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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.03.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-03-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980322011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898032201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898032201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-03
- Tag1898-03-22
- Monat1898-03
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ripMer Tageblatt VtlVN t.0 Druck und Verlag von E. Polz in Lelpssg. 92. Jahrgang It5 Dienstag den 22. März 1898. »NO». »uvn err.v S7: I1A,b<Xt Fsriilletsn >t»rN ff? !2 Die Vlorgen-Ausgabr erscheint um '/,? Uhr, di» AbenL-AuSgabe Wochentag» um b Uhr, RP Sark iooöo. nss^s t. o. l. v Friedrich»« :» ist jetzt kaum inger al» ein Hahr her, daß auf dem Festmahl des Annahmeschlui fue ZtPei-ei»: Ab »ad »Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Marge «»Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stund« früher. Anzeige» sind stets an die Extzeditts» z» richten. Socialdemokratische Arbeitgeber. Die Verwaltungen und Lagerhalter »c. Ve-aetion vn- Lrveditio«: Aahannesgaste 8. Die Expedition ist Wochentags anunterbroche» geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr, Filialen: ttta Klemm's Tartim. (Alfrel Hahn), UnivrrsitätSstraße 3 (Paulinum), Lauts Lüsche. Katbarineuftr. 1< Part, und Künigsplatz 7. Von besonderem Interesse ist es, zu untersuchen, welches überschüssige Menschenmaterial den einzelnen europäischen Ländern zur Verfügung steht, da der Antheil der verschiedenen Völker an der allgemeinen Völkerwanderung naturgemäß von dem regelmäßigen Geburtenüberschuß abhängig ist. Es sind in dieser Richtung allerdings mehrfach Untersuchungen angestellt worden; ziffernmäßiges Material hat einer der bedeutendsten gegenwärtigen Statistiker, G. von Mayr, geliefert; nach seinen tabellarischen Aufzeichnungen schwankten, so weit es zu ermitteln war, die jährlichen Ueberschüsse der Geburten über die S!e/>e- fälle innerhalb der letzten zwei Jahrzehnte (1874/1895) in Ruß land zwischen 11,0 und 16,8 in England zwischen 10,7 und 15,7, in Deutschland zwischen 10,7 und 14,6 (1895: 14,0, Preußen 15,1), in Schweden zwischen 9,11 und 13,6, in Ungarn zwischen 5,3 und 14,6, in Oesterreich zwischen 7,0 und 10,7 in Italien zwischen 3,1 und 12,8, und endlich in Frankreich zwischen — 1,3 und -s- 4,8. — Während für ine abnehmende Bevölkerung Frankreichs die Colonien ein Luxus sind, hat Deutschland auch nach diesen Ziffern nicht nur das Recht, sondern die ernste Pflicht, den Riesencolonialreichen Rußland und England nachzustreben und für seinen großen Bevölkerungsüberschuß auch ein großes Wirkungsfeld, eine große Wohnstätte zu schaffen. Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Nathes und Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. l. o e.l). i o i. IX i. v l.0 i. o. i. 0 i. l). 1 0. t.v. i. o tztra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbefsrderung Xi SO—, mit Postbeförderung Xi 70.