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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.04.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-04-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980412022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898041202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898041202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-04
- Tag1898-04-12
- Monat1898-04
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Die engltsch-egypttsche Armee hat einen bedeutenden Waffenerfolg über die Mahdisten errungen. Am Charfreitag ist «S, wie gemeldet, dem Sirdar Kilchener ge lungen, das Derwischlager am Atbara zu erstürmen und den feindlichen Befehlshaber Mahmud gefangen zu nehmen. Die Einleitung zu dieser Waffenthat bildete das ÄufklärungSgefecht am Mittwoch. Seit einigen Tagen waren in dem nur fünfzehn Kilometer von der verschanzten Stellung der Derwische entfernten egyptischen Lager zahlreiche Ueberläuser, darunter ein Reitknecht Mahmud'S, eingetroffen, die von der wachsenden NabrungSnoth unter den Mahdisten und dem niederschmetternden Eindruck der Wegnahme von Shrndy durch die Egypter berichteten. Am 5. April zog die egyptifche Reiterei unter Oberst Broadwood mit einer reitenden Kruppbatterie nnd einigen Maximgeschlltzen unter Oberst Long zu einem Aufklärungsangrisf auf das Mahdisten- lager aus. Aus 800 Schritte Entfernung begannen die egyp tischen Geschütze ihr Feuer, das von den sieben Messingkanonen Mahmud'« mit geringem Erfolg erwidert wurde. Unterdessen brachen von beiden Flügeln des Lagers Abtheilungen feind licher Reiter hervor und suchten die egyptifche Cavallerie zu überflügeln, während in der Front einige 2000 Mann Infan terie heranrückten. Die anglo-egyptische Artillerie nahm die feindliche Reiterei unter Feuer und fuhr dann ftaffelweise ab unter dem Schutz ihrer Cavallerie, die dann ihrerseits einen schneidigen Angriff machte, durch den Feind hindurchritt und im Einzelkampfe ihm bedeutende Verluste beibrachte. Zu einem weiteren Zusammenstoß ließen eS die Reiter der Derwische nicht mehr kommen, wenn sie auch in weiter Entfernung die Anglo - Egypter auf der Rückkehr in ihr Lager verfolgten. Mit der Infanterie der Derwische kam es zu keinem näheren Scharmützel. Sie eröffnete zwar auf 800 Schritt das Feuer, erhielt aber die Erwiderung von den Krupp- und Maxim-Geschützen. Am Freitag um 8 Uhr morgens schritt Sirdar Kitchener mit seiner ganzen Streitmacht, die er in einem sorgsam vorbereiteten Nachtmarsch bis auf eine englische Meile Entfernung an die Mahdistenschanzen herangeführt hatte, zum Sturmangriff, der durch ein bei Tagesanbruch begonnenes Bombardement der auf eine halbe englische Meile vorge gangenen Artillerie eingeleitet wurde. An dem Sturmangriff selbst nahmen drei Brigaden Theil. Die Derwische, die erst mit ihrem Feuer zurückhielten, begannen damit, als die eng- lisch-egyptischen Truppen nahe bei den Verschanzungen waren. Die Verluste der Derwische, deren Stellung genommen wurde, find beträchtlich. Man berichtet unS darüber noch: Kairo, II. April. Dir Armer drS Mahmud ist voll ständig zrrsprrngt. Die egyptische Cavallerie stieß in der Ver- fdkgung derselben wegen des dichten Buschwerks auf Schwierigkeiten. Zweitausend gefallene Derwische sind aufgesunden worden, im Ganzen glaubt man, seien 3000 Derwische gefallen, darunter etwa 12 der einflußreichsten Emire. Da Shendy in der Gewalt der Egypter ist, wird das fliehende Mahdistenheer Wohl die Richtung nach Süden, etwa gegen Abu Delak, einschlagen muffen; von dem bei Metemmeh stehenden Haupthrer des Chalifen ist es abgeschnitten. Deutsches Reich. * Berlin, 11. April. Die kurze Lebensfrist, die diesem Reichstag noch vergönnt ist, wird er zum Theil handels politischen Verhandlungen widmen müssen. Gleich nach Schluß der Osterferien wird