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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.04.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-04-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980418013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898041801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898041801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-04
- Tag1898-04-18
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Richard Mark graf den Entwickelungsgang des LeipzigerPo st wesens in den Jahren von 1590 bis 1712 behandelt hatte, ließ er kürzlich an gleicher Stelle den Schlußvortrag folgen, welcher die Zeit von 1712 bis 1815 umfaßte, also von der Verstaat lichung des Leipziger Post wesens bis zum Wiener Kongreß, durch den für Sachsen eine Territorial veränderung und damit zugleich Veränderungen im Postwesen herbeigeführt wurden. Es waren kurz nach dem Abschlüsse der Recesse von 1699 und 1700 zwischen der sächsischen und preußischen Regierung abermals Differenzen entstanden, die von Jahr zu Jahr wuchsen, da jede neue Abweichung vom Vertrage von gegnerischer Seite Repressalien hervorrief. So hatte, um einige Beispiele anzuführen, Sachsen im Recesse von 1699 für die sächsisch-holländische Correspondenz Anspruch auf die Hälfte des Portos, was Preußen auch zugestand, dafür aber, um diese Correspondenz an sich zu ziehen, nur die auS Sachsen abgehen den Briefe verstehen wollte, dagegen für die aus Holland an kommenden Sendungen, deren Zuführung an die preußische Post natürlich nicht in sächsischen Händen lag, nur den geringen Porto betrag vom Grenzorte Großkugel bei Halle bis Leipzig gelten lassen wollte. In Folge dessen verband sich das Oberpostamt Leipzig wegen anderweiter Leitung der Correspondenz nach und von Holland mit dem Taxis'schen Postamt in Braunschweig, welches zur Anlegung einer Reitpost zwischen Leipzig und Blankenburg auch gern die Hand bot. Dies erklärte aber Preußen wieder als einen Vorstoß gegen den Receß von 1699 und hob, als Repressalie die nach jenem Recesse von ihm zu haltende Reit post zwischen Harzgerode und Ahlenstedt auf. Ein anderer Streitpunkt entstand auf der preußischen Station Liberose in der Niederlausitz, wo der brandenburgische Generalpostmeister von Schmettau einen Postwärter angestellt und förmliche Be stallung, mit dem Datum 20. Januar 1699, ertheilt hatte, in dem das Generalpostamt in Berlin, wegen Verbindung mit dem damals schon zu Preußen gehörigen Kreise Cottbus, auf die Station Lieberose großen Werth legte. Sachsen erhob dagegen, als seine Interessen schädigend, Einspruch, und wollte sogar, um Preußen den Grund zur Unterhaltung einer Station in Lieberose zu entziehen, und die Erträgnisse der Leipzig-Lübbener Post zu steigern, letztere bis Frankfurt an der Oder ausdehnen. Preußen that energische Schritte zur Verhütung dieser Neuerung und verbot sogar dem Frankfurter Bürger, bei dem die sächsische Post sich einlogirt hatte, ihr, bei 1000 Thaler Strafe, länger Aufent halt zu gewähren. Erst nach vielen Verhandlungen gelang es im Jahre 1718, die Zwistigkeiten durch einen Vertrag zu schlichten, welcher für die sächsische Regierung als Triumph gelten konnte, aber, ver schuldet durch das Leipziger Oberpostamt, nicht auf lange Zeit. Jetzt war es wieder die zur postgeschichtlichen Berühmtheit ge langte sogenannte „Gelbe Kutsche", die zwischen Leipzig