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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.04.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-04-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980405015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898040501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898040501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-04
- Tag1898-04-05
- Monat1898-04
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Di» Morgrn-AuSgabe erscheint um Ve? dir Abend-Au-gab« Wocheutag« um b Uhr. Nedaction und Lrpeditio«: 2ohanne««affe 8. Die Expedition ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi« Abend« 7 UhL Filiale«: Ltt« Kleumi'S Lortim. (Alfrek Hah»X UniversitätSstraße 3 (Pauiiaum), Louis VSfche, Aatbarinenftr. Ich Part, und ASnig«platz E» Vez«g»-Prett «i der Hauptexpeditiou oder den im Stadt» bezirk und den Vororte« errichteten Au«- aabestellen ab geb alt: vierteljährlich Sri zweimaliger täglicher Zustellung in« bau« X S.bO. Durch di» Post bezogen für Lrutschland »ad Oesterreich: viertestährlich 8.—. Direkte tägliche Areuzbandlendung in« Au«land: monatlich 7-50. Morgen-Ausgabe. MpMer. TagMM Anzeiger. Amtsblatt -es Königliche« Land- and Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes nn- Volizei-Amtes -er Lta-t Leipzig. 171. Dienstag den 5. April 1898. AazH-enHMG die S gespaltene Petitzeile »0 Pfg. Reklamen unter demRrdaction«strich («a» spalten) bO^, vor den Familieanachrichtru (6 gespalten) 40 Gröbere Schriften laut unsere« Preis verzeichniß. Tabellarischer und Ziffrrnfatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesvrderung SO.—, mit Postbeförderung 70.—. Druck m»d Verlag von E. Volz in Leipzig. Ämrahmeschlnß fire Anzeigen: Ab end »Ausgabe: vormittag« 10 Uhr. Marge »»Ausgabe: Nachmittag« «Uhr. Bei den Filialen und Annahmestelle» je ein« halb« Stunde früher. Anzeigen sind stet« an die Expedition z» richten. 92. Jahrgang. vr. v. Miquel über die Polenpolitik. In der vergangenen Woche bat Herr vr. v. Miquel, herauSgrfordert durch den Fürsten Radziwill, im preußischen Herrenhause eine Rede gehalten, die zu dem Gediegensten gehört, wa« je über die polnische Propaganda gesagt worden ist und auch deshalb Interesse verdient, weil sie den beweglichen Herrn Slaatsminister auf die neuerdings wieder eingeschlaaene Polenpolitik alS auf eine SaatSnothwendigkrit festlrgt. Wir lassen auS diesen Gründen seine Darlegungen in ihren wichtigsten Stellen folgen. Herr v. Miquel führte au«: Meine Herren! Der Herr Fürst Radziwill stellt gegenüber diesem (Ansiedlungs)-Gesctz, da» er al« ein Gesetz zur Verfolgung der Polen und polnischen Bestrebungen bezeichnet, die Frage, ob e« denn nicht berechtigt sei, daß dir Polen nun ihrerseits ein Ge setz verlanqen zur Verhinderung autipolnischer Bestrebungen. In diesem einfachen GeLankenzusammenhang liegt di« vollkommen falsche Auffassung und auch für die Polen bedenkliche Stelle, von der der verehrte Herr ausgeht. Herr Fürst Radziwill vergißt einfach, daß die Polen nun einmal zu einem deutschen Staate gehören und sich die Lebensbedingungen gefallen lassen müssen, dir LebenS- nothwendigkeiten für den preußischen Staat sind. Es ist ganz etwas Anderes, ein Gesetz zum Schutze Les Deutschthums in einem deutschen Staate zu erlassen, als wenn eine Minderheit, ein ver- hältnißmäßig kleiner Theil der Bevölkerung des preußischen Staates, den Gedanken ausspricht, dann seien die Polen ebensogut berechtigt, ein Gesetz von diesem Staate zu verlangen gegen antipolnische Be strebungen. Meine Herren, im Uebrigen dreht die Debatte sich um die