dem Reichstage eine Vorlage über ein deutsch-englisches Handelsvertragsprovisorium zugehen. Dann aber schweben zwischen der deutschen Re gierung und denen von Portugal und Chile noch Ver handlungen, die, wie die „Centralstelle für Vorbereitung von Handelsverträgen" mittheilt, so weit fortgeschritten sind, daß der formelle Abschluß neuer Handelsverträge in nicht zu ferner Zukunft zu erwarten steht. Der bisherige Freund schafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrag mit Chile vom 1. Februar 1862 ist von der chilenischen Regie rung unterm 27. August 1895 gekündigt worden und dem gemäß nebst den Zusatzverhandlungen vom 14. Juli 1869 am 31. Mai 1897 außer Kraft getreten, nach dem eS gelungen war, die GiltigkeitSdauer noch um ein halbes Jahr zu verlängern. Seit diesem Termin genießen auf beiden Seiten die Maaren des anderen Landes das Meist- begünstigungSrecht, das man sich in Rücksicht aus die enge HandelSverbindung gegenseitig zugestand. Die Verhand lungen über einen deutsch-portugiesischen Handels vertrag datiren schon mehrere Jahre zurück. Wenn sie jetzt von Neuem ausgenommen sind, so wird man darin sicherlich einen Wunsch Portugals erblicken können. Der Vertrag, ein Tarifvertrag, ist schon seit längerer Zeit fix und fertig, er soll nunmehr aber erst an den wirthschaft- lichen Ausschuß gebracht werden. Das Gutachten des letzteren dürfte für die Frage, ob zum Abschluß ge schritten werden soll oder nicht, recht schwer in die Waag schale fallen. Bekanntlich liegen die finanziellen Verhältnisse Portugals nicht so einfach, daß die Frage im Handumdrehen entschieden werden könnte. Es ist sehr wahrscheinlich, daß die Erörterungen über diese zu erwartenden Vorlagen sich u einer gründlichen Debatte über die Grundfragen der künftigen deutschen HandrlsvertragSpolitik auSspinnea werden. Da die handelspolitischen Interessen jetzt im Vordergründe des politischen Getriebes stehen und auch diese Wahlen schon unter ihrem Zeichen sich vollziehen werden, so wird man von der Regierung erwarten dürfen, daß sie ihren Stand- ?unct darlegt, und auch die Parteien werden nicht amhin können, programmatische handelspolitische Reden zum Fenster hinaus zu halten. Insofern verdienen die nach den Osterferien zu erwartenden Reichstagsdebatten eine besondere Beachtung. Denn sie werden Klarheit in die innerpolitische Lage, die noch recht verschwommen ist, bringen müssen und wahrscheinlich die Schlagwörter, die diesmal in Ermangelung einer zugkräftigen Wahlparole für manche Parteien ganz be sonders kostbar sind, zu Tage fördern. — Der Prinz und die Prinzessin Albrecht von Preußen begehen am 19. d. M. das Fest ihrer silbernen Hochzeit. Das Kaiserpaar gedenkt, dem prinzlichrn Jubel paare zu diesem Tage ein werthoolles Geschenk in Gestalt eines Pokals zu überreichen. — Die preußischen Minister der Finanzen, für öffentliche Arbeiten und für Landwirthschaft haben dem Abgeordnetenhause eine Denkschrift und eine Nachweisung der Beträge, die aus den auf Grund der Nebenbahngesetze der Jahre 1896 und 1897 bereitgestellten Fonds von drei und zwei Millionen zur Errichtung von landwirthschaftlichen Getreide lagerhäusern bis zum Schluß des Jahres 1897 bewilligt sind, zugehen lassen. — Der im Kaiserlichen Statistischen Amt erfolgten Zu sammenstellung der Hauptergebnisse derStatistik der Kran ken- versicherung für 1896 entnehmen wir folgende Angaben: ES rxisliren insgesammt 22 111 Cassen (gegen 21 992 im Jahre 1895) mit einer Mitgliederzahl im Durchschnitt d. I. von 7 944 820 Personen. Von den Cassen waren 8451 Ge- meinde-Kranken-Cassen, 4523 Orts-Kranken-Cassen, 6796 Be triebs- (Fabrik-) Kranken-Cassen, 103 Bau-Kranken-Cafsen, 566 Innungs-Krankeri-Cassen, 1410 Eingeschriebene Hilfs- cassen, 262 Landesrechtliche Hilsscassen. ES kamen 2 763 757 Erkrankungsfälle mit 47 608 226 Krankheitstagen vor. Die