centrum und der Hin überführung zu den Bauernbündlern oder vielleicht einer specifisch Heim'schen Gruppe gedroht hat. Da die Verhetzung gegen die Marine bereits mit Erfolg betrieben worden ist — ein FranksurterBlatt durfte nach dererstenCommissionsberathullg schreiben: „Die Flotte wird flott und der Bauer bankrott" —, so werden die bayerischen Centrumsabgeordneten die Er öffnung deS Herrn Heim vermuthlich ohne Ausnahme sehr ernst nehmen. Im Vatican aber würde man begreiflicher Weise eine Spaltung des „festen Thurmes" des CentrumS ebenso ungern sehen, wie die Bildung einer bayerischen Gruppe, die den Ultramontanismus bei der sonst so nach giebigen bayerischen Regierung in Mißcredit bringen könnte. Man wird den gegenwärtig zwischen den Bereinigte» Staaten und Spanien bestehenden Zustand als einen „Frieden mit Vorbehalt" bezeichnen können. Bald erscheinen die Kriegswolken so drohend am Horizont, daß das Gewitter unabwendbar erscheint, bald verziehen sie sich wieder ein wenig. Unter diesen unsicheren Zuständen und unter den auf Cuba herrschenden Wirren haben beide Staaten wirth- schaftlich erheblich zu leiden. So sind in den letzten Wochen an der New Iorker Börse ungeheure Summen verloren worden. Unter dem Eindrücke der Kriegsangst sielen an einem einzigen Tage die Actien des PetroleumringeS von 438 auf 368, und andere Werthe erlitten, wenn auch nicht einen ebenso großen, doch einen recht beträchtlichen Curssturz. Ein genauer Kenner der New Aorker Börse bat den Verlust bis zum 1. März auf über 200 Millionen Dollars berechnet; seitdem werden sich die Verluste, namentlich infolge der Baisse vom letzten Sonnabend, noch vergrößert haben. Indessen nicht nur die glücklich-unglücklichen Inhaber von Börsenpapieren erleiden Verluste, sondern auch Handel und Industrie über haupt. Geängstigt durch die herrschende Unsicherheit ziehen die Bankhäuser der Provinzialstädte die Guthaben, die sie bei den Bankhäusern in großen Städten haben, zurück, und dadurch sind die großen Bankhäuser außer Stand gesetzt, ihren Kunden aus den Kreisen des Handels und der Industrie in dem Umfange Credil zu gewähren, wie in fried lichen Zeiten. DeS Weiteren leiden die sehr großen Tabakssabriken der Union erheblichen Nachtheil durch die Verringerung der cubanischen Tabaksernte. Für das Jahr 1898 wird diese Ernte — vorausgesetzt, daß sie nicht noch theilweise durch die Aufständischen zerstört wird — auf etwa 30 Proc. einer normalen Ernte in Friedenszeiten geschätzt. Da weitaus der größte Theil des cubanischen Tabaks nach den Bereinigten Staaten geht, so bedeutet dieser Ausfall von mindestens 70 Proc. einer normalen Ernte auch für das nächste Jahr eine schwere Schädigung der amerikanischen Fabriken. Schließlich stellen natürlich die hohen Ausgaben der Vereinigten Staaten für die Kriegsrüstungen eine wirthschaftliche Schädigung dar. Fremde Kriegsschiffe werden angekaufl, Torpedos im Eingänge des Hafens von New Aork versenkt, die New Pork schützenden Forts in Vertheidigungs- zustand gesetzt. Sehnliche BertheidigungSmaßregeln werden an der Küste von Florida getroffen. Alle diese Maßregeln verursachen natürlich erhebliche Kosten. Nicht mindere Kosten hat Spanien, das, wenn auch mehr im Stillen, als die Ver einigten Staaten, doch mit demselben Eifer seine Maßregeln für einen eventuellen Krieg trifft. Und welche Opfer an Gut und Blut hat Spanien schon bis jetzt in dem dreijährigen Kampfe mit Cuba bringen müssen! Der Krieg hat bis jetzt mehr als 60 Millionen Pfund Sterling, also über 1200 Millionen Mark gekostet. Die Ausgaben Spaniens aus Cuba belaufen sich gegenwärtig in jedem Monat auf 1 600 000 Pfund Sterling, also 32 Millionen Mark. Noch unerhörter sind die Opfer an Menschenleben. Die spanische