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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.04.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-04-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980412022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898041202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898041202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-04
- Tag1898-04-12
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Meclamr» unter dem RedactivnSstrich <4ge» Walten) SO-E. vor den KamilieunackrickNe» sst gespalten) "40 ch. «rötzere «chnsteo laut unserem P»i«- verzeichuitz. Tabellarischer und Zissernsatz aach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit te» Morgen - Au-aabe, ohne Postbesörderu»^ 60.—, mit Posibesörderung 70.-^. Iiunahmeschluß für Anzeigen: Abeud.Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Biorgen.Ausgabe: Nachmittag« «Uhr. v»t den Filialen und Annahmestellen je eia» halbe Stunde früher. Anzeige« sind stet» an die Expedition zu richten. »v I Druck »ud vttlag von E. Polz tu Leipzig, Dienstag den 12. April 1898. 92. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 12. April. Die soeialdemokratische Netch-tagSfraction hat am Oster- sonntag den Wahlaufruf der socialdemokratischea Partei für die bevorstehenden Reich«tag-wahlen veröffentlicht. Der Aufruf weist auf die Bedeutung de« bevorstehenden Wahlkampfes hin und schildert in möglichst grellen Farben die angeblich drohende sreactionäre Gefahr: die Gefährdung de» allgemeinen, gleichen directen und geheimen Wahlrecht« bei einem Siege der „reaktionären" Parteien, die eine Ent rechtung der Arbeiter bedeute, ferner die Gefährdung de« CoalitionSrechtS, womit dem Arbeiter die Bewegungr und BertheidigungSfreiheit gegenüber dem Unternehmer genommen werden solle, sodann weitere Beschränkungen der Verein»- und Versammlungsfreiheit auf dem Wege der Landesgesrtzgebuug, wogegen allein der Reichstag durch Schaffung eines freien Vereins-, BersammlungS- und CoalitionSrechte» für da« ganze Reich Sicherheit geben könne. Sodann wird bingewiesen auf die agrarische Richtung der Handelspolitik, die bei den Handelsverträgen auf Kosten der industriellen Bevölkerung, speciell auch der Arbeiter, ein geschlagen werden solle. Unter scharfen Ausfällen auf daS (Zentrum wegen dessen Zustimmung zum Flottrngesetz betont der Aufruf di« Steigerung der Mllitair- und Marinelastea, die auch wieder in der Hauptsache von den arbeitenden Claffen aufzubrinaen sein würden. Die erstrebte neue Staat«- und Gesellschaftsordnung wird nur leicht in folgenden Sätzen gestreift: „Wir kämpfen für rin« neue Staat«, und Gesellschaft»- ordnung, in der Männer und Frauen al» Freie und Gleiche leben und thütig sind, in der es keine Herrschaft des Menschen über den Menschen giebt und da» Wohlsein Aller als oberster Grundsatz aller menschlichen Ordnung anerkannt ist. Freiheit, gleiches Recht für Alle! Keine Rechte ohne Pflichten! Keine Pflichten ohne Rechte!" Der Schluß deS Aufrufs enthält neben einer allgemeinen Aufforderung an die Wähler noch eine besondere Mahnung an die Frauen zur Betheiligung an der Wahlagitation. Auf einige Einzelheiten des Schriftstückes wird zurückzukommeu sein; als Ganzes betrachtet, ist es mit kluger Berechnung so abgefaßt, daß es auf Alle zu wirken verspricht, an die «S gerichtet ist. Alle- wird zusammengetrageu, wa» angeblich die Socialdeinokratie und die gesummte deutsche Arbeiterwelt be droht, Alles wird vermieden, wa« einen Theil abstoßen oder auch nur verstimmen