—. Bezugs-Preis st» tz« Hauptexpedition oder den l« Stadt bezirk und den Vororten errichteten Aus- aaoestellen ab geb alt: vierteljghrlichXsLO, sei zweimaliger täglicher Zustellung ins Hau« Xi S.bO. Durch di« Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich Xi S —. Direkt» tägliche Kreuzbandsendung ins Ausland: monatlich X 7.S0. in intimem Kreise zur kaiserlichen Tafel gezogen. Indessen würde man — vorläufig wenigstens — völlig fehlgehen, wenn man aus dieser Annäherung schließen wollte, Graf Herbert werde demnächst als Botschafter oder sonstwie in den Reichs- und Staatsdienst zurückkehren. Graf Bismarck ist, nach dem Zeugniß seines Vater», „nur zu sehr von politischem Ehrgeiz frei" und auch wohl durch die glänzenden Stellungen, die er al» verhält- nißmäßiger junger Mann eingenommen hat, in dieser Beziehung hinlänglich saturirt. Er liebt da» Landleben, seine Freiheit und Unabhängigkeit so sehr, daß es des Zusammentreffens ganz besonders zwingender Umstände bedürfen würde, um ihn zu bestimmen, der Landwirthschaft Valet zu sagen und in irgend ein Minister- oder Botschafterhotel zurückzukchren. Jedenfalls darf die Möglichkeit als ausgeschlossen gelten, daß e» gehässigen Zwischrnträgereien so leicht gelingen könnte, da» jetzige Verhältniß zwischen dem kaiserlichen und dem BiS- marck'schen Hause wieder ernstlich zu stören. Dazu kommt, daß die Männer, welche jetzt die innere und äußere Politik des Reiches amtlich vertreten, sich bei ihrer Thätigkeit der Zustimmung deS Reichskanzlers in weit höherem Maße als ihre Vorgänger zu erfreuen Haden. Die kritischen Artikel in den „Hamburger Nachrichten" sind sehr viel seltener geworden und das Blatt hat, sicher nicht ohne dazu von Friedrichsruh aus aufgefordert zu sein, die Regierungspolitik in letzter Zeit mehrfach und lebhaft unter stützt. Dir Fähigkeiten der Herren v. Bülow und Posadowsky werden in Friedrichsruh nach Gebühr gewürdigt. Mit l»r chine- stschen Action ist der Fürst wirklich einverstanden und würde e» in vielleicht noch höherem Maße sein, wenn «» absolut sicher wäre, daß die glücklich begonnene Sach« auch richtig durchgeführt wird, und wir uni dabei „nicht in die Nesseln setzen". Der Umschwung, der andererseits in der inneren Politik, namentlich in der Behandlung der socialen und wirthschaftlichen Fragen, elngetreten ist, und der in der Hauptsache vom Grafen Posa dowsky vertreten wird, bat, wte kaum erwähnt zu werden braucht, ebenfalls den Beifall de» Fürsten, und e» verdient al» schlüge zur Anstellung des Berkaussversonals machen kann und ihm ein Ablehnunqsrecht zugestanden ist, wenn berechtigtes Miß trauen gegen die Ehrlichkeit oder die Leistungsfähigkeit der betreffenden Person vorliegt. Alle Bortheile, die einzelne Vereine über die vorstehend geeinigten Forderungen hinausgehend schon gewähren, dürfen nicht geschmälert werden. Zur Beilegung etwaiger Streitigkeiten über AuS» bezw. Durch, führung der in dieser Resolution niedrrgelegten Beschlüsse und über sonstige etwa entstehende Differenzen zwischen Verwaltung und Personal wird ein Schiedsgericht gebildet. In Bezug auf die Clasjeneinlheilung, die Regelung der Ge- hältersrage betreffend, ist Folgendes zu bemerken: Classe I umfaßt die Städte Chemnitz, Dresden, Leipzig und Zwickau, sowie die in nächster Nähe derselben gelegenen Ortschaften mit großstädtischem Charakter; Classe ll alle Orte über 10 000 Einwohner und Classe Hl alle darunter. In zweifelhaften Fällen kann das ein» zusetzende Schiedsgericht entscheiden, wenn es diejerhalb an- geruien wird." Diese Resolution wurde mit großer Mehrheit angenommen. Interessant ifl in ihr vornehmlich die Festsetzung der höchsten wöchentlichen Geschäftszeit auf 78 Stunden. Die socialvemo« kratische Partei agitirt bekanntlich für den Achtstundentag; als