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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.04.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-04-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980405025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898040502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898040502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-04
- Tag1898-04-05
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Bezug-'Prei- M ^er Hauptexpedition oder de» t« Gtadt« brzirk und den Vororte» «richtete» >»»» aabrstrllen abgeholt: vierteljährlicher4.50. bei zweimaliger täglicher Zustellung in« Han« 5.50. Durch die Post bezogen für Deutjchland «ad Oesterreich: oteneljährlich Direcr« täglich« Krruzbaudienduug i>» «u»l«ch: uwnaUich eG 7dO. Die Morge».«»Sgsbe erscheint em '/.7 Uhr. di» Abend-Autgab« Wochentag- u« b Uhr. Le-actiou «ad Erveditiou: AohanneSraff« 8. Die Expedition ist Wochentag« ununterbrochen ««öffnet vo» ftüh 8 bi« Abend« ? Uhr. Filiale«: Dtts Klemm's Sortim. (Alfred Haß»), UaiversitSt-straße 3 lPaulinum), Loui» Lösche, Knthariuenstr. i«, pari, und KSuigSplrL 7. 172. Abend-Ausgabe. AMMTagMalt Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes nnd Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Dienstag den 5. April 1898. S«zeige«.Prris hie »gespaltene Petit-eür ,0 Neclame« »ater demNedactionSstrich <4«o» spalten) 50^. vor den ^amilikunachrickUS (Sgespalteu) «Och. Größere Cchriftea laut uns««« Vroi«. Verzeichaiß. Tabellarischer und gissrrasotz »ach höherem Tarif. Stttra-Veila««» s^salzt), nar mit dm Morgen-Auögab«, ohne Posrbeförderunz SO —, wlt Postbejürderuag 10.—. Ämuch«eschi«ß fiir Anzeigen«. >be»d.«u«g»»,: «ormttl»^ 10 UhL Bk »r>« »-Ausgabe: RochmiNogS «Uhr. Bei de» Filiale» «ud Aanabmestelle» je ei» halb« Staude früher. U»tet»e» stad stet« an di« ExpepitiO» z» richt«». Druck «ck «erla, »»» «. Pol» In L«i»ztch 82. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 5.April. Professor Stieve in München, als liberaler bayerischer Historiker dem UltramontanismuS besonders widerwärtig, hat durch eine Festrede, die er im Löwenbräukeller bei der Münchener BiSmarckseier hielt, der „Germania" Anlaß gegeben, die ultramontane KöntgStrcne in bengalischer Be leuchtung zu zeigen. Stieve feierte Kaiser Wilhelm I. als die Verkörperung des neuen Fürstenthums und charakterisier dabei — laut dem von der „Germania* citirten Berichte —, nachdem er die alte Monarchie des Gottcsgnaden- thum» und der Legitimität als für immer im Strome der Zeitenentwickluug versunken bezeichnet hatte, das moderne Königthum folgendermaßen: „Die neue Monarchie ist ein Volkssürstenthum, nicht das vom Volk verliehene und abhängige des Liberalismus, sondern ein Fürstenthum für das Volk." Dieser Ansicht entnimmt die „Germania" vorgeblich, daß der Liberalismus das Königthum von Gottes Gnaden und das LegilimitätSprincip „in dem Augenblicke nicht mehr anerkennt oder über den Haufen wirft, in dem er die Macht hat und ihm diese Grundsäulen eines geordneten Staates nicht mehr passen". Woraus dann weiter gefolgert wird, die Liberalen „wollten" das „Fürstenthum von Volkes Gnaden, waS schließlich doch auf daS Nämliche hinauSkomme, waS Bebel, Liebknecht, Vollmar wollen". Man kann die Verwegenheit, mit der die „Germania" solche