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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.04.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-04-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980419017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898041901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898041901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-04
- Tag1898-04-19
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BezugD-Hrel- III Ekt»Pte»pedftt0A ober den st» bezirk mü> d« Vorort« errichtet« Not- gabrpelleu abaeholt: vterteljL-rltch^l41X), ki poetmalia« tkgNcha gllstellung drS HmrS^lk.bO. L«ch die Post bezoara für Leutfchland »ad Oesterreich: viertruSPNch S.—. Direkt, tägliche Kreu-baadseadaag in» Awslaud: monallich ?chl). > > >»« > Di» Morgea-Laägab« erscheint aal V»? die >b«d<Aa»gabe Wochentag» a» b Uh», Ledartis« »»- Lrye-ttiovL AatzlMneSgaflr 8. Die Erdedition ist Wochentag» aunnterdrocheU Gtbssuet von früh 8 di» Rbead» ? - omv« Filiale«: ktto Me««'» Tsrtt». (Alfret -aßttld ÜniversitStSsttatzr 3 (Paultoum), Louis L»s»e, RatLariaeaßr. Ich pari, »d KSatgVplatz D Morgen-Ausgabe. MMer TilyMatt Anzeiger. AtttlsVkatk des Königlichen Land- nnd ÄMtsgerichies Leipzig» -es Mathes und Notizei-Ärntes -er Ltaöt Leipzig. lS4. Dienstag den 19- April 1898. Anzelgeu-PrOi» die S gespaltene Petitzeile LV Pf-, veclamen unter dem Redactioa»striL ltg» spalten) bO^z, vor den FamM«aachrtcht« (Sgrspalt«) 40 4 «roßen Schrift« laut unser«! drei» Verzeichnis,. Tabellarischer und Zisserasatz nach höherem Tarif. > — Srtra«Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderang 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Innahmeschiuß füe Ä»)ei-en: vbend-AuSgabr: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde frühe». Unzri,« sind stets an die Expedition zu richt«. Druck und Verlag von L. Pol» in Leipzig. 92. Jahrgang. Das Necht an photographischen Bildnissen. vr. 8. ES liegt in der Natur der Sacht, daß die Her stellung bisher nicht gekannter Gegenstände, zumal mittels einer neuen Verfahrens, nicht gleich von vornherein einen vollständig paffenden Platz in unserm Rechtsgebäude findet, sondern sich ihn erst erkämpfen und einrtcht« muß. Ist der neuen Erfindung dies endlich einigermaßen gelungen, wie es der Photographie mittels des Reichsgesetzes dom 10. Januar 1876, betreffend den Schutz der Photographien gegen unbefugte Nachbildung, gelungen ist, so erweist sich dem jungen, aufblühenden Schaffenszweige der angewiesene Platz bald als zu eng. Ueberall zeigen sich Unvollkommenheiten. Wer konnte vor zwanzig Jahren auch die vielseitige Entwickelung der Photographie ahnen? Das erwähnte Reichsgesetz gewährt den Photographien einen Schutz nach dem Vorbilde der Gesetze, betreffend das Urheber recht an Schriftwerken, Abbildungen, musikalischen Kompositionen und dramatischen Werken, sowie betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste. Dies ist zu ihrem Nachtheil ge schehen. Denn wie von dem deutschen Photographenverein selbst anerkannt wird, ist die Photographie keine Kunst, sondern eine gewerbliche Technik, die allerdings manchmal zur Hervorbringung von Werken mit einer der künstlerischen ähnlichen Wirkung be nutzt, dadurch aber in ihrer Natur nicht verändert wird. So sagt das Vorstandsmitglied des deutschen Photographenvereins in Weimar, Herr Professor Bruno Meyer in Berlin. Er erklärt, daß durch die