Armee ist knapp auf die Hälfte ihres uominellen Bestandes reducirt. Von kriegstauzlichen Truppen sind gegenwärtig noch vorhanden 70 000 Mann regulaircr Soldaten und 16 000 bis 17 000 Mann irrcgulairer freiwilliger Cavallerie. Die Meldung der officiösen spanischen „Agenzia Fabra" von 82 000 gut bewaffneten Freiwilligen auf Cuba ist also stark über trieben; so viel sind Regulaire und Freiwillige zusammen vorhanden. Im Kampfe gefallen, nachträglich an Wunden gestorben und Krankheiten erlegen sind 52 000 Mann; weitere 47 000 Mann sind invalide nach Spanien zurückgekehrt und endlich liegen 42 000 Mann gegenwärtig in den Hospitälern aus Cuba. Wie viel von diesen zusammen 89 000 Mann noch an den Folgen der Krankheiten zu Grunde gehen werden, läßt sich natürlich noch nicht feststellen. Damit hat Spanien in den cubanischen Kämpfen genau so viel an Tobten verloren, wie Deutschland in dem deutsch-französischen Kriege. Der Unterschied ist nur der, daß die Spanier noch nicht einmal wissen, ob die ungeheure» Opfer an Menschen leben von irgend welchem Erfolge für das Vaterland sein werden, denn der endliche Ausgang der cubanischen Wirren ist noch genau so ungewiß, wie er eS vor drei Jahren bei dem Beginn der cubanischen Revolution gewesen ist. Ein elastischer Beleg für die Rückwärtspolitik Ettg- lands den russischen Avancen in Lstaftcn gegenüber ist die gestrige Unterbausrede Curcon'S. Von mehreren Rednern wurde ihm nahe gelegt, daß man im Lande einen scharfen Protest gegen Rußlands Gebietserwerbungen in der Mand schurei erwarte, aber Curcon wich allem Drängen mit de:: Hinweis aus, die Regierung habe osficiell noch von keine- Forderung gehört, durch welche China irgend ein Theil Mandschurei entzogen werden sollte, die Regierung wisse nicht von einem Vorschlag, der auf die Abtretung Port Arthurs abzielte rc. Als ob nicht alle Welt wüßte, baß zwischen Petersburg und Peking wegen Port Arthur und Talienwau, sowie wegen der Weiterleitung der sibirischen Eisenbahn durch die ganze Mandschurei bis nach PortArthur, mit anderen Worten über die Preisgabe der Mandschurei an Rußland eben jetzt die Verhandlungen schweben! England fügt sick ansckeincnd in da : Unvermeidliche, wenn auch mit Groll, Bitterkeit und New im Herzen. Was man an der Mandschurei verloren ziel t, weiß man in England ganz genau. So veröffentlicht der englische Capitain Uounghusband — man wird sich seiner Reise durch die Pamirs noch erinnern — im „Nineteentb Century" einen lehrreichen Artikel über die Mandschurei. Capitain HounghuSband ^„nt st« eigener Anschauung. Er schreibt: Die Mandschurei besitzt riesigen Reicht hum, wahrscheinlich ebenso großen wie Transvaal. Was ist ganz Mittelafrika von Uganda bis Khartum gegen die Mandschurei? Die mehrer Millionen zählenden Einwohner sind die sleißig st en Ackerbaue auf der ganzen Welt. Obgleich das Klima zwischen große Hitze im Sommer und großer Kälte im Winter schwankt, ist d> Sommerhitze doch nicht drückend. Obgleich Rußland 1860 einen Theil der Mandschurei mit Wladiwostok und der Possiet-Buch: annectirte, mißt die Küstenlinie der jetzigen Mandschurei dennoch sechshundert englische Meilen. Tas Land besitzt große schiss bare Flüsse, die tief aus dem Innern kommen. Es har prächtige Fichten«, Eichen- und Ulmenwälder und wunderbare Weizen«, Hirse-, Gersten-, Reis- und Hanffelder. Im Weißen Gebirge entspringen drei Flüsse, auf Lenen die großen Dauholzslöße still nach der See hinabgleiten. Die Mandschurei wird, wen» die politischen Hindernisse beseitigt sind, im Holzhandel bald mit Britisch-Columbien concurrireii können. Es wächst in der Mandschurei eine ungeheure Menge Bohnen und das daraus gepreßte Oel wird nach dem Westen ausgeführt. Es ist eine Fülle von Transport- thieren