Arbeitgeber aber vereinbaren die ConsumvereinS-Social- demokratcn einen Dreizehnstundentag! AuS der Debatte über die obige Resolution beben wir nach dem Bericht der socialdemokratischen „Leipz. VolkSztg." Folgendes hervor: „Sch na bei» Dresden, Vorsitzender des Aussichtsrathes de» Vor wärts, tpricht unter lebhafter Unruhe und Zwischenrufen gegen die Resolution. In der Commission hätten statt der Vorstände die Aussicht sräthe vertreten sein müssen. Ihm komme die Sache mehr wie eine „Schiebung" vor. .. Durch das öffentliche Auf treten der Lagerhalter sei erst die gegenseitige Miß» stimmung erzeugt worden. . ." So denkt der Vorsitzende eines socialdemokratischen Auf- sichtsratbS über das demokratische Princip der Oeffent- lichkeit! — Die „L. VolkSztg." berichtet weiter: „Sterke-Strießen spricht sich ebenfalls gegen die Resolution aus; die kleineren Vereine würden nicht danach handeln kön neu." So denkt der socialdemokratische Herr Sterke über da» socialdemokratische Princip der Gleichmacherei! Endlich berichtet die „L. VolkSztg.": „B uhl-Leipzig tritt unter Bezugnahme auf Auseinandersetzungen mit seinem „verehrten Ches" (Herr Fell ist gemeint) auch für die Resolution rin. . . Bock-Leipzig wendet sich gegen Buhl wegen dem „verehrten Herrn Ehrs". So etwas sei man wohl in bürgerlichen Unternehmen gewöhnt, aber nicht unter Arbeitern. Er ist auch gegen die Resolution und auch dagegen, daß man die Lager halter zum Tbeil von der Verantwortung entbmden will. Ein Lagerhalter habe sich ihm gegenüber einmal beschwert, daß »ine Verkäuferin in seine Commode gegriffen habe; da sage er aber, daß die Lagerhalter auch in die „Commode" des Vereins griffen." (Große Unruhe, Zwischenrufe.) So faßt „Genosse" Bock da» socialdemokratische Princip der Brüderlichkeit aus! In Summa: Auch diese Dresdener Tagung hat den Widerspruch zwischen socialdemokratischer Theorie und Praxis aus da» Deutlichste kennen gelehrt. A»zeigK»-Pret- dte 6 gespaltene Petitzrile LS Pf-- Reelamt» unter dem Redactionsstrich lsaa» spalten) bOH, »ar -en Familiennachrichte» (6gespalten) 40/H. Größere Schriften laut unser«» Psaik verzrichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Deutsches Reich. U Leipzig, 2l. März. Der Verband reisender Kaufleute Deutschland» inLeipzig bat in einrr aus führlichen Denkschrift zu der Frage der Einführung kauf männischer Schiedsgerichte Stellung genommen und auf Grund seiner langjährigen Erfahrungen dargeldan welche Vortheile ein solches Schiedsgericht ganz besonders für den Stand der Hanblungsreisenben, eventuell auch der kauf männischen Agenten bieten würde. Der Verband tritt daher nachvrücklich für die Einführung kaufmännischer Schiedsgerichte rin und stellt in seiner den zuständigen Ministerien, Bundes rath und Reichstag sowie den Handelskammern zugefrrligten SchriftfolgendenAntrag: „Eswerden selbständigekaufmännische Schiedsgerichte, welche nach Art der bestebrnden Gewerbe gerichte zu organisiren sind, und in welchen Beisitzer aus dem Kreise der Principale und ihrer Angestellten fungiren, ge bildet. Vor diesen kaufmännischen Schiedsgerichten werden Die Verwaltungen und Lagerhalter »c. der sächsischen Eonsumvereine traten Sonntag in Dresden zusammen, um über allgemeine Grundsätze bezüglich der Arbeitsbedingungen zu beschließen. Eine zu gleichen Tbeiien auS Lagerhaltern und Verwaltungsbeamten zusammen gesetzte Commission hatte folgende Resolution