Verdrehungskünste spielen laßt, nur begreifen, wenn man sich einerseits an die jesuitische Dialectik erinnert, und wenn man sich andererseits gegenwärtig hält, daß die Centrumspresse zur Stunde mehr als je das Bestreben haben muß, den Klerikalismus als regierungsfähig und als die vornchmlichste Stütze deS Thrones zu empfehlen. Größere Geschicklichkeit in der Erledigung dieses Geschäfts wird bei der „Germania" Niemand er warten. Daher dürste auch der plumpe Schwindel, die Socialdemokratie „wolle" ein Fürstenthum von Volkes Gnaden, nicht in Erstaunen fetzen. Die Angabe aber, der Liberalismus erstrebe ein so beschaffenes Fürsten thum , ist angesichts der klaren Worte Professor Stirve's geradezu ungeheuerlich. Stieve erklärt aus-, drücklich, die neue Monarchie sei nicht die vom Volke verliehene und abhängige des Liberalismus, sondern ein Fürstenthum für das Volk. WaS sagt er damit Anderes, als waS Friedrich der Große, der geistige Vater der modernen constitutiouellen Monarchie, zur Thal werden ließ? Was sagt er Anderes, als was Kaiser WilhelmI. in die Worte kleidete: „Gestützt aus festes Gottvertrauen, gehört mein ganzes Streben, meine unablässige Sorge allein dem Wohle meines geliebten Volkes"? Was sagt er Anderes, als was Kaiser Wilhelm II. bei seiner Thronbesteigung am Schluffe seiner Thronrede zur Eröffnung des preußischen Landtages feierlich verkündete: „Ich trete an die mir nach Gottes Fügung gestellte Aufgabe mit der Zu versicht deS Pflichtgefühls heran, und halte mir dabei daS Wort des Großen Friedrich gegenwärtig, daß in Preußen der König des Staates e rster Dien er ist" —? Die Anwürfe des ultramontanen Blattes treffen demnach weder Professor Stieve noch den Liberalismus. Stellt sich die „Germania", daS „Organ für Wahrheit, Freiheit und Recht", königlicher als die preußischen Könige selbst, so genügt der Hinweis auf die Centrumsdemokralen vom Schlage der Fusan^el und Genoffen, um diesen ultramontanen Wächter der Königstreue uä s.bsui'ällm zu führen. Frau Schulrath Cauer nnd Fräulein vr. Anita Augspurg veröffentlichen zur Wahlbewcgung einen schon kurz erwähnten Aufruf, in dem es wörtlich heißt: „Wir haben nicht das Recht, direct auf die Wahlen zu wirken, wir haben aber die Pflicht, mit unferrn Forderungen an die ReichstagScandidaten heranzutretcn, welche sich unserer Rechte an nehmen wollen und welche das Versprechen abgeben, unsere Forderungen im Reichstag zu unterstützen. Diese Candidaten können wir durch Väter, Brüder und Söhne unterstützen, wir können nns außerdem direct mit den Candidaten in Verbindung setzen, um mit ihnen Mittel und Wege zu verabreden, wie ihrer Wahl wirksam vorgearbeitet werden könne. Die Forderungen, welche wir aufstrllen, sind berechtigte und sind erfüllbare, nämlich: I) Einführung der weiblichen Fabrik- inspection; L) erhöhter Schutz der arbeitenden Frauen; 3) Frei- gebung aller Berufsarten und die Möglichkeit gleicher Vorbereitung und Vorbildung wie für die Männer; 4) Berücksichti gung der Forderungen der Frauen zum Bürgerlichen Gesetzbuch«; b) Bekämpfung der Unsittlichkeit; 6) Freiheit des Vereins- und Ver- sammlungsrechtrs; 7) Erlangung des Wahlrechtes. Candidaten, welche diese Forderungen oder auch nur einige derselben ver- treten wollen, dürfen ihrerseits der Unterstützung der Frauen in jeder möglichen Form