Frage: Wer ist nun eigentlich der schuldige Theil? Die Herren sagen uns Deutschen und Preußen ganz einfach ins Gesicht: „Der schuldige Theil seid ihr. Wir Polen haben nie etwa« gethan, nie etwas angestrebt, was irgendwie dem preußischen Staate schädlich sein könnte. Ihr habt die Versprechungen eines edlen preußischen Königs, Friedrich Wilhelm's Hl., ge brochen. Ihr seid also die Schuldigen." Der Herr Fürst Radziwill hat angeführt, in dem Einverleibungsrdict sei den Pole» die Aufrechterhaltung ihrer Sprache und Sitte zugesagt. Wer hat denn Lurch iraentz welche LwavasaeleUe di« Aufrechterhaltung pol- ><tM^Wtt wemmpst? Da muß man in andere Länder gehen, die solche Maßnahmen treffen, in dem toleranten deutschen Staate Preußen kommt so etwas nicht vor. Wer hat ihnen ihre Sprache nicht gelassen? Der Herr Fürst kann über die Grenze gehen, da findet man, wie die polnische Sprache verboten wird, bei unS nicht. Wenn wir die Polen Deutsch lehren und sie auch dazu wie alle übrigen Deutschen zwingen, Deutsch zu lernen, so ist das für die Polen selbst die größte Wohlthat, und ich habe heute zum ersten Mal gehört, daß die Polen selbst nicht be- greifen, daß ihr Fortkommen, ihre kulturelle Entwickelung von dieser Zweisprachlichkeit abhängt. Die Polen leben nun einmal nicht in einem polnischen Staate, sondern in einem deutschen Staate. Meine Herren, Sie sprechen immer von Leiden und Klagen. Wer hat Eie denn gezwungen, nach Oberschlesieu zu gehen und dort offensive polnische Agitation zu machen, während Oberschlesien doch niemals zum alten Polen gehört hat? Wer zwingt denn die Polen, die heute nach Westfalen gehen, daß sie sich sofort dort wieder ab sondern, gewissermaßen einen Staat im Staate bilden wollen, in dem alten deutschen Lande Westfalen? Sie wollen un« notorische Dinge ab st reiten. Nicht bloS gesellschaftlich, nicht blo« auf geistigem Gebiete, auch wirthschaftlich foaderu Sir sich zu Ihrem eigenen Schaden ab (Zuruf: der Sprache wegen), nicht allein der Sprache wegen, Herr Fürst, denn da, wo Sie gezwungen sind, mit den Deutschen ge- mrinsam zu arbeiten, auf den Kreistagen und den Provinzial-Land- tagen, da hindert die Sprache die gemeinsame Arbeit durchaus nicht. Sie verstehen allerdings di« deutsch« Sprach« hinreichend, um gemeinsam mit den Deutschen zu wirken. Wa« thun vir denn nun eigentlich so Schlimmes, waS die Leiden und Klagen der Polen berechtigt sein lassen könnte? Sind wir denn so gcwaltthätig und grausam, hat, wie Se. Durchlaucht (Fürst Radziwill) im Reichstage eS au-gedrückt hat, die preußische Regierung und die deutsche Bevölkerung den Polen den Krieg er- klärt? Ich habe ausdrücklich nicht einmal, sondern mehrmals seien der Staat-regierung eS ausgesprochen, wir wollen keinen Krieg gegen die Polen sichren; wir wollen die Polen an allen Wohlthaten der Zusammengehörigkeit mit Preußen genau so theilnehmrn lassen, wie die Deutschen; wir wollen ihnen unsere Schulen, unsere Untrr- richtsanstalten frristellrn; wir laden sie ein, an unseren Vereinigungen theilzunehmen, wir laden sie ein, die großen preußischen Cultur- mittel zu benutzen, die Richter sind für sie ebenso gerecht wie für die Deutschen, alle Cultur, alle Hebung des Wohlstandes in diesen Provinzen kommt den Polen genau so zu Gute, wie den Deutschen, worüber klagen sie? Werfen Sie doch einmal «inen Blick nach Westpreußen und selbst nach Posen, wie die Zustände waren, als diese Länder preußisch wurden, welche kulturellen Wohlthaten Preußen ihnen hier erwiesen hat. In Ihrer Presse finde ich einen Geist, nicht überall der Feind, seligkeit und der Hintergedanken, aber wenigstens überall