könnte. Der Hinweis auf die erstrebte neue Staats- und Gesellschaftsordnung ist so gefaßt, daß jeder Leser über den Weg, der zum Ziele führt, sich denken kann, was er will. Zn den „reaktionären" Parteien wird Alle« geworfen, was nicht unter der rothen Fahne sich sammelt; der Aufruf ist eine Kriegserklärung gegen da« ganze Bürgerthum, über das die Diktatur des Prole tariats herdeigeführt werden soll, und erinnert unwill kürlich an die wiederholten Mahnungen des Fürsten Bismarck an die bürgerlichen Parteien, alle MeinunaS- differenzen bei dem bevorstehenden Wahlkampfe zu vergessen und mit vereinten Kräften dem Anstürme der Umstürzler ent- gegenzutretrn, deren Wortführer erst kürzlich wieder im Reichstage ihren revolutionären Charakter enthüllt haben. Leider gewinnt e« den Anschein, al« fruchte diese Mahnung nur auf der Seite, gegen die sie gerichtet war. Der Streit im gemeinsam bedrohten bürgerlichen Lager ist heftiger und ver wirrender al» jemals, und wo er bisher vermieden worden ist, wird er hervorgerufen durch Sondrrcandidaturen. Statt hje bürgerliche« Wähler auf die Einigkeit und Geschlossenheit de« aemeiusamea Gegner» und die Nothwendigkeit einer eben solchen Einigkeit und Geschlossenheit hinzuweisen, wird ihnen eingeredet, sie könnten sich nicht unter einen Hut sammeln lassen, sie müßten „getrennt marschiren", um bei der Stic^ Wahl gemeinsam schlagen zu können. Und doch werden durch solches Vorgehen, wie die Erfahrung tausendfach lehrt, die einzelnen Gruppen zu gegenseitiger Befehdung, zur Be kämpfung der „Nebencandidaturen" herauSgefordert, den Social demokraten Waffen gegen jeden nichtsocialdemokratischra Candi- daten in die Hand geliefert, Tausend« der zwischen zwei Feuer gestellten bürgerliche Wähler von der Betheiliguug an der Hauptwahl abgehaltrn und dadurch dem socialdemokratischen Bewerber die Wege zum Siege schon bei der ersten Wahl geebnet. Die Aufgabe, von dem Feinde zu lernen und das, was man bei Stichwahlen zu können behauptet, schon in der Hauptwahl zu thun, scheint leider das deutsche Bürgerthum für eine allzu schwere zu halten. So wird e« sich die Folgen selbst zuzuschreiben haben und nicht einmal klagen dürfen, wenn die Socialdrmokratie abermals gestärkt au« dem Wahl kampfe hervorgeht und dem ersehnten Ziele näher rückt, von dem auS eS die Fülle seiner Segnungen über Industrie, Handel, Laudwirthschaft, Groß- und Kleingewerbe au«, schütten kann. Die ultramontane „Köln. Bolklztg." macht in einer Be sprechung der Schwierigkeiten, nut denen die Präft«e«ten im Reichstage und im preußischen Abgeordnetenhaus« zu kämpfen haben, die Bemerkung: „Herr von Buol ist nachsichtiger (als Herr von Kröcher, der Präsident des Ab geordnetenhauses), zuweilen unleugbar zu nachsichtig, nicht allein darin, daß er Redner weit von der Sache abschweifeo läßt, sondern auch, daß er starke Worte ungerügt läßt oder zu leise rügt." DaS rheinische CentrumSblatt sucht dies« besonders milde Handhabung de« Präsidium« durch alle möglichen Umstände, durch daS Auftreten der Socialdemvkraten, der Anti semiten u. A. m., zu entschuldigen. Immerhin ist eS bemerkenS- werth, daß die „Kölnische Volk-zeitung" in diesem Verhalten de« ReichStagsprästdenten eine Unzuträglichkeit erblickt. Freilich kommt diese Einsicht sehr spät; wäre sie früher gekommen, so hätte sie dem Reichstage und dem ganzen deutschen Volke eine Reihe skandalöser Vorgänge ersparen und «in weiteres Sinken de« Ansehens der Volksvertretung verhüten können. Daß da« Eentrum bis jetzt alle Klagen über die unvermeid lichen Folgen der Geschäftsführung