versichert sein. Die Zeit ist für immer vorüber, daß dir Frau keine Verantwortung für das öffentliche Leben des Volkes trug, die Zeit ist gekommen, wo sie als Bürgerin Les Staates Rechte haben muß, um Pflichten ausführen zu können. Nicht mehr Worte, sondern Thaten fordert diese Zeit! Der nächste Reichstag wird entscheidend sein, ob Reaction, ob Freiheit in unserem Vaterland« herrschen soll. Frauen Deutschlands, auch in unserer Hand liegt die Entscheidung, nach welcher Seite das Geschick für uns und unser Volk sich wendet I" Wir befinden unS nicht in der Lage der „Kreuzzeitung", welche dieses Wahlgezwitscher sehr ernst nehmen zu muffen glaubt. Es will uns vielmehr sehr berubigend erscheinen, daß unter den Mannspersonen, durch welche die Verfasserinnen des Ausrufes auf die ReichstagScandidaten einwirken wollen, die Gatten (und Verlobten) fehlen. Das Beiseitelassen dieses im weiblichen Gedanken- und Empfindungskreise noch immer eine feste und nicht einmal bescheidene Stelle einnehmenden Bevölkerungselements läßt darauf schließen, daß die feminine Propaganda ihr hauptsächliches Augen merk auf die entschlossenen Cölibatarinnen zu richten gedenkt. Diese Frauenclasse ist aber nicht zahlreich und selbst in ihren dünnen Reihen dürfte die Forderung nach Freigebung aller Berufsarten für daS weibliche Geschlecht kaum allgemeinen Anklang finden. So lange Frau v. Suttner nicht Präsidentin der Vereinigten Staaten von Europa, Asien und Amerika geworden ist, wird es Kriegsbeere mit Of fixieren geben und die Neigung zur Vertauschung des FrauengewandeS mit der Uniform und deS Fächers mit dem Degen ist auch unter den im Bannkreise Bebel'schcrVorstellungen stehenden Damen gering. Dies beispielsweise. ES giebt noch mehr Berufsarten, die Ehrgeiz und Thatendrang von nur wenigen Frauen würden reizen können. Die Erfüllung deS An spruches dieser besonders Gearteten würde aber bei der großen Mehrheit deS Geschlechts Aergerniß erregen. Tie Männerwelt darf also getrost die Verlheidigung ihrer „Vorrechte" gegen Frau Cauer und Frl. vr. Augspurg den Frauen überlassen, zumal — trotz der cnptatio benevolentiae, die mit den Schlag wörtern „Reaction" und „Freiheit" versucht wird — die meisten demokratischen Blätter den amerikanisirenden Wahlaufruf mit Stillschweigen übergehen. Selbst Frauenlob-Rickert scheint nichts davon wissen zu wollen. Unstreitig bedeutet die „Pachtung" Wei-hai-weiS durch England einen Erfolg der britische» Politik, wenn derselbe auch etwas spät kommt und vielleicht in den Annalen der englischen Geschichte überhaupt nicht zu verzeichnen wäre, wenn die öffentliche Meinung die unentschlossene Politik Salisbury'- nicht endlich zum Handeln gedrängt halte. Ueber die Pachtung erhalten wir noch folgende Mittheilung: *London, 4. April. Wie das „Reuter'sche Bureau" erfährt, wird England von Wei-hai-wei Besitz ergreifen, sobald China im nächsten Monat den Restbetrag der Kriegsentschädigung be zahlt und Japan Wei-hai-wei geräumt haben wird. Die pacht weise Abtretung erfolgte mit Zustimmung Japan-, mit welchem zuvor eine Vereinbarung abgeschlossen worden ist. Die letzte Rate der chinesischen Kriegsentschädigung ist am 8. Mai fällig, und China ist nach dem Abschluß der jüngsten Anleihe Wohl im Stande, diesen Termin einzuhalten. Dann wird die japanische Besatzung abziehen müssen und