Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.03.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-03-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980323024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898032302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898032302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-03
- Tag1898-03-23
- Monat1898-03
- Jahr1898
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Die Morgen-AuSgabr erscheint um '/,7 Nbr, di» Abeiid-dlusgabe Wochentags um ü Uhr. Filialen: ktt» Klemms Tortim. kAlfvetz Universitülsskrabe 3 lPaulinum), Louis Lüsche. Kathariuesstr. r4, -art und KvoigSpl^b 7. Ne-aclion »nd Lrve-itioa: Johannesgaffe 8. Die Expedition isl Wochentags unonte^roche» geöfsnrt von früh 8 bi« Abends 7 Uh«. Bezugs-Preis M h« Hauptexpeditto» oder den tt» Etabt- b«irk und den Vororten errichteten Au«- aabestellen abgeholt: vierteljährlich ^l4.5O, bet zweimaliger täglicher Zustellung ins Hau« ü.LO. Durch die Post bezogen iür Deutjchlond und Oesterreich: vierteljährlich »l 6.—. Direcie tägliche kreuzbaudirudung tu« Ausland: monatlich ^tl 7.bO. Abend-Ausgabe. WMger.TllMaü Anzeiger. Ämtskkatt -es Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Nathes nnd Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. «uzeigeU'Preis < die 6 gespaltene Petitzeile 2(i Ps^ Weclame» unter dem Rrdacttonsstrich («g» Kalten) ÜO^Z, vor den lliamilieonachrickns (S gespalten) 40-E- Größerr Schriften laut unserem Preis- verzeichnib. Tabellarischer und Ziffernsotz »ach höherem Tarts. srtra-Vetlagen (gesalzt), nur mit de» Morgen-Aisgabe, ohne PostbefSrderunz vO—, mit Postbeforderung 70.—. Annahmeschluß fiir Anzeigen: Abend «Ausgabe: Vormittag« 10 Uhr. Aiorg,»-Ausgabe: Nachmittag« SUHL Vei den Filialen uud Annahmestelle» je ein» halbe Stunde früher. Anreise« find stets an die vrpediti»« zu richten. vr»S und Verlag vo» L. Pol» t» Leipzig 92. Jahrgang. Mittwoch den 23. März 1898. Politische Tagesschau. * Leipzig, 23. März. Die „Kreuz,tg." will wissen, daß der Kaiser am Ende dieser Woche dem Fürsten Bismarck in FriedrichSruh einen Besuch abstatken wolle. Da am 25. d. M. VaS 60 jährige Militairjubiläum des greisen Mrsten statlsindet, so geht man wohl mit der Annahme nicht fehl, daß dieses Jubiläum den äußeren Anlaß deS Besuches bilde. Unter bliebe dieser trotz eines solchen Anlasses, so müßte das um so mehr befremden, je deutlicher der gelegentlich der Abreise des Prinzen Heinrich nach China vom Kaiser dem Fürsten abgestattete Besuch bewiesen hatte, daß die Beziehungen zwischen dem Oberhaupte des Reiches und seinem ersten Kanzler wieder befriedigende geworden waren. Aber es ist seit dem Rücktritte des Fürsten schon so Manches geschehen und unterblieben, was befremden und beklemmen mußte. Wiederholt sich jetzt nach kaum einem Vierteljahre der Besuch des Kaisers im Sachsenwalde, so darf man daraus entnehmen, daß irgend eine neue Verstimmung nicht eingetreten ist und daß der Kaiser gern die sich ihm bietende Gelegenheit benutzt, dies vor aller Welt zu bekunden. Den greisen Fürsten wird diese Bekundung mit um so größerer Befriedigung erfüllen, je besser er weiß, daß das frühere gespannte Verhältnis dem Reiche nicht zum Segen gereichte und eine das feindlich gesinnte Ausland erfreuende Beunruhigung des deutschen Volkes über die Ziele und Wege der Regierungspolitik hervor rief oder wenigstens verstärkte. Zweifellos gereichte es ihm schon zur Beruhigung, daß er in der letzten Zeit wiederholt seine Zustimmung zu veräußeren und der inneren Politik bekunden und diese durck manche kräftige Mahnung fördern