Einnahmen betrugen 155 809 833 die Aus gaben 146 719 973 Das Vermögen der Cassen beziffert sich auf 120 769 326 davon kommen auf Reservefonds 107 856 665 — Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht das Gesetz, betr. die anderweite Festsetzung des Gesammtcontingents der Brennereien, die Bekanntmachung, betr. die Vereinbarung erleichternder Vorschriften für den wechselseitigen Verkehr zwischen den Eisenbahnen Deutschlands und Luxemburgs vom 26. März 1896 und die Bekanntmachung, nach der Anlagen zur Herstellung von Gußstahltugeln mittels Kugelschrotmühlen in das Verzeichniß der einer be sonderen Genehmigung bedürfenden gewerklichen Anlagen auf zunehmen sind. — Der Generalconsul Vr. Schmidt»Leda, der im December zur Unterstützung des ColonialdirectorS hierher gerufen wurde, ist nun wieder aus dem auswärtigen Amte ausgeschieden und wird nach Ablauf seines noch etwa einen Monat andauernden Urlaubs auf feinen Posten nach Yokohama zurückkehren. * Tchneideniühl, 10. April. Zwischen dem MilitairfiScuS und den städtischen Körperschaften schweben, wie der „Post" gemeldet wird, gegenwärtig Verhandlungen über Ver größerung der hiesigen Garnison. Insbesondere handelt eS sich um Hierherverlegung von Artillerie. * Aus Thüringen, 10. April. Ueber die voraussicht lichen Wahlergebnisse in Thüringen, also in den zwölf Reichstagswahlbezirken der acht Kleinstaaten und denen der preußischen LandeStheile (Langensalza, Erfurt, Naumburg, Zeitz), läßt sich, wie dem „Schwab. Merk." geschrieben wird, bei der argen Zersplitterung der Parteien wenig Voraussagen. Die Socialdemokratie hofft nicht allein die bisher innegehabten vier Bezirke zu behaupten, sondern auch noch vier weitere. (Weimar, Jena, Erfurt und Zeitz) zu erobern. Was den ersteren Theil dieser Rechnung betrifft, sv mag er im Wesentlichen zutreffen. Höchstens dürfte Gotha von den Ordnungsparteien zurückzu erobern sein, wenn eS gelingt, den gemäßigt-frei- sinnigen Compromißcandidaten mit dem Socialdemokraten in die Stichwahl zu bringen. Der letztere Theil der socialdemokratischen Berechnung erscheint ebenfalls nicht ohne Berechtigung. Weimar I ist schwer gefährdet und in Erfurt besorgt der Hader unter den anderen Par teien die Geschäfte der Socialdemokraten. Haben doch viele Antisemiten erklärt, in der Stichwahl unbedingt dem Social demokraten vor dem „abtrünnigen" bisherigen Abgeordneten IacobSkötter (cons.) den Vorzug geben zu wollen. AuS Jena, wo die Nationalsocialen auftreten und die Demo kratie mit Singer liebäugelt, lauten die Nachrichten ziemlich bedenklich, und auch in Zeitz gewinnt die Socialdemokratie täglich an Boden. * Liegnitz, 10. April. Die hiesigen Socialdemokraten haben sich zu einer Betheiligung an den Landtagswahlen entschlossen; sie hoffen, in den Städten so viel Wahlmänner idrer Partei durchzubringen, daß sie da» Zünglein an der Waage zwischen den Conservativen und Freisinnigen bilden können. Sie setzen dabei voraus, daß die Freisinnigen ihrer seits so viel Wahlmänner durchbringen, um von der Hilfe der Socialdemokratie Nutzen ziehen zu können. * Wiesbaden, 10. April. Der nationalliberale Wahlverein de» Regierungsbezirk» Wiesbaden wird dem „Rhein. Kurier" zufolge am 24. d. M. hier feine General versammlung und eine LandeSversamnzlung kalten. * Mannheim, 10. April. Der engere Ausschuß der pfälzischen national-liberalen Parti beschloß der „Nat.