durch einen schwerhörigen Präsidenten ignvrirt hat, wird bei der Wahlbeweguug nicht vergessen werden dürfen. Vielleicht ist eS auch nur die Rücksicht auf die Neuwahlen, was die „Köln. VolkSztg." veranlaßt, jetzt einzugestehen, wa« sie bisher nicht eingestehen wollte. Allzufest darf man daher auf die Wahl eines anderen ReichStagsprästdenten nicht bauen, wenn daS Centrum als ausschlaggebende Partei auch in den neuen Reichstag einzieht. Der General-Staatsanwalt in Paris hat, wie unS ge meldet wird, die von dem Kriegsgericht «ege« Lola und Perreux erhobene Klage erhalten. Die gerichtlichen Vor ladungen wurden alsbald abgefaßt und den Belheiligten zu gestellt. Wenn die von verschiedenen Pariser Blättern ge machten Andeutungen richtig sind, hätte der Generalstab einen neuen Sieg über die Regierung erfochten. DaS Kriegsgericht hätte in Uebereinstimmuna mit dem Cabinet bereits mit fünf gegen zwei Stimmen die Nichtverfolgung beschlossen gehabt. Da sei während der Pause General Pellieux erschienen und habe mit der Drohung des Rücktritts des Generalstabes die Mehrheit umgestimmt. Man einigte sich auf die Erhebung der Klage mit dem Argument, daß, nachdem der KriegS- minister einmal den Proceß gegen Zola angestrengt, die DiS- ciplin verlange, die Klage wieder aufzunehmen und sich mit dem Chef zu identificiren. Der „TempS" läßt sehr deutlich durchblicken, daß gerade der Krieasminister von diesem Beschluß wenig entzückt sein dürfte. DaS der Regierung nahe siebende Blatt erkennt die Entrüstung der Officiere an, denen vorgeworfen sei, par »rckre geurtheilt zu haben, fügt aber hinzu: „Die Entscheidung entspricht sicher nicht dem Wunsche Jener, die besonder« unter den jetzigen Umständen die Bürde und die Verantwortung der Staatsgewalt tragen." Der „Temps" ermahnt angesichts der leidenschaftlichen Sprache der patriotischen Blätter, kaltes Blut zu bebalten, damit der beängstigende Eindruck, den die Entscheidung des Kriegsgerichts hervorgrrufen habe, schwinde. Der Termin der Assisen ist noch unbestimmt, weil mehrere Deputirte die Regierung ersucht haben, die Verhandlung erst nach den Wahlen anzuberaumen. Dieser Wunsch dürfte berücksichtigt werden und die Verhandlung Ende Mai statlfinden. Daß die Angelegenheit „sehr rasch erledigt" werden wird, wie e« in einem Pariser Telegramm hieß, darf höchst zweifelhaft erscheinen. Vielmehr muß angenommen werben, baß Zola und dessen Bertheidiger in dem neuen Schwurgerichtsproceffe darauf bestehen, daß sämmtliche Punkte deS in der „Aurore" veröffentlichten Artikel«: „ck'accuss!^ der Verhandlung zu Grunde gelegt werden. Bereit« in dem ersten Proceffe hatten der Angeklagte und dessen Nechtsbeistand ausdrücklich ver langt, daß nicht bloS wegen der angeblichen Verleumdung deS Kriegsgerichtes im Esterhazy-Proceffe, sondern auch wegen der „Verleumdungen" gegen den gegenwärtigen und den früheren Kriegsminister, die Generale Billot und Mercier, sowie der jenigen gegen die Generale deS großen Generalstabes ein geschritten würde. Als der Gerichtshof dies ablehnte, ver säumte der Angeklagte, seine Beschwerde innerhalb der gesetz lichen Frist von drei Tagen rinzureichen. Der Berichterstatter deS CaffationShofeS hat dann auch ausdrücklich hervorgehoben, daß unter den von der Brrtheidigung geltend gemachten Puncten der Nichtigkeitsbeschwerde der auf die Ausdehnung der Beweisaufnahme auf alle Theile deS Artikels der „Aurore" bezügliche lediglich deshalb nicht in Betracht gezogen werden konnte, weil die erwähnte dreitägige Beschwerdefrist nickt eingehakten wurde. Auch die