einen Geist der Absonderung und der Abneigung. Ein wirkliches auf richtiges Bestreben, innerlich sich mit dem preußischen Staat« und mit der deutschen Bevölkerung zu verschmelzen und zu versöhnen, kann ich nirgend« finden. Ich als Vertreter der preußischen Regierung habe gar nicht an gestanden, in der freundlichsten Weise die großen und guten Eigen schaften der Polen anzuerkenuen. Ich habe ihnen erklärt: wir führen gegen euch keinen Kampf, aber ihr werdet uns doch zugestehen, daß wir als deutscher Staat berechtigt sind, gefährdete deutsche Elemente positiv zu unterstützen auf einem Wege, der den Polen gar keinen Schaden thut. Meine Herren, Jeder muß natürlich nach seiner lieber« zeugung handeln. Wenn wir vor uns haben, daß nicht blos auf dem Lande, im Kleinbesitz, sondern auch in den Städten die Mehrheit, die die Polen nun einmal bilden, immer stärker überhand nimmt und da«, wa« die großen preußischen Könige in dem Open der Monarchie an Deutschthum gegründet haben, in Gefahr kommt, allmählich immer weiter den Rückgang anzutreteo, da müßten die Polen so objektiv sein, diese- Bestreben des preußischen Staates als eine Staatsnoth- wendigkeit anzuerkennen. Es sind das alles Maßregeln, die indirekt auch der polnischen Bevölkerung zu Gute kommen, weil sie Cultur und Wohlstand in diese Provinzen bringen. Ich verzweifle daran, daß eS unS gelingen wird, die Polen in einer übersehbaren Zeit zu germanisiren, selbst wenn wir es wollen. Ich verstehe vollständig die Gefühle, von denen Herr Fürst Radziwill gesprochen hat. Ich begreife, daß aus dem Schicksal, das eine solche Nation erfahren hat, Gefühle entstehen, die man mit Paragraphen nicht wegdecretirrn kann. ES bleibt unS daher als objektiv denkenden gerechten Leuten nur übrig, nach der anderen Seite zu gehen, Las Deutschthum zu kräftigen, damit diese Gefühle auch innerhalb der von ihnen am stärksten ergriffenen Polen nicht zu Bestrebungen werden, und diese Bestrebungen nicht einmal zu Thaten führen. Das ist für beide Nationalitäten gleich nützlich. Denn diese Gefühle sind bei den Polen allerdings zu Thaten geworden. DaS Vortrefflichste in dieser vortrefflichen Rede ist die rückhaltlose Verurtheilung des VersöhnungS-Sports, die sie enthält. Illach -er Cassation. 6. Paris, 3. April. Der Ministerpräsident Moline hat gestern unter dem ersten Eindruck der Nachricht von der Cassation des Zolaprocesse« erklärt, die Mitglieder de« Kriegsgerichtes würden zusammenberufen werden, um dazu Stellung zu nehmen, d. h. um eventuell nun ihrerseits einen neuen Vcrleumdungsproceß gegen Zola anzu strengen. Er hat hinzugefügt, die Negierung werde ihnen völlig freie Hand lassen, aber eS ist trotzdem wohl anzu nehmen, daß ihnen ein Wink zugehen wird — vielleicht kann man dieses „völlig freie Hand" schon als einen Wink auf fassen — sich mit der moralischen Wirkung deS ersten llrtbeils zu begnügen. Warum sollten sie auch nicht zufrieden sein! Der Spruch des obersten Gerichts hofes berührt die Beschwerden wegen der während der Ver handlungen vorgekommenen Unregelmäßigkeiten mit keinem Worte, der Proceß als solcher bleibt also eigentlich völlig un angetastet. Und ob Zola und der Strohmann Perreux die gegen sie ausgesprochenen Strafen nun wirklich absitzcn oder nicht, kann den Osficieren im Grunde doch ziemlich gleichgiltig sein. Kommt es dagegen zu einem neuen Processe, so sind die Folgen gar nicht abzuschen. Denn, das muß man sich immer wieder vor Augen halten, eS handelt sich in den: gestrigen Spruche nicht um die Verweisung an einen anderen Gerichtshof wegen eines Fehlers der Procedur, sondern um die Nichtigkeitserklärung des