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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.04.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-04-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980416019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898041601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898041601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-04
- Tag1898-04-16
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Gröbere Schriften laut nuserem Pre>« verzrichnitz. Tabellarischer und Ziffern nach höherem Tarts. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-AuSgabe, ohne Postbeförderung SO.—, mit Postbeförderung 70.—. Annahmeschluß fSe Anzeigen: Abend-Autgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» »Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je rin« halbe Stunde früher. Anzeige» find stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 18S. Sonnabend den 16. April 1898. 82. Jahrgang. Deutschland, England und Rußland. Von gut unterrichteter Gelte wird uns geschrieben: Das Telegramm des deutschen Kaisers an den britischen Botschafter in Berlin hat die Engländer geradezu fascinirt. Die sonst so kühlen Sohne des Jnselreiches singen begeistert das Lob des Kaisers und strömen von Freundschafts versicherungen für Deutschland über. Man hat in Deutschland nicht zu tiefen Kummer empfunden, als die englische Presse Jahre hindurch die heftigsten Angriffe gegen Deutschland schleuderte, und man empfindet jetzt nicht allzu große Beseligung über den Umschwung der englischen Stimmung. Man ist eher ein wenig verwundert über das Uebermaß der englischen Begeisterung. Die Handlungsweise des Kaisers kann um so weniger als ein besonders auffälliger Schritt angesehen werden, als ja Deutschland immer dem Vor gehen Englands in Egypten ein gewisses Wohlwollen ent gegengebracht hat. Es sei nur daran erinnert, daß gerade vor zwei Jahren, also zu einer Zeit, in der sich die englische Presse gar nicht genug thun konnte in gehässigen Angriffen gegen Deutschland und den deutschen Kaiser, Deutschland mit den anderen Dre^bundmächten zusammen zustimmte, daß die Mittel aus der egyptischen Kasse für den Sudanfeldzug verwendet werden. Deutschland hat keine Sonderinteressen in Egypten, und soweit es dort Interessen besitzt, kann es ihm nur lieber sein, wenn weite und fruchtbare Gegenden im Besitze einer civilisirten Macht sind, als wenn sie den mahdistischen Barbaren gehören. Das Telegramm des Kaisers findet also eine sehr natürliche Er klärung, und wenn man auch in Deutschland gewiß zufrieden damit ist, daß die Stimmung in England gegen Deutschland freundschaftlicher wird, so hält man den englischen Ueberschwang der Begeisterung denn doch nicht für nöthig. Der englische Stimmungswechsel wird aber geradezu be denklich, wenn man das Telegramm des Kaisers zu politischen Zwecken zu escomptiren sucht. So erklärt ein englisches Blatt, der „Manchester Courier", wissen zu wollen, daß Deutschland und England über ein gemeinsames Vorgehen in Ostasien eine Verständigung erzielt haben, die zu wichtigen Ereignissen führen dürfte. Sei es doch ein offenes Geheimnitz, daß der deutsche Kaiser das Vorgehen Rußlands in der Mandschurei nicht mit Befriedigung betrachte. DieseMrldungkann mit aller Bestimmt heit in ihrem positiven, wie in ihrem nega tiven Thei le als falsch bezeichnet werden. Es ist ja recht begreiflich, daß den Engländern wegen der Ver stimmung, die in Rußland über die Abmachung über die eng lische