so wird also binnen Kurzem die englische Flagge am Eingang des Petschili- Busens wehen; die zwei Pächter, Rußland in Port Arthur und England in Wei-hai-wei, können sich dann guten Morgen sagen, denn beide Puncte liegen sich unmittelbar gegenüber. Daß England gerade auf das commerziell ziemlich belang lose Wei-hai-wei die Hand legt, kann nicht Wunder nehmen. Abgesehen davon, daß, wie verlautet, seiner noch andere chinesische Zugeständnisfe harren, war die Beschlagnahme dieses Punctes unumgänglich zur Wiederherstellung des poli tischen Gleichgewichts vor den Thoren Tientsins und der Haupt stadt Chinas Peking. Rußland erhielt dadurch einen englischen Wachtposten direct vor Port Arthur hingestellt, und so wird eS England möglich fein, jeden Schritt Rußlands zu controliren und der russischen Omnipotenz in Peking einen Riegel vorzuschieben. Insofern bedeutet der Schritt Englands einen Trumpf gegen Rußland und die Verschärfung der ohnehin schon weit ge diehenen Spannung zwischen beiden Staaten. Die Chinesen konnten, nachdem einmal Port Arthur und die Mandschurei an Rußland verloren waren, gar nicht besser thun, als den englischen Wunsch zu erfüllen. Jetzt haben sie es mit zwei Nebenbuhlern zu thun, die sich unmittelbar auf dem Nacken sitzen und eifersüchtig darüber wachen werden, daß keiner von beiden Peking zu nahe kommt. So ist der Kaiser von China der Leibens- und FreudenSgenosse des Sultans geworden, beide sind in der gleichen Lage. Von Japan heißt eS, daß es mit dem Vorgehen Englands einverstanden ge wesen sei. Ist dies richtig, fo sind ihm Versprechungen be züglich Koreas gemacht worden, und es bleibt nun ab zuwarten, ob Rußland nicht die Zeit für gekommen er achtet, dort wieder aus dem Plan zu erscheinen und das Prävenire zu spielen, so daß schließlich Japan der ge prellte Theil wäre. Was Deutschland anlangt, so kann man dem nur zustimmen, was die „K. Ztg." über die Lage Wei-hai-weis sagt, das zwar in der Provinz Schantung liegt, aber vom deutschen Gebiet Kiaotschau durch bohe Gebirge derart getrennt ist, daß sowohl von militairischer wie von wirthschaftlicher Seite aus eine ReibungSsiäche so gut wie ausgeschlossen ist. Auch gilt, mutatis wutnnllis, für uns, WaS wir von China sagten: cs ist besser, zwei Neben buhler, die ihrer Natur nach auf gegenseitige Eifersucht angewiesen sind, neben sich zu haben, als einen. Immerhin ist die Situation derart verändert und hat sich so zugespitzt, daß Deutschland in Kiaotschau kein Idyll aufführen kann, sondern vorbereitet sein muß, im Fall eines Conflictes der rivalisirenden Mächte, der jetzt weit näher gerückt scheint, seine Interessen wahrzunehmen. Unter diesen Umständen kann es nölhig werden, daß wir in Kiaotschau zu einer größeren Machtentfaltuug, als bisher beabsichtigt war, und vielleicht auch zu weiterem Landerwerb schreiten. Von Rom wie don Washington au< ist die Meldung, daß der Papst officiell seine Vermittelung zwischen Spanten und den Bereinigten Staaten angeboten habe, dementirt worden. Wir erhalten darüber noch folgende Meldungen: * Washington, 4. April. (Reuter-Meldung.) Mc Kinley theilte den Mitgliedern des CongreffeS mit, das Gerücht von der Vermittelung des Papstes sei unbegründet, er wisse nichts davon. Mc Kinley fügte hinzu, er erwarte stündlich eine Depesche der spanischen Regierung mit der