-Z." zufolge in seiner gestrigen Besprechung die ursprüng liche Forderung, daß die gemeinsam von den National- Liberalen und dem Bund der Landwirthe aufgestellten ReichstagScandidaten unbedingt der national-liberalen ReichS- tagsfraction beitreten müssen, fallen zu lassen. Der Ausschuß äußerte nur den Wunsch, daß lediglich die Aufstellung national gesinnter Candidaten erfolgt. , * Nürnberg, 10. April. Eine Vertrauensmänner - Ver sammlung der nationalliberalen Partei wählte als Vertreter für den Berliner Parteitag Iustizrath v. Kreß, LandgerichtSrath Zehler und Kunstmühlenbesitzer Bauriedel. Die Vertreter wurden ersucht, gegen die Versuche, die Partei für freihändlerische, freisinnige sowie für agrarische Nei gungen zu gewinnen, Stellung zu nehmen und für da» bayerische Reservatrecht in der Militairstrafgesetzordnung ein zutreten. (M. Allg. Z.) * München, 11. April. Der heutige amtsärztliche Bericht über daS Befinden des Königs lautet: In dem Befinden Sr. Majestät des Königs ist nach keinerlei Richtung eine Aenderung eingetreten, insbesondere sind Schmerzäußerungen nicht wahrzunehmen. Die Krankheitserscheinungen im Urin bestehen in sehr geringem Maße fort. Das Allgemeinbefinden ist zufriedenstellend. — Durch einen Theil der Presse geht die Mittheilung, daß den Geistlichen vom erzbischöflichen Ordinariat München-Freising verboten worden sei, in die parteipolitische Bewegung einzugreifen. Da hätte man also, meint die „Franks. Ztg.", wenigstens an einer ober- hirtlicben Stelle begriffen, daß das Agitiren und Polemisiren von der Kanzel der Würde der Kirche nicht entspricht. Viel leicht hat man auch schon verspürt, baß der religiöse Einfluß Schaden leidet. Oesterreich-Ungarn. Nattonalfeier. * Pest, 11. April. (Telegramm.) Die Stadt trug den ganzen Tag über ein überaus festliches Gepräge. Auch im ganzen Lande wurde die Nationalfeier festlich begangen. Am Abend veranstalteten 3500 hiesige Bürger, geführt vom Oberbürgermeister, für den König einen Fackelzug. Beim Anlangen des Zuges brachte der hiesige Männergesangverein dem Könige eme Serenade dar. Die Ordnung wurde nirgends gestört. Zwischenfälle find nicht gemeldet. Die Rede VeS Königs. * Pest, 11. April. (Telegramm.) Die beiden Häuser des Reichstages hielten heute eine gemeinschaftliche Sitzung ab, in der daS vom Könige sanctionirte Gesetz, betreffend die Verewigung der Feier zur Erinnerung an den Erlaß der 1848er Gesetze, verkündet wurde. Nach der Sitzung fuhren die Mitglieder beider Häuser nach der Ofener Königsburg, wo der Präsident des Abgeordnetenhauses Szilagyi NamenS der beiden Häuser dem Könige den Dank für die Sanctionirung dieses Gesetzes ausdrückte und ihm die Huldigungsadresse derselben unterbreitete. König Franz Josef erwiderte hieraus mit folgender Rede: „Die Versicherung der treuen Anhänglichkeit der im Reichstage meiner Länder Ungarn, Kroatien und Slavonien versammelten Magnaten und Abgeordneten nehme ich mit besonderer Freude und innigstem Danke an, zumal am heutigen Tage, der die halbhundert jährige Wiederkehr des Zeitpunktes jenes denkwürdigen geschichtlichen nnd wichtigen Ereignisses bedeutet, da die 1848 er Gesetze, welche die alte ständische Verfassung und das gesammtr öffentliche Leben der Länder meiner ungarischen Krone in einem den Anforderungen der neuen Zeit entsprechenden Geiste umgestalteten, die königliche Sonction erhielten. Mit Freude habe ich den Gesetzentwurf sanctionirt, in welchem die National feier deS Andenken- an die Schöpfung jener Gesetze festge» stellt wird und dessen Annahme von patriotischer Pietät ringegeben war. Denn nachdem damals jener ModuS festgestellt wurde, nach welchem die zwischen den Ländern meiner ungarischen Krone und meinen übrigen Königreichen und Ländern bestehenden gemeinsamen Angelegenheiten lauf verfassungsmäßigem Wege zu behandeln und die auf der pragmatischen Sanction beruhenden Verpflichtungen hinsichtlich der gemeinsamen Vertheidigung zu leisten sind, wie auch jener ModuS, nach welchem daS staatsrechtliche Verhältniß zwischen Ungarn und dessen Nachbarländern ständig geordnet wurde, so hat fürwahr die umgestaltende Wirkung der 1848er Gesetze jene Grundlage geschaffen, auf welcher dir staatliche Existenz der Länder der ungarischen Krone in neuerer Zeit beruht und aus welcher die geistige und materielle Entwickelung derselben