und Braunschweig cursirtc. Ihre Entstehung datirte bis zum Jahre 1716 zurück, also bis zur Zeit, wo der preußisch-sächsische Ver trag noch nicht bestand. Die „Gelbe Kutsche" hatte Anfangs mehr die Eigenschaft eines Frachtfuhrwerks mit Personenbeförderung. Briefbeförderung, worauf man früher überhaupt wenig Werth legte, hatte sie nicht. Später aber ging die Leipziger Postver waltung hiervon ab und führte der „Gelben Kutsche" einen großen Theil der Briefe und sonstigen Sendungen nach dem Norden und Westen Deutschlands zu. Hierdurch litten die nach Preußen über Halle bestehenden Verbindungen, die schon in der Leipzig-Braun schweiger Reitpost eine bedeutende Concurrentin hatten, namhafte Einbuße. War doch Sachsen im Vertrage von 1718 bezüglich der Leitung der holländischen und Hamburger Sendungen Preußen gegenüber ganz bestimmte Verpflichtungen eingegangcn. Zwar hatte das Oberpostamt zu Leipzig nicht versprochen an Preußen alle Briefe und Sonstiges nach Holland und Hamburg auszuliefern, doch aber zugesagt, daß es die Aufnahme deS preußisch-holländischen und des Hamburger Kurses befördern und sogar den Absendern völlige Freiheit bei der Bestimmung des Speditionsweges zugestchen wolle. In letzterer Hinsicht scheint aber das Leipziger Oberpostamt, nach glaubwürdigen Angaben der preußischen Postverwaltung, wenn auch nicht direct, so doch indirekt, Einfluß zu Gunsten der sächsisch-brandenburgischen Ver bindungen ausgeübt zu haben. Preußen mußte aber durch das Verfahren des Leipziger Oberpostamts umsomehr gereizt werden, als die „Gelbe Kutsche" auf ihrem Kurs auch preußisches Gebiet berührte. Auf deren Tour wurden, außer den Abgangs- und Endpunkten, Leipzig und Braunschweig, die Städte Merseburg, Eisleben, Sangerhausen, Roßla, Stolberg und Blankenburg berührt. Zwar konnte dies im Nothfall vermieden werden, wenn man, statt über Eisleben, über Querfurt fuhr, doch wäre hier ein kostspieliger Straßenbau erforderlich gewesen. Die Streitfrage wegen der „Gelben Kutsche" kam zur Erörterung. Da Sachsen jedoch auch seinerseits verschiedene Beschwernisse gegen die preußische Postverwaltung formulirte und Einigung nicht zu er zielen war, verlief die Sache im Sande. Die „Gelbe Kutsche" blieb fortbestehen, sehr zum Aerger der Gegner, obgleich das Leipziger Oberpostamt wegen der langsamen Beförderung dieser Post, die Mitsendung von Briefen nach Orten Uber Braun schweig hinaus später eingestellt hatte. Zu Anfang des Jahres 1759 fand zwischen preußischen und sächsischen Kommissaren zur Beilegung dieser postalischen Streitigkeiten eine abermalige Konferenz, und zwar in Halle, statt, wobei Preußen nicht weniger als siebzehn und Sachsen zehn Beschwerdepuncte aufgestellt hatte. Die Hauptdebatte bewegte sich wieder um die Existenzfrage der „Gelben Kutsche" sowie um das Extrapostwesen, welches Preußen in eigenthllmlicher Weise beeinflußte. So verlangte es, daß die von Leipzig ausgehenden Extraposten nach Braunschweig ihren Weg über Großkugel und Halle nehmen sollten, selbst wenn die Reisenden eine andere Tour wünschten. Als Sachsen dennoch die Freiheit der Extrapostreisenden bei der Wahl ihrer Reisetour wahren wollte, belegte man preußischer Seits die braunschweiger Extraposten, wenn sie das preußische Gebiet von Leipzig aus in einer anderen Richtung als auf Halle berührten, mit der enormen Abgabe von zehn Thalern für das Pferd, was selbst ein preußischer General von