Besetzung von Wei-hai-wei herrscht, ein wenig bange zu Muthe ist, und daß sie gern eine Macht, ein Deutschland, auf ihrer Seite wissen möchten. Deutschland aber glaubt nach wie vor, daß es besser daran sein wird, wenn es in Ostasien freie Hand behält und lediglich seine eigenen Interessen wahrnimmt. Es ist somit für Deutschland kein Anlaß zu einer besonderen Verständigung mit England vorhanden. Mit noch größerer Entschiedenheit aber muß der Behauptung entgegengetreten werden, daß der deutsche Kaiser über das Vorgehen Rußlands in der Mandschurei un- zufriedensei. Das englische Blatt nennt diese Behauptung ein „offenes Geheimnis,"; es kann versichert werden, daß es für deutsche unterrichtete Kreise ein völliges Geheimniß ist, wie eine derartige Behauptung entstehen konnte, diedieThatsachen direkt auf den Kopf stellt. Der deutsche Kaiser hat oft genug den Beweis gegeben, daß er, der Tradition seines Großvaters und seines Urgroßvaters folgend, auf ein freund schaftliches Verhältniß mit Rußland großen Werth legt. Die deutsche Diplomatie hat ferner immer anerkannt, daß Gtußland ein großes und wahlberechtigtes Interesse daran besitzt, endlich einen eisfreien Hafen an der ostasiatischen Küste zu erlangen. Schließlich hat Deutschland keine eigenen Interessen in der Mandschurei, denn die deutschen Interessen tendiren von Kiautschou*) und der Provinz Shantung aus viel eher nach dem reichen Süden, alt nach Norden. Wenn also Rußland ein vitales Interesse, das zudem den deutschen Interessen in keiner Weise zuwiderläuft, verwirklicht, so versteht es sich von selbst, daß der deutsche Kaiser das russische Vorgehen viel eher mit Wohlwollen als mit Mißmuth betrachtet. Wenn englische Blätter derartige Nachrichten bringen, so kann ihr Zweck ein doppelter sein: einmal nämlich, Deutsch land mit Rußland zu verfeinden, und zweitens, Rußland einzuschüchtern. Beide Zwecke werden aber nicht er füllt, weil man in Deutschland wie in Rußland gut genug weiß, daß Deutschland ebenso wenig daran denkt, ein festes Biindniß mit England abzuschließen, wie es beabsichtigt, ein Biindniß mit Rußland zu schließen. Denn was letzthin der „Nowoje Wremja", als sie über Deutschlands Haltung in der kretischen Frage höchst ungehalten war, gesagt werden mußt«, daß nämlich Rußland von Deutsch land nicht mehr verlangen dürfe, als was auch Deutschland ihm gewähren wolle — ein freundliches Gewährenlassen in Fällen, wo die eigenen Interessen nicht im Spiele stehen —, das mögen sich auch di- Engländer gesagt sein lassen. Deutschland wird den Bündnissen, die es besitzt, die Treue wahren, aber es empfindet nicht das Bedllrfniß nach weiteren Bündnissen. Es liegt im deutschen Interesse, nicht allzu sehr gebunden zu sein, und deshalb will Deutschland Wohl ein freundschaftliches Verhältniß zu Rußland wie zu England auf recht erhalten, aber es will von keinem von beiden Staaten ab hängig sein. Denn die Nachtheile derartiger Abhängigkeit würden sich als größer Herausstellen, als cs die Vortheile sein können. *) Zu dieser Schreibweise ist die amtliche Berliner Presse seht libergegangen. Wir eignen uns dieselbe an in der Hoffnung, dass dieBerlinerLinguistennunmehr das Richtige getroffen haben. D.Red. Deutschlands Antheil am Zuezcanal-Verkehr. G Der Antheil der deutschen Schifffahrt an der Passage deS SuezcanalS wird vielfach unterschätzt. Zieht man in Betracht, daß England, Frankreich, Rußland, Spanien, Por tugal und Holland jenseits des CanalS, in Asien und Australien, ganze Colonialreiche besitzen, während