in so erfreulicher Weise fortschreitet. Ich vertraue aus den Patriotismus der Völker in den Ländern meiner ungarischen Krone, sowie aus die umsichtige, besondere Weisheit ihrer Gesetz- gebrr und hoffe, daß auf der bestehenden Grundlage die Fort- eatwickrluug der staatlichen Existenz sich stet» auf einem Wege voll ziehen werde, der zur Förderung de« wahren Wohle- de» Lander und mittelbar zur Förderung der Machtstellung und des Ansehens der Monarchie führt. Auf diesem Gebiete und in dieser Richtung können Sie stet» aus mein Wohlwollen und auf meine wirksame Unterstützung rechnen. Indem ich den Allmächtigen bitt», unserem gemeinsamen Streben nach diesem Ziele seinen reichen Segen zu verleihen, versichere ich Sie meiner unveränderten Gnade." Frankreich. Klage gegen Zola. * Pari», 11. April. (Telegramm.) In der Zola zu- gestellten gerichtlichen Vorladung wird, wie verschiedene Blätter melden, lediglich folgender PafsuS des Artikel« „ll'uccuse" zum Gegenstände der Anklage gemacht: „Ein Kriegsgericht wagt eS, auf Befehl einen Esterhazy freizusprechen, jeder Wahrheit und Gerechtigkeit in» Gesicht schlagend." In dem ersten Procefse war in dem incriminirten PafsuS auch der Satz enthalten: „und die von dem ersten Kriegsgerichte begangxne Ungesetzlichkeit zu decken". Spanien. Straßenkuudgebungen; Philippinen; Woodford. * Madrid, 11. April. (Telegramm.) Gestern Abend fanden hier gegen die Regierung gerichtete Straßen- Kundgebungen zu Gunsten der Armee statt, namentlich im Innern der Stadt, bei der Puerta del Sol. Die Teil nehmer an denselben zogen vor die Gebäude deS Militair- clubs und der liberalen Zeitungen. Bei den Kundgebungen wurden einige Personen verwundet. Mehr als 100 Ver haftungen wurden vorgenommen. Unter den Festgenommenen befinden sich der frühere Deputirte Galvez Holguiu sowie zahl reiche Journalisten. Um Mitternacht kam e» nochmals zu einigen Ansammlungen an der Puerta del Sol; diese wurden von der Polizei auseinander getrieben, wobei einige Personen leicht verletzt wurden. Heute wird der Prafect emen Aufruf erlassen, in dem er der Bevölkerung von Madrid zur Ruhe räth und darauf hinweist, daß die gestrige Kundgebung eine parteipolitische Veranstaltung war. Heute Vormittag herrschte hier vollkommene Ruhe, doch dauern die polizeilichen Vor kehrungen fort. —Die auswärtigen Botschafter traten gestern in der italienischen Botschaft zu einer Berathuug zusammen, wie eS heißt, aus Anlaß neuer au- Washington eingetroffener Nachrichten. * Madrid, 11. April. (Telegramm.) Der amerikanische Gesandte Woodford hat erklärt, er werde Madrid nur verlassen, wenn seine Regierung eS ihm befehle, oder wenn Spanien ihm seine Pässe zustelle. Woodford hat noch immer eine friedliche Lösung deS spanisch-amerikanischen Streit falles ins Auge gefaßt. — Der Marinecommandant von Port Mahon auf Minorka theilt mit, daß TorpedoS im Hafen gelegt seien, und kein Schiff vor 6 Uhr Morgen einlaufen dürfe. Neue Krawalle. * Madrid, 12. April. (Telegramm.) Im Laufe de» gestrigen AbendS sammelten sich zahlreiche Gruppen vor dem Ministerium de- Innern und brachten Hochrufe auf Spanien und die Armee aus. Die Gendarmerie griff ein. Einige Personen wurden verletzt, mehrere Verhaftungen wurden vorgenommen. Da di« Kundgebungen fortdauerten, durchzogen Patrouillen die Straßen im Centrum der Stadt. General Bourbon, der sich unter den Manifestanten befand, wnrde nach dem Schlosse Santona gebracht und soll vor Gericht gestellt werden. Die Theilnehmer an den Kund gebungen sammelten sich, nachdem sie von der Polizei, zer streut worden waren, auf- Neue. Die Polizei ging wieder holt gegen dieselben vor und nahm weitere Verhaftungen vor. Die Kundgebungen in den Straßen, in den verschiedenen Stadttheilen und im Centrum dauerten bi- gegen Mitter- nacht; alsdann war die Ruhe wieder hergestellt, doch setzte die Gendarmerie