Enthüllungen deS „Siöcle" werden zur Sprache koinmen und der Name des früheren deutschen Militair-AttachsS von Schwartzkoppen wird viel genannt werden. Das wird große Sensation macken, aber weder Zola noch Dreyfus etwas nützen, denn v. Sckwartz- koppen hat sicherlich die auffallenden Aeußerungcn nicht ge- than, die ihm in den Mund gelegt werden, und im klebrigen bleibt es bei dem, waS deutscherseits ofsiciell vor aller Welt erklärt worden ist. Eine neue Wendung in dem Kampf um Cuba ist zu verzeichnen: Die spanische Regierung hat, wie wir sckon im heutigen Morgenblatte mittheillen, den Marschall Blanco telegraphisch angewiesen, die Feindseligkeiten sofort ein- zustellen. Dies war die Hauptforderung der Ver einigten Staaten, um die die diplomatischen Ver handlungen sich gedreht haben. Spaniens Standpunct war bisher correcter Weise der, eine Waffenruhe nicht anzu bieten, sondern sie zu acceptiren, wenn sie von den Insur genten erbeten werden sollte, da die Initiative Spaniens nach dieser Richtung bekundet haben würde, daß es die In surgenten als gleichberechtigte kriegführende Partei anerkenne. Nun hat man sich in Madrid doch noch entschlossen, den ersten entgegenkommenden Schritt zu thun, und rechtfertigt dies damit, daß man dem dringenden, übereinstimmenden Wunsche der Mächte, die man selbst um Vermittelung angegangen, sich nicht habe entziehen können. Dies Argu ment läßt sich in der That nicht ohne Weiteres von der Hand weisen. Di: spanische Regierung hat bisher eine durchaus würdige und feste Haltung eingenommen und hat vor aller Welt documcnrirt, raß sie sich vor einem Krieg mit den Vereinigten Staaten nicht fürchtet. Allerdings beruhte daS Ultimatum Woodfords angeblich auf einem Miß^ verständniß, aber daS Madrider Cabinet hat eS doch zurück gewiesen und somit den Machthabern in Washington deutlich zu verstehen gegeben, daß es den hingeworfencn Fehdehand schuh aufnimmt. DaS Ultimatum wurde auf Liese kriegsbereite Antwort hin als auf einem Irrthum beruhend bezeichnet, d. h. zurückgezogen. Wen» nun Spanien der unmittelbar darauf ein setzenden Action der Mächte nachgiebt und ihnen das zugcsteht, WaS eS Len Vereinigten Staaten abgeschlagen, so vergiebl es diesen gegenüber seiner Würde nichts. Das muß festgehaltcn werden. Anders steht freilich Spanien deu cubanischen Insurgenten gegenüber da, denen es eme neue und durchaus nickt unbedenkliche Nachgiebigkeit zeigt, die schwerlich anders als mit der Forderung völliger Un abhängigkeit beantwortet werden dürfte. Allein der Stoß, den das Prestige Spaniens damit unleugbar erleidet, wird doch nicht unerheblich dadurch abge schwächt, daß eben nickt die Bereinigten Staaten, sondern die vereinigten Großmächte Europas es sind, denen die Madrider Regierung sich gefügig erweist. Dazu kommt noch, daß man i» der scheinbaren Nachgiebigkeit Spaniens lediglich einen durch die Haltung deS Washingtoner Repräsentanten hauses und deS Präsidenten Mc Kinley ausgedrungenen diplo matischen Schach zug zu erblicken bat. Tie Botschaft Mc. Kinley's redet nicht von der Unabhängigkeit Cubas, die die auf Annexion der Insel ausgehenden Washingtoner Politiker gar nicht wollen, sondern nur von der Wiederherstellung geordneter Verhältnisse auf Cuba und fordert als Vorbedingung derselben die Einstellung der Feindseligkeiten. Indem nun Spanien thatsächlich Gewehr bei Fuß nimmt, entzieht es der Union jede Berechtigung einer weiteren Einmischung und kann, wenn es, wie vorauS- zusehen, den Insurgenten ehrliche und befriedigende Zugeständ nisse macht, die Vereinigten Staaten jederzeit