konnte. Um so lieber und dankbarer wird er am 25. März seinen kaiserlichen Gast empfangen, der auch seinerseits nicht im Zweifel darüber sein wird, daß die deutsche Nation seine Reise mit voller Befriedigung nnd dem innigen Wunsche begleitet, das Zu sammensein des Neichsoberhauptes mit dem Schmiede seiner Krone möge sür Beide gleich wohlthuend sich gestalten und die innere Wiederannäherung fördern, die als die beste Bürg schaft sür einen stetigen und gedeihlichen Gang /er deutschen Politik und für die ungeschmälerte Erhaltung des mit so kostb»rcm Blute Erkauften angesehen werden muß. Dadurch, dag der Reichstag gestern daS Tampfcr- subvcutionsgrset; in dritter Lesung definitiv genehmigt hat, bat er nicht nur an sich ein gutes Werk gethan, sondern auch eine günstige Aussicht auf das Endresultat der heute beginnenden Plenarberalhungeu über die Marinevorlage eröffnet und seine vorjährige Ablehnung gut gemacht. Sicht lich hat die Erwerbung von Kiaotschau auf das Schicksal des SubvcntionSgesetzeS vortheilhaft eingewirkt; dieselbe Einwirkung läßt sich auch auf das Flottengesetz erwarten. DaS erstere Gesetz verlängert bekanntlich nicht nur den Ver trag mit dem Norddeutschen Lloyd betreffs der Postdampfer- fahrten nach Ostasien und Australien um 15 Jahre, sondern verdoppelt auch die ostasialischen Fahrten, die künftig in vierzehntägigen statt in vierwöchigen Zeiträumen ftatt- sinden, und beschleunigt die Fahrgeschwindigkeit. Für die vermehrte Leistung wird dem Lloyd, der bisher an seinen Subvenlionslinien direct 5 Millionen Mark ver loren hat, der jährliche Reichszuschuß um N/s Millionen Mark erhöht. Von Wichtigkeit ist auch, daß sich die früher coucurrirenden Gesellschaften, der Norddeutsche Lloyd und die Hamburger Packetfahrlgesellschaft, betreffs der ostasiatischen Fahrten geeinigt habe» und sonach die Dampfer abwechselnd von Bremen und von Hamburg abgehen. In Baden scheint man sich über die Bedeutung und Trag weite der Wahl deS BisckofS Komp zum Erzbischof von Frei bürg weder im klerikalen noch im liberalen Lager völlig klar zu sein. AuS dem letzteren schreibt man der Münchener „Allgemeine Zeitung", die Thatsache, daß die Wahl ein stimmig erfolgt sei und der Gewählte als Bischof von Fulda nicht nur bei dem Klerus und dem Volke seiner Diärese sich der größten Verehrung erfreut, sondern auch in hohem Maße das Vertrauen der preußischen Regierung ge nossen habe, sei geeignet, jedes Bedenken gegen die Wahl eines nicht dem Lande angehörigen Geistlichen zn zerstreuen. Ein günstiger Schluß lasse sich auch daraus ziehen, daß der derzeitige ErzbiSthumSverweser und Domdekan Bischof l)r. Knecht, von dem man angenommen, daß er die meiste Aussicht habe, die Stimmen des TomcapitelS aus sich zu vereinigen, nickt eine Stimme erhalten habe, obwohl er in jeder Beziehung ein Erzbischof nach dem Herzen des badischen Centrums und seine« Führers Wacker gewesen sein würde. Aber die Befriedigung über die Nichterwählung deS Herrn l)r. Knecht scheint noch größer zu sein, als die Befriedigung über die Wahl Komp'S. Aehnlich scheint eS im klerikalen Laaer zu sein. Der „Bad. Beob." erinnert zwar daran, daß Bffchos Komp im Jahre 1886 von der badischen Regierung als minder genehm bezeichnet worden sei, aber der Hinweis auf diese Tbatsache wird in einem Tone vorgebracht, als ob da« Blatt Ursache habe, sich und seinen Lesern Trost wegen des Wahlausfalles zuzusprechen. Um so gespannter wird man zu verfolgen haben, wie der neue Erzbischof sein Ver- hältniß zur Regierung und den geistlichen Vorkämpfern des badischen CenlrumS gestaltet. Ein glänzender deutscher Colonial-Erfolg ist zu