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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.03.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-03-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980321019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898032101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898032101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-03
- Tag1898-03-21
- Monat1898-03
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Man besann sich darauf, da es nicht deutsch ist, wenn man auf schwarz-roth- goldenem Schilde französisch fivmirt, und vcrurcheilte die lächer lich« Sucht, mit vielen Fremdwörtern zu glänzen. An Deutsch land» Frauen ertönte der Ruf, sich frei zu machen von fremder Mode, fremdem Schmuck« und fremden Kleiderstoffen. Man plaidirt« für ein d eu t s che s Recht. Vom Deutschen Vereine wurde die Gründung einer Nation al bank angeregt. Der handelSwiffenschaftliche Verein verwendete sich für die Bildung eines deutschen Staatsschatzes. vr. Reclom forderte unter dem Motto: ,8! vis paoein, para beUura" dre Bildung eines „einzigen deutschen Kriegs» Heere»". DaS „Leipziger Tageblatt" schreibt hierzu: „Waffnet sich Deutschland, so ist der Friede gesichert. Mit einem großen Schlage wird die deutsche Nation in die Stellung, die ihr ge bührt, eingetreten sein. Sie wird der Welt den Frieden gebieten, indem sie sich selber den Frieden giebt. Es ist besser, wir wenden Geld, viel Geld daran, unsere Söhne und unser« Brüder zu bewaffnen, als daß wir, wie früher oftmals, dem Feinde hundertmal mehr geben und die Schmach noch mit baarem Gelde bezahlen. Deutsches Volk, handle, wie es Deiner würdig ist, und wie Du handeln mußt, wenn Du mit Ehren bestehen und nicht mit Schande vergehen willst!" An anderer Stell« fügt es hinzu: „Es ist bei Gott die höchste Zeit, daß Sachsen und Deutschland aufwachen, e» ist Zeit, die Redereien und Schreibereien endlich zu lassen und zu Thaten überzuschreiten. Schande, Verachtung und Strafe dem Wichte, der sich der heiligen Verpflichtung gegen das Vaterland entziehen wollte!" Mt gleicher Begeisterung wird für die Gründung einer deutschen Flotte lebhaft agitirt. In der „Deutschen All gemeinen Zeitung" ruft der ,-Genius des deutschen Handels": „Ohne Flott« wird Deutschland nie zu der Größe und Macht SS- erstarken, auf die es behufs seiner Industrie, Bevölkerung und geographischen Lage Anspruch zu machen berechtigt ist." Im Tageblatt wird zu Sammlungen für ein Kriegsschiff mit dem Namen „Leipzig" angeregt: „Laßt uns wiederum den Bürgern unser«s deutschen Vaterlandes ein Beispiel geben, laßt uns einen großen Gedanken groß erfassen, ein großes Werk aus ihm schaffen! Wir wollen ein zweites Leipzig bauen, rin Leipzig auf der See! Unser Gedanke wird zünden in allen deutschen Herzen. Leipzig, geht' voran! Andere Städte werden folgen, und ein herrliches Zeichen unserer Freiheit, unserer Stärke, unserer Einheit, werden die Wogen bald rings um den Erdball tragen." Zur Förderung der Angelegenheit wird auf „Buen Netiro" (Schimmels Teich) ein deutsches Flottenfest und in den Räumen des Schützenhauses «in großes Nationalballfest veranstaltet. In der Einladung heißt «s: „Unser großes deutsches Vaterland wird dem Auslande gegenüber nie stark, mächtig und achtung gebietend dastehen, so lange es seine Küsten nicht durch eine starke Flotte zu schützen vermag vor den llbermüthigen Angriffen eines kleinen Feindes." Der Advocat Bautzmann aus Dahlen, der in ganz Sachsen für die Flotte sammelte, bringt