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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.03.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-03-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980321021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898032102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898032102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-03
- Tag1898-03-21
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VezrrgS'PrelS 1^4 Di» Dlvrgev-Ui-gabr «scheint xm V»? Uhr,' tt, Ad«d-LLSgab« Wochentag» mn b Uhr. Rröurtio» und Erveditiou^ AatzauueSgasse 8. DirAx-rdittou ist Wochentag« »nnnterstroche» Öffnet von früh 8 bi« Abend« 7 Uhr. Filiale»; ktt« Rle»«'s T-rti«. Mlsretz Haß» Antversitätsstratz» S lPaalinmn), Laut« Lösche. »«thntinnistk. 1«, Part, and K-utg-vlaLi beeirt nnd de» Vororten errichteten A»4- -aoestevea ab geholt: vierteljährlich ^l «chO. bei «Detmaliger ttgltcher Lnftellnng in« Han» UI bcho. Durch di« Post bezog« für Deutschland und Oesterreich: viertelsährlich . tdirea» täglich« Kreuzbandieickuag dB Nuslaäd: Monatlich ut> 7^0. Abend-Ausgabe. WM JagMatt Anzeiger. Ämtsölatt -es L'önigkichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es AaLhes und Nottzei-Ämtes -er Ltadl Leipzig. «nzei-en-PrÄK -gespattme Petitzeile PA Reklamen uater demRrdactionsstrich («g» spalte») ÜO-C, vor den FannlieunackrtcktW lS gespalten) M^tz. Grüße« Schriften laut unsere« Preis« uerteichuiß. 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Um der Regierung die ausschlaggebende Stellung der Fraction wieder einmal zum Bewußtsein zu bringen und womöglich Gegenconcessionen abzunölhigen, wurde die Ent scheidung über die Vorlage von Woche zu Woche hinaus gezögert und inzwischen in der klerikalen Presse gegen die „Bindung des Etatrechts* ebenso geeifert, wie gegen die „unerschwinalicheu Kosten*, welche die Flotten organisation dem Reiche und allen seinen Gliedern auf erlegen würden. Und nun, da die Mehrheit der Fraction sich entschlossen bat, für die Vorlage einzutreten, um eine Auflösung des Reichstags und deren bedenkliche Folgen zu vermeiden, muß dieselbe Presse alle von ihr früher gegen die Vorlage aufgeführten Gründe als Scheingründe bezeichnen und denselben Eifer für die Annahme des Gesetzes entwickeln, den sie früher für die Verwerfung entwickelte. Mit wahrer Todesverachtung unterzieht sich die „Germania" dieser Aufgabe. Anfangs Halle gerade sie das „Septen nat" als verfaßuntzSwidrig und den künftigen Reichstag in unzulässiger Weise bindend bekämpft; jetzt weist sie nach, „daß schon 1867 bei Entstehung der jetzigen Reichsverfassung unter Zustimmung der Abgeordneten Wind Ihor st nnd von Mallinckrodt, welche einen ent sprechenden Antrag zur Verfassung unterzeichnet haben, eine Bindung des EtatreckteS auf mehrere Zahre gerade für Marineforderungen in Aussicht genommen und beabsichtigt war." Das Blatt stellt die Anregung des damaligen Abgeordneten Miquel in dieser Richtung fest und fährt fort: „Nicht allein diejenigen Abgeordneten, welche für die einjährige Vudgrtbewilligung eintraten, sondern auch Anhänger einer drei jährigen Budgetperiode waren einer längeren Bewillig ungssri st für Heer und Marine keineswegs abgeneigt. Es erhellt Las aus einem Anträge, Len der frühere hannoversche Finanzminister Erx- leben in Gemeinschaft mit dem Abg. Windthorst geitellt hat, unter- stützt durch den Abg. ».Mallinckrodt. In diesem Anträge heißt es u. A.: „Sämintliche Einnahmen und Ausgaben des Bundes, ein schließlich der behufs der Einnahmen zu verwendenden VerwaltungS- und Echebungskosten, bedürfen der Bewilligung des