ins Unrecht setzen, sobald diese ihre Interventionspolitik dock wieder aufnehmen. Das Letztere wird voraussichtlich geschehen, falls die Insurgenten die billigen Vorschläge Spaniens abweisen, auf der völligen Unabhängigkeit bestehen und mit dem Ver such fortfahren, dieselbe zu erkämpfen. Die Lage ist dann die, daß die Vereinigten Staaten logischer Weise den Insurgenten jede Unterstützung versagen müßten, denn dann sind diese es, welche die Wiederherstellung geordneter Verhältnisse unmöglich machen, nicht die Spanier. Verhält sich die Union umgekehrt, so beweist sie, daß sie nicht Len Frieden will, sondern nur nach Vorwänden zum Kriege sucht, als dessen Zweck ihr die Annexion Cubas gilt. Auf was es jetzt an kommen wird, ist die Haltung der Insurgenten. Auch muß erwartet werden, daß die Vereinigten Staaten ihre Kriegs schiffe aus den cubanischen Gewässern zurückziehen. Jeden falls haben Spanien und die Union Zeil gewonnen, sich in volle Kriegsbereitschaft zu setzen, und Spanien hat außerdem noch die Hoffnung, daß eS Cuba durch vernünftiges Ein lenken der Insurgenten, wenn auch in losem Verbände, dem Mutterland erhält. FarriHetoir. Der Kampf mit dem Schicksal. 8j Roman von Hermann Heinrich. Nachdruck v«rd»t«n Richard verwandte kein Auge von der alten Frau, als sollte ihm von ihr Rath und Rettung kommen. „Aber was thun?" fragte er mit ungcheurer Aufregung. Sie sah ihn mit einem überaus schlauen und gütigen Lächeln cm, daS ihre alten, häßlichen Züge ordentlich verschönte. „Das Einfachste ist immer das Beste, mein lieber Junge. Wenn da» junge Laub im Frühjahr hervorkommt, dann fallen die Blätter auch von den alten Steineichen ab. So hat's der liebe Gott geordnet, und so ist's gut und richtig. Nun sieh, ich bin so ein alte» Blatt. DaS junge Laub will hervor, drum mag das alte in Gotte» Namen abfallen." „Liebste Frau Ladewig, das könnten Sie über's Herz bringen?" „Ich habe mir'» lange überlegt", entgegnete sie ruhig. „Ich bin alt, und die Knochen sind mürbe. Einmal muß ich mich doch zur Ruhe setzen, e» kommt dabei auf rin Jahr früher oder später nicht an. Ich ziehe nach Sandenburg zu meiner Tochter, und der Herr Amtsrach mag sehen, wo er eine ander« Wirth- schaftrrin herbetommt." „Tie meinen —" „Ich mein«, daß ihm da« gar nicht schnxr fallen wird, wenn sein Sohn nicht auf dÄ, Kopf gefallen ist. Na, Sir Virstehen mich hoffentlich. Einen schweren Stand werden Sie Bride ja haben, wenn da« eintrtfft, wa« ich mir denke. In einem Haus« leb«n und sich nicht ansrhen dürfen —! Aber Sie haben sich dann wenigsten«. Ist Ihre Frau dir Frau, die sie nach Ihrer Beschreibung sein muh, so wird der Herr Amtsrath ihre Tugenden anerkennen. Blind ist er nicht. Und wrnn Sie dann einmal Ihr Hrrz auskramen, dann wird er sich ja wohl in da» Un vermeidliche finden. Zuletzt ist er doch auch «in Mensch. Aber freilich, schlau ongefongen muh r« werden und klug ausgeführt. Trauen Tie sich da» zu?" „Ob ich mir da» zutrau«!" rief Richard im Gefühl auf- quellender Freude. „Wenn ich sie nur in meiner Nähe haben darf, wmn ich sie nur sehen darf, so will ich ja gern Alle» thun, wa» di« Dihättniffe von mir fordern. Ich will mich beherrschen, ich will mein Herz mit einem Panzer umgeben, ich will mein eigener Aufseher und Richter sein." „Aber Ihre Frau, die Franziska? Frauen sind doch meistens nicht so stark wie die Männer." „Sie kann Alles, wa» ich von ihr verlange." „Nit, so machen wir's. Morgen kündig« ich." Am nächsten Morgen sah der Amtsrath beim Kaffee, während Richard in der Ziegelei beschäftigt war. Alles war darnach