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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.04.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-04-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980419027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898041902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898041902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-04
- Tag1898-04-19
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IVezugS-PrekS ß«s Ha»pt»speditton «der d« t» V(«d4> brzirf und drn Vorort»» errichtet«» Aus- »«bestrll»» abgrholt: virrt»ljährlich^l4.ö0, »»i -W»imalia»r täglicher gulttUuqg in- vou- b-SO. Durch die Poft b»zoarn für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich . Dixecie täglich» KreuzbaudirnvUil- ftü Au-lgich: monatlich 7-öO- Di« Morgen-Au-gabe erscheint r« '/,7 Uhr, di« Abead-Au-gabr Wochentag- um b Uhr. Rrdiction und Lrpeditto«: -»Hannes,ässe 8. Di« Expedition ist Wochentag- >1» unterbrochen ltrSftnet »o» früh 8 hi- dldend- 7 Uhl. Filiale«: vtt- SlM«'» Torti«. (Alfred Hich«), Universität-straß« 3 (Pauliaum), Laut» Lisch», Uchh«t>«Sr. Ich »art. «d «ö-ig-vlechi Abend-Ausgabe. MipMer JagMM Auzeiger. Amtsölatt -iS Königlich en Land- imd Äcktsgerichtes Leipzig, des Mathes «nd Nokizei-Ämtes -er Ltadt Leipzig. 195. Dienstag den 19- April 1898. Jaaahmeschluß fSr Ilryeigea: »h„h.»«,gaba: ««»Ma«, 10 Uhr. Pz,rg»».«»-L»be: RachmiMgB 4 VH«. Dit da« Filiale, „d «unahmestava» ja »kW Halda Stund» frNtzr». A»tei-e» sisd stet- au hi« Grpehttta« »« richten. Urtzelgert-PreiS 1»ie «gespalteve Petitjeile «a Weclamea untar he«Nedartiaa-ftrich (4a»» spalten) öUch, vor den Familicanochrichi« (6,»spalM) 40 ch. Arößer» Schrift», laut unser«« „«Wt-. v»r»»ich,ift. Lohellanscher und ZissW»s-tz muh höher-m T-rtf. Ortrs»>rtl«,en (gef-k-t), »«.W« d» «iora»n' Än-gab«, »h, , v-fthnfisrh-rav L-. mit Postbefordarnng 70-^ vrack mck »«rlag »m» E, V»l» ia Sri-rkch 92. Jahrgang. Die Entscheidung in Washington. —t» Rascher, als man vermuthen konnte, ist ein gemein samer Beschluß der gesetzgebenden Körperschaften in Washington zu Stande gekommen. Man meldet unS darüber: * Washington, IS. April (Telegramm.) Die Mitglieder des gemeinsamen AnSschusseS nahmen um 1 Uhr Morgens die Resolution des Senates an, ausgenommen die Anerkennung der Unabhängigkeit der kubanischen Republik. Der Senat genehmigte hieraus mit 42 gegen 35 Stimmen, das Repräsentantenhaus mit 310 gegen 6 Stimmen den hieraus bezüglichen Bericht. Die Resolution deS Senates lautete wörtlich: „Da die eutsetzlicheu Zustände, die seit mehr als drei Jahreu in Cuba, so nahe unseren Grenzen, bestanden, den moralischen Sinn des Volkes der Vereinigten Staaten verletzt haben, eine Schande für die christliche Civilisation sind und ihren Höhen- punct in der Zerstörung eines Vereinigten Staaten-Schiffes mit seinen 260 Officieren und Mannschaften während eines freund schaftlichen Besuches im Hafen von Havannah gefunden haben, nicht länger geduldet werden können, wie die- von dem Präsidenten in seiner Botschaft vom II. April auseinandergesetzt worden, auf welche hin der Congreß zu einer Action aufgefordert worden ist — wird deshalb beschlossen: I) daß das Volk der Insel Cuba von Rechts wegen frei und unabhängig ist und dies sein sollte; 2) daß es die Pflicht der Bereinigten Staaten ist, zu verlangen, und die Regierung der Bereinigten Staaten hiermit verlangt, daß die Negierung Spaniens sofort ihre Autorität und Verwaltung in der Insel Cuba aufgiebt und ihre Land« und Seestreitkräste von Cuba und aus den cubanischen Gewässern zurückzieht; 3) daß der Präsident der Vereinigten Staaten hiermit angewiesen und ermächtigt wird (ckirsoteü auä empoweroü), die sämmtlichen Land« und Seestreitkräste der Bereinigten Staaten anzuwenden und in den activen Dienst der Vereinigten Staaten die Miliz der verschiedenen Staaten rinzuberufen bis zu dem Maße, al- rS nöthig sein mag, um diese Resolutionen auS- zusiihren." Diese scharfe Resolution hat also der Senat sich angeeignet (mit Ausnahme der formellen Unabhängigkeitserklärung) und damit seinen milderen Standpunct verlassen, welcher den 'Präsidenten