ganzen ProcesseS. Der erste Proceß ist als nicht existirend anzusehen und Alles würde von vorn anzufangen sein. Wer weiß, ob ein zweiter Gerichtshof sich nicht von der Untrennbarkeit der DreyfuS- sache und der Esterhazysache überzeugen lassen wird, ob er den Generälen wrcder erlauben wird, unbewiesene Behauptungen in die Verhandlungen zu schleudern, wer weiß, ob die neuen Geschworenen nicht Zola mildernde Umstände zusprechen werden, wenn sie ihn nicht überhaupt freisprechcn. Kurzum, es erscheint vor der Hand nicht recht glaublich, daß eS zu einem neuen Processe kommen wird. Die Verhandlungen vor dem Cassationshofe waren in mehr als einer Hinsicht interessant. Am bemerkenSwerthesten war wohl die Rede des Generalstaatsanwaltes Manau; die Cassagnac, liebenswürdig und fein wie immer, als „für einen französischen Magen völlig unverdaulich und zum Er brechen reizend" bezeichnet. Recht logisch war es allervings nicht, damit zu beginnen, eS gebe für den Gerichtshof keine Affaire Dreyfus oder Esterhazy oder Zola, sondern nur eine Affaire Zk, d. h. eS handele sich um eine reine Rechtsfrage, um dann doch die ganze Angelegenheit auf daS persönliche Gebiet hinüberzuspielen, deu übrigens gar nicht anwesenden Zola zu apostrophiren, er möge Mitleid mit Frankreich haben und nicht von Neuem beginnen, wenn er jetzt mit heiler Haut davonkäme. Einiges war auch ziemlich geschmacklos, so z. B. der pomphafte Schluß: „Möge die große und edle Besiegte von 1870 sich nun endlich in Eintracht und Frieden auf die würde volle industrielle, künstlerische und literarische Kundgebung von 1900 vvrbereilen können, die dem RuhmeSkranze der „Königin der Völker" ein neues Blatt einfügen soll". Aber drei Stellen in seiner Rede gereichen dem greisen General- staatSanwalt zur höchsten Ehre. Er hat den Muth gehabt, die „Canaillen" Scheurer-Kestner, Trarieux, Reinach u. s. w. in Schutz zu nehmen. „Wie, in unserem edelmüthigen Frank reich kann man nicht mehr eine von der des Nachbarn ab weichende Meinung haben oder aussprechen? Verräther! Verkaufte! Mit solchen Schimpfworten überhäuft man Männer, deren ganzes Leben Ehre und Rechtschaffenheit gewesen ist. Mil einer geistreich sein sollenden Ironie (das geht auf den Ministerpräsidenten) bat man sie alS die „Verstandesmenschen" (les intelleetuels) be zeichnet, wir unsererseits, wir nennen sie die „Ein sichtsvollen" (les intelligent«), die der Stolz Frankreichs sind." Er bat eS ferner gewagt, seine Ueberzeugung von den guten Absichten Zola'S auszusprechen. Zola bat nicht das Heer beleidigen wollen, sondern seinen Anklagebrief nur geschrieben, um die Revision eines feiner Meinung nach ungerechten UrtheilS herbeizuführen, die er aus andere Weise nicht erzwingen konnte. „Denn nur der Iustizminister kann die Revision anordnen." Und damit kommen wir zu dem dritten, wichtigsten Puncte. „Man hat behauptet, daß DreyfuS auf geheime, der Vertheidigung nicht bekannte Beweisstücke hin verurtheilt worden sei. Wenn das wahr ist, dann ist unzweifelhaft der Urtheils- spruch null und nichtig." Der Staatsanwalt hat damit nicht ausgesprochen, daß er selbst an die Gesetzes verletzung glaubt, aber er hat gewissermaßen die Berechtigung der Zweifel an der Rechtmäßigkeit deS UrtheilS anerkannt. Manche Leute haben aus seinen Worten sogar eine Auf forderung an den Iustizminister zum Eingreifen heraaSlesen wollen. In den Dreyfuöblättern herrscht über die Cassation eitel Freude. „Es giebt noch Richter in Frankreich" zieht sich wie ein Leitmotiv durch ihre sämmtlichen Artikel. Die Freude ist vielleicht zu überschwänglich, wenn man bedenkt, daß der Spruch weder den