Photographie, auch wenn sie in unbedingt nichtkünstlerischer Weise und Absicht angewendet werde, schutzbedürftige und schutzwürdige Erzeugnisse entstehen könnten, und es wird deshalb gefordert, die Erzeugnisse dieser Technik als solche unter Schutz zu stellen» gleichgiltig, ob sie künstlerische Wirkungen haben sollen und haben, oder nicht. In der Reproductionsphotographie, die sich unter den Gesichtswinkel der Kunst nicht bringen läßt, wird z. B. eine unvergleichlich viel seitigere technische Sicherheit gefordert, als in der sich mehr einem künstlerischen Gesichtspunkt nähernden Bildnißphotographie. Am leichtesten und demnach am ehesten als künstlerische anzuerkennen ist die Landschaftsphotographie. Der gegenwärtig der Photographie gewährte Schuß gegen unbefugte Nachbildung wird von den Photographen in seiner Grundlage als ungenügend angegriffen. Der §1 de» erwähnten Gesetzes bestimmt nämlich: „Das Recht, ein durch Photographien hergestelltes Werk ganz oder theilweise auf mechanischem Wege nachzubilden, steht dem Verfertiger der photographischen Aufnahme aus schließlich zu/ Hier wird die Nachahmung „auf mechanischem Wege" ver boten, ein Verbot, das von einer unlautern Concurrenz häufig umgangen wird. Der Concurrent läßt die Photographie ab zeichnen — das ist keine „mechanische" Nachbildung — und dann erst die Zeichnung photographiren, um die Bilder in den Handel zu bringen. Das ist ein unlauterer Wettbewerb, gegen den kein Gesetz Schutz gewährt, auch nicht das neue Gesetz, das sich bekanntlich wesentlich nur gegen die unwahre Reclame, die Ver kleinerung des Concurrenten und Nachahmung seiner Geschäfts bezeichnung richtet. Der Photographenverein wünscht, daß Photographien gegen Nachbildungen überhaupt, nicht blos gegen mechanische Nachbildungen, geschützt und nur in bestimmten Aus nahmefällen die Nachbildung gestattet werde. Als diese Aus nahmen werden aufgeführt: „freie" Benutzung einer Photographie bei der Hervorbringung eines neuen Werkes, eine Einzelcopie und die Benutzung zur Jllustrirung von Schriftwerken. Auf die übrigen Wünsche der Photograhen können wir hier nicht näher eingehen, betrachten es vielmehr als unsre Aufgabe, auch die rechtliche Stellung der Hauptperson bei einem photo graphischen Bildniß, d. i. Desjenigen, dessen Bild es ist, des so genannten Urbildes, zu beleuchten. Leider geben uns die Gesetze hier keinen Anhalt. Denn sind sie schon hinter den Fortschritten der photographischen Technik und den sich damit ändernden An forderungen zurückgeblieben, so lallen sie uns vollständig im Stich, wenn wir eine Aufklärung über das Recht des Urbildes an seinem Conterfei suchen. Zwei Fragen sind eS, welche das Publicum hier interessiren, nämlich die, ob der Photograph berechtigt ist, 1) das Portrait Jemandes ohne dessen Willen überhaupt anzufertigen und 2) ob er es in seinem Schaukasten ausstellen oder gar verkaufen darf. Bei beiden Fragen muß man unsres Erachtens unterscheiden, ob es sich um ein bestelltes Bild handelt oder nicht. Nehmen wir zuerst den Hauptfall, daß Jemand beim Photo graphen sein Bild hat machen lassen. Hier gilt die klare Be stimmung des ß 7 des Gesetzes, daß lediglich der Besteller das Recht hat, zu bestimmen, wieviel Abzüge seines Bildes gefertigt werden sollen, und daß der Photograph schon allein dadurch, daß er mehr Bilder, als bestellt, anfertigt, sich strafbar macht, wenn er dies in der Absicht thut, dieselben zu verbreiten, — daß die Verbreitung schon erfolgt ist, ist nicht erforderlich. Darauf steht Geldstrafe bis zu 3000 <^, event. Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten. Die gleiche Strafbestimmung findet Platz, aber die Strafe wird vom Gerichte höher bemessen werden, wenn der Photograph schon dazu übergegangen ist, die Nachbildung durch Ausstellung im Schaufenster oder gar durch Verkauf zu ver breiten. Hierfür liegt bereits eine Entscheidung des Reichs gerichts vom 21. September 1880 vor, worin es heißt: „Die entschiedene Regel bildet, daß der Besteller das Bild zum intimen Gebrauch verlangt und es jedenfalls von seiner Willens bestimmung abhängig gemacht sehen will, ob dasselbe auch andern Personen, wenn auch nur zur Ansicht, zugänglich sein soll. Es ist dies die menschlich vollständig verständliche und gerechtfertigte Abneigung, sich oder eine andere Person wider Willen vor die Öffentlichkeit gezogen und zum Gegenstand der Aufmerksamkeit und Kritik des Publicums gemacht zu sehen, welche die Aus nahmevorschrift hervorgerufen hat." Ebensowenig darf ein Portraitmaler, der ein geistvolles und hübsches Gesicht malt, nebenher von dem Urbild für sein Scizzenbuch noch ein Bildchen fertigen, denn letzteres wird auch von Fremden gesehen und kommt vielleicht gar später in fremden Besitz. Anders verhält sich aber die Frage, wenn es sich um unbestellte Photographien handelt. Wenn ein berühmter Schauspieler, Sänger, Staatsmann auf einem Spaziergange stehen bleibt und ein Photograph den Moment benutzt, ein Bild der Berühmtheit auf zunehmen, oder wenn er dies thut, während jener in öffentlicher Ausübung seines Berufes oder seiner Kunst begriffen ist, und der Photograph das Bild nicht nur ausstellt, sondern auch, um daran zu verdienen, es einzeln verkauft oder Zeitungen überläßt: handelt er unerlaubt? Auf Grund dessen, was wir tagtäglich, so oft wir eine illustrirte Zeitung in die Hand nehmen, sehen, werden wir einig sein müssen in der Verneinung dieser Frage. Der geistvolle Vorkämpfer des Schutzes des geistigen Eigenthums, Professor vr. Joseph Kohler, will jedoch dieses Recht der unfrei willigen Portraitirung nicht gegenüber allen Personen zulassen. Er sagt: „Hier gilt der Satz, daß Personen, die der Geschichte angehören, die sich im öffentlichen Getriebe bewegen, die Aus stellung des Portraits sich gefallen lassen müssen, nicht aber auch die Ausstellung einer Caricatur — abgesehen von einer Cari- catur-Zeitschrift, in welcher nicht diese einzelne Person allein, sondern eine ganze Reihe von Zeitgenossen scherzhaft behandelt werden; denn solches nimmt der Caricatur den höchst persönlichen Charakter, — es liegt dann aber eben eine scherzhafte Behand lung der ganzen Zeitgeschichte vor. Auch die (nicht caricirte) Ausstellung von Personen, welche zwar nicht im öffentlichen Leben thätig sind, aber als Schriftsteller oder Künstler sich Namen verschafft haben, so daß ein allgemeines berechtigtes Interesse nach persönlicher Kenntnißnahme vorhanden ist, darf nicht als unbefugt betrachtet werden." Ob die Unterscheidung Kohler's, indem er ein allgemeines Portraitirungsrecht nur gegenüber Personen im öffentlichen Leben annimmt, gegenüber anderen Personen aber verneint, richtig ist? So gesund dieser Gedanke und so empfehlenswerth seine gesetzliche Festlegung ist, so findet er in unserem geltenden Rechte unsres Erachtens doch schwerlich einen Anhalt. Wie dasselbe nicht den Familiennamen schützt — erst das