verzeichnen, der Kongo ist mit Kamerun verbunden. Im August 1897 ist der Chef der Station Aaunde am Flusse Njong, Hauptmann v. Carnap, der das Hinterland der Colonien bis zur französischen Grenze erforschen wollte, au« 4-auoVe abmarschirt, erreichte» Milte December die Sanga und traf am 25. December in der am linken Ufer belegencn, auf deutschem Boden bei dem Dorfe Zimu errichteten Factorei der belgischen Handelsgesellschaft des Obercongo ein. Von hier aus marschirte Carnap durch die untere Sanga und den Congostaat nach dem Stanleypool, wo er von den Behörden des Congostaates freundlichst empfangen wurde, fuhr mit der Congoeisenbahn nach Matadi, dampfte nach Boma und wird Ende April oder Anfang Mai in Europa eintreffen. Zum ersten Male ist Kamerun mit dem Congo durch eine fortdauernde Marsch route verbunden. Die früheren Versuche, das Hinter land Kameruns zu erforschen, hatten keinen ernsten Erfolg auszuweisen, wie die Versucht von Tappenbeck (1887), von Morgen (1890) und kürzlich von Brauchitsch und Wendorff. Carnap hat das Werk vollbracht und wird Aufschlüsse liefern über das obere Becken des Njong, über die das Becken des Atlantischen Meeres und des Congo trennende Wasserscheide und über die rechtsseitigen Zuflüsse der Sanga, den Djah und den Goko. Da daS am 4. Februar 1894 in Berlin abgeschlossene deutsch-französische Abkommen dem deutschen Reiche eine Ausdehnung deS Ge bietes nach Südosten zu und den Zutritt zu dem Becken de« schiffbaren Obercongo sichert, so erwartet der Brüsseler „Mouv. g6ogr.", daß eine deutsche Station nahe bei dem Zusammenflüsse der Sanga und deS Goko errichtet und ein deutsches Wachtsckiff auf den Wässern deS Obercongo erscheinen wird. So weit ist es nun allerdings noch nicht, aber jedenfalls werden sich bald unternehmende deutsche Kaufleute finden, welche dort wie die Holländer und Belgier ihre Factoreien eröffnen. Die Schwierigkeiten, welche bisher der wirtbsckaftlicken Er schließung dieses fernen Innern mit Hilfe deS StromsystemS des Congo entgegenftanden, sind bei der Entfernung von der Küste groß, aber mit der Vollendung der Congo-Eisenbahn, welche Ende Februar ihr Endziel Dolo am Stanleypool er- reickt bat — ihre Länge beträgt 388,5 Icm —, wird eine be deutende Besserung eintreten. Den Franzosen ist eS ferner geglückt, die handeltreibenden Haussa in ihr Gebiet hinüber zuziehen, so daß in der Thal der nicht unbedeutende Handel uns entgeht. Diesem Zustand sollte vor Allem ein Ende gemacht werden in einer ähnlichen Weise, wie dies für den Benuö beabsichtigt wird, dessen Handel in den Händen der Royal Niger Company liegt. Wir können unmöglich länger zusehen, wie in Kamerun andere Nationen sich des Handels in unserem Hinterland bemächtigen, der uns von Rechts wegen zukommt. Daß die Erklärung VcS «rasen Thun in ihrer „blut leeren Blässe" kein RezierungSprogramm enthält, ist ganz besonders daran zu erkennen, daß sie auch in Betreff der weitmaschig genug umschriebenen Zielpunkte weit mehr von dem spricht, was die Regierung vom Reichsrathe er wartet, als wa« der Reichsrath von der Negierung zu er- warten hat. An den Reicksratb appellirt das Ministerium, damit geordnete parlamentarische Verhältnisse wieder her gestellt werden. Vom Reichsrathe erwartet es mit Zu- verficht, daß auf dem Gebiete der socialen und wirth- schaftlichen Reformen und im Dienste der politischen Macht stellung des Staates die Partei-Unterschiede zurücktrelen werden. Von den Parteien, und zwar von allen Parteien, erhofft eS, daß sie die „in einem gefährlichen Rückstände befindliche" Staatsarbeit leisten werden. Was die Regierung selbst dazu leisten wolle, und ganz besonder«, wie sie sich dazu der ihr zufallenden Initiative zu bedienen gedenke, da« läßt MPMMllWMg do« Regierung im Kunkeln, denn daS Versprechen, die Regierung werde ihre beste Kraft zur Verwirklichung ihrer Ziele einsetzen, so löblich eS ist, giebt darüber keine Aufklärung. Unter einem Negierungs programm wird doch in erster Reihs eine Mittheilung über das verstanden, was die Regierung in ihrem Wirkungs kreise zu leisten beabsichtigt, und nicht über das, was sie vom Parlament.