Deutschland sich erst jetzt in China einen Hafen gesichert hat und die australischen Besitzungen im Vergleich zu den Colonien der übrigen Staaten klein sind, so ist man zu der Annahme geneigt, daß der Schiffsverkehr jener Länder im Suezcanal weit größer sei, als derjeuige Deutschlands. Diese Annahme ist falsch. Die deutsche Flagge rangirt an erster Stelle hinter der eng lischen. Ist diese Thatsache an sich schon bemerkenswertb, so verdient es nicht weniger Beachtung, daß der Antheil der deutschen Flagge am Canalverkehr stetig größer wird, während der Antheil der englischen Flagge fortgesetzt zurückgeht. Im Procentsatz zur Gesammtheit betrug die Zahl der den Canal benutzenden deutschen Schiffe! englischen Schiffe: 1879 1,0 Proc. 77,1 Proc. 1884 3,9 . 75,3 . 1894 8,8 . 71,1 . 1895 9,1 - 67,5 . 1896 9,4 . 63,4 . 1897 10,7 . 63,8 . Im Jahre 1879, 10 Jahre nach der Eröffnung des CanalS, stand die deutsche Flagge unter den am Canal verkehr betheiligten Nationen an siebenter Stelle; sie wurde von England, Frankreich, den Niederlanden, Italien, Oesterreich und Spanien übertroffen. England war mit 77,1 Proc., Deutschland nur mit 1 Proc. betheiligt. Jetzt hat die deutsche Schifffahrt fünf dieser Staaten über flügelt. Ihr Antheil bat sich um 9,7 Proc., nämlich auf 10,7 Proc. deS GesammtverkebrS erhöht, während der Antheil seines flottenmächtigen Nachbarn um 13,3 Proc., nämlich auf 63,8 Proc. deS GesammtverkebrS zurückgegangen ist. Diese Zunahme der deutschen Schiffe liefert ein erfreuliches Beispiel dafür, daß der Gesammtverkebr sich der deutschen Flagge in erhöhtem Maße zuwendet, eine Thatsache, welche nach der Einrichtung der 14 tägigen Postdampferverbindung mit Ostasien und der bedeutenden Erweiterung des deutschen Verkehrs nach Asien überhaupt in den kommenden Jahren noch viel stärker zum Ausdruck kommen wird. Deutsche- Reich. * Dresden, 15. April. Das konservative Wahlcomitö im 4. sächs. Reichstagswahlkreise, Dresden-Neustadt, hat in einer Sitzung am 13. April einstimmig beschlossen, Herrn Privatus H ö n e r b a ch - Niederlößnitz als Reichstagscandidaten auf zustellen. Diesen Beschluß begründet das Comitß in einer an die „Dresd. Nachr." gerichteten Zuschrift, in der eS heißt: „Während auf konservativer Seite von Hause aus der feste Wille bestand, in der Candidatenfrage nur im Einverständnis mit den Cartellparteien vorzugehen, hat der nationalliberale Reichsverein zu Dresden unter völliger Außerachtlassung des Cartellgedankens und im Gegensatz zur Haltung seiner eigenen, durch den national liberalen Landesverein vertretenen Parteileitung die Kandidatur des Herrn Professor Böhmert aufgestellt oder unterstützt, ob wohl es ihm bekannt war, daß die konservativen unmöglich für diesen Kandidaten eintreten konnten.... Was Herrn Hünerbach betrifft, so ist derselbe wiederholt im vierten Reichstagswahl kreise, in welchem er ansässig ist, Vortheilhaft als Redner hervor getreten und hat sich stets als jedem engherzigen Parteistandpunct abhold erwiesen — als ein Mann von eigenen, praktischen und festen, dabei aber maßvollen Anschauungen." Berlin, 15. April. Die Worte in dem Erlasse des preußischen Ministeriums über das dienstliche und außerdienstliche Verhalten der Beamten in den gemischt sprachigen Provinzen, daß kühle Abschließung künftig vermieden werden solle, enthalten den Vorwurf, daß bisher das Beamtenthum in jenen Provinzen sich nicht immer im innigen Verkehr mit dem deutschen Bürgerthume befunden habe. Und wer die Verhältnisse in den östlichen Provinzen