ausgearbeitet: „Den Consumverrinen wird empfohlen, eine Regelung der Geschäftszeit und der Gewährung freier Zeit für das Ver kaufspersonal, des Gehaltes und der Manco-Bergütung an dir Lagerhalter, ferner der Höhe des Umsatzes pro Perlon und endlich der Dienstverträge vornehmen und dabei die nachfolgenden Beschlüsse der unterzeichneten Commissionen bis zum 1. Januar 1900 zur Ausführung bringen, auch den allgemeinen Beschluß befolgen and die vildung eines Schiedsgerichtes bewerkstelligen zu wollen. Einführung des 8-Uhr«Ladenschlusses. Geschästsschluß an Sonn- und Festtagen. Ein« wöchentliche Geschäftszeit von höchsten» 78 Stunden. Gewährung einer zweistündigen Mittagspause in der Zeit von 11 Uhr Vormittags bis 3 Uhr Nachmittags. Gewährung einer Ausgedezeit von zwei halben oder einem ganzen Tag monat lich oder an dessen Stelle von jährlich einrr Woche Urlaub. Die Höhe de» Umsatzes darf 2500 Xi monatlich pro Arbeitskraft (Lager halter, Markthelfer, Cassirerin, Verkäuferin, ArbettSmädchen oder Arbeitssrau) nicht überschreiten. Etwaiger Umsatz im Markengeschäft ist dabei nicht einzurechnen. Gehaltszahlung nach Procenten ist nicht statthaft. Außer ent- sprechender freier Wohnung oder Zahlung von Wohnungsgrld ist »in monatliches Minimalaeholt in Classe I von 130 X, in Classe H von 110 Xi und in Classe lll von 90 Xi zu zahlen. DaS Gebalt ist zu steigern für die ersten fünf Jahre um je 60 X in allen Classen. Das Höchstgehalt hat noch lOjähriger Dienstzeit jährlich zu betragen Classe 1 2000 XI, Classe II 1800 X, Classe III lbOO X Bei bis jetzt üblich gewesenen Extra-Entschädigungen, wie solche in einzelnen Vereinen bei guten Inventur- bezw. Jahres abschlüssen oder dergl. gewährt werden, sind Compromiss« zwischen den Verwaltungen und den Lagerhaltern zulässig. Zur Erreichung eines wünschenSwerthen einheitlichen Verkaufs nach Nettogewicht soll den Lagerhaltern auf sämmtliche Maaren ein Manco gewährt werden bei Zutheilung, bezw. Berechnung der Maaren nach dem Nettogewicht Proc., bei Zutheilung, bezw. Berechnung der Maaren nach dem Bruttogewicht Proc. und auf Schnittwaaren 1'/. Proc. Die Emballagen sind nur nach ihrem wirklichen Werth» den Lagerhaltern zu belasten, soweit die Lager halter dieselben für den Verein zu verkaufen haben. Di« Caution soll di« Höhe vo» 500 X nicht übersteigen und zu dem landeSübttchen Ziussuß verzinst werden. Für die Kündigung«, frist sollen di« handelsgesetzlicheu Bestimmung«« maßgebend setu. (8 Wochen vor Quartolschluß.) In die Verträge sind Bestimmung»« aufzunehmen, daß dem Lagerhalter da« Ergebntß der Iahres- inventurauinahmr, sowie dec Jahresabschluß mitzutlwilen ist, ein nicht verbrauchtes Manco bei dem nächsten Jahresabschluß im Fall» eines Uebeimauco» mit verrechnet werden soll, bet nachgewiesrner Veruntreuung und grober Verschuldung seitens de» Hilfspersonal» der Lagerhalter dafür nicht haftbar sein soll, der Lagerhalter Bor ¬ symptomatisch hervorgehoben zu werden, daß Graf Herbert mit dem Nachfolger des Herrn v. Bötticher in Berlin gesellschaftlich in gutem Verkehr steht. Wie ich höre, wird der Fürst bei seinem dieLmaligen Geburts tage, der vorwiegend den Charakter eines Familienfestes tragen dürfte, die Freude haben, auch seine beiden Enkel aus Königs berg und Schönhausen, Klaus und Otto, zum ersten Male um sich zu sehen. Dir Stimmung des Altreichkanzlers ist jetzt vor züglich, sein Humor köstlich, und die nähere