>«kwartet. Ganz besonders empfindlich macht sich dieser Mangel in demjenigen seiner Zielpunkte geltend, den Graf Thun mit dsn Worten: Milderung der nationalen Gegensätze bezeichnet. Es ist evident, daß dies der Punct ist, aus dem alles andere Weh und Ach zu curiren wäre. Wären die nationalen Gegensätze nicht so schroff und wären sie insbesondere nicht durch die Vorgänger des Grafen Thun bis zu dem Grade verschärft worden, von dem schon die erste Sitzung des Reichsraths eine Probe gab, so hätte Graf Thun eS sich ersparen können, die Wiederherstellung geordneter parlamentarischer Verhältnisse unter seine Ziel punkte aufrunekmen und sie sogar als seine erste und wich tigste politische Aufgabe zu bezeichnen. Gelingt die Milderung der nationalen Gegensätze nicht, so ist wahrscheinlich alles Appelliren an die Parteien vergeblich. Wenn man deswegen auch, schreibt die „Neue Freie Presse", in allem Uebrigen der Kürze der Regierungs-Erklärung die wohlwollendste Deutung zu geben und in dem, was sie weise verschweigt, den Meister deS Stils zu erkennen geneigt ist (?), hier wird e« schwer vermißt, daß Gras Thun nicht die kleinste Andeutung darüber gab, wie und vor Allem auf welcher Seile er die Milderung der nationalen Gegensätze in Angriff zu nehmen gedenkt. Nach dem beispiellosen Kampfe gegen die Badeni'schen Sprachenverordnungen, gegenüber der schon heute anstürmenden Fluth von Sprachenanträgen, inmitten ver jeden Augenblick mit gefährlichen Entladungen drohenden elektrischen Spannung, deren Ouelle der nationale Gegensatz ist, muß auch der wohlwollendste Bcurtheiler die taciteiscke Kürze, deren sich Graf Thun auch in diesem Puncte beflissen bat, übel angebracht finden, und wenn es dem Minister- Präsidenten mit der Milderung der nationalen Gegensätze Ernst ist, so wird er so bald als möglich damit anfangen müssen, wenigstens einigermaßen den Weg zu zeigen, der nach Ansicht der Regierung eingeschlagen werden muß, um zu diesem Zielpunkte zu gelangen. — Daß man in dem Grafen Thun den Pfadfinder auS dem nationalen Labyrinth des DouaustaateS zu erblicken bat, erscheint uns nach seiner klerikal-feudalen Vergangenheit und seiner ersten Leistung als Ministerpräsident nicht eben glaubhaft. Eine dänische knquvte über Deutschlands „Verfahren" in Nordschleswig ist die neueste Blüthe deutschfeindlicher Agitation, die die Kopen hagener „Nationaltidende" kürzlich gezüchtet hat. Dem „Hamburger Correspondent" wird darüber auS Kopenhagen geschrieben: „Um zu erfahren, wie die leitenden Staatsmänner und Politiker in Europa über Deutschlands Verfahren in Nordschleswig urthcilen, hat die hiesige „Nationaltidende" an dieselben die Bitte gerichtet, ihre Meinung über die genannte Frage zu äußern. Folgende zwei Fragen bat das Blatt an den Betreffenden unterbreitet: 1) Ist das Princip, nach dem die preußische Regierung die dänische Be völkerung in NordsckleSwig behandelt und dem Gebrauch der dänischen Sprache in Kirche und Schule alle möglichen Hindernisse entgegenstellt, mit den humanen und civilisato- rischen Grundsätzen des modernen StaatSlebens vereinbar? 