kennt, wird diesen Vorwurf nur als zu berechtigt anerkennen müssen. Ein gewisser Kastengeist liegt ja nun einmal in der Entwickelung und dem Wesen des preußischen Beamtenthumes, aber nirgends wäre die Ueberwindung dieses Geistes wichtiger gewesen, als in den östlichen Provinzen. Aber wie sah es damit aus? In den kleineren Städten verkehrte das höhere Beamtenthum nicht nur gesellschaftlich, d. h. in den Familien, nicht mit dem Bürgerthume, sondern selbst in der Kneipe pflegte für die höheren Beamten ein besonderes Stübchen, zum mindesten ein besonderer Tisch reservirt zu sein. Wer von Nichtbeamten an dem Tische der höheren Beamten Platz nehmen durfte, etwa ein Stadtrath, oder ein paar Rittergutsbesitzer aus der Um gegend, galt für ein besonders begnadetes und sehr beneidens- werthes Menschenkind. In den größeren Städten aber war es noch beträchtlich schlimmer. Hier blieben nicht nur die Beamten völlig unter sich, sondern sie spalteten sich noch untereinander. So war z. B. zwischen den jüngeren Beamten der Regierung und der Justiz nur ein sehr geringer Zusammenhang, denn ein Regierungs-Referendar ist natürlich etwas sehr viel „Feineres" als ein Gerichts-Referendar. Auch der Verkehr zwischen den höheren Beamten und dem Officierscorps war ein recht geringer, manchmal sogar ein sehr gespannter, und es gereichte den Polen zum höchsten Vergnügen, wenn etwa zwischen einem Land gerichtspräsidenten und einem Obersten bittere Fehde herrschte, weil Jeder von ihnen nur sich für berechtigt hielt, als höchste „Spitze" beim Geburtstage des Kaisers das Kaiserhoch aus zubringen.*) Wenn in diese Verhältnisse, die dem Deutschthum wahrlich nicht zum Vortheil gereichten, der ministerielle Erlaß einen gründlichen Wandel hineinträgt, wenn zwischen den Be amten und dem Bürgerthume ein herzlicher Verkehr entsteht, so wird für die Sache des Deutschthums viel gewonnen sein. Nur darf sich das Ministerium nicht etwa einbilden, daß mir dem Erlasse schon Alles aufs Schönste geordnet sei, sondern es muß auch darüber wachen, daß der Erlaß zur praktischen Durchführung gelangt. Denn die Theilnahme der deutschen Beamten an patriotischen, geselligen und der Bildung dienenden Vereinigungen wird nur dann volle Früchte tragen können, wenn die Beamten sich nicht etwa damit begnügen, an den Sitzungen und geselligen Veranstaltungen theilzunehmen, sondern wenn sie dauernd im engen Zusammenhang? mit der deutschen Bevölkerung stehen und dadurch documentiren, daß das Deutschthum ein geschlossenes Ganzes bildet. In dieser Beziehung können sie außerordentlich viel von den Polen lernen, die den Zusammenschluß, den der Erlaß von den Deutschen fordert, für sich schon längst durchgeführt haben. Berlin, 15. April. DaS deutsche Colonial- Museum hier, daS spätestens im Juli dieses Jahres eröffnet werden soll, wird unter anderen auch eine Abtheilung haben, die sich ausschließlich mit den für den Handel wichtigen Nutz- und Näbrpflanzen unserer Colonien beschäftigt. Tie Thatsache, daß eine unserer ersten Autoritäten auf botanischem Gebiete, Herr Professor Or. Sadebeck, Director des Botanischen Museums in Hamburg, wo derselbe bereits eine hervorragende Ausstellung von Produkten auS den deutschen Colonien geschaffen hat, die Leitung der betreffenden Abtheilung übernimmt, ist eine Garantie für den Erfolg. Auch die Deutsche Colonial-Gesellschaft hat bereits ihr Interesse für diese Abtheilung bethätigt, indem sie dem Colonial-Museum ihre geflammte reichhaltige Sammlung colonialer Producte überwiesen hat. * Berlin, 