Bürgerliche Gesetzbuch verleiht diesem einen Schutz —, ebensowenig schützt es die äußere Erscheinung, das Aussehen einer Person. Nur dann, wenn eine „Beleidigung" durch die Ausstellung einer einzelnen oder einer offenbar die persönliche Ehre berührenden Caricatur geschieht, bietet unser geltendes Recht eine Handhabe zur Verfolgung des Portraitisten. Das neue Bürgerliche Gesetz buch wird einen theilweisen Rechtsschutz, nämlich auf Ersatz etwaigen Schadens, dann gewähren, wenn die Anfertigung des Bildes sich als eine Handlung „gegen die guten Sitten" darstellt. Das werden seltene Fälle sein. Die Erweiterung eines Rechts schutzes der Persönlichkeit, der sogenannten immateriellen Rechts güter, wird vielmehr noch eine Aufgabe der Jurisprudenz der nächsten Jahrzehnte sein. * Deutsches Reich. * Leipzig, 17. April. Die Presse, besonders die frei sinnige, beschäftigte sich in letzter Zeit andauernd mit dem Wahlcompromiß, daS vor Kurzem die Nationalliberalen und der Bund der Landwirthe in der Pfalz ge- geschlossen haben sollten. Es wurde nämlich berichtet, die pfälzischen Nationalliberalen hätten auf die Forderung ver zichtet, daß die von ihnen aufgestellten Candidaten im Falle ihrer Wahl unbedingt der nationalliberalen Partei bei treten müßten. Etwas Näheres wurde über dieses an gebliche Wahlcompromiß nicht gemeldet und so mußte man die Aufklärung abwarten. Die der nationalliberalen Partei feindlich gesinnte Presse benutzte die Meldung aber eifrig, um von einer gänzlichen Unterwerfung der national liberalen Partei unter den Bund zu fabeln. Nun war eS von vornherein klar, daß jene Meldung, wie sie in die Welt hinauSgecsanssen war, unrichtig sein mußte. Denn einerseits hätte sie tbatsachlich eine Bankerotterklärung der nationallibe ralen Partei in der Pfalz bedeutet, und eine solche abgegeben zu haben, durfte man der dortigen Parteileitung — selbst wenn man sie für noch so ungeschickt hielt — nicht zutrauen. Dann aber wäre die Forderung de« Bundes, die Candidaten dürften im Fall ihrer Wabl nicht der nationalliberalen Partei beitreten, auch vom Stand punkt des Bundes aus inconscquent gewesen, und das durfte man wieder dem Bunde nicht zatrauen; denn der Bund versichert ja täglich, er sei keine politische Partei und eS sei ibm gleichgiltig, welchen poli tischen Standpunct die Candidaten einnehmen, wenn sie nur die wir t Hs ch a f t l i ch e n Forderungen de» Bundes unterstützten. Unsere Vermuthung, daß jene Mit- theilung falsch sei, hat sich denn auch als berechtigt erwiesen, denn der Vorstand der pfälzischen nationalliberalen Partei läßt nun erklären, daß die Nachricht „in der vorliegenden Form unrichtig" sei. Damit wäre denn die Sache eigentlich abgethan, wenn nicht die „Deutsche TageSztg." sie benutzte, um wieder einmal ihrem Ingrimm gegen die Nationalliberalen Luft zu machen. Sie schreibt folgendes: „Die Nationalliberalen in der Pfalz scheinen eia eigenthümliche« Spiel zu spielen .... Worin diese Unrichtigkeit (der Nachricht) besiehe, darüber schweigt sich der Vorstand aus. Er scheint also seinen Beschluß möglichst im Dunkel lassen zu wollen. Das Be- streben der nationalliberalen Partei geht sichtbar dahin, olle vom Bunde vorgeschlagenen Candidaten, mögen sie noch so aussichtsvoll sein und der nationalliberalen Partei noch so nahe stehen oder auch angehören, zurückzuweisen, damit dann endlich, nachdem alle Candidaturen abgelehnt worden sind, auf einen Mann nach dem Herzen