2) Sind Sie der Ansicht, daß Culturwerthe, die auch außer halb Schleswig« Bedeutung haben, dadurch vernichtet werden?" Eine große Anzahl hervorragender Politiker aus allen Ländern soll die erste Frage verneinend, die zweite bejahend beantwortet haben. Derartige Enquöten sind ein Zeichen großer Verlogenheit. Die tendenziöse Fragestellung laßt gar keinen Zweifel übrig, welchen Zwecken die Umfrage dienen soll) man will nicht, wie man vorschützt, die Wahr heit erforschen, sondern bestimmte Interessen vertheibigen und Agitation treiben. Da sollte man wenigstens den Muth haben, dieses offen und ehrlich zu thun und nicht hinterlistig auf Schleichwegen der Enquvle wie ein Dieb bei Nacht zu Werke gehen. Man erinnert sich, mit welcher Bestimmtheit Ende der vergangenen Woche daS „Rcuter'scke Bureau" die Nachricht von den Forderungen Frankreichs an khina brachte. Jetzt veröffentlichen die „Times" das angebliche Gespräch eines Diplomaten mit dem französischen Ministerpräsidenten Hanotaux. Danach hat der französische Ministerpräsident zunächst bestritten, daß der gegenwärtig in Peking anwesende Geschäftsträger Dubail überhaupt zur Führung irgend welcher Handlungen befugt sei. Der frühere französische Gesandte fei auS Peking abgerusen, der neue erst seit 5 Tagen unter wegs. Nach diesem Gespräche hat Hanotaux daS Interesse Frankreichs an China al« ziemlich nebensächlich dargestellt. Feirrlleton» Durch eigene Kraft. 82) Roman von Alexander Römer. Nachdruck »erboten. Ludwig drängte ihn wieder auf seinen Sitz und zog sich einen Stuhl heran. „Na — weißt Du — man muß fich's ja sagen, daß die Eltern Einem vorangehen, aber nun Beide — so binnen wenigen Tagen — und wie wir zu einander standen, ist Dir ja bekannt. Ich werd's lange nicht verwinden." In dem sinkenden Lichte erschienen die kräftigen Züge des männlichen Gesichts gefurcht, und die frische Farbe, welche Claus sonst an dem Freunde kannte, hatte gelitten. „Ja, Du bist jetzt recht einsam", sagte Claus, „na — für «inen solchen jungen Kerl kommen noch andere Zeiten. Dein« Mutter verwöhnte Dich, Du entbehrtest nichts, sie sorgte für Alles, was Du zu Deinem Wohlbehagen brauchtest, dann denkt «in Junggeselle nicht ans Heirathen." Ludwig hatte der alten Haushälterin geschellt und Cigarren und Feuerzeug herbeigeholt. Er gab der Eintretenden jetzt halb laut einige Befehle für das Abendbrot) und ließ ein« Flasche Wein bringen. Zum Tisch zurückkehrend, reicht« er dem Freunde nochmals seine Hand. „Du »weißt gar nicht, was Du mir mit Deinem Kommen zu gute thust", sagte er herzlich. „Ich hoffte es; ich bin ja «in eingebildeter Gesell, Ludwig. Und nun erzähl' mir, wie willst Du Dich jetzt einrichten, was willst Du anfanyen? Ich denke mir, da Du nun Drin Erb« antrittst und Dir Dein Leben frei zuschnciden kannst, machst Du hoch gewiß manche Veränderungen." Ludwig sah ernst, fast finster vor sich hin. „Ja, Claus, es ist seltsam im Leben. Wir heißt der Der«: „Der Himmel hört das Flehen und lächelt gnädig Nein Und läßt vortlbergehen den Wunsch mitsammt der Pein." Vor Zeiten, ja — da hab' ich mir Gott weiß wa« für Dinge ausgemalt, dir ich einmal thun wollte, wenn ich ganz frei wäre. Wenn ich auch nicht an meines Vaters Tod dabei dachte, nur daran, daß er mir volle Freiheit geben sollte. Zu der Zeit gab er sie nicht, und er hatte vielleicht damals Recht — wer kanns Voraussagen, wie Etwas ausfällt, wo man bei jedem Menschen mit einer anderen Natur zu rechnen hat. Später that er sein Möglichstes, mich zufrieden zu machen — qan- lag da« nicht in seiner Hand — und jetzt — ja, j«tzt habe ich kaum noch Wünsche. Ich denke, ich bin ein leidlich brauchbarer Mensch