eigentlichen Inhalt des ProcesseS noch auch die anderen Nichtigkeitsbeschwerden berührt. Im gegnerischen Lager sind die Meinungen getheilt. Einig ist man sich nur in der Wuth darüber, daß Zola nun voraussichtlich dem Gefängnisse entgehen wird. Die Einen lassen diese Wuth an dem Gerichtshöfe auS, der das Urtheil nun cassirt habe, um sich an der Kammer und der Regierung zu rächen. Der Justizminister bat nämlich neulich gelegentlich der Panamadebatte den Cassationsgerichtsrath und früheren Oberstaatsanwalt OueSnay de Beaurepaire nicht nur höchst matt vertheidigt, sondern sogar den öffentlichen An schlag einer Rede zugelassen, in welcher diesem sehr übel mitgespielt wird. Ganz unmöglich ist es nicht, daß dieser Umstand auf den Gerichtshof einen gewissen Einfluß ausgeübt hat. Außerdem scheint der KriegSminister einen ziemlich ungeschickten Versuch gemacht zu haben, auf die Entscheidung einzuwirken. Clümenceau erzählte gestern in der „Aurore", Billot habe im Senat den Präsidenten des Cassationshofes dahin bearbeitet, seinen Einfluß zu Gunsten der Verwerfung der Berufung in die Waagschale zu legen. Der Präsident Mazean hat dies dahin richtiggestellt, daß Billot ihn nur gefragt babe: Was denken Sie von der Sache? und er daraufhin jede weitere DiScussion kurz ab geschnitten habe. Aber auch das ist. doch schon bedenklich. Die Anderen stürzen sich auf die Regierung selbst. Die sind noch nicht die schlimmsten, die Billot, Mvline und Milliard ein Kleeblatt von Schwachköpfen, den Justizminister „dümmer als den dümmsten Studenten" nennen. Cassagnac und Rochefort sind viel niederträchtiger. Für sie ist der ganze Proceß Zola nur eine große Komödie gewesen; die Regierung habe bereits im Voraus die Cassation mit dem obersten Gerichtshof abgekartet. Jedenfalls ist die Stellung deS Ministeriums nicht beneidenswerth. Es wäre sicher gestern gestürzt worden, wenn nicht die Wahlen vor der Thür ständen. Die Frage ist nun: Was wird geschehen, wenn es zu keinem neuen Processe kommt? Es ist nicht wahrscheinlich, daß es den Hetzblättern gelingen wird, das Volk noch einmal in eine solche Erregung wie vor dem Processe und während desselben zu bringen. Aber waS werden andrerseits die DreyfuSfreunde thun? Der „Verräther" schmachtet noch immer auf der Teufelsinsel, ihm ist mit der Cassation deS ZolaprocefseS nicht geholfen. Scheurer-Kestner, Trarieux, Ranc, Zola würden unsere Achtung verlieren, wenn sie jetzt meinten, ihre Schuldigkeit gethan zu haben und auf ihren Lorbeeren auSruhen zu können. Ziemlich sicher ist es allerdings, daß sie die augenblickliche Aussichtslosigkeit ihrer Bestrebungen einsehen und jede neue Action bis nach den Wahlen verschieben werden. Deutsches Reich. * DreS-en, 4. April. (Telegramm.) Wie nunmehr feststeht, werden Kaiser Wilhelm am 23. d., Vormittag« 10 Uhr, und Kaiser Franz Josef 10 Uhr 35 Minuten auf dem hiesigen Hauptbahnhofe einlreffen. Fe«illrton. Ostereier. Bon L. Glas«r. Nachdruck rndotnr. In ihrem Aufgange wird die Sonn« mit einem goldenen Ei verglichen und in ihrem Untergange mit einem Äpfel. Mit Bezug auf diese Symbolik >haben di« alten Römer ihre Mahlzeiten immer mit einem Ei angefangen und mit einem Apfel beschlossen, «b ovo uogus sä rnola (Hör. Sat. I, 3, 6), vom Ei bis zu den Aepfeln, oder wie wir jetzt sagen, vom Anfang bis zum Ende, von A bis Z. In einem altgriechischen Mythus wird Leto, unter dem neuen Namen Leda, von Zeus, dem Beherrscher der Zeitlichkeit, in Gestalt eines Schwanes berückt und legt in zwei Eiern Sonne und Mond. Nach altdeutschem Volksglauben wird die Sonne als goldenes Ei von der Mutter Gans oder von der Mutter