Haxthausen, der mit drei Pferden über Eisleben reiste und diese Verordnung gar nicht kannte, durch abgedrungene Zahlung von dreißig Thalern erfahren mußte. Die gedachte Konferenz zur Beilegung dieser Uebelstände, welche nicht weniger als vier Monate, vom Februar bis Juni, in An spruch nahm, verlief resultatlos. Wenige Wochen später, im August 1756, brach der Krieg zwischen Sachsen und Preußen aus, und nun ruhten alle Verhandlungen zwischen beiden Post verwaltungen gänzlich. Preußischer Seits wollte man bei den Halleschen Konferenzen eine wenig sympathische Stimmung des einen sächsischen Kommissars, des OberpostamtsdirectorS Welck aus Leipzig, gegen die preußisch« Postverwaltung wahrgenommen haben. Nach der feindlichen Besetzung Leipzigs durch preußische Truppen begab sich daher ein höherer Beamter des preußischen Generalpostamts nach Leipzig, suspendirte den Oberpostamts director Welck vom Dienst und durchforschte gründlich das Post archiv. Hierdurch erlangte man natürlich einen genauen Ein blick in die Verhältnisse der sächsischen Postverwaltung zum Auslande und zugleich eine festere Position bei künftigen Unter handlungen. Erst vier Jahre nach Beendigung des siebenjährigen Krieges, Anfang 1767, geschahen Schritte, durch welche auch die langen Poststreitigkeiten beizulegen versucht wurden. Die An regung hierzu gab Preußen, das den Generalpostreyifseur Guiard und den Kriegsrath und Magdeburger Postdirector Pape nach Dresden abordnete. Gleichzeitig mit der bezüglichen Mittheilung des preußischen Ministeriums an das geheime sächsische Con- cilium langten die Kommissare aus Berlin und Dresden an, wo man auf die Ankunft derselben gar nicht vorbereitet war. Noch spät am Abend des betreffenden Tages (11. Februar) ernannte der Prinz Xaver, Vormund des damals noch minorennen Kur fürsten Friedrich August III. die sächsischen Kommissare Ge heimer Berg- und Kammerrath Wagner und Oberpostamts director Welck aus Leipzig. Obgleich die Kommissare bei den ersten Begrüßungen sich gegenseitig förmlich mit Höflichkeiten überschütteten, entbrannte unter ihnen schon nach acht Tagen der Helle Zwist. Die preußischen Bevollmächtigten, welche in dem zur Konferenz mitberufenen Oberpostamtsdirector Welck aus Leipzig einen einflußreichen Widersacher zu haben glaubten, setzten die Ausschließung Welck's von den Verhandlungen beim sächsischen Cabinet durch. Nicht zufrieden mit diesem Zu geständniß verlangte der Generalpostregisseur Guiard, daß die Verhandlungen in französischer Sprache geführt werden sollten. Auch diesem Ansinnen wurde insoweit entsprochen, daß inan den sächsischen Legationsrath Necker als Dolmetscher für Guiard der Konferenz beigab. Aber das genügte immer noch nicht. Eines Tages brachte der preußische Bevollmächtigte Pape zur Sprache, daß seine und Guiard's Vollmachten vom König unterschrieben seien, während das Commissionale der sächsischen Konferenz Mitglieder nur vom Geheimen Kammcrcollegium ausgefertigt wäre. Hierauf wurde zu Pape's Beruhigung, elf Tage nach Beginn der Verhandlungen, eine anderweite Vollmacht mit der Signatur des Cur-Administrators, Prinzen Xaver, ausgefertigi. Die Verhandlungen selbst kamen unter solchen Verhältnissen wenig vorwärts. Preußen erneute seine alten Beschwerden wegen der Braunschweiger „Gelben Kutsche", die sich inzwischen in eine stattliche Fahrpost verwandelt hatte, mit Heftigkeit und verlangte überdies, daß