BunLesratbs und des Reichstags, welche, sofern es sich nicht um Einnahmen oder Ausgaben von kürzester Dauer handelt, jedes Mal für eine Periode ron drei Jahren auszusprcchen ist, rücksichtlicb derjenigen Summen ober, welche dem Bundespräsidio bereits zur Verfügung gestellt sind, oder noch zur Verfügung gestellt werden, in soweit diese- geschehen ist, nicht verweigert werden darf."" Dieser Antrag wurde in der Sitzung des constituirevden Reichstags vom 17. April 1867 von dem Abg. Erxleben wie solgt begründet: „Der Entwurf hatte seinerseits bekanntlich die Absicht, daß auch in Beziehung aus die Marine ein solcher Etat vereinbart werden sollte, und ich halte eS meines OrtS durchaus nicht für unzweck mäßig, daß man dieses, was jetzt abgelehnt ist, demnächst wieder anfnimmt und vielleicht für eine längere Periode sowohl bet dem Kriegswesen wie bei der Marine dann solche Stipulationen macht, wie wir sie kürzlich über das Bundeskriegswesen beschlossen haben." Die „Germania" schließt: „Die Borbewilligung auf mehrere Jahre ist zwar eine Aus- nähme von der Regel der einjährigen Budgetbewilligung, aber eine schon bei Berathung der Verfassung bestimmt ins Auge gefaßte und beabsichtigte, eine vom Gesetzgeber gewollte Ausnahme. Die Entstehungsgeschichte der Verfassung, die wir vorhin ansührten, ist ein schlagender Beweis dafür... Wenn die Regierung beim Flottengesetz eine Lorbewilligung aus mehrere Jahre verlangt, jo hat sie unzweifelhaft die Verfassung auf ihrer Seite... Es wäre fonach ein Verstoß wider die Wahrheit, wenn man die Bindung des Etatsrechts im Flottengesetz als eine „Schreckens- kammer" hinstellen wollte". Mit derselben Verleugnung des früher vertbeidigten Standpunctes legt die „Germania" dar, daß die finanzielle Tragweite des Flottengesetzes überschätzt werde und daß keineswegs eine plötzliche große Steigerung der Ausgaben drohe. „ES handelt sich also auch nickt etwa um Deckung von 1000 Millionen Mark, wie in socialdemokratiscken Zeitungen und Wahlaufrufen behauptet wird, sondern insgesammt uni 142 Millionen Mark innerhalb 6 Jahren, oder im Durch schnitt nicht ganz 24 Millionen Mark jährlich, in den ersten 3 Jabren höchstens um durchschnittlich 15 Millionen Mark jährlich." Die „Germania" verweist auf den brillanten Stand der Reichsfinanzen und sagt: „Die Uebcrschüsse von 1897 und die mit Sicherheit zu ge wärtigenden Ueberschüsse pro 1898 würden allein schon hin- reicken, die Gesummt - Mehrausgabe des Flotten gesetzes in den sechs Jahren zu Lecken. Vom Jahre 1904 an tritt, da dann nur noch Ersatz bauten statlfinden und auch diese durch den letzten Beschluß limilirt worden sind, eine Ausgabe-Verminderung von jährlich 20000 000! ^ll gegen 1903 rin. Unter diesen Umständen kann von einer Decknngssrage für das Flotte ngesetz, so wie sich dasselbe durch dir Abänderungen gestaltet hat. jetzt kaum ernstlich die Rede mehr sein. Nur falls ganz un erwartet ungünstige Verhältnisse eintretcn sollten, die Niemand voraussehen kann, könnte die Deckungsfrage wieder in Betracht kommen." Ganz so kadavergeborsam, daS sagt sich die „Germania" selbst, ist aber die uitramontane Wählerschaft denn doch nicht, um sich plötzlich das Gegentheil von dem einreden zu lassen, was ihm früher vorgepredigt worden war. Auch der Abg. Müller-Fulda sagt sich daS. Er ist gekränkt durch die An nahme, sein Umfall in der Commission beweise, daß er durch seinen Sexennatsantrag das Gesetz habe zum Scheitern bringen wollen; er beweist aber durch seinen Protest gegen diese Annahme, daß -er sich durch sc ine gegen die Vorlage gerichtete Broschüre seinen Wählern gegenüber festgenagelt zu haben fürchtet. Und