Bertha mit dem Gansfuß gelegt. Die weiße Gans bedeutet den Winterschnee, unter dessen warmer Decke di« gut« Wintergöttin mütterlich die Saaten in der Erd« pflegt. Weil aber die Sonne erst zur Ost«rzeit zur rechten Kraft kommt, er hält auch das Sinnbild des Eie« erst in den Ostereiern seine rechte Bedeutung. Nach einer egyptischen Auffassung glaubt« man, der Schöpfer geist Kneph bringe al« Schlange ein Ei hervor, das die ganze Welt enthalte. Ganz bebenso bringt der indische Urgeist Brahma daS Welt«i Brahmanda hervor. Di«s«S Weltei wieder» holt sich in mehreren Schöpfungslehren der Griechen. Erst «xistirt nur ein Urgeist oder auch «ine bloße Urmateri« (Thao») und daraus wird ein großes Ei, dessen untere Hälft« die Erde, dessen obere der Himmel ist. Das Ei deutet also aus den Ursprung aller Dinge hin und ist das natürliche Sinnbild der lebenbildenden Naturkraft und Fruchtbarkeit, und weil diese Naturkraft sich im Frühling am stärksten wigt, so find«» »vir da« Ei bei allen Frühling-festen und Frühltngsgebräuchrn. Im Böhmerwalde hat jedes Mädchen die Pflicht, zu Ostern ihrem Geliebten ein Bündel mit Ehwaaren und Wäschestücken zu schenken. Ein Osterlaib, Eier, «in Hals- und Sacktuch und «in Hemd sind die nothwendigen Stücke des Inhalts. Dafür z«cht dann das Mädchen im Wirthshause auf Kosten des Burschen mit. In der Nacht vom Charsonnab«nd auf Ostersonntag ist es in Bayern üblich, beim Kammerfmsterln das Osterei aus der Hand d«r Geliebten zum Beweise der Begünstigung zu empfangen. In Benediktbeuren holen di« Burschen von den Mädchen Ostereier ab und ziehen ohne Eifersucht miteinander. Kommt der rechte, so bekommt er ein geschliffenes Ei. So erfährt man oft, wer „Bartel beim Bach" ist. Bater, Mutter, Ahn! und Guckahnl setzen sich dann mit den vier öder fünf Buben und dem Mädel zu Bier und Brod und einem Gläsel Schnaps um den Tisch, das Bier geht auf Bartel« Rechnung. Darnach gehts weiter -um zweiten Hause, wo «in anderer „Bartel am Bach" wird. Das Mädchen aber sagt gern schnippisch: „Da! hast auch ein Ei, wenn Du sonst kein» kriegst." In Niederbayern erhält der Bursche die Ostereier durchs Kammerfenster in ungerader Zahl, 5, 7, 9, II bis zu 21. Grabaus macht gar aus, und die Freundschaft hat «in Ende, ein Paar gilt al« Zeichen der Verschmähung. Die Tschechen nennm Ostern auch das rothe Fest von den rothen Eiern, welch« den Kindern theils geschenkt, theils von ihnen erbeten werden. Auf vielen tschechischen Dörfern sind di« Mädchen verpflichtet, den Burschen Eier zu schenken. Sprich wörtlich sagt man auch: „Der wird keine rothen Eier mehr essen", d. h. er wird nicht im Dienst aushalten bis Ostern, oder „Hüte ihn, wie ein rothes Ei", — während der Deutsche sagt: „Hüte ihn, wie ein rohes Ei." In Polen und Böhmen zerschneidet die Bäuerin gleich früh morgens einig« rothe Eier, die Wirth, Kinder und Verwandte gemeinschaftlich essen, indem sie sich zugleich vergangener Trüb sale erinnern und sich gegenseitig Glück für die Zukunft wünschen. Auf einigen Dörfern schenken die Frauen den Männern Eier kuchen oder Pfannkuchen, welche aus Mehl, Rahm, Eiern und Fleisch bestehen, de-halb wird auch Ostern häufig Eier- oder lpftumkuchensrst genanat. MM mit Honig und Pfefferkuchen sind ebenfalls Osterleckerbissen. Im östlichen Böhmen wird zu Mittag ebenfalls das geweihte Osterlamm gegessen, wobei alle Anwesenden stehen, reisefertig angezogen sind, den Hut oder die Mütze aus dem Kopfe haben und in einer Hand einen Stock halten müssen. Die Ucberbleibsel des Lammes, sowie die Schalen der geweihten Eier werden theils im Garten unter die Bäume vergraben, damit sie reichlicher