Umgebung weiß nicht genug über die geistige Frische des Fürsten zu berichten; sein Appetit ist vortrefflich, der Magen vollständig in Ordnung. Es kommt vor, daß der Fürst zehn bi» zwölf Pfeifen an einem Tage mit Behagen raucht. Gewiß ein günstiges Zeichen. Viel Heiterkeit erregt es in Friedrichsruh, daß seit einiger Zeit fast tagtäglich lange Telegramme au» Amerika von Politikern und Zeitungen einlaufen, welch« „eingeklemmte" Antwortformulare enthalten, die der Fürst benutzen will, um auf dem Drahtwege den betreffenden Absendern seine Meinung über die Cuba-Frage oder die „Maine"-Angelegenheit zu übermitteln. Ich brauche wohl kaum hinzuzufügen, daß nicht ein einziges dieser Tele gramm« beantwortet wird, und daß die Notiz, welche neulich die Presse durchlief, daß der Fürst seine Ansichten über die Cuba Frage einem Interviewer gegenüber ausgesprochen habe, auf Erfindung beruht. Der Fürst liest, angeregt durch den Proceß Zola, außer geschichtlichen Werken und den politischen Tages blättern jeht öfter in den Werken de» französischen Romancier». Gegenwärtig liest er „?aris". Nach seinem Geschmacke sind die Zola'schen Roman« zu sehr „mit Polsterung brpackt", mit über mäßigen und deshalb überflüssigen Schilderungen von Neben sächlichkeiten. Ferner meint der Fürst, die Feindschaft, die sich Zola von Seiten de» französischen Klerus und der französischen Armee zugezogen habe, sei wohl die Quittung für „Ixrurcks," und vddLole".' Vom Fürsten Bismarck. Der „Neuen Freien Presse" wird von einem Freunde, der Beziehungen zu Friedrichsruh hat, und dem sie schon öfter Mittheilungen Uber den Fürsten Bismarck zu verdanken hatte, neuerdings geschrieben: „Das Befinden des Fürsten Bismarck bessert sich langsam, aber stetig. Er bedient sich zwar noch des Rollstuhls, aber die Gehversuche werden jetzt häufiger und mit größerem Erfolge vor genommen. Das Leiden, welche» dsn Altreichskanzler seit Mo naten an den Krankenstuhl gefesselt und zu dem Gerüchte Anlaß gegeben hat, daß Wassersucht in den Beinen ausgetreten sei, bestand thatsächlich in einem Wiederauftreten der alten Venenentzündung am Bein, ein Residuum au» der Petersburger Zeit, wo der Fürst infolge der ungeschickten ärztlichen Behandlung einer Verletzung, die er sich, wenn ich nicht irre, beim Reiten zu gezogen hatte, von diesem Uebel -um ersten Male befallen wurde. Alsdann wat ein äußerst heftiger und typisch ausgebildeter Po dagraanfall hinzu, wie er in dieser au»geprägten und schmerz haften Form bisher noch nicht dagewesen war. Die Schmerzen, die der Fürst infolgedessen auszuhalten hatte, waren sehr groß und stellten im Zusammenhang mit drr Steigerung d«r Schlaf losigkeit, welcher drr Fürst überhaupt leicht ausgesetzt ist, so hohe Anforderungen an die Widerstandsfähigkeit de» Dreiundachtzig- jährigen, daß man über die Möglichkeit ihrer Erfüllung erstaunt sein mußte. Unter diesen Umstanden darf der Verlauf der Krankheit und der Heilung, obgleich er Monat« in Anspruch ge nommen hat, nach der Auffassung der behandelnden Aerztr al» rrlattv günstig und schnell bezeichnrt wrrden. In einem so hohm Alter pflogen derartige schwere Fälle meist nicht ko glücklich M »erlaufen, und jsdmfall» erfordert ihre Heilung sehr lang« Völkerwanderung?) Au» der Schule bringen wir alle einen festen Begriff der Völkerwanderung mit; das Wort bedeutet für uns schlechthin „die" Völkerwanderung, ein ganz bestimmtes geschichtliches Ereig- niß, daS