die bereits 1710 verabredete und sächsischer Seits im Recesse von 1718 wieder zugesagte Einrichtung der Halle Jenaischen Post nun endlich ins Werk gesetzt würde. Das Ober postamt Leipzig umging die betreffende Betragsbestimmung ab sichtlich, weil es befürchtete, daß die Halle-Jenaische Post, als Theilstrecke eines Parallelcurses nach Nürnberg, wieder zur Ab leitung der Correspondenz zwischen dein Süden und dem Norden Deutschlands benutzt werden könnte. Jene Forderung war, ebenso wie die ersterwähnte Beschwerde, völlig begründet. Aber auch Sachsen hatte gerechte Klagen gegen die preußisch« Post- verwaltung. Die rücksichtlich der Extraposten nach Braunschweig eingeführte Zwangstour über Halle, deren bereits gedacht wurde, bestand noch immer. Briefe und andere Postsendungen wurden auf preußischen Posten von den geraden, ordentlichen und ver besserten Kursen, um etliche Groschen mehr zu verdienen, ab geleitet oder verschleift. In der betreffenden Denkschrift des Oberpostamtes, die auch der daraus ersichtlichen Posttaxen des vorigen Jahrhunderts wegen merkwürdig ist, heißt es: „Solcher gestalt wird ein Brief von Hamburg nach Budissin (Bautzen», der sonst mit den fahrenden Posten von Hamburg über Leipzig dahin nur fünf Groschen kostet und sehr geschwind dahin kommen kann, über Berlin, Cottbus und Sprembcrg expedirt, läuft also um acht Tage länger, als wenn er über Leipzig ginge, und muß mit 7, 8 und 8H Groschen bezahlt werden. Von einem am 31. Januar 1766 von Hamburg abgegangenen und am 13. Fe bruar nachher über Cottbus und Spremberg, also acht Tage später als über Leipzig, zu Budissin angekommenen Pallete mil 450 Stück Louisd'or hat das Porto zusammen 320 Groschen be tragen, mithin 95 Groschen mehr, als wenn es über Leipzig Feuilleton. Ans der Suche nach einem Schwiegersohn. Novelle«« von Daniel Riche. Deutsch von Gust. Leon Melde». Nachdruck »erboten. I. „Und warum solltest Du Dich nicht auch verheirathen?" „Ich habe keine Mitgift!" „Keine Mitgift!..." fuhr Madame Lannier entrüstet auf, „Du wagst es, Deiner Mutter eine solche Antwort zu geben!.. Und indem sie energisch einen Schllrhakrn schwang, den sie ergriffen hatte, um das Feuer anzufachen, fuhr sie fort: „Und Deine prächtigen Augen... und Deine tadellose Figur, ist das etwa keine Mitgift?... Und der indische Shawl, den Du von Deiner Großmutter geerbt hast? und die drei silbernen Bestecke von Deinem Onkel Eugen?... Und die zehn Meter Seidenstoff, die im Schrank liegen?... ist das etwa keine Mit gift? .. . Was möchtest Du denn eigentlich haben?... Hunderttausend Francs Renten!..." Das junge Mädchen, das mit einem etwas bitteren Lächeln die Aufzählung all' seiner Reichthümer angehört hatte, seufzte: „Hunderttausend Francs Renten!... Da würden sich die Bewerber nicht lange bitten lassen!..." Dieses Mal richtete sich Madame Lannier ganz steif in die Höhe, so sehr empörte sie dieser Gedanke, und rief mit vor Ent rüstung bebender Stimme: „Alle Mädchen in meiner Familie haben einen Mann ge funden, und auch Du wirst unter die Haube kommen! ... Du wirst Dich verheirathen, Valentine, ich verspreche es Dir, und sollte ich Dir einen Gatten aus Amerika holen müssen! . . . Wir werden das übrigens bald sehen, denn ich habe einen Plan! ... In einigen Monaten von heute ab", schloß Frau Lannier mit Ueberzeugung, „wirst Du „Madame" sein!" Ohne sich zu beunruhigen — sie hatte ihre Mutter schon oft derartige