wer weiß, wie viele seiner Collezen gleich ihm daran ver ¬ zweifeln, ihre gegen da« Gesetz verhetzten Wähler umzustimmen. Den „Münch. N. N." geht auS CentrumSkreisen die Mit- theilung zu, daß nach der in der Fraction herrschenden Ansicht auf kaum mehr als 50 CentrumSstimmen für das Gesetz zu zählen sei. Auf die Bayern rechne man, abgesehen vom Abg. von Hertling, gar nicht mehr und sehe sich daher genöthigt, die bisher nach außen hin hartnäckig auf recht erhaltene Fiction von einem „einigen, unerschütter lichen Centrum" fallen zu lassen. Dem Ausland e gegenüber wäre es ja zu beklagen, wenn infolge einer nam haften Zahl ablehnender Centrumsstimmen die Majorität für daS Gesetz eine geringe würde. Andererseits aber würbe eine Spaltung der Fraction in zwei nahezu gleiche Theile auch eine erwünschte Folge haben, denn sie würde die Sorge vor einer „Belohnung" des Centrums erheblich abschwächen. Jede Belohnung würde ja auch dem oppositionellen Theile zu Gute kommen, und der Gedanke, auch die Gegner deS FlotiengesetzcS zu bezahlen, wäre zu groleSk, als daß er ernstlich gehegt werden könnte. Daß die Polen unter allen Umstanden zusammenhalten, selbst der katholischen Geistlichkeit gegenüber, zeigt sich soeben wieder einmal in eclatanter Weise. Eine große Zahl oberscklesischer katholischer Geistlichen hatte eine scharfe Er klärung gegen den aufreizenden Ton des oberschlesischen Polenblattes „Katolik" erlassen; sofort kommt jetzt dem rckerschlesiscken polnischen Blatte der gesinnungsverwandte „Dziennik Poznanski" zu Hilfe. Er fällt über die katholischen Geistlichen in einer Weise her, die zu der Frage be rechtigt, wie es einem nichtkatbolischen Blatte ergehen würde, das sich einen solchen Ton erlaubte, und drobt den Geist lichen damit, daß sie ihren ganzen Einfluß auf daS polnische Volk in Oberscklesicn verlieren würden. Bezeichnend ist, daß die „Germania", der cS gegenüber dem Könige von Italien an Ausdrücken derbster Art nicht zu fehlen pflegt, für den Hochmuth und den Spott des „Dziennik" nur einige schüchterne Worte der Abwehr hat. Und dock sollte gerade dieser Fall die Herren vom Centrurn und die katholische Geistlichkeit überhaupt zum Nachdenken veranlassen. Denn er zeigt, daß den Führern der polnischen Propaganda die Nationalität in erster Reibe, das katholische Bewußtsein erst in zweiter Reihe steht. Darin sieben sie allerdings in einem ausgesprochenen Gegensätze zum Centrum. Es ist noch unvergessen, wie im Jabre 1894 die „Germania" die gelegentlich einer Stichwahl zwischen einem Polen und einem Deutschen ausgesprochene Mahnung, die deutschen Katholiken deS betreffenden Wahlkreises sollten daran denken, daß sie in erster Reihe Deutsche seien, verbönte und erklärte, daß sie im Gegentheil in erster Reihe Katholiken wären. Das solidarische Zusaminenstehcn des „Dziennik" und des „Katolik" gegen die katholische Geistlichkeit beweist, daß den Polen daS Polenthum in erster Reihe kommt, daS katholische Bekenntniß erst in zweiter. Und darum sollte sich daS Centrum darüber klar werden, daß die Förderung des Polentbums unter Um ständen nicht eine Förderung, sondern eine Schwächung des KatholicismuS bedeutet. Gerade daß der Zwischenfall in Oberschlesien spielt, ist für Las Centrum und den katholischen Klerus höchst unerfreulich. Beide können in Bezug auf das Polenthum mit Gretchen ausrusen: „Ich habe schon so viel für dich gethan, daß mir zu thun fast nichts mehr übrig bleibt". All das aber wird von den Polen vergessen, sobald dir Geistlichkeit einmal gegen sie aufzumucken wagt. Heute beginnt die Session des österreichischen Neichsraths. Vielleicht ist noch keiner mit solcher