Benachrichtigung, den Auf- ständischen in Cuba sei ein formell« Vorschlag wegen eines Waffen- stillstandes gemacht. (Wiederholt.) * Rom, 4. April. Ueber Len angeblichen Schritt des Papstes zur Beilegung des spanisch-umerikauischen Streitfalles enthält der „Osservatore Romano" keine besonderen Mittheiluogen. DaS Blatt beschränkt sich daraus, die Depeschen über diese Angelegenheit ohne Commentar zu veröffentlichen. Soviel ist sicher, daß der Papst einen formellen amtlichen Schritt noch nicht gethan hat, wohl aber ist seine vermittelnde Hand in Madrid und Washington inofficiell im Spiele. DaS meldete die „Agenzia Stefaui", darauf deutet das Ausbleiben eines Dementi im „Osservatore" hin. Unwidersprochen ist dagegen die Nachricht geblieben, daß Spanien sich an die europäischen Großmächte um Vermittelung gewandt hat, und cS scheint, nicht vergeblich. Die französische Regierung hat ihre Geneigtheit, auszugleichen, unlängst offen zu erkennen ge geben. Ueber die Haltung der englischen giebt folgende Mel dung Aufschluß: * London, 4. April. (Unterhaus.) Aus eine Anfrage Morley s über den Stand der Angelegenheiten zwischen Spanien und den Vereinigten Staaten erklärt Balfour, er könne nur sage», daß diese Frage in jeder Hauptstadt zu beiden Seiten deS Atlantischen Oceans Besorgnisse verursache, und daß bei den unmittelbar davon berührten Regierungen der stark« Wunsch vorhanden sei, Len Frieden zu wahren. Balsonr schließt: „WaS wir thun können, wird geschehen." ' Ueber das, WaS von deutscher Seite etwa geschieht, ist man in Rom offenbar besser unterrichtet al« in Berlin. Von dort wird der „Frkf. Ztg." gemeldet, in denZletzten Tagen habe im Vatican große diplomatische Bewegung geherrscht. Der preußische Gesandte habe den Vatican auch an Tagen besucht, wo kein ossicieller Empfang stattfindet. Von competenter Seite werde mitgetheilt, es sei sehr wahrscheinlich,daß De u t s ch- land den Papst um eine Intervention anging. Kaiser Wilhelm's Streben, daS monarchische Princip zu stärken, sei zu bekannt, als daß er nicht suchen sollte, ein Mitglied deS eng befreundeten österreichischen Kaiserhauses vor den Folgen eines unglücklichen Krieges zu behüten. Wir halten diese Meldung für unbegründet. Ein direkter Schritt Deutschlands beim Vatican ist absolut nicht geboten. Er würde ein durchaus ungerechtfertigte- Sichvordrängrn Oester reich und den anderen Mächten gegenüber bedeuten. Da österreichische Kaiserhaus ist selbst MannS genug, für Spanien einzutreten, und im Urbrigen ist für jede der etwa angerufenen Mächte der gewiesene Weg der, sich mit den anderen über gemeinsames Handeln ins Einvernehmen zu setzen. Sollte übrigens die Eingangs mitgetheilte Aeußerung Mac Kinleys, er erwarte stündlich von Madrid einen formellen Vorschlag wegen eines den Aufständischen zu machenden Waffenstillstandes, richtig sein, so bedürfte es nach unserer Auffassung überhaupt keiner Vermittelung, denn mit einem Fenilleton. Der Kampf mit -em Schicksal. Sj Roman von Hermann Heinrich. Nachdruck verboten. Richard starrte lange Zeit in das Schreiben, dessen Schrift züge so unsicher und dessen Ausdrücke so fest waren. Das war der AmtSrath wie er leibte und lebte. In seiner Auffassung fiel die ganze Schuld des Zerwürfnisses auf Richard; er selber stand da wie ein weißgewaschenes Lamm. Er bot nicht, er