angethan, den alten Herrn in die glücklichste Seelen stimmung zu versetzen, die Aussicht auf Richard'» nahe Ver lobung, der vorzügliche Kaffe«, dos leckere Butterbrödchrn, die schwere Havannah, deren Duft seine Nase umkoste und das Zimmer erfüllte. Da trat Frau Ladewig ein und erklärte kurz und bündig, dah sie ihre Stelle zum nächsten Herbst verlassen werde. Der Amt-rach war tief beleidigt. „Ladewigen, machen Sie doch nicht solche albernen Geschichten!" „Gar kein« Geschichten, sondern die reine Wahrheit." „Aber warum denn?" „Au» Altersschwäche." „Schämen Sie sich. Ladewigen, so etwa» zu sagen!" rief der alte Herr. „Sie können «» noch mit zehn Männern aufnehmen. Sie sollten dem lieben Sott dafür danken, dah Sie noch arbeiten können. Sehen Sie mich an! Ich bedarf der Ruhr mehr al» Sie, und ich denk« noch gar nicht daran, mich für invalide zu erklären." Aber weder die gütige Zurede noch die offene Ungnade de» Amtsrath« tonnten dir Wirthschaftertn in ihrem Entschluss« wankend machen. „Wa» Sie thun wollen", sagte er, „ist Fahnenflucht, ist verrcrth. Nicht einen Pfennig Pension de- kommen Sie, Sie heimtückische», niederträchtig«« Weib!" „Sie können mir mit Ihrer Pension den Buckel lang runter laufen", entgegnete sie stolz. „Die alte Labewigen ist auf di« Gnade von solchen alten hochbeinigen Krippensetzrrn nicht an« gewtesen. Sott sei Dank." Damit ging sie. „Sie meint'« ernst", seufzt« der AmtSrath, und er wußte aus Erfahrung, dah die Alte in ihrem Eigensinn nicht wankend zu machen war. In groher Aufregung nahm er mit Richard Rücksprache. „Nun hab« ich auch di« Geschichte satt. Ich setze mich zur Ruhe und Du heirathest!" „Da» ist ganz unmöglich, Dater." „Unmöglich?" rief er, indem er di« Augen wüt aufrih und den aufsteigeNden Zorn mit Mühe zurückhielt. „Du und Fräulein Held, Ihr seid doch einig?" „Ja, aber nur darin, dah wir un« nicht hckrathen. Rege Dich nicht «f, Vater, an der Thals,»« ist doch nicht» pi ändern. „Es fiel« ihr nicht ein", sagte sie, „sich eines albernen Gerüchtes wegen zu verhcirathen." Der Amtsvath wetterte zehntausend Donnerwetter zusam men. Sofort lieh er anspannen und fuhr nach Brunow, um sich das Unglaubliche bestätigen zu lassen. Die Eltern Ehar- lottrn's hatten zu ihrer aufrichtigen Betrübnih bereits die Willrnsmeinung ihrer Tochter kennen gelernt, und jetzt sagte sie dem Amtsrath selbst mit freundlichem Ernst und einer Be stimmtheit, die keinen Zweifel und keinen Widerspruch auf kommen lieh, daß aus ihr und Richard nichts werden könne. Der Amtsrach konnte sich in die neue Sachlage nicht finden. Ohne den dargereichten Imbiß zu sich genommen zu haben, jagte er nach Krahnepuhl zurück. Herr und Frau Held aber, so ernste Gesichter sie auch machten, konnten ein Gefühl der Gemrgthuung über den selbstbewußten Stolz der Tochter nicht unterdrücken. Sie waren auch auf den Amtsrach nicht an gewiesen, sie konnten wählen. „Es ist richtig, sie will das „stille Lottchen" bleiben", sagte der Amtsrath mit schneidender Ironie zu seinem Sohne. „Wir werden ja deshalb nicht zu Grunde gehen", ent gegnete Richard. „Nein, bei Gott nicht!" Des Amtsraths Stolz flammte auf, und er betheuert«, dah er sich für seinen Sohn noch eine ganz andere Tochter aussuchen wolle. „Hätte ich's dock nie geglaubt, dah das Mädchen eine solche Gan« ist." „DaS ist sie nun wohl gerade nicht", antwortet Richard. „Aber ich sehe gar nicht ein, warum unter allen Umständen geheirathrt sein muh. Ich bin noch nicht dreihig Jahre alt, und Du bist rin Monn in den besten Jahren. Wir können noch ganz gut ein paar Jahre