sich dn den und den Jahren abgespielt und di« und die Epoche der Weltgeschichte eingeleiket hat. Dieser schematisch festgelegte Schulbegriff stört, wie so viele in der Schule eingeimpften Formeln, unsere sachliche Betrachtung bestimmter erdgeschichtlicher Thatsachen recht bedenklich. „Die" Völkerwanderung läßt uns völlig übersehen, daß sie nur eine Völkerwanderung war, und daß die ganze Geschichte durchsetzt ist mit langen Reihen nicht minder großartiger und schwerwiegender Verschiebungen der Völker durch zahllose, bald plötzlicher, bald allmählicher eingetretene und vollzogene Wanderungen. In welches Land wir auch blicken, überall finden wir Volksstämme, die nicht ursprünglich dem Boden entstammt, ihn nicht unaus gesetzt inne gehabt. Ungeheure Verschiebungen sind immer und immer wieder eingetreten und Hoden den Lauf der Weltgeschichte bestimmt. Und wären die Völkerwanderungen etwa nur eine Eigen- thümlichkeit vergangener Zeiten? Vollziehen sie sich nicht auch heute noch fortgesetzt? Wohl treten die Wanderzüge nicht in so enormen Massen auf, daß man etwa in einem bestimmten Jahre eine neue Völkerwanderung in Klios Büchern verzeichnen würde, wohl ziehen nicht plötzlich ganze Völker von ihrem heimathlichen Boden fort. Aber die Bewegung ist, weil gleichmäßiger, noch keineswegs schwächer — ja, dir Zahl der heute in einem bestimm ten Zeitraum von Land zu Land Ziehenden ist sicherlich nicht geringer als in früheren Zeiten historischer Völkerwanderungen, und auch heute noch werden ganze Völker durch unausgesetzte Zuwanderung von ihrem alten Boden hinweggefegt. Man vergegenwärtige sich nur einmal, was es bedeuten will, wenn z. B. in den sechs Jahren 1880/85 aus deutschen, belgischen, holländischen und französischen Häfen rund eine Million Deutsche, und in der Zeit von 1880—1893 allein Uber Hamburg, Bremen und Stettin nahe an drei Millionen Personen ausgewandert sind!! Die Wanderung vollzieht sich ganz allmählich, Schritt für Schritt, im Einzelnen so wenig bemerkbar, daß kein Mensch von einer modernen Völkerwanderung spricht — und doch, welche gewaltigen Menschenmassen, wie viele Millionen werden nicht in kurzer Zeit verpflanzt, wie ungemein tiefgreifende Umwälzungen politischer und wirthschaftlicher Art vollziehen sich nicht infolge dieser Völkerwanderung. Man denke nur an di« Vereinigten Staaten von Nordamerika, deren Geschichte doch so recht eigent lich die Geschichte der modernen Völkerwanderungen ist. Und die gesammte Colonialpolitik der europäischen Großsiaaten, worauf stützt sie sich, wenn nicht auf die moderner Völker wanderungen?! — Im innersten Kem dieser dauernden Umwälzungen, dieser stetigen Verschiebung der Völker gegen und durch einander, lauert der ewige Kampf um die Theilung der Erde, der ni« ruht, nie zum Abschluß kommt. Jede Grenzbestimmung ist ein Provi sorium; hinüber und herüber geht der Strom der Völker, und ist im Nachbarlande kein Raum, dann geht'» hinau» über da» Meer in neue Länder. Die Uberschießend« Kraft des Volke» braucht Raum zur Bethätigung; je stärker diese Kraft ist, je geschlossen«« sie vorgeht, um so sicher«! muß sie diesen Raum gewinnen auf Kosten der Völker, die nicht genügend entwickelt sind, um der höheren Intelligenz und Thatkraft zu trotzen, und der Völker, die in Altersschwäche verfallen, keine neuen Kräfte, keinen über schüssigen Nachwuchs hervorbringen. Die Theilung der Erde ist im ewigen