Verpflichtungen übernehmen hören — erklärte Valentine lachend: „Abgemacht! . . . Aber eS ist durchaus nicht nöthig, daß ich deswegen meine Clavierstunde versäume." Und lebhaft vor den Spiegel tretend, setzte sie sich anmuthig ein kleine» Capothütchen auf ihr reiche» wellige» Haar, nahm ihre Musikmappe, sagte mit einem flüchtigen Kusse Adieu und verließ da» Zimmer, im Gehen ihre Handschuhe zuknöpfend. Allein, ließ sich Madame Lannier aufgeregt in den alt modischen Lehnstuhl sinken, der nahe am Kamin stand. Ihre Augen folgten unwillkürlich dem Gange ihrer Gedanken; mit raschen Blicken musterte sie das spärliche Mobiliar ihres Speisezimmer», da» mit seinem schmalen Buffet, seinem kleinen runden Tisch, seinen sechs Rohrstühlen und seiner Schwarz wälder Uhr an der Wand nur eine mittelmäßige Meinung von Wohlstand hervorrief, und sie murmelte wehmüthig: „Es ist sehr bescheiden... für einen Bewerber, gewiß, sehr bescheiden! . . ." Aber alsbald faßte sie sich wieder: „Bah! Er wird nur sie sehen, sie, so hübsch und so lieb!" Und sie begann sich ihrerseits fertig zu machen, um auf die Eroberung eine» Schwiegersohnes auSzugehen! II. Wie sie eS zu Valentine gesagt hatte, versprach sich Madame Lannier sehr viel von einer Idee, die sie bereit« seit zwei Tagen in Anwendung brachte. Sie lief nicht mehr wie früher die Heirathsagenturen ab, wo nur Gatten für „sehr reiche Damen jeden Standes" zu haben waren; sie suchte nicht mehr ihre wenigen Bekannten auf, die ihr immer von allen möglichen Partien gesprochen hatten, ohne sie jemals vorzustellen. Ihr Mittel war viel einfacher: In die Häuser von anständigem Aussehen, die mit der Auf schrift: „Junggesellen - Wohnung zu vermiethen" geschmückt waren, trat sie ein, und unter dem Vorwande, ein solches Appartement für ihren Neffen aus der Provinz zu suchen, fragte sie die Hausmeisterin geschickt über den gegenwärtigen Miether aus, unterwarf das Logis einer gründlichen Be sichtigung, indem sie sich bemühte, die Seele des Individuums nach seiner Lebensweise zu erfahren. Wieder auf der Straße, notirte sie dann sorgfältig die ge wonnenen Eindrücke, in der Absicht, es, wenn sie eine Anzahl von Gatten vereinigt haben würde, so einzurichten, um dieselben der Reihe nach ihre Tochter kennen lernen zu lassen, in die sie sich verlieben würden, was sie nicht bezweifelte. Aber die Anfänge ihres Feldzuges hatten sie nicht sehr be friedigt. Ohne sich mit Denen aufzuhalten, die, bis über die Ohren in Schulden steckend, niemals ihre Miethe bezahlt hatten, waren bei dem Einen die Möbel voll Staub, während die offen stehenden Schubladen ein Gewühl der unzusammenhängendsten Dinge sehen ließen, und obgleich er dem Cabinet eines Ministers zugetheilt war, hatte sie notirt: „Schlechtes Geschäft, keine Ordnung!" Ein Anderer umgab seinen Spiegel mit Tickets von den Wettrennen, und auf seinem Tische hatte ihr scharfes Auge Zahlmarken aus den Spielclubs entdeckt; daraufhin war sie entflohen, indem sie einschrieb: „Rsrscma bei seiner Hausmeisterin, aber Spieler!" Dennoch, weit entfernt, sich dadurch entmuthigen zu lassen, überzeugt wie sie war, durch dieser Mittel den Schlupfwinkel eines idealen Junggesellen zu entdecken, der fähig war, ihre Tochter glücklich zu machen, hatte sie beschlossen, an diesem Tage das friedliche Viertel um den Luxembourg-Garten zu erforschen, und so schxitt sie die stattliche Häuserreihe der Rus ab, auf der