warten. Alle», wa» wir brauchen, ist eine neue Wtrthschafterin, und di« werden wir ja bekommen." „DaS sollte ich meinen!" Des Amtsraths Gesicht nahm wilder einen stolzen, harten Auwruck an. Die Arbeiter hatten bös« Tage, und Frau Ladewig würdigte er keine« Grütze«. Rtcharb schmerzte es tief, seinen Vater täuschen zu müssen. Wieder empfand er den Zwang der Verhältnisse, die seinen Willen fesselten und der freien Entwickelung seine» Ich» un übersteigbare Schranken setzten. Durch sein Verhalten suchte er gut zu machen, wa» er an seinem Bater sündigen muhte. Niemals hatte der Amttrath einen gehorsameren, aufmerk sameren Sohn gehabt, niemal» hatte rin Mensch seine Launen geduldiger ertragen, al» Richard. Die Seele de» Alten fand nach und nach ihr Gleichgewicht wieder. Di« Stelle der Wirch- schaftrrin würbe kn den getesmstrn Blättern Berlin» autge- schrieben, und nicht lange dauert« r», so war der AmtSrath im Besitz von über «wanztg Meldungen. La» richtete ihn völlig wieder auf. Da sah man es nun, dah Niemand unersetzlich war. „Wirthschafterinnen so viel, daß man die Havel damir zudämmen kann!" sagte er triumphirend zur Ladewigen, worauf diese kurz erwiderte: „Wenn sie nur wasserdicht find." Nun ging es ans Prüfen der Zeugnisse, anS Berathen und Wählen. Die meisten legte der Amtsrath sofort als ungeeignet zurück, nur drei stellte er schließlich zur engeren Wahl. Richard bemerkte mit Erschrecken, dah Franziska nicht unter ihnen war. Er suchte die Zeugnisse heraus und fragte: „Warum willst Du von diesen Zeugnissen nichts wissen? Es sind die besten." „Eine Frau Kähne? Lächerlich! Wie kann ich eine Wirt schafterin haben, die meinen Namen führt." „Das ist in der That eigenthümüch", entgegnete Richard und legte die Zeugnisse zurück. Um die wichtige Stelle gut zu besetzen, scheute der Amt» rath keine Mühe. Er wußte sehr wohl, dah zwischen d.-n Zeugnissen und der Person oft ein groher Unterschied besteht, und daß die Herrschaften sich häufig scheuen, ein Urtheil nieder zuschreiben, aus dem sie in mündlicher Unterredung kein Ge heimnih machen. Er machte sich deshalb auf Reisen, nahm Rücksprache mit den Herrschaften und ließ sich die Damen vor stellen. Das Resultat war, daß er a-uf alle drei verzichtete. „Die eine steht im begründeten Verdacht, dah sie in ihre eigene Tasche wirthschaftet, obgleich man ihr nichts nachweisen kann. Die Andere zerschlägt alles Geschirr, das in ihre Hände kommt, und die Dritte ist im Puncte der Liebe nicht hartherzig genug. Sonst sind sie natürlich alle Drei vorzüglich." So berichtete der Amtsrath seinem Sohne. Di« Ladewigen triumphirte: „Wasserdicht wie ein Sieb. Nun kann ja das Havelzudämmcn losgehen." „Es bleibt wirklich nur die Kähne", sagte der AmtSrath. „Wenn nur der fatale Name nicht wäre!" Richard pochte das Herz. „Wir könnten sie ja beim Vor namen nennen.' „Das ist zu vertraulich, und Franziska ist kein Name für eine Wirthschafterin. Aber umtaufen! Nennen wir sie doch einfach auch „Ladewigen". Dann bleibt Alles beim Alten." „Wrnn sie nur darauf eingeht." „Warum sollt« sie nicht? Dir Person bekommt eine gu!: Slelle, und das ist für sie die Hauptsache." Richard war verstimmt, aber er durfte sich nicht» merlcn lassen. Die Reise nach Thüringen war in dieser Jahreszeit schon an sich rin Vergnügen, und die Entfernung tonnte bei ver Bedeutung der Sacke nicht ins Gewicht fallen. Der AmtSrath reifte ab und kam nach einigen Tagen sehr befriedigt zurück. „Die ist wasserdicht", berichtet« er. .Bei der gab ,» nicht»
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