Schwanken, ewigem Werden; den größten Antheil tragm stets di« Völker davon, die einen reichlichen Kräfteüberschuß, einen zahlreichen und gesunden Nachwuchs haben und diefen Ueberschutz am besten zu leiten wissen, so daß er auch im neuen Lande dem Mutterland« nicht verloren geht. Ein Volk, da» nicht stillstehen und damit bei der Theilung drr Erd« zu kurz kommen will, muß Neuland gewinnen. Das größte Stück erbeutet schließlich derjenige, der zu der großen Völkerwanderung das reichlichste, beste und oestorganisirte Menschenmaterial stellen kann. *) Aus einrr dieser Tage b«i Freund L Wittig in Leipzig erscheinenden Schrift: »Die Völkerwanderung von 1900» von ArthurDir- Morgen-Ausgabe alle eingehenden Streitsachen durch Vergleich oder Schieds spruch erledigt. Tie Entscheidungen deS Schiedsgerichts sind vorläufig vollstreckbar. Berufungen gegen die Entscheidungen des Schiedsgerichtes sind nur dann zulässig, wenn da» Streit object den Werth von 300 Mark überschreitet." D Berlin, 21. März. Herr Stöcker kann nie Un recht tbun — von dieser dem „theueren Gottesmanne" ohne Zweifel sehr sympathischen Anschauung zeigt sich die „Kreuzztg." in einer Kritik des Urtheil» erfüllt, daS vom Saarbrückener Gericht in dem Proceß Stöcker-Schwuchow ge fällt worden ist. Wenn die „Kreuzztg." Herrn Stöcker so zusagen auf den Thron der Unfehlbarkeit setzt, den Saar brückener GericktSbof dagegen al» gewissermaßen befangen hin stellt, so geschieht da» nicht etwa auS überschwänglicher, selbstloser Zuneigung für den früheren Hofprediger, sondern aus klar am Tage liegender Eigensucht. Die Kenn zeichnung des Scheiterhaufcnbriefes durch daS Saarbrückener klrtheil fällt eben auf die „Kreuzzeitung" zurück; denn der Empfänger deS ScheiterhaufenbrieseS, den das Saarbrückener Gericht mit der bürgerlichen Ehrlichkeit und kirch ¬ lichen Lauterkeit nicht vereinbar nennt, weil in ihm Herr Stöcker den Weg der Jntrigue zum Sturz des Für st en Bismarck empfiehlt —, der Em pfänger des Scheiterbaufenbriefes war der Chefredactrur der „Kreuzzeitung", Freiherr von Ha mm er st ein. Daher mußte der „Kreuzztg." die erneute Brandmarkung de» Scheiterbaufenbrieses an Gerichtsstelle sehr unbequem sein. Weiche Künste jetzt die „Kreuzztg." spielen läßt, um den ihr peinlichen Eindruck wenn möglich zu verwischen, daS erhellt auS der nachstehenden Auslassung des genannten Blattes: „Letzthin hat «S wieder einen Slöcker-Proccß gegeben, wobei der früher« Herausgeber der „Neuen Saarbrücker-Ztg.", Peter Schwuchow, zu einer Geldstrafe von 200 X verurtheilt wurde. Gleichwohl hat der Kläger Berufung eingelegt, weil er sich durch die Be gründung des Erkenntnisses, unsere- Erachten» mit Recht, verletzt fühlt, und eS ihm deshalb darum zu thun ist, zu einem anderen Endergrbniß zu gelange«. In dem endlosen Proceß Witte ist ihm da», der Hauptsache nach, geglückt, weil es sich hier um bestimmte sachliche Momente handelte, dir in ihrer Bedeutung al- solche, aller Verdunkelungen ungeachtet, schließlich erkannt werden mußten. Wo rS sich aber, wie In dem vorliegenden Fall, der Hauptsache nach um durchaus subjective An schauungen handelt, kann der Au-gang um so weniger voraus gesehen werden, als Stöcker seit Jahrzehnten mit einer künst lich hervorgernfenrn Ungunst der öffentlichen Meinung zu kämpfen hat, die sich in ihrer Wirkung, wenn schon natürlich unbewußt, bis zu einem gewissen Grade auch auf die Richter überträgt, so daß auf