Spannung entgegen gesehen worden, denn kaum eine war je so entscheidend für die vitalsten Interessen deS DonaustaateS, wie dies- es sein dürfte. Der Aufmarsch der Parteien ist vollzogen, sie stehen gerüstet da, um den Kampf um das Reckt der Nationalitäten weiterzukämpfen. Wie stehen die Cbancen der Deutschen? Leider ist noch in letzter Stunde Zwie spalt in ihren Reihen auSgebrochen. Nickt allein, daß der ver fassungstreue Großgrundbesitz durch die Entsendung l)r. Bärn- reilhers ins Handelsministerium den Verband der Gemeinbürg schaft aller deutschen Parteien gelockert hat, auch die radikale deutsche Linke, die deutsche Volksparlei der Schönerer, Wolff, Jro und Genossen, hat sich von der gemäßigten deutschen Fortschrittspartei getrennt. Die Letztere erklärte zwar, daß sie nach wie vor dem Cabinet Thun mit vollstem Mißtrauen gegenüberstehe, sofort einen Antrag aus gesetzliche Regelung der Sprachenfrage stellen und die Ministeranklage gegen Badeni erheben werde, aber sie verzichtete darauf, die neue Tagung des Reichsraths mit der Fortsetzung der Obstruction zu beginnen, die der letzten Session ein Ende mit Scandal und Rauferei bereitet batte, und gab ihre Geneigtheit, zu pactiren, durch die Entsendung eines der Ihrigen in das Präsidium zu erkennen. Diese wie Versöhnlich keit anmutbende Taktik wird von der Volkspartei auf das Entschiedenste bekämpft. Sie verwirft die Uebernahme der Vicepräsidentenstelle durch einMitglied der deutschen Opposition, verlangt sofortige Aushebung auch der neuen (Gautsch'schen) Sprachenverordnung als Vorbedingung der Theilnahme an den parlamentarischen Arbeiten und wird, wenn die Verordnungen nicht sofort verschwinden, unverzüglich mit der Obstruction beginnen. Es ist in hohem Grade bedauerlich, daß so die Mehrheitsparteien und daS Ministerium Thun einem gespaltenen Feinde sich gegenüber finden, den zu überwinden nicht schwer sein sollte. Aber latent war die Disharmonie zwischen Radikalen und Gemäßigten schon immer vorhanden, wenn die „Tägl. Rundschau" es auch nicht Wort haben wollte, als sie neulich eS als „traurig" bezeichnete, daß wir eS wagten, in einem Citat zwischen Extremen und Gemäßigten überhaupt nur zu unterscheiden. Zwischen Beiden war schon während der letzten Obstructionö-Campagne wiederholt nicht alles im Reinen und so lassen sie sich auch jetzt nicht so ohne Weiteres unter einen Hut bringen. Die „N. Fr. Pr." mahnt zur Mäßigung, indem sie aussührt: Die Deutschen in den Alpenländern können vielleicht mit einiger Ruhe auck einer solchen Eventualität entgegensetzen, denn sie bilden ihren Provinzen entweder die alleinige Bevölkerung oder doch in die bei Weitem überwiegende Majorität. Wie aber die Deutschen in Böhmen? Müssen sie nicht in einem so kritischen Augenblicke erwägen, was ihr Schicksal wäre, wenn sie, losgelöst von den Stammesgenossen, der unbarmherzigen Faust einer tschechisch-seudalen Landtags-Majorität preiSgegeben wären? Gewiß, ein österreichischer Födrrativstaat böte keine Bürg schaften Les Bestandes, und keine österreichisch denkende Regierung dürste die Hand zu einer solchen Umgestaltung bieten. Aber die Ministerien Hohenwart, Taaffe und Badeni haben gelehrt, daß auch solche Regierungen in Oesterreich nicht unmöglich sind, und was wäre daS Schicksal der deutschen Minoritäten in den slawischen Ländern in der Zwischenzeit, bis di« Unmöglichkeit diese« Staaten gebildes sich erwiesen hat? Wir Deutsche im Reich sollte« in der Nationalitätenfrage nicht radicaler denken, als die Deutschen in Oesterreich, speciell in Böhmen, die, soweit sie nicht dem Großgrundbesitzer-Club zugehören, ihrer Mehrheit nach nicht etwa