15. April. Nach den neuen Vorschriften über Auswandererschiffe gestaltet sich die Stellung der Schiffsärzte in mehrfacher Hinsicht anders als früher. Durch die Vorschriften sind einzelne Forderungen, betreffend die Hebung der Stellung der Schiffsärzte, die seit einigen Jahren in der Presse erhoben wurden, erfüllt worden. Wesentlich ist die Anordnung, daß neben dem Schiffsarzt der „Unter suchungsarzt" in Thätigkeit tritt, und daß der Schiffsarzt m bestimmte Beziehungen zu dem Untersuchungsarzte gestellt wird. Der Untersuchungsarzt ist von der Auswanderungs behörde zu bestimmen. Er hat zunächst gemeinsam mit den Besichtigern die Schiffe vor jeder Reise einer Besichtigung zu unterziehen. Er ist, sobald die Anzeige von der bevorstehenden Abreise eines Schiffes an die Auswanderungsbchörde gelangt ist, jederzeit an Bord und zu allen Räumen des Schiffes zuzulaffen. Der Schiffsführer und die Schiffsbesatzung sind gehalten, ihm jede verlangte Auskunft zu geben. Der Untersuchungsarzt hat sich davon zu überzeugen, daß auf dem Schiffe die zur Er haltung der Gesundheit der Auswanderer getroffene Vorschrift beobachtet und daß die Arzeneien und die anderen Hilfsmittel zur Krankenpflege in vorschriftsmäßiger Menge und guter Be schaffenheit vorhanden und untergebracht sind. Die weiteren *) Solche Streitigkeiten haben in der Provinz Hannover zuweilen dem Welfenthuin zu Triumphen verholfen. So er innern wir uns, daß in einer Bischofsstadt unter den Spitzen der Behörden Streit entstand, wer das Kaiserhoch auszubringen habe. Ter Streit sollte durch eine Ministerial-Entscheidung geschlichtet iverdcn, und diese lautete dahin, dah durch seinen Rang der B i s ch o f zur Ausbringung des Kaiserhochs berufen sei. Da nun der kränk liche und zu Rücksichten auf seine zumeist welfischen Diöcesanen ge- nöthigte Bischof von allen öffentlichen Festlichkeiten sich fern hielt und die Streitenden sich nicht einigen konnten, so mutzten getrennte Feierlichkeiten stattfinden, zur größten Freude der Welfen, deren „Spitzen" sich nichts zu vergeben glaubten, wenn sie dem populären früheren Unterosficier Brinkmann an einem Ehrentage des Welfen- hauses die Ausbringung des Hochs überließen. D. R ed. d. „ Leipz. T a g e b l.« FeurHeton. Eine vergessene Kaiserin. i. Trotz der Neigung unserer Zeit für Frauenemancipation gilt noch daS alte Wort, daß man über Frauen so wenig als möglich sprechen soll, und daß die Frau die beste ist, über die man am wenigsten spricht. Natürlich hat dieses Wort, wie alle anderen nur relative Bedeutung; eS giebt Frauen, von denen man rede» muß, weil sie entweder etwa« bervorragend Gutes oder — Schlechte» grthau haben. Man erzählt von einer Königin Luise und von einer Katharina, von einer Maria Theresia und einer Elisa beth und noch von einigen Anderen, deren Thaten in die Tafeln der Geschichte eingegraben find, aber von den Gemahlinnen der Fürsten berichtet die Chronik sonst nur wenig; man könnte daraus den Schluß ziehen, daß sie alle recht gut gewesen sind. Sie traten vor den Thaten oder der Unthatigkeit ihrer Manner zurück in den Hintergrund und wenn sie wohl auch manchmal sich in die Politik, besonder» HauS- und Familienpolitik, gemischt haben, so kam ihr Wille doch nur durch die Handlungen deS Manne» zur Geltung. Zumeist herrschte bei ihnen die größte Mittelmäßigkeit, und eS ist kein Verlust, wenn man nur den Namen so mancher Fürstin weiß und ihn schließlich vergißt. ES hat aber auch Frauen und Fürstinnen gegeben, die durch ihren Charakter, ihren Geist und ihre