als Dank und Anerkennung für den Sammlungserfolg in Leipzig ein drei- und mehrfaches Hoch dem wackeren, für die deutsche Sache begeisterten Leipzig. Als ein Zeichen, die hochgehende nationale Bewegung auch praktisch zu verwerthen, müssen die Versuche der „Leipziger Zeitung", der „Leipziger Jllustrirten Zeitung und des „Leipziger Tageblattes" gelten, den Sitz des Leutchen Parla mentes nach Leipzig zu ziehen. Man schwelgt schon in der Vorstellung, daß „hier daS deutsche Capitol sich erheben wird und Deutschlands Gesetzgeber in seinen Mauern sich ver sammeln werden. Auf derselben Höhe, wo jetzt der Napoleon stein uns an die Stunde der tiefsten Erniedrigung erinnert, müssen die Kuppeln des deutschen Bundessitzes sich erhoben udd ungezählte Jahre des Ruhmes müssen an die Tage der Völker schlacht bei Leipzig in ununterbrochener Folge sich knüpfen." Dieser Vorschlag zog dm weiteren nach sich, Leipzig zur Residenz des Reichsverwesers zu erheben. „Leipzig, das dadurch zu einer berühmten Weltstadt werden würde, würde baldigst die zu dm nöthizm Bavtm erforder lichen Gelder durch freiwillige Beiträge aufbringen." Nachdem die deutsche Einheit durch die Existenz des deutschen Parlamentes gesichert erschien, nahmen sich die nationalen Kreise Leipzigs energisch der alldeutschen Bewegung an. Die wichtigste von allen Nationalitätsbewegungen jener Zeit war für Deutschland der Widerstand Schleswig-Hol steins gegen die Vergewaltigung durch Dänemark. In Leipzig nahm sich namentlich der Deutsche Verein des bedrohten Bruder stammes an. Am 15. April wurde das sächsisch« Ministerium durch eine Deputation aufgefordert, „bei der preußischen Re- gienurg aufs Schleunigste Verwendung der nach Schleswig- Holstein entsendeten preußischen Truppen gegen die in Schleswig- Holstein eingefallenen Dänen zu dringen." Am 17. April ging eine Freischaar von 50 jungen Männern nach Schleswig ab. Eine zahllose Menge gab ihnen unter donnernden Hochrufen und unter den Klängen der Musik das Geleit. Mit Jubel wurden die Siege Wrangrl's begrüßt. In einer Adresse wird ihm der Dank und die Verehrung Leipzigs ausgesprochen. Als aber die Gefahr nahe lag, daß wieder durch die Politik verdorben werden könnte, was durchs Schwert er worben wurde, da ruft der Deutsche Verein der constituirenden Versammlung in Frankfurt zu: „Der alte Geist, der Deutschland entzweite, erniedrigte, seine Macht nach außen vernichtete, regt sich wieder. Mr fordern Euch vor dem gesummten Vaterlande auf, daß Ihr Schritte zur schleunigen Abstellung der durch jene unselige Politik veranlaßten Uebelstände in jenem Lande thut; wir fordern, daß zur Vermeidung solcher den deutschen Namen beschimpfenden Vorfälle, zur Sicherung und zum Schutze Deutschlands nach außen schleunigst eine starke Vollziehungs gewalt geschaffen werde. Die Augen des gesammten deutschen Volkes sind auf Euch gerichtet! Wahr«t die Ehre unseres Vater» landes durch einen mannhaften Beschluß!" In einer zweiten Adresse spricht der Verein das „feste Ver trauen aus, daß nur ein ehrenvoller und für Deutschland vor- theilhafter Friede mit Dänemark abgeschlossen werde." Im Vaterlandsverein führt Professor Flathe aus, „daß für Deutschland jetzt das Unerläßlichste Energie, Energie und aber mals Energie sei. Es solle 400 000 Mann an die Weichsel, 400 000 an den Rhein und 100 000 nach den Heczogthümern schicken" und so einen ehrenvollen Frieden erzwingen. In gleicher Weise wandten sich die Sympathien auch den deutschen Brüdern in den Ostmarken zu. Der von Wuttke, Fürst und Kühne gegründet« „Verein