der großhändlerischen nationalliberalen Führer zuruck- gcgriffen werden müsse. Aber man dürfte die Rechnung ohne den Wirth gemacht haben. In den breiten Kreisen der land- wirlhschastlichen und kleinstädtischen Bevölkerung regt sich der Unwille gegen dieses nationalliberale Spiel ganz gewaltig, zum Schaden der gesammten nationalliberalen Partei, die für die Fehler und die Hinterhältigkeiten einzelner Mitglieder verantwortlich gemacht wird. Der „Bund der Landwirthe" hat loyal die Hand zu gemeinsamem Vorgehen geboten. Die Frist, die er gesteckt hat und nach Lage der Sache vernünftigerweise stecken motzte, ist in 14 Tagen vorüber. Besinnen sich die Herren nicht, dann haben sie die Folgen sich selbst zuzuschreiben." Wer bei den ganzen Wablverhandlungen ein eigentbüm- liches Spiel treibt, liegt für Jeden, der klar sehen will, auf der Hand. Was die nationalliberale Partei von den anderen nationalen Parteien unterscheidet, ist ihr liberaler Standpunct. Ihn kann sie bei Compromißverhand- lungen unter keinen Umständen preisgeben. Dagegen wider steht eS ihrem liberalen Programm keineswegs, in wirthschaft- licher Hinsicht Coneessionen zu machen, und wenn sich in ihr die An sicht geltend macht, daß im Interesse der nationalen Wohl fahrt sie der Landwirthschaft ihre besondere Fürsorge widmen müsse, dann handelt sie nicht gegen, sondern entsprechend ihrem nationalen Programm. Eine auf so idealen politischen Grundsätze» aufgebaute Partei darf eben materiell nicht einseitig denken. AuS diesem Grunde hat sich die nationalliberale Partei auch keineswegs gescheut, mit dem Bunde zu unterhandeln. Nun scheint es aber, als ob von ge wissen Bündlerkreisen versucht werden sollte, sich gleich der Feuilletsn. Schule und Haus. Eine Studie zum Beginne de» Schuljahres. Bon vr. Franz Lichtenberg. NachdraS verboten. Das ist ein Tag, wenn der Liebling des Hauses zum ersten Male sein Ranzel auf den Rücken nimmt und den Weg zum Schulhause antritt! Das ist ein Tag, an dem selbst das kind liche Gemüth, stolz und bang zugleich, ahnend empfindet, daß er eine Epoche bedeutet, und an dem wohl alle Eltern mit ernsten Gedanken ihr Kind geleiten und seiner Zukunft gedenken. Bis zu diesem Tage gehörte es ihnen allein; von nun ab greift für Jahre hinaus ein neuer, mächtiger Factor in sein Leben ein, dem sie viele ihrer Pflichten und Rechte abtreten müssen. Wohl erleichtert dir Schule in manchen Beziehungen ihre elter lichen Pflichten; aber dieser Aussicht steht die Sorge gegenüber, m welcher Weise sie den Charakter deS KindeS ferner beeinflussen und bilden wird. Gerade in den besser« Ständen ist diese Sorge in neuester Zeit sehr gestiegen und hat viele gewissenhafte Eltern veranlaßt, ihre Kinder durch geordneten Privatunterricht so lange als möglich der öffentlichen Schule zu entziehen; sie fürchten die Gefahren, die dem Kinde von den uncontrolirbaren Elementen, die fortab seine Gesellschaft bild« sollen, drohen. Diese Sorge darf al» übertrieb« bezeichnet werden. Die Versuchung« und Gefahren, die die Schule für das Kind allerdings mit sich bringt, sind nichts als moralische Kinder krankheiten, die ein gesunde» Kind sicher überwindet und denen es auch außerhalb der Schule keineswegs entgehen würde. Und sie werden reichlich ausgewogen durch die unberechenbaren Vor theile, die in dem Verkehr nut gleichalterigen und gleichstrebenden liegen. Wird ein Kind von diesem Verkehr abgeschlossen, so bleibt seine Welterfahrung und Mrnschenkenntniß in einer Weise zurück, die sich früher oder später ungünstig geltend mach« wird. Ein moralisch gesunde» Kind also, das gelernt hat, sich geistig selbstständig zu halten und bescheiden zu denken, darf man getrost der Schule anvertrauen. Nicht ohne Grund haben wir gerade die beiden Eigenschaften der Selbstständigkeit und der Bescheidenheit besonder» hervoraehob«. Ein Kind, daS nicht zur Selbstständigkeit der Beobachtung, des Urtheils und des Handeln» erzogen ist, wird in der Schule leicht von geistig oder physisch Stärkeren geduckt, verschüchtert und von ihnen auf Wege mit fortgeriss« werd«, die seiner Natur nicht günstig sind: die Folge ist dann oft eine Unsicherheit im Denk« und Wollen, die da» ganze weitere Leben ungünstig beeinflußt. Ein Kind aber, dem nicht eine gewisse Bescheidenheit eingeimpft worden ist, wird der Schule und dm Lehrern von vornherein mit einer Neigung zur Kritik gegenübertreten, die gewöhnlich bald in Respectlosigkeit ausartet und das ganze Verhältnis der Kinder zur Schule ungesund gestaltet. Wenn unsere Dichter so gern von „frommen" Kindern sprechen, so meinen sie damit viel weniger etwas specifisch Religiöses, als den Zug der bescheidenen Scheu und des Respektes vor Allem, was dem Kinde der Natur der Sache nach zunächst lange als Autorität vorgestellt werden muß. In der Großstadt wird ganz besonders hiergegen ge sündigt: unfromm, respektlos kommt da in einer groß« Zahl von Fällen das Kind schon in das Schulhaus. Ob aber ein Kind moralisch gesund in die Schule eintritt, das ist das Werk der Eltern; und wenn sie ihr Kind beim erst« Schulgange mit ernsten Gedanken begleiten, so mögen sie vor Allem Ab rechnung mit ihrer eigenen bisherigen Erziehungsarbeit halten, um daraus für ihre weitere Thätigkeit Lehren zu ziehen. Denn mancher Fehler und manche Unterlassung läßt sich auch jetzt wohl noch verbessern oder gut machen. Es sind mehr Eltern, als man glaub« möchte, die aus einem natürlichen Gefühle der Eifersucht heraus die Schule von vorn herein als Nebenbuhlerin, ja als Feindin ansehen. Ganz be sonder» die Mütter tragen oft keine Scheu, in Gegenwart des Kindes den Umfang und die Schwierigkeit der Schularbeit zu tadeln oder ihm, wenn e» eine Maßnahme des Lehrers kritisirt, Recht zu geben. Das Kind hat ein sehr feine» Gefühl für derlei Aeußerung« und lernt nur zu bald, auch seinerseits die Schule als eine Gegnerin zu betrachten, der e» die aufgelegten Leistungen nur widerwillig entrichtet. Wenn so manches sonst begabte und tüchtige Kind schon in der Quinta oder Quarta auf keine Weise mehr dazu zu bringen ist, selbst da» Mindestmaß der erforder lichen Arbeit« zu leisten, so haben oft die allzu zärtlichen Eltern selbst diese ihnen unbegreifliche Erzfaulheit verschuldet. Die Schule durchau» al» die natürliche Bundesgrnossin der Erziehung zu behandeln, ihre Autorität dem Kinde gegenüber peinlich zu wahr«, ist die oberste Aufgabe de» Hause» in der Schulzeit, und die Festhaltung diese» Gesichtspunktes wird schon darum segentreich wirk«, weil dadurch das Kind vor zu früher Kritik und vor Respectlosigkeit behütet wird. Kommt der Schüler in den langen Jahr«, in denen er die Schulbank drückt, selbst zur Erkenntniß mancher Mängel und Unvollkommenheiten der Schule, so ist da» ein auf eigenen Erfahrungen und Erlebnissen beruhende» und darum gesunde» Urtheil. Das überlasse man aber eben auch dem Kind«. E» ist eine der größten Schwierig, leiten, mit denen unsere Schule zu kämpfen hat, daß sie so oft auf den offen« oder versteckten Uebelwillen der Eltern stößt und ihre Autorität von ihnen untergrab« sieht. Aber der Bescheidenheit muß die Selbstständigkeit stets da» Gegengewicht halten. Da sind wieder Diele, die in der besten Meinung nach der anderen Seite hin sündigen. Sie stellen dem Kind« die Schul« al» etwa» ganz Schreckliche», Unerbitt- lichrs, ja Grausame» hin, zwingen eS, sich ganz in ihren Dienst zu stellen und halten mit drakonischer Strenge auf die genaueste Erfüllung aller Pflichten. So bahnen sie, ohne e» zu wissen und zu wollen, jener Entwickelung den Weg, deren Ergebniß das verschüchterte, bleiche, schwächliche Schulkind, der Gram jedes wahren Kinderfreundes, bildet. Es ist verkehrt, vom ersten Schultage ab der Schule im Leben des Kindes die oberste Rolle zuzuweisen. Die Hauptsache bleibt ja doch immer die leiblich und geistig gesunde Gesammtentwickelung des Kindes, und in ihr bildet die Schule doch nur ein, wenn auch ein wich tiges Moment. Es ist Sache des Tactes der Erziehung, da, wo die Schule einmal mit höheren Interessen in Conflict geräth, die Zügel unmerklich zu lockern, vor Allem dem Kinde nie um der Schule willen die Gelegenheit zu vollster harmonischer Aus bildung des Körpers und seiner Fähigkeiten zu verkümmern. Es ist der Uebel größtes nicht, wenn ein Kind einmal ein schlechtes Zeugniß heimbringt oder auch sitzen bleibt; und oft ist es der eigene Ehrgeiz der Eltern, der ihnen bei der Beurtheilung derartiger Vorfälle einen Streich spielt. Mit mildem Ernst ist das Kind anzuhaltcn, seine Schuldigkeit zu thun, und das Gefühl der Pflicht vor Allem ist in ihm zu wecken und zu stärken. Aber im Uebrigen muß es sich seinen Weg so viel als möglich selbst suchen, selbst sich seine Grenzen stecken und das richtige Maß finden. Da sind wir bei einem der kitzlichsten Punkte in dem Ver hältnisse zwischen Schule und Haus angelangt: bei der häus lichen Nachhilfe. Viele Eltern halten es für ihre heiligste Pflicht, dem Kinde bei seinen häuslichen Arbeiten zu helfen, und die meisten Lehrer wiederum kennen kein ärgeres Schreck gespenst als die häusliche Nachhilfe, die ihnen das Urtheil über die wirklichen Fähigkeiten und Fortschritte der Schüler ganz unmöglich macht und ihre ganze Arbeit lähmt. Wir stehen nicht an, die häusliche Nachhilfe, wie sie im Allgemeinen üblich ist, für ein« verhängnißvollen Fehler zu erklären. Das Kind, das sich bei der Verbesserung der Arbeit, bei seinen Exempeln u. s. w. schließlich doch immer auf Vaters oder Mutters Hilft verlassen kann, wird zu ernster Gewissenhaftigkeit und zu dollem Ver- antwortungsgfühl so wenig wie zu wahrer Arbeitsfreude ge langen können. Dazu kommt, daß ein Kind nur daS, was eS selbst erfaßt, wirklich lernt und für sein Leben gewinnt, und weder große Mühe noch Zeitverlust sind zu große Opfer für diesen Gewinn. Darum ist absolute Selbstständigkeit de» Kinde- in allen Schularbeit«, und zwar vom erst« Tage an, eine nicht streng genug zu stellende Forderung. Etwas ganz Anderes ist es, wenn die Eltern e» unternehmen wollen, dem Kinde da» Vrrständniß für dai zu erleichtern, was die Schule sie gelehrt hat, wenn sie versuch«, auf eigenem Wege den Geist des Kindes dem Ziele zuzuführ«, zu dem ihn in seiner Weise der Lehrer bereits geleitet hat. Die mathematischen Gesetze dem Kinde im praktischen Leben wirksam zu zeigen, sein Interesse für Geschichte und Erdkunde zu erwecken und zu fördern, den Bau der Sprache ihm klar zu legen — das ist eine wahrhaft wirksame, auch vom Lehrer dankbar begrüßte, freilich nicht leicht zu leistende Unterstützung der Arbeit der Schule. Don solcher Nachhilfe bleiben dann freilich die Schularbeiten selbst gänzlich unberührt, ja, das Kind braucht nicht einmal zu merken, daß die so ge währte Anregung und Bildung des Geistes mit dem, was die Schule von ihm verlangt, in einem unmittelbaren Zusammen hänge steht. Die Hindernisse mit leiser Hand beseitigen, die dem Verständnisse des Kindes im Wege stehen, es davor be hüten, daß es irgend einen Stoff nur mechanisch aufnimmt, es aber zugleich zu völliger Selbstständigkeit in der Anwendung und Verwerthung dessen, was es erfaßt hat, anzuhalten, — das er scheint uns als bie wahre Aufgabe der wohlverstandenen häus lichen Nachhilfe. Ueberhaupt ist es für das Verhältniß von Schule und Haus unendlich wichtig, daß die Verschiedenheit ihrer Aufgabm klar erkannt werden. Wie die Schule sich heute entwickelt hat, ist ihre Aufgabe die, dem Kinde den nöthigen Wissensstoff bei zubringen. Es ist überflüssig und schädlich, in diese Aufgabe einzugreifen, zumal, da dem Hause während der Schulzeit viel Wichtigeres zu thun obliegt. An ihm ist es vor Allem, dafür zu sorgen, daß die in der Schule gewonnenen Kenntnisse für das Geistesleben des Kindes sogleich fruchtbar verwerthet, für seine seelische Entwickelung nutzbar gemacht werden. Diel kann hierzu eine verständige Leitung der Lectüre beitragen. Wie viele von uns sind erst durch Erzählung« aus der homerischen oder der altgermanischen Mythenwelt, durch gute Reisebeschren düngen oder geschichtliche Erzählung« für die alte Cultur, die Erdkunde oder Geschichte innerlich interessirt worden! Giebt man einem Kinde Gelegenheit, seine Kenntnisse praktisch zu ver- werthen oder sie wenigstens im eng« Zusammenhänge mit dem Leb« zu sehen, so macht man sie ihm erst lebendig. Der Vater, der mit seinen Kindern botanisiren geht, der ihnen die Land schaft, die er mit ihnen durchwandert, geschichtlich oder geo graphisch belebt, der sich für ihr Theaterspiel oder Lesetränzchen interessirt, — der thut etwas für die gesunde geistige Ent wickelung deS Kindes und unterstützt damit die Schule hundert fach mehr, al» wenn er die häuslichen Arbeiten de» KindeS mit Strenge überwacht. Und als oberste Aufgaben bleiben dem Hause immer die Pflege des Leibes und die Pflege des Charakters des Kindes. Gerade während der Schulzeit, wo an die Ge sundheit de- Kinde» so manche Anforderung gestellt wird, wo da» Kind unvermeidlich mit manchen wenig lauteren Elementen in Berührung tritt, gerade da werden diese Aufgaben von der weitgehendsten Bedeutung. Wird ein Kind daheim körperlich und seelisch gesund erhalten, so können die Eltern getrost den Erfolg des Werkes der Schule abwarten; die Natur des Kindes zeigt dann von selbst an, was ihm frommt und was nicht. Die Eltern aber, die in zärtlichem Uebereiser den Erfolg der Schule beschleunigen möchten, müssen eS dann oft zu ihrer schmerzlichen Ueberraschung erfahren, daß sie da» Gegentheil von dem er reichten, was sie bezweckten. Sie erziehen nur Kinder, die da» Joch der Schule mit Haß empfinden und früher oder später gewaltsam abschütteln, oder solche, die von ihm zu Boden gedrückt sind und die Freiheit, Frische und Kraft deS Geistes darüber ringrbüßt haben.
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