vorhanden. An Erzen kommen Gold-, Kupfer- und Eisenerze vor. Auch Kohlenlager sind vorhanden. Daß mau von dem Mineralreichthum der Mandschurei bisher so wenig gehört hat, findet darin seine Ursache, daß die chinesische Regierung Privatpersonen das Schürfen fast nie gestattet. Die Bevölkerung ist kräftig gebaut, fleißig und sparsam. Ihre Wahrheitsliebe ist im Allgemeinen nicht groß. In Geschäft angelegenbeiten aber halten die Leute ihr Wort. Ist die Mand schurei stark genug, sich gegen den ungeheuren von Rußland aus geübten Druck zu wehren? Ein Theil der Mandschurei gehört schon zu Rußland. Wird mehr folgen? Nach Capitain Doung- husband's Ansicht wird der Proceß bis zu Ende sortgehen. Ohne sremde Beihilfe wird China nicht im Stande sein, ihn aufzuhaltcn. Ob aber Rußland die Mandschurei einjchluckt oder nicht, die in dustrielle Entwickelung des Landes wird vor sich gehen. Aber eines gemerkt: der russische Soldat mag den chinesischen vertreiben, der russische Bauer wird niemals mit dem chinesischen concurrireu können. Und selbst der russische Geschäftsmann wird einen harten Kamps kämpfen müssen, ehe er seinen chinesischen Rivalen besiegt. Das ist alles richtig. Aber welch' magerer Trost für England, das lediglich das Nachsehen hat! Die Ereignisse in China Wersen ihre Schatten auch nach Koren. Die Haltung der koreanischen Regierung gegen Ruß land ist augenblicklich eine höchst unfreundliche. Sie hat be schlossen, den Finanzrath Alexiew und gleichzeitig die russischen Militair - Instrukteure zu entlassen. Es ist dies ein Sieg des japanischen, zum Theil auch des FeuiHeton» Durch eigene Kraft. L8j Roman von Alexander Römer. Nachtruck vrrbotkn. »Ja Ihr starrt mich an, als schautet Ihr das Haupt der Medusa. Freilich, lieber Waldstätten, segnen Sie den Zufall, der gerade mich als erste Zeugin dieser Schäferstunde hierher geführt. Ich bin übrigens froh, daß Sie bei diesem Tohuwabohu Ihr geliebtes Mädchen in Sicherheit brachten. Felix machte eine hastige Bewegung, als wolle er zurücktreten, Ertlärungen geben, auch Ottilie öffnete bestürzt die Lippen, um zu widersprechen. Prinzeß Ada aber legte ihre Hand fest auf Felix' Arm. „Halt! Meint Ihr, daß ich nicht genaum>eiß, wie es zwischen Euch steht? Ich will in diesem Moment, wo wir Alle in ganz unetikettenmäßiger Aufregung sind, Ihnen keinen Vorwurf machen, Baron, und der Hofgesellschaft gegenüber werde ich die Sache einen Tag zurückdatiren. Sie haben schon gestern bei mir um die Hand meines Schützlings geworben." Felix war kreidebleich. Sein Rausch war verflogen, er sah die Sachlage klar. Er stand in strammer Haltung Äug' in Auge der Prinzessin gegenüber. Diese hatte den Kopf in den Nacken geworfen und ihr fürstliches Gesicht aufgesetzt, hochmllthig, un nahbar. Blitzschnell flogen durch seinen Kopf die Gedantenreihen. Er hatte sich fortreißen lassen, er, der Vorsichtige, diese Stunde hatte ihn überwältigt. . Ein Zurück gab es in seiner Lage nach dem Geschehenen nicht mehr. „Ich erstcrbe in Dankbarkeit, Durchlaucht", sagte er leise und bwbeuzte sich tief. Dann wandte er sich zu Ottilie, zu seiner ihm so unerwartet anverlobten Braut, und wundersame Gefühle regten sich in ihm. Sie stand da so bleich, so zitternd, so hilflos und ver nichtet, sie kämpfte offenbar noch mit der wiederkehrendrn Ohn macht und rang nach Worten. „Durchlaucht", kam es jetzt in heiserem Tone von ihren Lippen, „der Schrecken hatte mir die Sinne verwirrt, und der Baron " „Still, still, Mignonne, kleiner Schelm, ich zürne Dir ja nicht", unterbrach die Prinzessin sie. „Waldstätten hätte sich ein wenig früher an mich wenden sollen, das wäre paffender ge wesen, und auch aus Deine Beichte hatte ich Anspruch. Aber ich will ja gnädig sein. Nun aber