durch die Volks partei, sondern durch die gemäßigtere Fortschrittspartei ver treten sind, welche sich gegen den sofortigen Beginn der Ob struction erklärt hat. Allein uns will eS scheinen, daß die Volkspartei richtiger in dieZukunft blickt, alsjene. DaS ist doch sicher, daß die Regierung deS Grafen Thun mit der Verpflichtung auf den Plan getreten ist, den Aus gleich mit Ungarn, an dem der Krone Alles gelegen sein muß, auf parlamentarischem Wege zu ermöglichen. Das soll zuerst und zunächst geschehen, und dazu sollen die Deutschen die Hand bieten. Ob es nachher zu einer gesetz lichen Regelung der Sprachenfrage kommt und wie dieselbe ausfällt, darüber schwebt noch völliges Dunkel. Die Fort schrittspartei mißtraut der Regierung aufs Höchste. Demzufolge sollte sie sich auch auf den Standpunkt der Radikalen stellen, die mit Recht sagen: Meint es die Regierung ehrlich mit unS, so mag sie erst ihr Versvrechen einlösen und dann von unS den Ausgleich fordern. Warum schlägt man diesen Weg nicht ein? Selbst die „N. Fr. Pr." muß bekennen: „ES ist schwer zu entscheiden, ob die Obstruction oder Opposition daS an sich richtige Kampfmittel ist, und die Ereignisse können leicht und vielleicht in sehr kurzer Zeit dahin führen, daß auch die deutsche Fortschrittspartei und vor Allem die Deutschen aus Böhmen bekennen müssen, eS bleibe nicht- Andere« mehr Durch eigene Lrast. 30j Roman von Alexander Römer. Nachdruck »erboten. „Hast Du noch keine Nachricht von Felix?" fügte der Papa hinzu. Sie schüttelte den Kopf. „Nein, Papa, seitdem er fort ist, keine Zeile, ich erwarte ihn daher jeden Tag. Und, was Deinen Wunsch betrifft, so fürchte ich, da bleibt Felix gar keine Wahl. Ich erfuhr es gestern — und eS ist Wohl zwecklos, etwas zu verschweigen, was un abwendbar herankommt. Ihm steht eine Versetzung bevor, in die er nie willigen wird." Der alte Baron erhob den Kopf und sah seine Schwieger tochter einen Moment starr an, dann stand er schwerfällig auf. Soin Kopf war aus die Brust gesunken, er ging mit langsamen Schritten auf und ab. Otto Victor jauchzte und klatschte mit den Fäustchen gegen die Glasscheiben, Ottine sah mit unendlich wehmüthigem Ausdruck auf das Kind herab. Sie sprach schon lange nicht mehr über die Ding«, wie sie geworden waren. Welche thörichten Schaum blasen waren ihre ehrgeizigen Pläne, welch ein großer Jrrthum war eS gewesen, wenn sie meinte, diese Ehe, ohne Liebe ein gegangen, könne befreien und glücklich machen! Nutzlose» Mühen, nutzlos« Qual, «in gänzlich verpfuschtes und verfehltes Leben! Sie hatte schon lange die volle Bitternih dieser Er- lenntniß empfunden, und dies« zwei Jahre, seitdem sie ver- heirathet war, diinkten sie rin« endlose Zeit, vor diesen zwei Jahren war si« noch jung, trotz ihre» wechs«lvoll«n, an Erfah rungen schon so reichen Leben», setzt waren Jugend und Hoffnung geschwunden. Der Schwiegervater wanderte noch immer auf und ab und murmelt« in abgebrochenen Sätzen Allerlei vor sich hin. „Er hat unverantwortlich gebummelt — ja, ja, der Staat verlangt jetzt etwa» von seinen Arbeitern — und er hätte etwa» leisten können — er besitzt Verstand genug. Zu Anfang, al» er Dich Heirathebe, Tilly, da habe ich gehofft, er liebt« Dich." Ottilie zuckte unwillkürlich di« Achseln, ihr« Miene war herbe. „Liebte", wiederholte sie mit seltsamer Betonung. Der alte Baron gab einen grunzenden Ton von sich, man blieb tm Aweifel, wa» damit gemeint war. „Emily hat ihn auf der Seele", ries er plötzlich laut und erhob die Rechte drohend gegen die abwesende Gegnerin. „Mit dieser Emily hatte sich «ine verderbenbringend« Schlange in unserem Haufe eingenistet. Zu Anfang fühlte