Vorsichtshalber den Patrouillendienst fort. Rußland. Die Lage im vften. * Petersburg, 11. »April. (Telegramm.) Wie aus Odessa gemeldet wird, verläßt der Dampfer der Frei willigenflotte „JekaterinoSlaw" mit dem russischen Wer- waltungspersonal ftr Port Arthur und 100000 Pud Schienen für die Mandschurei-Eisenbahn am Mittwoch den Hafen. Die „Nowoje Wremja" erklärt die gestern voll zogenen ErnennungenDuchowSkoi'S und Grodekow'S mit der Wichtigkeit der gegenwärtigen politischen Lage im fernen zu. vertuschen. Der Freiherr v. Westphal, ein Gentlemen vom Kitze bis zum Scheitel, kam mir mit der größten Offenherzigkeit entgegen. Er hätte sie selbst gern behalten, will aber natürlich Alch ihrem Fortkommen nicht hinderlich sein. Die Person selbst ist groß, stark und «bescheiden, sie ist mit der Aenderung des Mmens einverstanden. Ihr Kind würde natürlich im Falle eines Engagements beim dortigen Schulmeister in Pflege bleiben. Sie hat nur einen Fehler, sie ist fast zu schön für eine Wirthschafterin. Aber wir sind wohl auch durch die Lade wigen an Häßlichkeit etwas verwöhnt. Ein Hinderungsgrund, m«in« ich, kann das wohl nicht sein. Meinst Du nicht auch?" Richard stimmte z«u, und so wurde denn das Engagement der neuen Frau Ladewiy beschlossen. Der Amtsrath war mit der alten Wirthschafterin vollstän dig ausgesöhnt, er konnte sich aber nicht versagen, sie zu ärgern nnd seinen Trumpf auszuspielen. „Das ist eine Wirthschaf terin!" rief er bewundernd aus. „Goldblondes Haar!" „Also Rothkopf", nickte die Alte. „Groß und schlank." „Stackete." „Jung und schön." „Kiekindiewelt." „Tüchtig, o! Und Ladewigen heißt sie auch." „Da heißt sie was rechts!" Die Alte maß den Amtsrath mit einem überlegenen Blick und ging stolz hinweg. Das fröh liche Lachen des AmtSrathr» folgte chr; er hatte seinen Humor wiederqefunden. Die apokalyptische Gemeinde in Berlin war in ihrem An- dachts- und Beisaale vereinigt. Dieser lag in dem Hinterge bäude eines Hauses der Bülowstraße und bestand aus einem großen Berliner Zimmer, das von einem Fenster in der Ecke nur nothdürftig beleuchtet wurde. Die Wände waren grau und kahl. Das Bild des Gekreuzigten über dem Rednerpult und darunter das Bild des Apostels Johannes, der in der Ver bannung die Offenbarung schreibt, war der einzige Schmuck des Zimmers. Auf dem Podium vor dem Rednerpulte stand Herr Markgraf, der Vorsteher, in würdiger und imponirender Hal tung, vor ihm lag die aufgeschlagen« Bibel, auf welche zwei Lichter von rechts und links ihren matten, flackernden Schein warfen. Auf rohen Holzbänken ohne Lehnen hatte di« kleine Gemeinde Platz genommen, Männer und Frauen, meist den unteren Ständen angehörig. Zwei Personen waren besonders benktrkenswerth, die Fr« de» Vorstehers, ein kleines, bleiches Frauchen, das ihre schönen, schwärmerischen Augen unablässig in Bewunderung und Demuth auf dem Gemahl richtete, und Herr Spitz, ein reicher Rentier, der nach einem Leben voll .Gpttmflust und Ausschweifung dir Gebrechen de» Alter» fühlt« und von dem erwachten Gewissen Tag und Nacht gepeinigt wurde. Dieser Herr war die neueste werthvolle Erwerbung der Gemeinde. Zwar gehörte er ihr noch nicht förmlich an, aber er fühlte sich stark zur Gemeinde hingezogen und wurde von den Brüdern bereits als einer der Ihrigen betrachtet. Die Gemeinde sang ein rhythmisch bewegtes Lied von jenem schwärmerischen Charakter, der die überschwengliche Gefühlslyrik vieler Serien kennzeichnet und ein unklares, aber in seiner Unklarheit umso mächtigeres Gefühlsleben zu entfalten geeignet ist. Es war eine recht weltliche sinnenfällige Melodie, die stärker und stärker er tönte und mit einem begeisterten Jubelruf schloß. In die letzten Töne schon mischte sich das starke, wohlklingende Organ des Sprechers, der die Gemeinde zum Kampf gegen den Fürsten dieser Welt aufrief, um sodann auf Grund eines Bibelwortes