rasch ins Bett mit Dir, Kleine. Hu! Du siehst wie ein Geist aus, morgen reden wir weiter." „Na, Waldstätten, das war übrigens vorhin eine gelungene Scene, Sie haben sich da bequem aus der Affaire gezogen. Die Eichsfeld lag in Krämpfen und der Hartwig ist dann kreuz lebendig hinter dem Vorhang herausgekommen und hat sie auf das Sopha getragen. Wir haben sie mit ihm allein gelassen, ich dachte, die Beiden verständigten sich unter vier Augen am besten. Ich glaubte indeß, die Eichsfeld sei hieb- und schutz fester, sie lebt ja mit den Geistern lange auf vertrautem Fuß. Was hatte sie denn eigentlich? War da noch eine besondere Beziehung? Ich fürchte, Sie sind ein schlimmer Mensch, Wald stätten, nun entführen Sie mir gar noch meinen Liebling!" Prinzeh Ada sagte das Alles lachend, hielt dabei Ottilie im Arm und streichelte ihr die blaffen Wangen. Acht schob sie sie mit einer eigenthiimlichen drastischen Bewegung Felix zu. „So — einen Kuß dürft Ihr Euch noch geben, jetzt in meiner Gegenwart, der eigentlich der erste hätte sein sollen, und dann marsch! Fort mit Dir ins Bett, und laß Dein armes Köpfchen heute nichts mehr denken!" Felix hatte sich gefaßt. War dies seine Stunde, welche ihm Emily stets vorhergesagt? Er küßte die ihm aufgezwungene Braut zärtlich, sie hatte ihn immer angezogen, vielleicht war das Liebe, so ein schwaches Reis, gerettet aus den Stürmen des Lebens. Wenn er einmal Bräutigam wider Willen sein sollte, so war diese Braut wenigstens zu ertragen. Freilich — seine Eltern — die Welt — er war aber zu sehr aus dem Gleichgewicht in dieser Stunde, um auch das noch durchzudenken. Mochte die Prinzessin ein gut Theil von der Last mit übernehmen, welche von jener Seite drohte. „Waldstätten, Sie waren mir immer sympathisch, ich über gebe Ihnen mein Kleinod vertrauensvoll, halten Sie es werth", sagte die Prinzessin, als Ottilie gegangen war, in einem mütter lichen, salbungsvollen Ton und reichte ihm die Hand zum Kusse. „Ich erwarte Sie morgen um 12 Uhr, zur Feststellung alles Weiteren." Er verneigte sich tief und murmelte etwas von „ehrfurchts vollem Dank". BierundzwanzigsteS Capitel. Felix' schwerst« Aufgabe am nächsten Tage war die, seiner Mutter die Anzeige von seiner Verlobung zu machen. Welch einem Sturm er da Stand zu halten hatte, wußte er im Voraus. Er wartete mit seinem Gang zu den Eltern bis nach seiner Audienz bei der Prinzessin, welche ihn sehr herzlich empfing und keinerlei Sorge wegen der Zukunft des jungen Paares zu hegen schien. Auch er ließ sich vorsichtig aus über seine Ideen in Betreff der Eristenzmittel für die einzugehende Ehe. Er entnahm nur so viel aus den Aeußerungen der hohen Dame, daß sie gewillt war, für eine standesgemäße Ausstattung ihres Schützlings zu sorgen. Das Weitere mußte man abwarten. Da er das dreiste Manöver der Prinzessin klar durchschaute, so dachte er sehr nüchtern über den Fall. Sie war eine der reichsten Fürstinnen, es war nur gerechte Nothwehr, wenn man da später den ge eigneten Druck ausübte. Seine junge Braut sah er nur ein paar Augenblicke in Gegen wart der Prinzessin und war sehr befriedigt von ihrer Haltung. Für sic war nach seiner Meinung diese Wendung eine große Gunst des Schicksals, er zweifelte gar nicht daran, daß sie ihn schon lange geliebt habe. Die kleinen Aufmerksamkeiten, die er ihr erwiesen hatte, mochten ihre Hoffnungen erweckt haben. Aber — das mußte man anerkennen — sie trug die Seligkeit ihrer Gefühle nicht zur Schau. Sie war ruhig, zurückhaltend, ja stolz, und das erwärmte ihn. Er konnte sich in seiner eigenthiimlichen Lage nur hinter Stolz und Trotz verschanzen. Als ein Gimpel, den man cinge- fangen hatte, wollte er um keinen Preis gelten, wenn die Wahr heit dem auch sehr ähnlich sah. Er