befahl, und Richard hatte zu gehorchen. Er verhieß ihm einen werthvollen Besitz und forderte dafür die Knechtschaft. Mit einem tiefen Seufzer legte Richard das Schreiben auf den Tisch. Franziska kam und nahm mit ihres Mannes Erlaubniß von dem Inhalt des Schreibens Kenntniß. Einen Augenblick stand sie betroffen und nachdenklich. Zwischen Bater und Sohn lag ein Stein des Anstoßes, der nicht hinweggeräumt werden konnte, sie selbst. Die Versöhnung war unmöglich, ihretwegen! Ihre Augen füllten sich mit Thränen, und sie wandte sich zum Fenster. Richard ergriff ihre Hand, gab ihr unter Küssen die zärtlichsten Schmeichelnamen und versprach, lieber Krahnepuhl und alle Herr lichkeit der Welt zu lassen, al« sie auch nur einen Augenblick hintenanzusetzen. „Ich habe die Wahl", rief er, „und ich wähle Dich und Grethchen." „Giebt'» denn keinen Ausweg?" flüsterte sie. „Nein", entgegnete er kurz. „Ich werde meinem Vater schrei ben, daß ich nicht komme." Hand in Hand standen sie eine Weile in Schweigen versunken. „Weißt Du", sagte Franziska, „das wäre doch auch grausam. Der alte Mann ist krank, er bedarf der Stütze im Geschäft und der Pflege in seinem Leiden. Beides könnte er von uns haben. Wenn er uns aufnähme, wie lieb wollte ich ihn haben!" „Daran ist gar nicht zu denken. Wenn er erfährt, daß ich ge- hrirathet habe — ohne ihn zu fragen, ohne seinen Rath, seine Erlaubniß, dann wird er rasend. Du kennst ihn nicht. Er ist in seiner Art ein guter Mensch, aber er kann furchtbar sein." „Aber wenn er mich sieht — mein Gott, bin ich denn eine so unleidliche Frau?" „Du bist mein Ein und Alles, mein liebster, einzigster Schatz. Aber in den Augen meines Vater« hast Du von vornherein zwei große Fehler. Du bist nicht von Familie, und Du hast mich ahne seine Einwilligung gruommen. Da» scheidet uns von ihm für Zeit und Ewigkeit. Ich irre gewiß nicht, wenn ich voraussetze, daß er schon eine Zukünftige für mich in Bereitschaft hält." Franziska fuhr in Hellem Zorn auf. Die sonst so sanfte Frau verstand in diesem Punct keinen Spaß. Sie wolle von dem Tyrannen gar nichts wissen, erklärte sie. Er möge sein« Zu künftigen anderwärts unterbringcn und sich nie mehr erlauben, solche Briefe zu schreiben. Sie würde jeden Brief mit der Hand schrift des Amtsraths ins Feuer werfen. Damit war die Sache vorläufig abgethan, aber als das letzte Markstück verausgabt war, als die Roth begann, als die Nahrung mager und knapp wurde und selbst dem kleinen Grethchen das Essen vom Munde abgeknappst werden mußte, da wandten sich die Gedanken doch wieder im Stillen dem Anerbieten des Amtsraths zu. Hier der Mangel, dort der Ueberfluß, hier die Freiheit des Hungers, dort die Knechtschaft des Wohllebens. Was war we niger schlimm? Stolze Männlichkeit ist eine schöne Sach«, so lange man Boden unter den Füßen und Brod im Schranke hat. Und es handelte sich für Richard ja in erster Linie nicht um sein eigenes Leben, es handelte sich vielmehr um Gegenwart und Zu kunft, um die Existenz von Weib und Kind. Sollte er für sie nicht einmal eine Last auf sich nehmen? Die von einem Fremden ausgehende Demüthigung durfte er als Mann nicht ertragen. Aber wenn der eigene Vater, ein alter, kranker Mann, etwas wunderlich war „Giebt es denn keinen Ausweg?" Diese von Franziska auf gestellte Frage tauchte immer wieder auf, und zuletzt kam