zur Wahrung der deutschen Interessen an den östlichen Grenzen" setzte sich als Ziel, „alle unseren deutschen Brüder bn den östlichen Grenzen des Vaterlandes, ja selbst jene, die schon Unter den Slaven wohnrn, der heiligen deutschen Sache zu er halten." Der Verein wandte sich in Verbindung mit den deutschen Vereinen nach allen Seiten, er sandt« Aufrufe an die Deutschen in Polen, Böhmen, Mähren, Siebenbürgen. Ueberall erregten sie freudigen Widerhall. Es erschienen Deputationen aus Posen, Siebenbürgen, Böhmen, um den Leipzigern zu danken und um fernere moralische Unterstützung zu bitten. Aus Posen wird geschrieben: „Es ist überhaupt merkwürdig, wie sehr die Hinneigung zu Leipzig sich in den letzten Tagen hier manifestier hat." Besondere Theilnahme erregten die Schicksal« derSieben bürgrner Sachsen. Man ruft ihnen zu: „Lang vcr gessene Brüder! Deutsche Männer in den Thälern der Kar pathen! Bleibt Deutsche, seid treu Eurer Vergangenheit Es sieht das ganze deutsche Volk auf Euch. Verbindet Euch mit dem Volke der Magyaren! Die Gefahr ist nahe, sie schwebt über Euren: und der Magyaren Haupt: Es ist der Slaven Streben, ein großes Reich zu gründen, das Euer Volksthum und unsere Bildung vernichtet. Noch einmal, gehet Hand in Hand mit den edlen Magyaren, aber vergesset nicht, daß Ihr Deutsche seid!" Und an die Ungarn wendet man sich mit den Worten: „Eine slavische Fluch droht Magyaren und Deutsche zu über schwemmen. Diese Fluch zu dämmen, ist Eure Pflicht, es ist die unsere. Behandelt die Deutschen unter Euch und in Sieben bürgen als Brüder! Seid ihrem uralten deutschen Wesen ge recht. Sie wollen deutsch bleiben. Bedränget si« nicht, öffnet nicht ein Thor zum Nothbunde zwischen Deutschen und Slaven! Er ist ihnen. Euch und uns gefährlich!" Der Vaterlandsverein und die Leipziger Studentenschaft schlossen sich in eigenen Adressen diesen Bestrebungen an. Als Mitte April in der „Oesterreichischen Zeitung" der Noth ruf erscholl, „die Tschechen wollten ihren deutschen Landes genossen eine mittelalterliche Bluthochzeit, «in Gemisch von sicilischer Vesper und Pariser Bartholomäusnacht bereiten", da wandte sich das Mitgefühl der Leipziger sofort den bedrängten Brüdern in Böhmen zu. Der Verein für die Ostmarken ermuthigt sie mit den Worten: „Alle Bruderstämme unserer edlen und ruhmvollen Nation reichen sich die Hand zum un auflöslichen Bunde, und dieser Bund umschlingt auch Euch wie die übrigen deutschen Völker im Kaiserthum Oesterreich. Aber es giebt eine tschechomanische Partei, — — sie hofft von Rußland ihr Heil, denn sie hat vergessen, daß die deutsche Cultur weit hinaus Uber Böhmen, durch ganz Mähren, Schlesien und bis nach Siebenbürgen hinab unerschütterliche Dämme ge baut hat, die selbst eine panslavische Sintfluth nimmer durch brechen wird. Eure Väter haben seit allen Zeiten das Land bebaut, und sie haben in Städten und Burgflecken Wohlstand und BUrgersinn begründet; Euch aber verschreit man als Fremd linge, als Aufdringliche, Euch hofft man dereinst aus deni Lande zu jagen. Jetzt schon wagen sie es, die deutschen Cocarden zu verpönen, und sie erfrechen sich öffentlich in Prag, im An gesicht von 50 000 Deutschen, weil sic den deutschen Widerstand und seine Kraft noch nicht kennen gelernt haben, die deutschen Farben zu beschimpfen. Jener Widerstand muß zuerst von Euch Ohne Glück, ohne Stern. Eine Liebesepisode ans der Zeit Friedrich s des Großen. Boa C. Gerhard. Nachdruck verbotm. Am Abend des 28. December 1745 schwamm ganz Berlin in einem Lichtmeere, lebhafte Freude herrschte