in die Schriftauslegung überzugehen. „Ist das Ende nahe?" Diese Frage war es, welche Herr Markgraf behandelte. Für ihn war kein Zweifel daran. Die zweitausendreihundert prophetischen Tage, von welchen Da niel weissagt und die ebenso viele Jahre bedeuten, sind erfüllt. Zeichen sind geschehen an Sonne, Mond und Sternen. Am 19. Mai 1780 wurde die Sonne verfinstert. Um neun Uhr Vor mittags fing es an, düster zu werden. Am Mittag war es so finster, daß die Leute nicht mehr lesen konnten, ohne Licht an- zuzünden. Der Gerichtshof von Konnektikut, der grade Sitzung hielt, mußte dieselbe schließen. Es war so finster, daß das Ge flügel seine Nester aufsuchte, das Vieh blökend seinen Stallun gen zulief, die Frösche zu ouaken anfingen und die Nachtvögel zum Vorschein kamen. Dies« Finsterniß dauerte vierzehn Stun den, konnte also unmöglich eine gewöhnliche Sonnenfinsterniß sein. Am 13. November 1833 fielen die Sterne. Sie fielen so schnell und so zahlreich, wie Schneeflocken bei starkem Schnee fall. Es war anzusohen, als ob es wirklich Feuerkugeln vom Himmel regnete. Die Wissenschaft steht stumm vor dieser ge waltigen Erscheinung, sie zerbricht sich den Kopf und kann sie nicht erklären. Die Bibel aber sagt: „Wenn Ihr dies Alles werdet sehen, so wisset, daß das Reich Gottes nahe ist." Andere Zeichen sind der moderne Spiritismus, in welchem die Geister der Teufel wirksam werden, Erdbeben, Gewitterstürme und Kriege und endlich das Schreckgespenst des Socialismus. Die Nationen rüsten sich, als ob sie einen prophetischen Verstand hätten und wüßten, daß eine furchtbare, entscheidende Krisis vor der Thür ist. Unbewußt und in sündiger Weise bereiten sie sich auf den großen Tag Gottes vor. Die Ausrrwählten aber, di« Brüder, sehen mit offenen Augen dem Kommen des Heilands entgegen. Die irdischen Dinge, Arbeit, Stellung und Mam mon, sind ihnen nur ein Mittel zu dem Zweck, sich wacker zu machen für die große Entscheidung, und wie ein Kind auf Weihnacht««, so freurn sir sich auf den Tag, an dem sie dem H«rrn entgegengerückt werden soll«« in der Luft. Die Rede machte gewaltigen Eindruck, und besonders Herr Spitz, der reuige Rentier, schien vollständig zerknirscht. Nicht nur seine Sünden, auch sein Mammon, die fünfmalhunderttau- send Mark, lasteten schwer auf seinem Herzen. Während die Grmeinde nach dem kräftigen Amen in ein leises Räuspern überging, entstieg ein tiefer Seufzer seiner Brust, und ein Blick voll Huld und Gnade traf ihn vom Rednerpult aus. Wieder ertönten Gesänge. Dann aber traten die beiden Erzengel, zwei Arbeiter in weißen Leinwandmänteln, vor, um im Wechselgespräch die Gemeinde zum Wachen und Beten aufzu fordern. In ihre starken Stimmm mischte sich der begeisterte Zuruf der Gemeinde. Ihre Erregung wurde so groß, daß die Brüder und Schwester aussprangen, schrien und jauchzten und mit ihren Stimmen die Stimmen der Erzengel übertönten. „Zum Gebet!" rief der Leiter der Gemeinde, und im Augenblick verstummte der Lärm und Alle warfen sich aus die Knie. Der Sprecher flehte den heiligen Geist auf die Gemeinde herab und forderte die Brüder und Schwestern zum Beten auf. Einige Sekunden herrschte Stillschweigen. Dann begann Einer zu beten, unsicher, stotternd, mit Beklommenheit, ein Anderer folgte, Frauen mischten sich hinein, und zuletzt ergriff ein junger Mann, ein Schlosser von Profession, das Wort, um in einem Gebet von himmelstii-mender Gewalt die Seelen der Gemeinde den Thoren des himmlischen Jerusalems zuzuführen. Ein Jubel folgte diesem Gebet. Als Erlöste, als Ausrrwählte, als Erben des Reiches Gottes fielen sich Brüder und Schwestern um den Hals, um im heiligen Brudrrkuß ihre Liebe zu besiegeln. Die Gemeinde entledigte sich dieser Pflicht mit großer Gewandt heit; Herr Spitz aber stand zunächst hilf- und rathlos in dem Jubel, bis sich Männer und Frauen herzudrängten, um durch Umarmung