er zu einem Resultat. Er brauchte ja dem Vater von seiner Vrrhei- rathung nichts zu sagen. Franziska und Grethchen mußten in Berlin bleiben, während er dem Rufe de» Vaters folgte. Auf diese Weise war allen Theilen gedolfen, der Vater hatte seine Stütze, Richard und seine Familie batten den Lebensunterhalt, und zugleich sicherte er seinem Kinde da» väterliche Erbtheil. Wer weiß, ob die Zukunft nicht einen unverhofften Ausgleich brachte? Das Wort, daß die Bäume nicht in den Himmel wachsen, galt ja auch für den Amtsrath. Möglich, daß es Richard gelang, sich die väterliche Liebe in einem Maße zu erringen, daß ihm dieser seine eigenwillige Heirath verzieh und Weib und Kind anerkannte, möglich auch — daß der Vater sehr bald da» Zeitlich« segnete und mit der Täuschung ins Grab stieg. Bei dem letzten Gedanken er- bÄ>te Richard innerlich; aber die böse Lage, in der er sich befand, mußte auch einen solchen allzu menschlichen Gedanken entschul digen. Mit sich war er also im Reinen, aber er fürchtete sich zunächst, seinen Plan Franziska mitzutheilen. Das Herz der armen Frau glich einem wogenden See, er mußte sie sehr schonend behandeln, wenn er ihr nicht dauernden Schaden zufügen wollte. Endlich theilte er ihr mit möglichster Schonung seine Gedanken mit. Herz brechender Jammer, starre Verneinung, ruhigere Ueberlegung und endlich schmerzliche Einwilligung, das waren die Stadien, welche das Gemüthsleben der armen Frau zu durchlaufen hatte. Si« fürchtete nicht die Untreue Richards, aber die Trennung von dem einzig Geliebten war ihr zu schmerzlich, und schon der Ge danke, daß ein anderes weibliches Wesen seine Augen auf ihn werfen könne, erschien ihr wie eine Entheiligung seiner Person. Aber es half doch schließlich Alles nichts. Richard schrieb seinem Vater, daß er kommen werde, und Franziska selbst packte ihm die Koffer. Als der Schwiegervater von dem Entschluß Richard'L hörte, kam er eilig herbei. Zwar hatte ihm Richard jeden Besuch streng vcrboten, aber diesmal war er in der Lage, dem hartnäckigen Sünder vollständig Recht geben zu können. Der große Besitz des Amtsraths war auch für ihn ein wirksamer Hintergrund, und Reichthum schien in feiner Anschauung für die Aufnahme in die apokalyp tische Gemeinde kein Hinderungsgrund zu sein. Seine großen Augen strahlten eitel Sonnenschein, und überaus herzlich war der Druck seiner fleischigen Hand, als er zu Richard sagte: „G«h mit Gott, mein Sohn! Möge sich an Dir das Wort erfüllen: „Des Vaters Segen baut den Kindern Häuser." Auf Krahnepuhl war es Frühling geworden. Der sanfte Westwind hatte das Eis der Havel aufgelöst, und die Wellen hatten die mächtigen Schollen den Strom hinabgetragen. Ruhig und eben lag die breite Wasserfläche da, den blauen Himmel und den Hellen Sonnenglanz widerstrahlend. Das niedrige Weidenge büsch an den Ufern zeigte die silbergrauen Kätzchen; ängstlich, als ob sie dem Frieden noch nicht trauten, sahen die Veilchen aus dem Grase hervor, während die Staare mit lautem Geschrei und mit dem Gefühl stolzer Berechtigung ihre Staarkästen bezogen und den frechen Spatzen ihre angemaßten Rechte streitig machten. Die linde Frllhlingsluft koste durch dir Zweige der kahlen Bäume, umfächelte den hohen Schornstein der Ziegelei,der seine dampfende Thätigkeit noch nicht ausgenommen hatte, drang durch die Ritzen