schwang sich innerlich zum Fatalisten -auf, — die Ehe und dieses Mädchen waren ihm wohl bestimmt. So war seine Rede an die Mama ein Meisterstück diplo matischer Kunst, und Frau Cäcilie erleichterte ihm den gefürch teten Moment insofern, als sie anfangs völlig starr und ver- ständnißlos war, und dann an die Wirklichkeit des Unerhörten noch nicht zu glauben vermochte. Die Rolle, welche Prinzeß Ada in diesem Drama oder Lust spiel — je nachdem man es so oder so auffaffcn wollte — spielte, war für Felix ein schützender Panzer, und als er in kürzester Fassung Alles gesagt, was er zu sagen hatte, nahm er eilig seinen Rückzug, in richtiger Würdigung des Sturmes, der in der nächsten Minute folgen mußte. Sein Vater nahm die Kunde von dem unerwarteten Ereigniß ruhiger auf. Er hatte freilich, bei seinen immer schwerer werden den Sorgen, zuweilen die Hoffnung genährt, Felix werde eine reiche Partie machen, das bürgerliche Blut der Schwiegertochter störte ihn weniger. Er hatte das junge Mäochen anmuthig gefunden und gern gehabt und damals das Gebühren der Prinzessin mit dem jungen Dinge getadelt und eine tolle Komödie genannt. Er war aber allerdings verwundert üdrx diesen Ausgang. - » - Daß sein Felix, der blasirte, vorsichtige Lebemann, solch eine Wahl treffen würde, hätte er nie vermuthet. „Ja, ja, mein Junge", sagte er und blickte dem Sohne etwa- verdutzt in das ruhige, kaum eine besondere Erregung verrathende Gesicht, „das ist freilich eine Ueberraschung. Und die Prinzessin giebt ihre Einwilligung — hm, hm — Du bist ihr also ein passender Freier für ihren Schützling — weißt Du — ich fürchte, sie ist über unsere Vermögensverhältnisse wenig orientirt." ' Felix zuckte die Achseln. „Von meinem Gehalt — wenn ich noch mittlerweile zum Re gierungsrath aufrücke — kann ich keine Frau standesgemäß er nähren, das wird sie wissen", sagte er gelassen. „Na — das sei Gott geklagt — damit bist Du auch als Jung geselle nicht ausgetommcn. Man sollte eigentlich denken, die Summe, welche Du seither verbraucht hast, könnte auch für den Unterhalt einer Familie ausreichen." Felix saß da mit gerunzelter Stirn. „Die Prinzessin wird für eine reichliche Ausstattung meiner Braut Sorge tragen", sagte er, „dazu ist sie ja verpflichtet. Was unsere Vermögensverhältnisse betrifft, so habe ich darüber keine genaue Uebersicht, und es dürfte Deine Aufgabe sein, Papa, Durchlaucht über den Punct aufzutlären." Der alte Herr seufzte. „Ihr junges Volt von heute seid wunderlich", ries er ver drießlich, „meine Aufgabe — und Deine war das Verloben. Früher, zu meiner Zeit, mußte ein Mann sich vorher besinnen, ob er so viel hatte, um einen Hausstand gründen zu können, und noch die Pflichten gegen Eltern und Geschwister in die Rechnung ziehen. Heute sind die Söhne nicht die Stützen der Väter, sondern umgekehrt; die Väter, wenn sic sich mit des Lebens Sorgen geplackt haben bis in die hohen Sechzig hinauf, so können sie wieder von vorn anfangen mit den Ausgaben für die junge Generation. Ich will Dir etwas sagen, was ich Dir schon lange sagen wollte. Du mußt Deinen Assessor hier an den Nagel hängen, — in hohe Aemter rückst Du doch nicht auf — und auf Hebbach leben. Du hast ja Cameralia studirt, guck unserem großartigen Herrn Inspektor ein wenig auf die Finger, lebe Dich in die Wirthschast hinein und mache da weiter keine Sprünge. Du heirathest jetzt eine bescheidene Frau, dann kann die Sa*e vielleicht noch ins Gerade kommen. Unser Haupt gläubiger, der alte Heidemann, drängt uns nicht." „Hahaha! Papa, das ist ja ein sehr verlockendes Zukunfts programm! Warum haben Du und die Mama das Musterleben nicht schon früher angefagen?" Der Alte erhob sich ärgerlich.
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