ich Mitleid mit ihr, mit Cäcilie war nicht leicht zu verkehren, und sie schien so demüthig und unermüdlich. Später lernte ich anders über sie denken. Es ist unbegreiflich, daß meine Frau das Mädchen nicht mittlerweile durchschaut hat." „Mama hat lange alle Macht über Emily verloren", bemerkte Ottilie leise, „sie wird fast tyrannisch von ihr beherrscht." „Ja, es ist unglaublich, man möchte an Zauberkünste denken, wie Cäcilie sich beherrsch«« läßt." Ottilie hatte ihre stillen Gedanken, der harmlose Papa kam recht spät auf die Spur der Wahoheit. Die Zauberkünste dieser Sirene wirkten nicht nur bei der Mama, Felix lag wieder völlig in ihren Banden. Ob die Mutter, welche sich doch einredete, ihren Sohn zu lieben, gar kein Auge dafür hatte, wie sie das Verderben desselben fördert«? Eifersucht war es nicht, was ihr Herz so zusammcnschnürte, es lebte kein Funke von Liebe für den Mann in ihrer Seele, aber diese Zukunft, wenn er seinen Abschied aus dem Staatsdienst nahm, wenn ihnen nichts blieb alS Haßbach! Sie grübelte jetzt Tag und Nacht darüber, wie sie eS ertragen sollte, unter Ludwig» Augen neben diesem Gatten zu leben. Der Ton der Klingel an der Flurthür störte Ottilie au» ihrem düsteren Sinnen auf. Sie war nervös geworden in den letzten Wochen. Der Diener trat ein und überreicht« ein Telegramm. Der Papa öffnete e» mit zitternden Händen, eS kam au» Nizza, und wenn Läeilie telegraphirte, so handelte«» sich sicher um Besondere» und schwerlich um etwas Angenehme«. Ottilie beobachtet« den Papa, auch sie fiiblte eine beklommene Spannung — wa» war da»? Er sagt« nicht», er starrte mit glanzlosen Augen auf di« Schrift und sank dann mit dumpfem Laut in den Sessel. Ottilie setzte da» Kind auf den Teppich und ült« an seine Seit«. Sie nahm die Depesche au» seiner kraftlosen Hand. Auch vor ihren Augen schwammen di« Buchstaben. „Felix ermordet — komme sofort. Cäcilie." „Ermordet", wiederholte sie mechanisch, ohne zu wissen, waS sie sagte. » Der alte Herr fuhr empor, al» habe ihn nun erst da» Wort getroffen. „Du Du —" bracht« er stottnnd hervor — die Stimm, erstarb in einem Stöhnen, er fiel schwer in seinen Stuhl zurück. Lu» dem Gesicht der jungen Frau war alle» Blut gewichen, ihre Arme hingen schlaff herab; der Kleine streckte die Aermchen empor und weinte. Sie bückte sich und nahm das Kind mechanisch, wie geistesabwesend. Die Gedanken brausten so wirr, so unge ordnet durch ihren Kopf — ermordet — ein Ueberfall — ein Abenteuer — sie streckte langsam die Hand nach der Klingel aus und drückte aus den Knopf. Die Wärterin trat ein, sie übergab ihr das Kind, die Frau sa-h verwundert in ihr verstörtes Gesicht. Ihre Bewegungen waren die einer Traumwandelnden. Sie winkte der Dienerin, sich mit dem Kinde zu entfernen. Ihre Gedanken gingen noch immer in schwerfälliger Folge weiter — Emily Monte Carlo — aber es kam kein klarer Sinn hinein. Der Papa stand jetzt aufrecht. „Ich muß ja hin", sagte er tonlos. Das Wort weckte Ottilie aus ihrer Betäubuirg. „Du!" rief sie, „nein, nein, Dich lasse ich nicht fort. Wie könntest Du — o! Diese Aufgaben dort übersteigen ja weit Deine Kräfte, nein. Du kannst nicht nach Nizza gehen." Er starrte sie verständnißlos an, er mühte sich, zu besinnen. „Meine Frau — mein« arme Frau", sagte er, „Du lieber Gott! Todt! Ermordet — Tilly, das ist ja gar nicht möglich." Ottilie sann nach — sie ward es sich gar nicht bewußt, daß diese Nachricht sie zur Wittwe machte, daß sie es war, die am härtesten von diesem Schlage betroffen sein sollte; ihr Kopf arbeitete wieder, um die Sorgen für das zunächst Liegende zu erledigen. „Es muß Jemand nach Nizza »u der Mama