Suche nach der famosen Aufschrift: Junggesellen-Wohnung zu dermiethen. Auskunft ertheilt der Portier. Endlich, gerade gegenüber dem Palai» Luxembourg, bemerkte sie da» beseligende Tafelchen an der Thüre einer aus schönen grauen Steinen erbauten Hause», da» sich majestätisch erhob; mit ängstlich pochendem Herzen trat die Mutter Valentinen» in eine luxuriöse Loge und fragt« die Hausmeisterin, eine dicke Frau, die mit der Lectüre eine» Romans beschäftigt war: „Sie haben eine Junggesellen-Wohnung zu vermiethen?" „Jawohl ... im ersten Stock ... auf dem Hof." „Wie ist der Preis, wenn ich bitten darf?" „Achthundert Francs; fünfundzwanzig Francs Wasser, fünfzig Franc» Teppich." „Kann man sie sehen?" Die Hausmeisterin schloß ihr Buch und sagte: „Ich werd« sie Ihnen zeigen." Aber, indem sie sich mit Anstrengung erhob und den Schlüssel vom Brette nahm, forschte sie: „Sie ist doch nicht für Sie?" „Seien Sie unbesorgt", antwortete Madame Lannier leb haft; „ste ist für meinen Neffen, einen jungen Mann, sehr lieben», würdig .... und reich!" Und da sie die Hausmeisterin schmunzeln sah, fügte sie, während sie ihr über die Treppe folgte, mit einnehmender Stimme hinzu: „Der Miether, der sie verläßt, war wohl sehr anständig?" „Herr Tonglon? . . . ." rief die korpulente Frau aus, „ach! ich bin untröstlich, daß er auSzieht!" „Wirklich?" „Ein sehr gesetzter, ruhiger Herr, sehr ordnungsliebend, nie im Rückstand mit der Miethe! . . . Und höflich! .... Wenn ich Ihnen sage, daß er niemals ausging, ohne sich nach meinem Befinden zu erkundigen!" „Warum zieht er denn aus?" „Sein Dienst ruft ihn in ein anderes Viertel." „Ach! ... er ist wohl Bemater ... bei der Post? . . . ." „Nein", antwortete die Hausmeisterin, indem sie die Thüre öffnete, „er ist zum Secretair bei der Gemeinde-Verwaltung von Batignolles ernannt worden ... am anderen Ende von Paris." Auf der Schwelle stehend, rief Frau Lannier aus: „Eine schöne Stelle!" „Oh! ja, Madame! .... Fünftausend Francs .... und die Ehren!" Die Mutter Valentinens fühlte einen kleinen Schauer des Glückes zwischen ihren Schultern. Dieser da zum Beispiel schien wohl alle erforderlichen Eigenschaften zu besitzen, um zu ver dienen, ihr Schwiegersohn zu werden! Aber bevor man ein Urtheil abgab, mußte man die Wohnung sehen. Das alte Sprichwort ein wenig verdrehend, dachte Madame Lannier: „Sage mir, wie Du wohnst, und ich werde Dir sagen, wer Du bist!" In dem Salon und dem Schlafzimmer, aus denen das kleine Appartement bestand, herrschte eine vollkommene Ordnung und nichts verrieth Unreinlichkeit, Nachlässigkeit oder eine verhängniß- volle Leidenschaft zum Spiel. Aber plötzlich wurde die Besucherin von einer Angst erfaßt. Ein so musterhafter Mann war vielleicht schon über die erste Jugend hinaus? Und indem sie das Lob der Bequemlichkeiten de» Logis unter brach, bemerkte sie, so nachlässig als möglich: „Er scheint bereits ein gewisses Alter zu haben, der gegen wärtige Miether?" „Dreißig Jahre kaum." Die Wittwe hätte die gute dicke Frau am liebsten umarmt, aber ste hielt sich zurück und ging entzückt von dannen, indem sie einfach notirte: „Tonglon, Rue d'AssaS 80, der seltene Vogel!" III. Ohne ihre Nachforschungen noch weiter auszudehnen, kehrte sie nach Hause zurück. Dieser hochanständige junge Mann, so allein in Paris, war den größten Gefahren ausgesetzt und konnte jeden Augenblick die Bekanntschaft irgend einer koketten machen, die ihn unfehlbar inS Unglück stürzen würde. Es war keine Zeit zu verlieren! Und auf einem eleganten, grauen, mit einem schmalen schwarzen Rand eingefaßten Papier, von sehr distinguirter Wir kung, schrieb Madame Lannier: Mein Herr! „Eine Unbekannte, die Sie achtet, und die sich für Sie interessirt, wie Sie es verdienen, würde sich glücklich schätzen, Etwa» zu Ihrem Glücke beitragen zu können. E» ist nicht gut, daß der Mensch allein sei, er muß sein Leben mit dem einer Frau vereinigen, die durch ihre Anmuly und ihr Lächeln die Einförmigkeit des Daseins zu erheitern versteht. Sie dürften sicherlich leiden unter Ihrer Vereinsamung, und da Sie ein sehr ernsthafter und anständiger junger Mann sind, so trachten Sie ohne Zweifel nach dem Glücke der Ehe. Kommen Sie Sonntag, um 2 Uhr Nachmittags, in den Luxembourg-Garten. Auf der Bant vor der Statue der Königin Bertha werden Sie an der Seite ihrer Mutter, einer Person von Erziehung, ein reizendes junges Mädchen er blicken — braun, große Augen, hübsche Nase, kleinen Mund — und sie wird Ihnen gefallen, ich bin dessen sicher. Eine unbekannte Freundin, die Sie gerne glücklich sehen würde." Die drei Tage, welche Madame Lannier vom Sonntag trennten, wurden ihr lang wie Jahrhunderte, und niemals wor ein Geheimniß — denn sie hatte ihrer Tochter nichts gesagt, aus Furcht, sie zu kränken — mühsamer zu bewähren; bei Tage hatte sie Fieber und in der Nacht Alpdrücken. Endlich, dennoch, rückte er heran, dieser famose Sonntag Nachmittag, und nachdem sie die Toilette Valentinens mit einer ungewohnten Aufmerksamkeit überwacht hatte, führte sie ihre Tochter an den Ort des Rendezvous. Er war entzückend, an diesem hübschen Octobertage, der schöne Garten! Auf der Terrasse sitzend, am Fuße des Sockels der Königin Bertha, betrachtete Valentine, ohne das Bedürfnis: zu empfinden, zu plaudern, etwas wehmüthig gestimmt durch die blasse Sonne, deren Strahlen sich in einem wohlthuendcn Lichtregen zersplitterten, nach einander den winzigen See mit seinem plätschernden Springbrunnen, die weiße, steinerne Reibe der Gemahlinnen von Monarchen und die mit seltenen Pflanzen gezierten Beete. Und die Augen und die Lippen des jung- : Mädchens lächelten diesem Bilde entgegen und fanden das Lebe i angenehm in dieser lauen Luft. Auch die zukünftige Schwiegermama sagte nichts; aber mi: gerunzelter Stirne blickte sie nach rechts und nach links, um in den Gruppen der Spaziergänger, die langsam kamen und gingen, den ersehnten Bewerber zu erspähen. Plötzlich, unfähig, ihre Aufregung zu brmeistern, flüsterte sie, indem sie ihre Tochter krampfhaft am Arme faßte: „Da ist er!" Ueberrascht fuhr Valentine au» ihrer süßen Träumerei empor: „Wer denn?" „Nun, Derjenige, den Du heirathen wirst! .... Dort, rechts! .... Der junge Mann, der uns so aufmerksam be obachtet! " „Oh! Mama! .... Mama! ..." Und das junge Mädchen begann zu lachen mit einem reizenden aufrichtigen Lachen, das sich von ihren schönen Lippen löste, krystallhell und perlend, wie da unten der Springbrunnen des Bassin». IV. Drei Monate später wurde Marcel Tonglon, hingerissen von dem heiteren Zauber Valentinens, ihr Gatte; aber selbst in den besten Herzen ist die menschliche Eitelkeit in dem Maße lächerlich, daß der glückliche Mann noch immer nach dem Namen dec Freundin forscht, die seine Verdienste so wohl zu schätzen gewußt hatte.
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