der geschlossenen Fenster und hielt Einzug in die Menschenherzen. Jene weiche, wonnige Stimmung, welche das Glück des Zeugens und Schaffens und die Hoffnung auf eine sonnige Zukuifft mit sich bringt, lag auf der ganzen Landschaft, und in leisen unk, lauten Tönen machte sich das Leben der wiedererwachten Flur be merkbar. Das Wohnhaus, ein unscheinbare» einstöckiges Gebäude, um schloß den Wirthschaft-hof auf zwei Seiten. Dort, wo e» den rechten Winkel bildete, stand auf dem Dache eine Wetterfahne, welche die Jahreszahl 1756 aufwies. Es hatte also vor dem Amtsrath hier schon mancher Besitzer gehaust. Die Treppt, welche nach dem kleinen Vorgarten hinabführte, war rechts und links mit Statuen geschmückt, und auch die Pfeiler der Gartenmauer waren durch Gruppen aus Sandstein gekrönt. Ursprünglich hatten diese steinernen Wesen allegorische Kindergestalten darge stellt, aber die Zeit hatte mit rauher Hand Arme und Nasen ab gebrochen, und üppig wuchernder Epheu hatte die nackten Knaben bis zum Halse in sein grünes Blättergewand gehüllt. Die Hausthür öffnete sich, und der Amtsrath trat heraus. Langsam und vorsichtig auf seinen Stock gestützt, stieg er die Stufen der Treppe hinab. Die Beine waren noch nicht in Ord nung, aber von seinem Gesicht strahlte der Frühlingssonnenschein. Geraden Weges ging er zur Landungsstelle und sah forschend den Strom hinauf. Noch sah er den Dampfer nicht, der den Aus reißer ins väterliche Haus zurückführen sollte, aber lange konnte er nicht mehr ausbleiben. Am Ufer lag auf mächtigen Bohlen ein großer Steinkahn, der von fleißigen Arbeitern ausgebessert und seetüchtig gemacht wurde. Der Amtsrath wandte sich zu ihnen und begann ein Gespräch in so freundlicher, fast leutseliger Weise, daß ihn die Arbeiter verwundert anschauten. Die Krank heit schien den Alten ja ordentlich mürbe gemacht zu haben. Auch in der Ziegelei rührten die Arbeiter ihre schwieligen Hände, denn die Fabrikation sollte bald beginnen, und es gab viel aufzuräumen und zu ordnen. Freundlich bot ihnen der Herr seinen „Guten Morgen"; in jede Ecke sah sein scharfes Auge, aber seine Anord nungen klangen heute weniger hart und herrisch al« sonst. Er wandte sich zum Garten, musterte mit Kennerblick Bäum« und Sträucher und ging dann wieder zur Landungsstelle zurück. In der Ferne zeigten sich Dampfwolken, und bald wurde der Per sonendampfer sichtbar, welcher die Verbindung zwischen Sanden- burg und dem nahen Städtchen Brunow vermittelte. Wie sein altes Herz klopfte! Mit scharfem Auge musterte er die Passagiere auf dem Verdeck, aber Richard konnte er nicht entdecken. Und doch, der Dampfer legte an, ein junger Mann im Dollbart lüftete respektvoll seinen Hut, schritt schnell über das Brett und reichte mit einem etwa» beklommenen: „Guten Morgen, Vater!" dem Amtsrath die Hand. Forschend schaute der Alte seinem Sohn in» Gesicht. Wie er sich verändert hatte! Aber nur ernster und männlicher war er geworden. „Guten Morgen, Richard!" entgegnete er so trocken al» möglich. „Komm herein!" Damit gingen sie Beide lang sam dem Wohnhause zu. Die Arbeiter musterten den Ankömm ling mit freudigem Erstaunen. „Der junge Herr!" sagten die älteren. .Gotte« Dunnernxtter, der junge Herr!" Nun wußten sie, warum der Amtsrath so weichmüthig gewesen war.
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