und Bruderkuß ihm seine Aufnahme in den Schooß der apokalyptischen Gemeinde anzudeuten. Zuletzt trat der Sprecher auf ihn zu. Mit der Würde eines Mschofs, der Fluch und Segen in seiner Hand hat, fragte er: „Willst Du unserer Gemeinde angchören und ihr Herz und Hand, Leben und Blut, Seele und Leib weihen?" Tonlos bewegten sich die Lippen des Gefragten, aber der Vorsteher bewies durch seine huldvolle Um armung des Bekehrten, daß dieser mit „Ja" geantwortet hatte. Damit war Herr Spitz in die Reihe der Erlösten, Auserwählten und Brüder eingetreten. Wieder bestieg der Sprecher das Podium, und die Gemeinde nahm auf den Bänken Platz. Die Geschichte von Ananias und Saphira war es, welche er vorlas und eindringlich erklärte. Besonders lange verweilte er bei den Worten: „Niemand sagte von seinen Gütern, daß sie sein wären, sondern, so Jemand Güter hatte, verkaufte er sie und legte das Geld zu der Apostel Füßen." Auch die Strafe, welch« die beiden Ehegatten traf, wußte er mit flammenden Worten zu schildern. Dann wie» er auf dir Schafe hin, die noch in der Irre zerstreut lebten und doch der Heerde zugeführt werden müßten. Er erklärte, das er mit den Aeltesten der Gemeinde übercingekommen sei, hinauszuziehen und die Auserwählten herbeizuführen und zu sammeln. Dazu aber gehörten irdische Mittel, und er forderte die Gemeinde auf, dem Beispiele der ersten Christen zu folgen und ihre Güter dem Herrn zu weihen. Einer nach dem Anderen trat an das Pult und legte sein Scherflein hin. Bruder Spitz opferte einen Fünf markschein. Aber belehrt von einem strafenden Blick des Spre chers, versprach er stotternd, ein Mehreres zu thun. Er habe nur nichts weiter bei sich. Der Sprecher drückte ihm warm die Hand, stellte ihn der Gemeinde vor und sagte pathetisch: „Siehe, ein rechter Israelit, in welchem kein Falsch ist!" Die Gemeinde jauchzte ihm zu und schloß mit einem Gesang«. Nachdem Bruder Spitz seine aufrichtige Bekehrung durch eine Beisteuer von einigen Tausend Mark documentirt hatte, zog Bruder Markgraf hinaus in die Welt und errichtete allerorts apokalyptische Gemeinden nach dem Muster der Berlinischen. Die Erfolge waren nach seiner Schilderung ungeheure. Dir Sonderung in Schafe und Böcke, von welcher die Bibel berichtet, vollzog sich mehr und mehr, und Bruder Markgraf war so unbe scheiden, auch alle Christen, welche nicht seiner Gemeinde ange hörten, zu den Böcken zu zählen. Dem Beispiele des Rentiers Spitz folgten in der nächsten Zeit noch einige wohlhabende Männer und Frauen, sogar eine Dame mit altadeligem Namen und großem Vermögen konnte der Werbung des Sprechers nicht widerstehen. Da gab es Geld in Fülle, und die Missionsreisen konnten immer weiter ausgedehnt werden. In Wien, Köln, Hannover, Königsberg und vielen anderen bedeutenden Städten blühten die Gemeinden. Zuletzt ließ sich Markgraf zum Bischof aller apokalyptischen Gemeinden ernennen, und die Spenden flössen reichlicher als jemals. Eine Kirche wurde gebaut, und es war wunderbar, daß die Privatwohnung des Bischofs durch Geschenke an Geld und kostbaren Möbelstücken mehr und mehr das Ansehen eines Hauses der Kinder dieser Welt gewann. Bis hierher hatte sich dir Gemeinde entwickelt, als der Bischof von seiner Tochter Franziska die Nachricht erhielt, daß sie die Stelle einer Wirthschafterin bei dem Amtsrath Köhne auf Krahnepuhl angenommen habe und sie zu Michaelis antretrn werde. Markgraf war damit sehr einverstanden, denn er begriff sogleich, daß es sich dabei nicht nur um die Wiedervereinigung der Ehegatten, sondern auch um die Sicherung eines großen Ver mögens handelte. Zugleich stieg der Gedanke in ihm auf, daß es ivohl geboten erscheinen möchte, seine MissionSthätigkeit auch auf das Havelland, das Land deS fetten Thönes und d«S Mam mons, auszudehnen. (Fortsetzung folgt !
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