Stütze", murmelte sie, „aber ein Anderer. Wer? Wer?" Und als der alte Herr eine Bewegung machte, umschlang sie ihn mit ihren Armen und kniete an seiner Seite. „Dich lasse ich nicht, Papa", rief sie leidenschaftlich, „ich bedarf Deiner hier, ich und der Knabe", und jetzt erst stürzten Thronen hervor. „Auch ich will nicht gehen und kann nicht gehen", fuhr sie fort, „ich verlasse mein Kind nicht, und wir wissen nicht, was dort geschehen ist." „Kind, Kind! Meine liebe Tochter" — der Alte beugte sich zärtlich über die Schluchzend« — „Gott muß auch Dir helfen — ich bin alt — wäre ich noch stark —" Si« erhob sich, jetzt plötzlich ruhig und gefaßt. „Du bist noch stark, Papa, denn Du bist gut", sagt« sie, „und ich — Du hast recht, mich zu mahnen — meine Jugend muh eintreten, wo Deinem Alter die Kraft fehlt, wir müssen ge meinsam tragen, fortan gemeinsam arbeiten." Äe stand einen Moment unbeweglich, mit hartem Blick vor sich hinstarrend, und faßte dann an ihr« Schläfen. „Laß mich nachfinnen", flüsterte sie, „mein Kopf muß klar bleiben und mein« Seele stark. Llau» Hartwig!" rief sie plötzlich, „er ist, Gott sei's gedankt, augenblicklich hier, er ist der rechte Mann, er muß nach Nizza reisen." „Claus Hartwig?" wiederholte der Baron. „Er ist freilich jung, Ottilie, und Cäcilie hätte an ihm ein« bessere Stütze als an mir, und. Du magst recht haben, ich fürchte, ich bin gar nicht im Stande, zu reisen." Ottilie ging hinaus und gab ihre Befehle. Sie that mit völliger Fassung die nothwendigen Schritte. Nach einer Stunde schon stand Claus vor ihr, und sie berichtete ihm, um waS es sich handelte. Wenn der Maler in Berlin war, kam er öfter zu dem alten Baron, dem er eine dankbare Gesinnung bewahrte. Claus war bestürzt und sah etwas verwundert auf die junge Frau, der er, seitdem er si« näher kannte, ein« aufrichtige Ver ehrung zollte. Sie war so ruhig, so besonnen, und sie hatte dm Gatten verloren. Er erklärte sich aber sofort zu jedem Dienste beroit. „Ich weiß, ivas ich Ahnen damit zumuthe", sagte Ottilie, „Sie lieben meine Schwiegermutter nicht und stehen zu Emily in einem peinlichen Verhältnih. Aber ich weiß außer Ihnen Keinen, dem ich ganz verträum könnte. Sie werden die näheren Umstände dieses räthselhaften FallrS ergründen und mir wahrheitsgetreu Bericht erstatten. Ich will genau wissen, wa» da geschehen ist." „Sie können sich auf mich verlassen, gnädige Frau. Was anS Tageslicht zu ziehen ist, soll mir nicht entgehen. Aber ich bewundere Sie und Ihre Stärke." Ein bitteres Lächeln flog über ihre Züge. „Bewundern Si« mich nicht, erwarten Sie erst, ob ich in der That den Aufgaben gewachsen bin, di« vor mir liegen." Er küßte ihre Hand fast galant. Allen Resvect, daS war kein winselndes Frauenzimmer, wie sie sonst b« solchen Anlässen sich zu geberden pflegen. Ob sie ihren Mann nun gerade heiß ge liebt hatte, erschien ihm zweifelhaft, aber — wie sie richtig sagt« — vor ihr lag k«in leichter Weg. Er verfügte sich zum alten Baron, den sie überredet hatten, sich niederzulegm. Die Erschütterung hatte ihn so umgeworfen, daß er sich kaum aufrecht hielt. Claus holt« sich von ihm die letzten Instructionen und rüst« mit dem Nachtzug ab. Der erste Bericht von Claus war «ingetrosfen. Ottilie saß, den Kopf in die Hände gestützt über dem Schreiben. S« hatte LlauS, dem ungewandten Briefsteller, Kopfzerbrechen genug ge macht. Wie sollte er da», waS er Lei seinen geschickten Nach forschungen erfuhr, der jungen Wttw« geaenüber in Worte kleiden. Er war fest überzeugt, daß Emily den Todtm in di« verhängnißvolle Lage hinringetrieben hatte — d«m nach Alle»,
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