geworden, ich arbeite rsdlich, ich erwerbe noch jährlich zu dem vom Vater Erworbenen — -und weiß kaum etwas damit anzrrfangen." „Donnerwetter, Mensch! Du, der Du den Kopf so voller Pläne und Unternehmungslust hattest — na, die Krugwirthschaft giebst Du natürlich ab." „Ja — die ist schon in andere Hände übergegangen, es wurde auf den Moment gewartet, wo der Alte sich zur Ruhe setzen sollte, und der Schulze Kröger betreibt sie schon in vollem Schwünge. Aber was mir am schwersten auf der Seele liegt, das ist die Auseinandersetzung mit dem Gutsherrn. So, wie mein Alter das hingeschleppt hat, bin ich nicht gewillt, es zu lassen. Das geht auch nicht, die Sache muß ins Klar« gebracht werden." Claus, dem Ludwig eben sein Glas neu gefüllt hatte, stieß mit dem Freunde an und beobachtet« ihn dabei verstohlen. Es war ihm lieb, daß Ludwig selbst zuerst aus das Thema kam, er hatte >dem alten Baron vorsprochen, ins Haus zu horchen. „Ja — der alte Baron — da ist auch viel passirt, Ludwig", rief er hin. Ludwig's Mienen waren hart und finster. „Ich hab's erfahren", sagte er, „ehrlich gesagt, von dem Baron Felix habe ich nicht viel Gutes erwartet." ,Hm, hm — er war nicht schlimm", meinte Claus gut- müthig, „faul war er, wenn wir's Ding beim rechtem Namen nennen wollen, und dann — bei dem Geist, den seine Frau Mutter in ihm groß zog, und dem Leben, das solche junge Hc-eren auf Universitäten und später führen, da kommt nichts Gascheidtes heraus, wenn Einer nicht so viel in sich hat, daß er sich zu rechter Zeit 'nen Ruck geben kann. Als «r heirathete, da glaubt« ich ein« Zeit lang, «s könnte noch etwas auS ihm werden. Sie — nun, Du kennst sie ja — sie debütirt« hier ein Jahr lang, näher bist Du ihr wohl nicht geinten — sie ist «ine famose Frau geworden." Ludwig halt« sich in seinen Stuhl zurückgelchnt, so daß sein Gesicht völlig im Schatten war. Claus sah nur die glühend« Spitze seine Cigarre. „So —" kam «s gedrhnt von seinen Lippen, „sie hak aller- dings verschiedene Stadien durchgemacht. Si« ließ so mit sich h«rumw«rfen, wie mit einem Boll, dünkt mich. Di«« Leben da neben d«r Prinzessin — in der Regel ist'« nicht dazu ang«- than, «twas aus dem Menschen zu machen." „Da hast Du Recht, Ludwig, da» arme Ding fiel da gründlich hinein, und wenn irgend ein« schlimme, gefährliche Ad«r in ihr -«steckt hätte, so wäre sie da verdorben word«n. Ick habe mir davon erzählen lassen, ich fing an, mich für sie zu interessiren, und ich wurde ja — na, das ist eine lange und reckt ergötzliche Geschichte, die ich Dir später, wenn wir mal in heiterer Stimmung sind, berichten will — ich wurde ja indirect die Veranlassung, daß ihre Verlobung mit Baron Felix zu Stande kam." „Du, Claus?" „Ja — ich, denn aus freier Wahl und unwiderstehlichem Herzenstkieb haben sich die Beiden gar nicht verlobt." „Sonderbar — wie haben sie es denn unfreiwillig ange fangen?" Claus bemerkte es gar nicht, daß Ludwigs Stimme auf ein mal verändert klang. Seine Hand zitterte, als er das Glas vom Tische nahm. „Die Prinzessin ergriff eine gute Gelegenheit", rief Claus lachend. „Ja die, das ist eine — von solch einem Frauenzimmer hast Du gar keinen Begriff, Ludwig. Du lieber Gott, daß ich so respectwidrig von einer Fürstlichkeit spreche, aber cs ist mir höchst interessant gewesen, ihre Bekanntschaft zu machen. Sie hat mir auch ein Bild abgekauft für 10 000 Mark, ein« Summe, die ich damals gut gebrauchen konnte, und zwar das Bild, bas von all meinen Werken am wenigsten in einen Damensalon paßt, aber das machte ihr gerade Spaß." „Und die Verheiratbete den Baron Felix wider seinen Willen?" warf Ludwig ein. „Ja — die plötzliche Verlobung war jedenfalls wider seinen Willem. Er dacht« gar nicht ans Heirathen, das war ihm viel zu unbequem. Er mochte das hübsche Mädchen gern leiden, hatte lange den schützenden Ritter bei ihr gespielt — denn si« war da Vielem ausgesetzt — aber weiter wäre er nicht gegangen. Die Prinzeß wollte indeß das Mädchen, das ihr mittlerweile un bequem wurde, gern verheirathen und ergriff, wie ich schon sagte, ein« passende Gelegenheit." „So wurde also wieder Ball mit der jungen Dame gespielt", sagte Ludwig in seltsam bitterem, spöttischem Tone, „und sie ließ sich auch verheirathen auf höheren Befehl." „Na, höre mal — man muß da in» Innere geschaut haben, dann urtheilt man nicht so hart. Was sollte das arme Mädchen? Hier Hot jia damals ihr Vater sie so zu sagen an die Prinzeß verkauft — „Wieso?" fuhr Ludwig auf, daß Claus ihn verwundert ansah. „Weißt Du das gar nicht?" entgegnete er ruhig. „Du warst ja doch hier Und mußt es mit erlebt haben. Ich li«ß es mir aus sichrer Quelle erzählen. Die Prinzeß hatte dem alten Röpke «ine bodeutercke Summe zu seinrr Ueberfahrt und feinen Unter nehmungen in Australien gegeben mit der Bedingung, nie wieder Ansprüche an die Tochter zu machen." „Und das wußte sie?" „Nein, sic soll es nicht gewußt haben, und dann — ich bitte Dich — sie war ja wohl 16 oder 17 Jahre alt, und was wurde ihr vorgespiegelt! Daß sie nicht eine eitle, hohle Närrin unter solchen Verhältnissen geworden ist, das beweist, daß ein tüchtiger Kern in ihr steckt. Uebrigens dünkt mich, das war die beste That, welche die Prinzessin für sie vollbrachte, daß sie ihr den Vater vom Halse schaffte. Man hat ja wohl nie wieder etwas von ihm gehört?" „Nein." Di« Antwort kam kurz und hart heraus. „Jnteressirt es Dich auch, wenn ich Dir diese Geschichten so weitläufig erzähle?" fragte Claus. Er kannte die Abneigung des Freundes gegen jode Art von Klatsch und fürchtete, daß er ihn langweile. Im Uebrigen hatte er seinen Zweck dabei, «r wünscht« ihn für die junge Wittwe zu er wärmen, es sollte ja recht viel von ihm zu ihren Gunsten gefordert werden. Ludwig nickt«. „Bitt« fahre fort, ich kenne ja alle die Persönlichkeiten. Also die junge Dame ließ sich von der Prinzessin einen Gatten aus wählen oder richtiger heranzwingen, so hatte sie also doch wohl eine Neigung zu ihm?" „Das glaube ich schwerlich. Sie war zu kühl, schon als Braut. Ich habe ein Auge für dergleichen. Aber sie hielt ihn ür eine gute Partie, auch für einen guten Menschen, und wenn ie sich ihren guten Ruf, ihre Ehrbarkeit retten wollte, so mußte ie da heraus, wo sie Nachstellungen und zischelnden Verleum dungen preisgegeben -war." „Sie stand denn doch unter dem Schutze der fürstlichen Frau", bemerkte Ludwig ungläubig und entrüstet. „Ja, ja, Schutz — wie gesagt, man muß das Terrain kennen. Da geht viel vor. Sie war keine Adelige, sie hatte keinen Namen, k«ine Familie, keine feste Stellung. Ich sage Dir, belvunderns- würdig hat sie sich durch die Klippen gewunden. Pah! diese Reinheit und Ehrbarkeit unserer höheren Töchter, die rechne ich ihnen nicht zum Vrrdi«nst. Die sind so eng eingezäunt, daß sie erst mit Wildheit ausbrechen müssen, wenn sie etwa» Unpassendes thun wollen. Aber eine, die in solche Versuchungen geführt wird — nach einer Seite hin unbegrenzte Freiheit, von der anderen die üppigsten Verlockungen. Alle«, was im Weibe an Schwächen vorhanden ist, findet raffinirte Cultur auf dem Boden, Eitelkeit, Putzsucht, Wohlleben, Gelegenheit zu Liebeshändeln auf Schritt und Tritt, und keine Mutter, kein treuer Freund oder Berather
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite