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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 31.03.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-03-31
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980331022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898033102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898033102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-03
- Tag1898-03-31
- Monat1898-03
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Sie bekundet mehr, als es irgend ein anderer Act vermocht hätte, welchen Werth der Kaiser auf das Zustandekommen des Flottengesetzes legt und wie hoch er die staatsmännische Begabung deö Admirals Tirpitz schätzt, der zum wesentlichen Theil die gesetzlich gesicherte Neuorganisation der Flotte zu danken ist. Mit dieser Er nennung wird dem Admiral Tirpitz eine außerordentliche Rangerhöhung zu Theil, die er militairisch nicht er fahren konnte, ohne verdiente Vordermänner zu überspringen. Als Staatsminister hat er den gleichen Rang mit dem com- mandirenden Admiral. Die etatsrechtliche Seite dieser Rangerhöhung liegt natürlich ausschließlich im Reiche, d. h., eine Gehaltserhöhung erfolgt nur zugleich mit der vorläufig vom Reichstag zurückgestellten Gehaltserhöhung aller der Staatssecretaire, welche zur Zeit noch mit 24 000 .L besoldet sind. Preußen braucht keinen Marineminister, es wird also für einen solchen Gehalt weder gefordert noch bewilligt werden. Bedeutsamer ist die staatsrechtliche Seite dieser Ernennung. Von allen Staatssecretairen des ReichS- marineamteS ist Contreadmiral Tirpitz der erste, der zugleich vollberechtigtes Mitglied des preußischen Staatsministerrums ist. Admiral v. Stosch, der als Chef der Admiralität die oberste Spitze des Obercommandos und der obersten Marineverwaltung in sich vereinigte, war zwar auch Staatsminister, aber, wie der genannten Correspondenz von unterrichtetcter Seite bestätigt wird, ohne im preußischen Staatsministerium eine Stimme zu führen; Admiral Tirpitz hat Sitz und Stimme im preußischen Staatsministerium ge nau so, wie die StaatSsecrelaire Graf v. Posadowsky und v. Bülow, die zugleich bei der definitiven Uebernahme ihres Amtes zu Mitgliedern des Staatsministcriums ernannt worden sind. Insofern ist die Ernennung des StaatSsecretairS deS ReichSmarineamtes zum preußischen StaatSmimster, wenigstens was die Traditionen des ReichSmarineamtes anlangt, ein Novum. Und auch ein anderes ist beachtenswerth. TaS preußische Staatsministerium, daS in wichtigen Fällen durch Stimmenmehrheit Entscheidungen trifft, besteht aus neun Fachministerien: dem Ministerium der aus wärtigen Angelegenheiten, dem Kriegsministerium, den Mi- nisterien der Justiz, der Finanzen, des Innern, des EultuS, dem Handels-, ArbeitS- und Landwirthschasts-Ministerium, dazu aus dem Ministerpräsidenten und seinem Stellvertreter. Gegenwärtig ist das Ministerium des Auswärtigen und das Präsidium in der Person des Fürsten Hohenlohe vereinigt, das Bicepräsidium mit dem Finanzministerium in der Person deS Herrn v. Miquel. Dazu kommen nun drei StaalS- secretaire, die durch ihre Amtsstellung im Reiche Organe des Reichskanzlers sind, soweit rhnen nicht aus Grund deS Stellvertretungsgesetzes eigene Verantwortung von diesem übertragen wird. Die „Köln. Ztg." schließt nun daraus, daß der Reichskanzler künftig in dem auS zwölf Mitgliedern be stehen den Ministercollegium unbedingt auf vier Stimmen, seine eigene und die der drei ReichsstaatSsecretaire, zählen könne. Ganz so ist das nicht, denn die ReichsstaatSsecretaire sind nur als solche, nicht aber als preußische Minister, Organe deS Reichskanzlers; als preußische Minister sind sie, wie die „Nat.-Ztg." richtig hervorhebt, bei ihrer Abstimmung be rechtigt und verpflichtet, nach bestem Wissen und Gewissen zu voliren. Aber da sie als ReichsstaatSsecretaire beständig die Bedürfnisse deS Reiches vor Augen haben, so werden sie immerhin dem Reichskanzler eine werthvolle Stütze sein, wenn im preußischen Staatsministerium preußisch-particularistische Strömungen oder engherzige preußische Finanzrücksickten die Oberhand zu gewinnen drohen, während sie andererseits da durch, baß sie die Lage und die Verhältnisse deS preußischen Staates gründlich kennen lernen, davor bewahrt werden, mehr für das Reich zu fordern, als sich mit den Interessen des führenden Staates verträgt. Und das wird dem Reiche hoffentlich ebenso zum Vortheile gereichen, wie dem preußischen Staate. Die würtlembergische Abgeordnetenkammer hat nunmehr doch zu einem Schritte sich entschlossen, gegen den die sie beherrschenden Demokraten sich lange mit Händen und Füßen gewehrt hatten: sie hat im Interesse des Zustandekommens der Verfassungsrevision mit erheblicher Mehrheit der Beseitigung der Stichwahlen zu gestimmt. Damit ist aus dem württembergischen Wahl- verfabrcn eine Einrichtung entfernt worden, die zu den ungesundesten Bestimmungen auch deS Reichswahlverfahrens gehört. DaS Stichwahlsystem ist eine Einrichtung, durch die, wie durch keine andere, das eigentliche Ergebniß der Wahlen gefälscht, der in der Hauptwahl aus gesprochene Wille der Wählerschaft auf den Kops gestellt werden kann. Als das Wahlgesetz für den Reichstag deS norddeutschen Bundes erlassen wurde, dachte wohl Niemand daran, daß die im ß 12 vorgesehenen Fälle, in denen bei einer Wahl eine absolute Stimmenmehrheit sich nicht herauS- stellt, einmal zur Regel werden und dann in der Mehrzahl der Wahlkreise die Wähler gezwungen sein würden, zwischen den beiden Candidaten zu wählen, welche die meisten Stimmen erhalten haben. Fast von jeder Reichstagswahl zur andern hat sich die Zahl der Stichwahlen vergrößert, bei der Massen haftigkeit der für die nächsten Reichstagswahlen aufgestellten Candidaten kann man annehmen, daß noch nicht die Hälfte der Abgeordneten im ersten Wahlgange gewählt werden wird. Es wird deshalb der bei den Stichwahlen so be liebte Wablschacher in einem noch nie dagewesenen Um fange betrieben werden und es kann der Fall eintreten, daß Parteien, die nach dem Ergebnisse der Hauptwahlen das Vertrauen der Wählerschaft vollständig eingebüßt haben, dennoch durch die Institution der Stichwahlen in: Pa Aamente zu einem gewissen Einflüsse gelangen, weil sie sich bei der Stichwahl Unterstützung von rechts und von links zu ver schaffen wissen. Eins der bösesten Schlagworte, die jemals in der Politik gespukt haben, ist das von dem „kleineren Uebel", nach dem man bei den Stichwahlen nun einmal verfahren muß. In das Parlament sollten eigentlich über haupt kein „Uebel" hineingewäblt werden, sondern Männer des Vertrauens, und wenn die Stichwahlen gar in so großer Zahl stattfinden, daß die starke Hälfte der Abgeordneten als „kleinere Uebel" in die Volksvertretung hineingewählt werden, so ist daS Parlament überhaupt vom Uebel. In höchst betrübender, ja peinlicher Weise wächst sich der Streit zwischen den deutschen Parteien Oesterreichs auS. Die deutsche Fortschrittspartei mißtraut dem ver fassungstreuen Großgrundbesitz, weil er einen der Senigen in das Ministerium Thun gesandt hat und die radicale Linke der Schönerer, Iro und Wolf mißtraut wieder der deutschen Fortschrittspartei, der sie vorwirft, daß sie die Iubiläumsluft auf sich habe wirken lassen und Knopflockschmerzen habe. Und statt die Differenzen in geheimen Clubsitzungen zur Er örterung zu bringen, tragen die feindlichen Brüder sie offen vor aller Welt im Parlament aus. Wir erhalten darüber nachstehende Meldung: * Wien, 30. März. (Abgeordnetenhaus.) Auf der Tages» ordnung steht die Debatte über die Nothstands-Dringlich- keitsanträge. Abg. Schönerer greift in dieser Debatte die deutsche Fortschrittspartei und die deutsche Volkspartei an; er behauptet, daß diese Parteien dem Ministerpräsidenten v. Gautsch zugesichert hätten, keine Ministeranklage wegen der Sprachen verordnungen Gautsch's einzubringen. Der deutsch-fortschrittliche Abg. Groß bezeichnet die Behauptung Sckönerer's als gänzlich erfunden. Abg. Kayser (deutsch-volklich) erklärt, Latz diese Behauptungen auf boshaftem Gerede beruhen und jeder Grundlage entbehren. Redner spricht sein Bedauern darüber aus, daß Schönerer gegen die Gemeinbürgschast der Deutschen ausgetreten sei und sagt, seine Partei werde dieselbe Haltung einnehmen wie bisher und erklärt, daß keine wie immer zusammengesetzte Regierung auf parlamentarischem Wege etwas erreichen werde, bevor die Sprachenverordnungen aufgehoben seien. Redner sagt, der sei ein elender Deutscher, der die deutsche Einig» keit störe. Unter fortwährenden Schmährusen Sckönerer's gegen di» Linke und gegen den Abg. Lueger bezeichnet Kayser die Be hauptungen Schönerer's als verläumderische. (Lebhafter Beifall und Händeklatschen links.) Die Schönerianer Türk und Kittel polemisiren gegen den Abgeordneten Kayser. Kittel behauptet, er habe von Stetnwender gehört, daß die deutschen Parteien in einer Besprechung mit dem Ministerpräsidenten von Gautsch erklärt hätten, mit den neuen Sprachenverordnungen nicht formell, aber materiell einverstanden zu sein. (Widerspruch links.) Abg. Steinwender erklärt, er habe gerade da« Gegen» theil gesagt, nämlich, daß seine Partei meritorisch nicht einverstanden war. Steinwender wirft Schönerer „Lüge" vor. Abg. Funke erklärt NamenS seiner Partei, daß die Mittheilung Schönerer's unrichtig sei; seine Partei habe beschlossen, gegen Gautsch keine Anklage zu erheben, und zwar nach reiflicher Ueberlegung. Seine Partei fordere die Aus hebung der Sprachenverordnungen, verwahre sich aber gegen eine Diktatur. Abg. Wolf greift die deutschen Parteien sowie Lueger an, von dem er behauptet, derselbe hade versprochen die Deutsch-Nationaleu in Wien zu bekämpfen. Es sei dies geradezu ein Zwist, welcher zur Schaffung einer wahren Bolkspartei führen müsse. (Beifall bei den Schönertanern.) Lueger erklärt, er per» stehe unter Gemeinbürgschast der Deutschen die Unterordnung der Einzelnen unter die Gesammtheit. Redner bezeichnet die Behauptung Wols's betreffend die Bekämpfung der Deutsch-Nationalen, als „be wußte Lüge" und erklärt, er sei ein guter Deutscher, aber auch rin guter Oesterreicher. Er bekämpfe jene Tendenz, welche daS Oesterreicherthum abstreife. (Beifall bei den Christlichsocialeo.) Sch Ücker weist entschieden die Behauptung Wols's bezüglich der Fortschrittspartei zurück und bezeichnet die Haltung derselben als correct und den Interessen der deutschen Bevölkerung entsprechend. Sämmtliche Nothstandsanträge wurden schließlich dem Budget« ausschuste zugrwiesen. Die Verhandlung wird al-daun abgebrochen. Nächste Sitzung morgen. „Wie die Slaven lachen!" rief der Abgeordnete Röhling in die Debatte. Und sie können es auch, denn je mehr die Deutschen sich entzweien, um so enger rückt die slavisch-feudal-kterikale Majorität zusammen, um so leichter wird eS der Regierung werden, die Opposition abzuthun. Wir bedauern aufs Lebhafteste, daß eS dahin gekommen ist und rathen den deutschen Brüdern in Oesterreich dringendst, daS Kriegsbeil so rafch als möglich zu begraben. Der ganze Zwiespalt scheint ja auf einem Mißverständniß zu beruhen und deshalb leicht ausgleichbar. Die deutsche Fortschritts partei aber möchten wir an eine Lehre der österreichischen Geschichte erinnern. Sie läßt sich in die Worte zusammen fassen: daS Unglück der Deutschen war ihre Nachgiebigkeit und ihr — Anstandsgefühl. <8^. Von Zeit zu Zoit raffeln höhere französische Offizie re mit dem Revanchesäbel. Diesmal ist es der General de Pellieux, der das Bedürfniß empfunden hat, die Wiedervergcltungsidee aus ihrem Halbschlummer zu wecken. Wie mehrere französische Blätter melden, soll der General am letzten Freitag nach der Truppenschau auf dem Plateau de Bagatelle folgende Ansprache an die Officiere gehalten haben: „Meine Herren! Meine jüngste Reije nach Chülons gestattete mir, mich von der ausgezeichneten Beschaffenheit des 1,20 em Ge schützes zu überzeugen. Dieses Geschütz hat Ergebnisse erzielt, wie man sie sich besser nicht vorstellen kann. In einer nahen Zukun't wird auch die Infanterie Patronen erhalten, die auf 700 m die- selben Wirkungen haben wie die heutigen auf 400 m. Ich hoffe daher, daß es unS im Kriegsfälle an der Gelegenheit zu einer glänzenden Revanche nicht fehlen wird, da wir jetzt allein schnell» feuernde Geschütze und Gewehr« besitzen. Ich glaubt übrigens, das, der Augenblick günstig wäre, besonders angesichts des patriotischen Drange«, der die Gemüther seit den Ereignissen der letzten Zeit erfüllt." Diese Rede ist eine so fabelhafte Tactlosigkeit und Un gehörigkeit, daß selbst der „Radical" die Erwartung aus- sprichl, daß ein Dementi erfolge. DaS ist denn auch geschehen. Wie der Telegraph aus Paris meldete, dementirt eine Note der „Agence HavaS" die Blättermeldung, daß General Pellieux vor seinen Officieren eine chauvinistische Rede ge halten habe. Wir geben nicht viel auf dieses Dementi, das wohl nur erfolgt ist, weil der Revanche-Ruf des Generals trotz der augenblicklichen Ueberleaenheit der französischen Schießwaffen höchst unzeitgemäß ist und am allerwenigsten in Rußland Widerhall finden würde, daS jetzt ganz Anderes zu thun hat, als was man im chauvinistischen Frankreich von ihm erwartet. Dem Charakter Pellieux' aber würde eine solche Tactlosigkeit nur entsprechen. Erinnert man sich doch noch seiner mit Sensa tion und anhaltendem warmen Beifall aufgenommenen Worte im DreyfuS-Proceß: „Es ist ein Verbrechen, der Armee das Vertrauen, daS sie zu ihren Führern haben muß, zu nehmen; denn wenn die Soldaten kein Vertrauen mehr zu ihren Führern haben, was sollen ihre Führer denn am Tage der Noth thun, der vielleicht näher ist, als man glaubt!" Diese Phrase ließ die öffentliche Meinung in Deutschland äußerst kalt und da« Gleiche ist jetzt der Fall mit Pellieux' „günstigem Augenblick". Auch 1870 schien ein solcher für Frankreich gekommen — auch damals war das französische Geschoß unserem überlegen — aber wie ver- hängnißvoll wurde er für daS Kaiserreich? Mag die Be schaffenheit der neuen französischen Waffe Alles übertreffen, die moralische Qualität der hohen Officiere der Republik ist, wie gerade daS Auftreten Pellieux' vor den Geschworenen dvcumentirte, seit 1870 nicht besser geworden. Und darauf kommt e« an. Man übereilt sich nicht in der VolkSrepräseutanz der Bereinigten Staaten in dem Conflict mit Spanien, schrieben wir gestern. Die heute vorliegenden Meldungen sind nur geeignet, diese Auffassung zu bestätigen. Der Aus schuß deS Senats ist, wie wir meldeten, in Betreff der cubanischen Frage zu keinem Beschluß gekommen; er hat alle ein kriegerisches Vorgehen gegen Spannen befürwortende» Resolutionen einem Unterausschuß ülHclbkesea und sich dann vertagt. Weiter geht unö folgende Meldung zu: * Washington, 30. März. Das Repräsentantenhaus stimmte heute mit 179 gegen 139 Stimmen der Entscheidung seines Präsidenten zu, daß der von Bailey eingebrachte Antrag, nach welchem Cuba als unabhängig und Spanien der Krieg zu erklären sei, unstatthaft ist. ES wurden noch mehrere ähnliche Anträge eingebracht, das Haus nahm aber zu denselben keine Stellung. Der Beschluß d«S/Hauses über den Antrag Bailey übte auf die heutige New Iorke^ Mpdsbörfe eine befestigende Wirkung aus. — Mac Kinley bemerkte tMst hfirn Empfang einer Deputation, er erwarte gerade Depeschen von dem Gesandten Woodford, von denen viel abhängt, er hoffe, daß der Congreß! nicht überstürzt handeln werde. „Unstatthaft" nennt Mac Kingley und das Repräsentanten haus die Einmischung der Bereinigten Staaten in spanische Angelegenheiten; mit demselben Ausdruck bezeichneten wir sie Durch eigene Kraft. 39j Roman von Alexander Römer. Nachdruck verboten. Achtunddreißigstes Capitel. Ottilie hatte wenig und unruhig geschlafen, sie fühlte sich elend am Morgen, und die Angst, welche immer auf ihrer Seele lag, ob ihre Kräfte schließlich reichen würden für die Auf gaben, die thurmhoch vor ihr lagen, peinigte sie mehr als sonst. Ihre Gedanken wollten von Ludwig's bevorstehender Ver- heirathung nicht loskommen, dann wurde dieses Hinschleppen unmöglich, dann war er gezwungen, Ordnung und ein Ende zu machen. Aber was halfen diese marternden Gedanken? Vor wärts! Es gab alle Hände voll zu thun. Die Ernte sollte beginnen, es waren viele fremde Arbeiter auf dem Hofe, sie mußte heute selbst überall mit zugreifen. Der Papa war sehr aufgeräumt beim Frühstück — seltsam — das Alter machte sich doch schon sehr bei ihm bemerkbar; er sprach ganz heiter von diesen Gerüchten über die bevorstehende Heirath Ludwig Heidemann's und war überzeugt, daß gestern die Verlobung vollzogen worden sei, knüpfte aber keine Fol gerungen, die für seine Verhältnisse von Wichtigkeit waren, daran. Er schien überhaupt die Ansicht zu hegen, diese Ein schränkungen und stummen Zugeständnisse Ludwig's bedeuteten nur ein gewisses Sichwichtigmachen, um seine Dienste ins Licht zu stellen. Ludwig konnte ja doch einen Waldstätten nie zu Falle dringen. Er frühstückte heute Morgen mit gutem Appetit, sprach sich sehr befriedigt darüber aus, daß es gelungen war, die nöthigen Arbeiter für die Ernte anzuwerbeu, cine große Schwierigkeit in jetziger Zeit, welche Ottilie durch rechtzeitige Bemühungen und klug; Voraussicht überwunden hatte. Dann erklärte er, selbst oui das Feld, wo die Mäher mit der Maschine arbeiteten, hinausreiten zu wollen. Als er sich erhob, fiel Ottilie plötzlich sein schwankender Gang auf; sie sprang hinzu, um ihn zu stützen, aber ehe sie an seiner Seite war, lag er, wie vom Blitz gefällt, neben dem Sessel, auf den er sich hatte stützen wollen. Ottilie läutete die Diener herbei, sie versuchten den alten Herrn aufzurichten, sahen es aber sofort, ihn hatte der Schlag gerührt. Eine große Bestürzung erfüllte das Haus. Binnen Kurzem waren der Pastor, Claus Hartwig, auch Ludwig zur Stelle; man sandte nach einem Arzt in der Stadt, der Kranke war bewußtlos, seine Züge verzerrt. Ottilie blieb eine Zeit lang in einer Art von dumpfer Be täubung, sie vermochte nicht klar zu denken. Sie war dankbar für die Gegenwart des Pastors, der ihr trostreich zusprach. Claus richtete sich gleich bei dem Kranken ein, Ludwig sah sie nur einen Moment. Er drückte ihr theilnahmsvoll die Hand, und so umnebelt war ihr Hirn, daß sein gutes, treues Gesicht ihr eine selige Täuschung vorspiegelte, als seien jene versunkenen Zeiten wiedergekehrt, wo er für Alles sorgte und ihr Herz seine Nähe als Glück und Frieden empfand. Er sagte ihr in seiner stillen, einfachen Weise: „Seien Sie ruhig, kümmern Sie sich einzig um den Kranken, auf dem Felde sehe ich nach dem Nöthigen." Ja — jetzt fand sie Hilfe und Beistand, — später — aber sie war zu elend, um an das Später zu denken. Als der Arzt kam, kehrte dem Kranken allmählich das Be wußtsein wieder, aber er sprach lallend und der Körper war gelähmt. Dennoch gab der Arzt Hoffnung; es kamen Fälle vor, in denen nach 24 Stunden die Lähmungen schwanden. Ottilie und auch die Freunde des Hauses athmeten auf. Am Abend, als etwas Ruhe einkehrte, und Claus, der Treue, erklärt hatte, während der Nacht bei dem Kranken bleiben zu wollen, kam Ludwig, um Ottilie über den Stand der äußeren Angelegenheiten Bericht zu erstatten. In seinem Ton und Wesen war die alte Herzlichkeit. Ihr fiel jetzt erst wieder ein, was ihr unter den Aufregungen dieses Tages aus dem Sinne gekommen war, d«ß sie ihm noch nicht zu seiner Verlobung gratulirt h«tte. Sie reichte ihm die Hand und that eS jetzt. „Wie sehr ich mich über Ihr Glück freue, wissen Sie", sagte sie mit bebenden Lippen, „bei den schweren Lasten, die auf mir ruhen, ist eS ein unendlicher Trost, daß ich Ihrer jetzt ohne Qual nur mit tiefer Dankbarkeit gedenken kann. Ihre junge Braut ist reizend", fuhr sie fort, als er noch schwieg, „glücklich und un berührt von dem schweren Drucke des Lebens." Er war einen Schritt zurückgetreten, und sie sah jetzt scheu zu ihm empor. „Sie sind da in einem Jrrthum befangen, gnädige Frau", sagte er, „das Gerede der Leute ist schuld an dieser Täuschung. Ich bin nicht verlobt." Sie erschrak und starrte ihn verwirrt an. „So haben Sie den gestrigen Tag noch vorübergehen lassen", begann sie stockend, „oder —" sie sah ihm plötzlich angstvoll ins Gesicht, „nein, das ist unmöglich." „Was, gnädige Frau? Daß ich mir einen Korb geholt hätte? Warum sollte es unmöglich sein, aber es ist diesmal nicht der Fall. Ich habe nicht geworben." „Aber Sie hatten die Absicht, o bitte! Verzeihen Sie, es ist sehr tactlos, aber selbst Ihr Freund, der Pastor sagte mir —" „Daß ich ernstlich daran dachte, mir eine Frau zu wählen", unterbrach er sie, „er hatte Recht gehabt." „Und — warum?" stammelte Ottilie. Sie zitterte wie Espenlaub, sie hatte ein Gefühl, als sei es plötzlich mit ihrer Stärke zu Ende. Wie kam sie Unselige dazu, diesen Fall zu erörtern, ehe sie ganz genau unterrichtet war, aber sie hatte ja keinen Augenblick gezweifelt. Jetzt erfüllte sie nur der eine Gedankt, das Gespräch abzubrechcn, zu entfliehen, sie mußte allein sein. Sie hielt ihre Augen gesenkt und fühlte doch seinen Blick. Sah er in ihre Seele? Er durfte nicht bineinsehen. „Ich sah im letzten Augenblick ein, daß ich es nicht konnte", sagte seine Stimme neben ihr. Sie erhob, ohne recht zu wissen, was sie that, ihre Hände in stummer Qual zu ihm. „Bin ich daran schuld? O sagen Sie mir, daß ich nicht daran schuld bin", rang eS sich auS ihrer Kehle. Und jetzt war es mit ihrer Kraft zu Ende. „O, wenn Sie wüßten, wie ich gebüßt habe", schluchzte sie, „was auS mir geworden ist, sehen Sie ja — meine zerstörte Jugend, mein »erfehltrS Leben — aber Sie, Sie mußten, sollten glücklich werden. Wenn der Stachel in meinem Gewissen bleibt, so bin ich «lend, namenlos elend für alle Zeit." Sie hatte ihr Gesicht mit den Händen verhüllt und wernte bitterlich. ' . - „Ottilie!" Es war ein Klang an ihrem Ohr wie Posauncnton, so wild, fast herrisch — sie fuhr empor. Da stand er, der Kampf spiegelte sich noch auf seinem Ge sicht, dann riß er sie plötzlich in seine Arme, preßte sie an sich, badete ihr Antlitz mit seinen Küssen. „Ottilie, einzig, ewig Geliebte, ewig, ewig", stammelte er unter schwerem Athem, „was ist des Menschen Stärke, was sind Vorsätze, Wille — wo diese Macht kommt, giebt es kein Da widerkämpfen." Sie lag in seinem Arm und ließ die Wonne über sich hin- fluthen — es war ein Auflösen, ein Sterben, ein Wiedergeboren' werden. „O mein Gott!" sagte sie endlich, sich langsam aufrichtend, „Ludwig, Ludwig, ist es kein Traum, ist es möglich, daß Du mich noch liebst?" „Ja — noch", sagte er leise, „das ist das Wunder, und Du?" Er sah ihr tief in die Augen. „Ich?" flüsterte sie — „hätte ick damals mich nicht verblenden lassen und die Liebe, die so selig im Herzen heraufdämmerte, gewaltsam erstickt, was hätte ich Dir und mir erspart." Da wurde die Thür mit einem Ruck aufgestoßen, und Otto Victor, der ein besonderes Manöver anwendcte, um mit seinen kurzen Aermchen die Griffe zu erreichen, stürmte im Nacht hemdchen herein. „Mama, Mama! Onlel Ludte!" das Letztere jauchzend, „gute Nacht sagen." Ludwig hob das Kind vom Boden auf und zerdrückte die Thräne, die ihm ins Auge getreten war, an der weichen, kleinen Wange. „Mein Junge", sagte er innig, „Du liebst mich, und ich will Dir ein treuer Vater sein." Ottilie schmiegte sich au die Beiden. „O, Ihr, mein Glück, meine Welt! Otto Victor, Du AhnuungSlosrr, das Erde Deiner Vorfahren geht Dir verloren, aber einen Vater findest Du, der Dich lehren wird, auf eigenen Füßen zu stehen, und das ist besser und sicherer als Geld und Gut. Wie kann ich je Deiner werth werden, Ludwig?" „Du armes Weib hast jetzt genug gelitten", rief er und schlang seinen freien Arm wieder um sic. ..Spät ist es gekommen, aber e« ist Glück, Was half mir mein Grollen, mein stolzes Wehren,
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