überall. Nach der siegreichen Schlacht bei KrsselSdorf hatte König Friedrich II., dem die Geschichte den Namen „der Große" verliehen, am 25. December den Frieden zu Dresden geschloffen und war Sann an der Spitze seines Heeres in seine Residenz ringezogen. Man jubelte dem tapferen Felkherrn zu; er aber und sein« Brüder eilten sofort nach dem Schlößchen Monbijou, um dort ihre geliebte Mutter, die geistvolle Königin-Wittwe Sophie Dorothea, zu begrüßen. Die hohe Frau befand sich in ihrem prächtigen Empfangs saale, ungeduldig, die ruhmgekrönten Söhne in ihr« Arme zu schließen. Sie war nie schön gewesen, imponirte aber durch ihre vornehm« Haltung und ihre glänzende Untevhaltungsgabe. Ihre jüngste Tochter, welche noch bei ihr weilte, glich ihr wenig. Trotz ihrer zweiundzwanzig Jahre war die Prinzessin Amalia wegen ihrer scharfen Zunge sehr gefürchtet. Auch jetzt spöttelte sie ein wenig über die freudige Erregung von „tortt Lsrliw", obgleich auch sie öfters zum Fenster hinauSsah. Endlich erklang Pfevdegetrappel, im nächsten Moment sprangen die Flügelthüren der Saale» auf, und der König er schien mit einer glänzenden Suite. Seine Mutter bewill kommnete ihn mit stolzer Zärtlichkeit; dann zog sie seinen Bruver August Wilhelm, der von ihm im Jahre zuvor zum „Prinzen von Preußen" ernannt war, an ihr Herz. Der Prinz war erst dreiundzwanzig Jahre alt, ein Jüngling, den di« Natur überreich mit äußeren und inneren Vorzügen auS» gestattet. Er hatte sich in der Schlacht bei HohenfriedLerg durch Tapferkeit und Geistesgegenwart besonders au»gezeichnct und dadurch da» volle Vertrauen sein«» königlichen Bruder» erworben. Sein edel geschnittene», charaktervolles Antlitz strahlte vor Freude, al» er die Hände der Königin an seine Lippen zog; der Schwester warf er rin neckendes Wort zu, dann flogen seine feurigen Blicke zu den Hofdamen, welche bescheiden zurückgetreten waren. Die Eine, Fräulein von Kalkstein, kannte er bereits; wer aber war neben ihr dieses junge reizende Mädchen mit dem lichten, blonden Haar über der weißen Stirn, mit den un ergründlichen klugen Augen und dem liebenswürdigen Zug um den schwellenden Mund? „Du kennst noch nicht meine jüngste Hofdame, man «uni", sagte die Königin, den Blicken d«S Sohne» folgend, „laß Dir sie (iernoisslls Sophie Marie von Pannrwitz vorstellen. Ihr Vatrr, der brave General, hat mir daS liebe Kind anvertraut, und ich darf eS wohl sagen, sie ist eine Zierde meine» Hofstaate». Sie spielt, sie singt, sie macht Verse und componirt, kurz — sie erscheint mir wie eine junge Muse." „Majestät sind zu gnädig und überschätzen meine bescheidenen Talente", stammelte Fräulein von Pannewitz erröthend. „O, ich glaube alle» Aut« von Ihnen!" flüsterte der Prinz ihr zu. „Hoffentlich sind Sie al» Verehrerin der schönen Künste aber nicht dem fröhlichen Lebensgenuß abgenvigt, sondern lieben auch den Lanz, den Ritt auf feurigem Roß, die Jagd." „Ich weiß nichts Liebere» nach den Stunden der Arbeit, al» auf meiner Juno durch den Wald zu svrengrn auf der Jagd nach dem flüchtigen Reh, nach dem Auerhahn, da «» un» Frauen versagt ist, für das Vaterland zu kämpfen, zu siegen, wie Eure Hoheit!" Voller Bewunderung schaute sie zu ihm auf; hatte doch der ritterliche Prinz, an dessen Namen sich so manch« rühmlick)« Er zählung knüpfte, schon llrngc ihr Interesse erregt und sie lebhaft gewünscht, ihn kennen zu lernen. Nun übertraf sein« glänzende Erscheinung noch ihre Erwartungen, er erschien ihr wie ein Aar, der im stolzen Fluge zur Sonne emporstieg. Bei der Abendtafel saß ihr der Prinz gegenüber und war entzückt von ihren geistvollen, von tiefem Nachdenken zeugenden Antworten. Trotz ihrer Jugend hatte Sophie viel gelesen und war in jeder Hinsicht vorzüglich ausgebildet. Die Königin liebte es sehr, lange bei Tisch zu sitzen; oft waren diese Stunden dem jüngsten Hoffräulein sehr langweilig vorgekommen, heute aber vergingen sie ihr im Fluge. Und diesem Abend folgte eine Reihe wundervoller Tage. D«r Carneval hatte schon am 1. December begonnen, aber erst jetzt, da die Oesterreicher, welche so lange die Mark, besonders Berlin bedroht hatten, abgezogen waren, da der Friede alle Herzen mit Freude erfüllte, wurden die Feste mit großem Glanze ge feiert. In jeder Woche war ein EmpfangSabend, eine soge nannte „Courtage" bei der Königin Sophie, desgleichen bei der regierenden Königin; man besuchte auch oft die Oper und das Schauspiel. Wo aber auch Sophie Marie von Pannewitz mit ihrer Gebieterin weilte, immer dort erschien ebenfalls der Prinz von Preußen. Von seinem Arm umschlungen, schwebte daS schöne Hoffräulein wie ein Sylphide über das Parkett, mit ihm führte st« die angeregtesten Gespräche, er lauscht« mit Begeiste rung ihrem hinreißenden Gesänge. Als der Frühling ins Land kam, ritt si« an seiner Seite durch die duftigsten Wälder, zur Zeit der Jagden entzückt« sie ihn und die ganze Hofgesellschaft Lurch ihren Muth. , , In jenm Tagen wurde Sophie von nnem berühmten Künstler auf den Wunsch der Königin gemalt. Das Portrait stellte sie im Jagdcostüm von rothem Sammet dar, auf den blonden Locken ein dreieckiges Hütchen mit wallenden, weißen Federn, in der Hand ein« Büchse, zur Seite «in erlegter Auerhahn. Seitdem nannte man sie nur Viuva obasserssso. Die junge Hofdame fand viele Verehrer und Bewunderer, Keiner aber wollte ihr gefallen. Keiner genügte ihren hoch gespannten Ansprüchen. Und doch fühlte sie in der letzten Zeit eine so seltsame Unruhe in ihrem Herzen, bald empfand sie jauchzende Freude, bald tiefstes Leid. Sie legte sich keine Rechen schaft über diese» Gefühl ab, bi» si« eine» Tages den Prinzen August Wilhelm vor ihrem Bilde fand und sie au» seinen feurigen Augen ein so leidenschaftlicher Blick traf, daß sie erbebte. Großer Gott, er liebte sie, ihr Held, ihr Sonnenaar, sie, das junge un bedeutende Mädchen! Ihr« ganz« Seele flog ihm zu. Aber in die Wonne dieses Bewußtsein» mischte sich sofort ein scharfer Schmerz. Nimmer konnte sie dem Heißgeliebten anzehören, denn er war bereits Gatte und Vater. So mußte denn diese Liebe sterben! Aber «in so inniges Empfinden stirbt nicht so leicht! Wa» Sophie auch that, um den Prinzen von sich zu entfernen, ob sie kalt und verschlossen ihm gegenüber war, ob sie sich Tage lang in ihr Zimmer einschloß, nicht» erschütterte seine starke Neigung, und «S kam ein« Stunde, in der er Sophie seine leidenschaft liche Lieb« bekannte. Sie erschrak; aufereogen in den strengsten Ansichten von der Heiligkeit der Ehe, Punkten sie sein« Worte ein Frevel, und sie wie» ihn streng zurück, obgleich auch ihr Herz mit tausend lockenden Stimmen für ihn, den schönsten, ritterlichsten und liebenswürdigsten Prinzen, bat. In ihrer zerrissenen Stimmung vertraute sich Sophie Fräu lein von Kalkstein an, di« thr dringend rieth, wie «S sich von selbst verstand, dem Prinzen mit Ehrerbietung zu begegnen, ihn: aber mit Festigkeit zu erklären, er müsse aufhören, ihr Ähn liches zu sagen. Unter rinnenden Thränen bat sie ihn, sie auf- zugeben, sie zu vergessen. „Nimmer kann ich es", rief er erregt, „meine Liebe zu Dir endet erst mit meinem Tode. Noch heute spreche ich mit dem Könige. Er wird es gestatten, daß ich das Band löse, welches mich an meine Gemahlin kettet, und dann — dann, Sophie, wirst Du mein!" „Niemals!" rief sie fest. „Bedenken Eure königliche Hoheit, in wclches Unglück diese unbedachte Handlung die Frau Prin zessin stürzen würde." „Und an mein Unglück denkst Du nicht?" rief er stürmisch, vorwurfsvoll. „Ich muß mich an der Seite einer ungeliebten Frau in vergeblicher Sehnsucht nach Dir verzehren und Du lveisest mich kalt zurück?" Da traf ihn aus ihren wunderschönen Augen ein Blick so voll von Liebe und Schmerz, Laß er erschüttert verstummte. Sie aber fuhr mit dem Muthe, den nur die höchste Reinheit und Unschuld verleiht, fort: „Bedenken Eure Hoheit, daß Sie Vater sind, die Pflicht gegen Ihren Sohn geht jeder anderen voran." All' diese Worte vermochten aber nicht, die Hoffnung im Herzen des Prinzen zu ertödten. Er lud seine Mutter nach Oranienburg, das er mit echtem Kunstsinn verschönt hatte, und veranstaltete dort heitere Feste. Der herrliche Park mit seinen köstlichen Laubgängen, seinen verschwiegenen Grotten hallte wider von fröhlichen Stimmen, von Lachen und Gesang. Die schönste von sämmtlichen Damen des Hofes blieb Sophie von Pannewitz; vielleicht hatte ihre Schönheit noch durch den rührenden Ausdruck der Schwermuth gewonnen, erzeugt Lurch den beständigen Kampf gegen des Prinzen und ihre eigene Neigung. Sie hatte bereits eingesehen, daß die Schönheit „nur ein Vorzug zu sein scheint", aber empfunden, „daß sie es nicht ist, die man haben muß, um glücklich zu sein". Prinz August Wilhelm verglich sie oft mit seiner reizlosen Gemahlin, und der Vergleich diente nur dazu, ihn leidenschaftlicher zu machen. Er zeigte seine Neigung zu Sophie so unvorsichtig aller Mlt, daß er des edlen Mädchens guten Ruf in Gefahr brachte. Ja, ihr eigener Bruder nahm es sich heraus, ihr die bittersten und doch unverdientesten Vorwürfe zu machen. Aus Gram fiel sie in eine schwere Krankheit. Da sie nie, wie sie schrieb, „die Gebote der strengsten Sittsamkeit und Tugend vergessen", schmerzte es sie tief, daß selbst ihre Ange hörigen an ihr zweifelten. Der Prinz verzehrte sich fast in Sorge um sie, die er leidend wußte. Alle Morgen schickte er ihr einen Brief oder ein kurzes Billet, begleitet von duftenden Blumen. So sehr sie auch diese zarten Beweise seiner Liebe rührten, so fühlte sie doch, daß sie sich ihm für immer entziehen müsse. Dazu gab es nur einen Weg: ihre Heirath mit einem Andern. Und so unsagbar schwer ihr dieses Opfer auch erschien, sie mußte und wollt« es bringen. Zwar hatte der Prinz schon zwei ihrer Bewerber, den Grafen Neipperg und den Fürsten Lobkowih zu rückzuschrecken gewußt, aber jetzt kam «in neuer Verehrer Sophiens in Berlin an, der frühere Gesandte am Dresdner Hofe, Johann Ernst von Voß. Der König begünstigte seine Werbung; so sehr er auch Sophi« geneigt war, so hätte er doch niemals ihretwegen in eine Scheidung der Ehe de» Prinzen gewilligt. Als dieser von dem Projekt Kenntniß erhielt, bestürmte er die Geliebte, Herrn von Voß abzuweisen. „Ich ertrüge eS nicht, Dich in den Armen eines Andern zu sehen! Eher würfe ich mein Leben von mir, da» ohne Dich keinen Werth mehr für mich hat!" „Eure Königliche Hoheit werden die hohe Meinung, die ich von Ihn«, hab«, nicht durch rin so feige» Lhun zerstören. Stolz, wie ein zur Sonne fliegender Königsadler möchte ich Eur»? Hoheit allzeit sehen!" erwiderte sie. Wenige Tage darauf, am 17. Januar 1751, verlobte sie sich mit Herrn von Voß, und bereits am 11. März, an ihrem Ge burtstage, fand die Hochzeit statt. Sophie bezeichnet in ihren Memoiren diesen Tag selbst als den entsetzlichsten ihres Lebens. Aber ob auch ihr Herz zu brechen drohte, sie blieb standhaft, sich selber treu. Die Königin, rvelche das von ihrem Hoffräulein dem königlichen Haufe gebrachte Opfer wohl anerkannte, schenkte ihr schöne Spitzen und 1000 Thaler zum Brautkleide „von weißem Moor mit silbernen Blättern". Als der Prinz die heiß Geliebte und rum für immer ihm Verlorene in diesem Gewände vor dem Altar stehen sah, als er sie den Eid der Treue dem un geliebten Manne schwören hörte, fiel er in Ohnmacht und mußte aus der Kirche getragen werden. Sophie aber gelobte sich inner lich, „hinfort einzig und allein den Pfichten gemäß zu handeln, zu denen das Jawort, das sie gesprochen, sie verband." Nach rauschenden Festen reiste das junge Paar nach Groß Witz in Mecklenburg ab. Die junge Frau war bestrebt, ihren, Manne das zu sein, was er von ihr verlangen konnte, «ine treue Gattin; und das Bewußtsein, recht gehandelt zu haben, erleichterte ihr das Leben. Doch von Neuem durchbrauste ein Sturm ihre hartgeprüfte Seele, als die Anstellung ihres Mannes im Ministerium sie nach Berlin und wieder an den Hof führte. Der Prinz, dem man ihren tapferen Entschluß als einen Verrath hingestellt, begegnete ihr wohl mit Achtung und stand auch bei ihrem zweiten Sohne Pathe, aber er blickte sie zu ihrem Kummer stets gekränkt und vorwurfsvoll an. Trotzdem erregte sein Verhalten die Eifersucht des Herrn von Voß. Er bat um seine Versetzung und kam als Präsident nach Magdeburg. Unter tausend Thränen verließ Sophie Berlin. Sie schrieb darüber: „Erst mit diesem erzwungenen Losreißen, das ein so willkürliches und ungerechtes Motiv herbeigeführt hatte, fing für mich das wirkliche Unglück in meiner Ehe an!" Ihre sehnenden, theilnehmenden Gedanken flogen oft zu den, Prinzen, den bald ein tragisches Geschick ereilte. Obgleich er der Lieblingsbruder des großen Königs war, für den derselbe sein großes Gedicht: „Die Kriegskunst" verfaßte und dem er im Jahre 1752 seine „Geschichte des brandenburgischen Hauses" mit Worten der Liebe und Bewunderung widmete, wurde er dock schon nach fünf Jahren von ihm fallen gelassen. Nach der un glücklichen Schlacht bei Collin, welche dem Monarchen den Glauben an seinen Stern und zugleich seinen klaren Blick raubte, ließ er einen Theil der Truppen durch den Prinzen August Wilhelm in di« Lausitz zurückführen und gab ihm Len General von Winterfekdt mit. Dieser verleitete den Prinzen zu Maß nahmen, die unglücklich auifielen und große Verlust« an Menschen und Bagage zur Folge hatten. Winterfeldt stellte den Prinzen als den Schuldigen hin, und der erzürnte König verbannte ihn. ohne seine Rechtfertigung zu hören, nach Berlin. Tief verletzt ging August Wilhelm nach Oranienburg, um dort zu sterben. Schwer krank, verheimlichte er seine Leiden, damit er nicht geheilt werden konnte. Der Tod erlöste ihn am 12. Juli 1758 von dem Gram über seine Unglück liche Liebe zu Frau von Voß und über die unverdient« Ungnad - seines Bruders und König». Mit tiefem Schmerz erfuhr Sophie den Sturz ihres Sonnen aarS, den Heimgang de» nie Vergessenen. Obgleich sie allgemeine Hochachtung genotz, obgleich sie liebevolle Kinder besaß, war ihr doch nimal» ein volle» reine» Glück zu Theil geworden, und es bewährte sich an ihr und dem Jugendgeliebten da» Dichterwor': „Sie haben gehabt weder Glück noch Stern, Sie sind »erd»«»«», gestarden!«
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