diesem Gebiet schon manches Erkenntniß den Miß muth der wirklich Eingeweihten hat erregen müssen. Je mehr diePolitik aber in diese Dinge hereinspielt, einen desto größeren Spielraum wird der Subjektivismus der Natur der Sache nach gewinnen, die Wahrscheinlichkeit eines günstigen Aus ganges um so geringer werden; zugleich freilich auch da»B«wicht, daS wir Urtheilen beizumessen haben, die von irrthümlichrn Voraus setzungen auSgehen und deshalb auch nicht zu richtigen Schluß- folgerungen gelangen können. In den Augen Derer, dir Stöcker kennen, wird ihm das Saarbrücker Erkenntniß deshalb ebenso wenig schaden, wie ihm so manche frühere geschadet haben." Einer der „wirklich Eingeweihten", das Beichtkind de» Herrn Stöcker, Freiherr von Hammerstein, wird au» dieser Glanzleistung jesuitischer, die Thatsachen ignorirender Diduc tion Vie tröstende Zuversicht entnehmen, daß sein Geist in der „Kreuzztg." fortlrdt und so wirkiam blieb wir ehedem. X. Berlin, 21. März. (Telegramm.) Zur gestrigen Abendtafel bei dem litaiferpaare waren geladen Prinz und Prmzrssiu Ernst von Sachsen-Altenburg mit Gefolge, Graf TschirSky-Renard, Bolschaftsrath Prinz LichnowSky und Professor Knackfuß. Zum Thee um neun Uhr waren mit Einladungen beehrt Gräfin von der Gröden, Frau von Mutzen becher, Frau vom Rath, Graf Görtz, Bildhauer Professor Zeit. Jetzt dürfen die Krankheitserscheinungen im Allge meinen al» behoben gelten, und es ist anzunehmen, daß unter dem Einflüsse de» herannahenden Frühjahre» der Fürst bald wieder ganz yergefiellt sein wird und die lange und schwer vermißten ^»aziergänge und Spazierfahrten in den Sachsen wald wieder aufnehmrn kann. Ob dies freilich bis zum 25. März, wo drr Fürst bekanntlich sein sechzigjährige» Miliiair- Jubiläum feiert, oder bi» zu seinem Geburtstage, am 1. April, möglich sein wird, ist zweifelhaft. Wie ch höre, wird der diesmalige 1. April ebenso wie drr vorig« ziemlich still verlaufen, jedenfalls kann von Kund gebungen im größeren Stile, Fackelzüge und dergleichen, wie sie sonst üblich waren, diesmal nicht die Rede sein, da der Fürst doch noch nicht so weit bevgestellt sein wird, daß er die Huldi gungen in üblicher Weise entgegennehmen könnte. AuS diesen gesundheitlichen Rücksichten und physischen Unmöglichkeiten dürfte auch «ine größere militairische Ehrung, wie sie vor einigen Jahren schon einmal auf Befehl de» Kaisers und in seinem Beisein durch verschirdene Truppmtheile stattfand, und di« für daS bevorstehend« Jubiläum wieder geplant sein soll, unter bleiben. Doch kann ich die» nicht verbürgen. Di« Beziehungen zwischen Bulin und F ruh scheinen zur Zeit sehr freundlich« zu sein. E etwa» länger al» ein Jahr her, daß auf dem Brandenburger Provinzial-Londtagr» der verhängnißvolle Aus druck „Handlanger" fiel, und nicht vkl länger, daß Graf Herbert BiSmarck bei Gelegenheit seiner Einladung zu der Wedell'schen Hochzeit den betannten Beweis allerhöchster Ungnade erhielt. Jesst haben sich die Verhältnisse erfreulicher Weise umgestaltet. Seit den Besuchen, die der Kaiser, Prinz Heinrich, Tirpitz, Bülow u. s. w. in Friedrichsruh gemacht haben, herrschen an scheinend ungetrübte Beziehungen, und erst kürzlich hat d«r Kaiser dem Fürsten einen Abdruck seine, bekannten Floiten-eich- nungen dedicirt und den Grafen Herbert, der wahrend de» Winter» mit seiner jungen Gemahlin stündig in Berlin lebt,
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