Herrschsucht auf ihren thronenden Gatten «ingewirkt haben und deren Spuren sich leicht verfolgen lassen. Zumeist gilt eS freilich ein gewöhnliche» Jntriauenspiel, geboren auS NichtSthun und Eitelkeit, manchmal findet man aber auch in einer fürst lichen Frau einen energlschen Geist, eine große Auffassung, von der man wünschen möchte, ihr königlicher Gemahl hätte davon etwa» gehabt. Solche Frauen können unendlich viel Gute» leisten, sie geben Anregung nach vielen Seiten, und wenn der Charakter des Mannes nicht ganz stumpf ist, wenn er sich noch einige Empfänglichkeit für andereGedanken,soweit er selbst welche hat, bewahrt hat, werden sie gewiß zur Geltung kommen. Die Frau besitzt oft einen weiteren Blick und mehr Phantasie als der Manu; wenn ihre flüchtigen Ideen in dem Willen und dem Charakter deS Mannes destillirt werden, können sie sehr fruchtbar sein. Dazu gehören aber immer zwei congeniale Naturen, zwei Naturen, die sich ergänzen und sich verstehen. DaS Paar, von deni wir sprechen wollen, war leider nicht congenial, und so ist eS gekommen, daß die Be geisterung und gedankliche Energie einer Kaiserin in Deutsch land» schlimmster Zeit wenig oder gar nicht eingewirkt hat auf den Gang der Verhältnisse, daß ihr Wille, die Flamme ihres Zornes erstickt wurde durch die Asche höfischer Be wegungslosigkeit und frostige Unempfindlichkeit ihres sonst geliebten Mannes. „Unser guter Kaiser Franz" war ein recht guter Mann, eingebildet auf seine strenge Sittsamkeit, einfach in seinem Wesen, weil er einfach von Gedanken war, leutselig und herablassend, weil er da seine ganze Gnade zeigen konnte, ein guter Hausvater und ein williger Fürst, der zu seinem Glück seine Minister schalten und walten ließ. Unter anderen Um ständen wäre er daS Ideal «ine» Regierenden gewesen und die Liebe, die Vergötterung, die ihm seine Oesterreicher, vor Allem seine Wiener, entgegenbrachten, wäre die schönste Be lohnung für seinen hausbackenen Sinn und seine bürger lichen Tugenden gewesen. Aber die Umstände waren andere. Blutigroth schien die Sonne im Westen, der kleine, schmächtige, gelbe Corse erhob sein Haupt und seine dunklen Augen suchten überall nach Raub. Kein Land wurde von der KriegS- surie verschont, und au« den vielen Friedensschlüssen und Bündnisse», die den Freund von gestern zum Gegner von heute und zum Bundesgenossen von morgen machten, geht hervor, daß die Diplomatie so recht in ihrem Werke war, daß sie schachern und feilschen konnte, bis sie so ziemlich sich da« Hemd vom Leibe abdiplomatisirt batte. Nirgend« begegnet man gegenüber dem energischen Wollen Napoleon« einem einheitlichen Widerstand, jeder und alle sahen die Gefahr, den Muth der Aufopferung hatte keiner, zrder wollte au« dem Wirrwarr prositiren und es fehlte nicht viel, so wären alle unter gegangen. Einen Vorwurf kann man den Staatsmännern jener Zeit daraus nicht machen; ist es doch heute nach hundert Jahren genau so, man braucht sich bloS ibre heutigen Nach folger in der inneren Politik, die Parteien der Kammern, Reichstage und Reichsräthe anzusehen, um das Urtheil so milde zu fällen. Dahei hatten zene Diplomaten noch ernste Staats- und dynastische Interessen zu wahren, unsere Parteien aber benutzen den starken Rahmen deS Staate», um ihre parteilichen Sondergelüste zu befriedigen. Am 6. Januar 1808 war Maria Ludovica dem Kaiser Franz von Oesterreich als dritte.Gemahlin angetraut worden. Sie war seine Nichte und 20 Jahre alt, er bereits vierzig, seine Kinder groß, zum Theil erwachsen. Beide Gatten liebten