Früchte tragen, theils in dm Brunmn geworfen, damit dieser nicht versiege. Die Mädchen fügen den Eierschalen auch Stücken von Ostcreikuchen bei, schütteln die Bäume und sagen, je nachdem der Baum «in Birn-, Apfel-, Pflaumenbaum ober ein Holunder ist: Birnenbaum, mir sage, Wo mein Liebster heut' am Tage. Oder: Sage mir Holunder, Wo mein Liebster weil jetzunder. Zwei oder mehrere sollen miteinander ein gefärbtes Osterei essen. Verirrt sich dann später einer auf der Reise, braucht er sich nur des gemeinschaftlich verzehrten Eies zu erinnern und augenblicklich findet er den richtigen Weg. Die Gewohnheit, welche den Ostermontag besonders charak- terisirt, ist die „ponäLrkn" der Tschechen, das Schmeckostern der Deutschen. In der Woche vor Ostern, oft schon vor dem Palmsonntag, holen sich die Knaben, jungen Burschen und Ehe männer frisch« schöne Weidenruthen und flechten aus drei, mit unter auch aus vier bis acht solcher Ruthen ein« Art Peitsche, pomILrK» genannt. In Weingegenden werden auch dazu ab gebrochene Weinreben genommen, diese werden durch bunte Bänder so vielfach durchwunden und verziert, daß sie wie ein recht farbiger und knospenreicher Blumenstengel aussehen. Damit laufen sie nun vor Sonnenaufgang, an einigen Orten vor oder nach der Frühmesse, an anderen erst nach dem NachmittagSgottes- dienst in den Straßen auf und ab, um das Ostergoschenk zu er halten, da- gleich der Osterpeitsche pomlüric« genannt wird und in bunt gefärbten, beschriebenen und bemalten Eiern besteht. Auf den Dörfern und in den Landstädten müssen nämlich in jedem Hause die kleinen Mädchen den Knaben, die Mägde den Knechten, die jungen Mädchen den Burschen und die Hausfrauen den jstrngm Männern je drei bi« sieben Eier schenken, denn so oft «in Frauenzimmer vom Ostersänger mit der Gerte berührt wird, so viel Eier ist sie zu geben schuldig. In Masuren gilt es als eine besondere Aufmerksamkeit, wenn ein junger Mann ein junges Mädchen, oder umgekehrt eine Jung frau den Jüngling am Ostermontag schmackostert oder begießt. Sehr häufig sind heutzutage nur die Kinder die Träger der alten Sitte, vielfach aber noch die erwachsene Jugend des Landvolks, Burschen und Jungfrauen, wie junge Eheleute. So schlagen z. B. im Kreis« Chrudim (Böhmen) vom frühen Morgen an die Männer ihre Frauen, die Burschen die Mädchen, die Knechte die Mägde und die kleinen Knaben die kleinen Mädchen so lange auf Hände und Füße, bis sie ihre weißen oder buntgefärbten Eier erhalten haben. So zieht man von Haus zu Haus durch den ganzen Ort. Dafür üben aber am Osterdienstag die Mädchen, die Mägde und Frauen dasselbe Recht den Knaben Burschen, Knechten und Männern gegenüber aus, welche sich statt der Eier mit Pfefferkuchen und Marcipan abfinden müssen. Wie die beim Schmackostern gesungenen Lieder lehren, er forderte ehedem der vollständige Brauch, daß von oben herab alle Glieder, Kopf, Rücken, Arme, Hand, Beine, Füße schmackostert wurden. Ein solches Lied aus dem dialectischen Original in die Schriftsprache übertragen möge hier folgen: Jetzt kommen wir zum lieben Ostern, Latz das Töchterlein ein wenig schmackostern. Tann, dann um den Kopf, Tast du denkst, es ist ein Klösetopf; Tann, dann um den Rücken, Tast dich nicht die Bürden drücken, Dann, dann nm die Arme, Daß du dich lernst, der Leut' erbarmen, Tann, dann um die Hand, Daß die Leute werden erkannt; Dann, dann um die Beine, Daß du immer bleibst daheime, Dann, dann um die Füße, Daß du lernst die Alten grüßen; Dann, dann daherum, Die Fliegen laufen dorthinum; Dann, dann dorthinum. Di« ylttgen lauftn dahnn«.
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