sich, und eS hatte den Anschein, daß auch äußerlich ihr Leben in leidlicher Ruhe verlaufen sollte, als der Krieg von Neuem ausbrach. Sie sah um sich, sie sah ihren „guten Mann" von Rathgebern umgeben, die recht mittelmäßig waren und in ihrer Mittelmäßigkeit jeden aufstrebenden Gedanken erstickten. Sie sah diesen Widerstreit der kleinlichsten Interessen und die Kopflosigkeit, und betrübt ruft sie aus: „Ich wollte ein Mann sein, um dem Staate zu dienen und meinem Herrn zu zeigen, daß nicht nur au- Liebe gegen den Gatten, sondern auS Achtung und An hänglichkeit für seine vortrefflichen Eigenschaften ich den Wunsch hätte, mich für ihn zu opfern."*) Sie konnte e« freilich nicht, denn acht Tage nach diesem Briefe, am 23. April 1809, nach den Niederlagen von AbrnSberg, Landshut un Eggmühl schlug Erzherzog Karl einen schleunigen Frieden vor. Kaiser Franz blieb unschlüssig, die Kaiserin, die ibn in Stramberg sand, „gefaßt und ohne festen Entschluß", wirkte aus ihn im Sinne deS Kriege« ein. Sie war vom glühendsten Hasse gegen Napoleon beseelt, und Jemand, der vom Frieden sprach, war ihrer *) Wir folgen dem interessanten Buche: Kaiserin Maria Ludovica von Oesterreich 1787 bis 1816. Nach ungedruckten Briefen von Eugen Guglia. Mit sechs Abbildungen. Verlag von Earl Graeser t« Wien. Feindschaft sicher. Sie beurtheilte den Generalissimus Erzherzog Karl ungerecht, sie war eben eine Frau, aber ihr Haß war ehrlich und er macht wie die Liebe blind. Ihr Wirken gegen Erzherzog Karl half ihr nichts, er blieb Ober befehlshaber, und nach zwei Tagen Aufenthalt bei dem Gatten in Stramberg mußte sie mit ihren Stiefkindern nach Ungarn gehen. In Ofen wurde Maria Ludovica, wie sie als Kaiserin genannt wird, aufs Freundlichste empfangen. Hier faßte sie wieder Muth, da ihr der Erzherzog-Palatin die beste Meinung von der ungarischen Jnsurrection beibrachte. Jetzt regts fick wieder in ihr. Ihr Muth kehrt zurück, sie freut sich, daß der Palatin „wenigstens nicht den Kopf ver loren bat". Mit fieberhafter Spannung verfolgt sie auf der Karte die Bewegung der Armeen, wie sie sickS auS den dürftigen Nachrichten, die ihr zukommen, combinirt: durch Erzherzog Johann erhält sie Kunde von der Südarmee, durch ihren Bruder Ferdinand, der das Commando in Galizien führt, vom nördlichen Kriegsschauplatz, wo die Polen und Russen — diesmal die Bundesgenossen Frankreichs — Oesterreich ent gegentreten. Ihr Urtheil über die Gesammtleitung wird immer schärfer. „WaS ich vor Allem überall sehe", schreibt sie am 10. Mai an die Mutter, „ist ein arger Mangel an Energie: dies läßt mich stet« da« Mene Tekel PhariS fürchten, da« Balthaffar einst sah. . . Wenn ich daran denke, daß Napoleon jetzt mit 60 000 Mann bei uns ein dringt, da vor ibm Wien, der Landsturm, die Jnsurrection, und hinter ihm eine Armee von 90 000 Mann ist — würde nicht Jeder sagen Er ist verloren! WaS thut er! Aber er beweist nur zu sehr damit, wie gut er un« kennt. O, theuerste Mutter, wenn jetzt Männer da wären, die den Math in fick fühlten, den Du un« gabst, al- Du un« auf die Welt setztest, der Kaiser und wir Alle wären nun glücklicher. Et scheint unmöglich, daß Napoleon jetzt nicht ein Opfer (seiner Kühn beit) werden sollte, aber ich weiß, wer ibn bekämpft und so schmeichle ich mir mit keiner Hoffnung: auf Gott allein vertrau' ich und auf Drin Gebet; ich verliere den Mutb nicht und ergebe mich in Alle«, wa« sein heiliger Wille ist." In Ungarn beschäftigte sich Maria Ludovica stark mit
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