nur autorisirte und ermächtigte, nicht zugleich anwies, von den Land- und Seestreitkräfteu der Union Gebrauch zu machen. In der Senatsresolution war auch nichts enthalten von einem Hinauswerfen der Spanier aus Cuba, höchstens hätte man ein HinauScomplimentiren zwischen den Zeilen lesen können. Jetzt streifen auch die Senatoren die Hemdsärmel aus und spucken in die Hände. Eine würdige Volksrepräsentanz, die sich anschickt, einem rechtmäßigen Be sitzer sein Eigenthum abzujagen, nur weil dieser der schwächere Theil ist! Bevor man sich auf den gleichlautenden Beschluß, der Mac Kinley keine Wahl läßt, die Feindseligkeiten zu beginnen, einigte, Hal man sich erst weidlich untereinander in den Haaren gelegen. Die hierauf bezüglichen Meldungen sind zwar durch den gemeinsamen schwerwiegenden Beschluß überholt, aber sie I zeigen doch, wie dieser das Product nicht besonnener ernster i Erwägung, sondern blinder Leidenschaften war, weshalb wir sie hier noch folgen lassen: * Washington, 18. April. DaS vom Repräsentanten» Haus angenommene Amendement zur Resolution des Senats stretcht die Anerkennung der cubanischen Republik, behält jedoch die Worte bei, „Cuba soll frei" sein. * Washington, 18. April. Der Senat lehnte das von dem Repräsentantenhaus» zu der Resolution des Senats br« schlossene Amendement ab. Des Weiteren verwarf der Senat mit 43 gegen 34 Stimmen den Antrag auf Abhaltung einer gemein» schaftlichen Sitzung beider Häuser. * Washington, 18. April. Der Beschluß des Senats wurde dem Repräsentantenhause übermittelt. Dingley hielt da- Amendement der Kammer aufrecht und beantragte eine grmeinsame Sitzung beider Häuser. Ein von Bromwell ein» gebrachter Antrag, nach welchem das Repräsentantenhaus den Reso» lutioneo des Senats beitritt, wurde mit 172 gegen 148 Stim» men abgelehnt. Hierauf wurde der Antrag Dingley ohne Ab« stimmung angenommen. * Washington, 18. April. Das Repräsentantenhaus sandte di« Resolution an den Senat zurück mit der Bitte um Abhaltung einer gemeinsamen Ausschußsitzung. Der Senat nahm einen von dem Senator Davis gestellten Antrag zu Gunsten einer sofortigen gemeinsamen Ausschußsitzung an. * Washington, 19. April. (Telegramm.) Das Reprä sentantenhaus schloß sich nicht der Senats»R«solution an, worauf der Ausschuß beider Kammern zusammentrat. Derselbe erzielte keine Einigung und lehnte daraufhin mit 40 gegen 39 Stimmen es ab, andere Delegirte für eine neue Confrrenz zu ernennen. Nachdem man sich so genug aufs Würdigste geschlagen, hat man sich schließlich doch noch nicht minder würdig ver tragen, und wenn auch der Senat sich immer noch gegen die Unabhängigkeit der cubanischen Republik erklärt, so ist er doch einverstanden damit, daß .Cuba frei sei". Da« kommt schließlich auf daS Gleiche hinaus und Spanien mag jetzt schleunigst die Anker seiner Torpedoflotte lichten und der Union daS Prävenire spielen; denn, wie die Dinge gegenwärtig liegen, ist der Krieg unvermeidlich. Für Nkac Kinley ist, nach dem die SenatSresolutivn betreffs der Unabhängigkeit Cubas formell gefallen ist, kein Grund mehr, dem gemeinsamen Be schluß beider Häuser sein Veto entgegenzusetzen. Und thäte er eS auch, so ist eine Zweidrittelmehrheit bei nochmaliger Beschlußfassung sicher, und dieser hat der Präsident sich zu fügen. New Iorker Blätter wollen die Kriegserklärung mit ^farbigen elektrischen Lichtern ankündigen: Feuerwerke, Processionen, Gottesdienst sind bereits für diesen Fall in vielen Städten deS Westens und des Südens vorbereitet j in Chicago sollen alle Glocken läuten und alle LocomoUve» pfeifen. Welche furchtbare Verantwortung die amerikanische Legislative vor der gesammten Welt übernommen hat, darüber ist man sich wohl in den Vereinigten Staaten noch nicht allerwärkS klar. Einer der Nordamerikaner, der zu I Untersuchung der Lage auf Cuba ausgegangenen war, konnte I dem Präsidenten berichten, daß mit derselben Feder, welche I die Kriegserklärung vollzieht, das TodeSurtheil von 150 000 Cubanern unterschrieben würde, weil ihre so wie so kümmerliche LebenSfristung durch eine Blockade der Insel unmöglich gemacht würde. In den Vereinigten Staaten glaubt die Kriegspartei befugt zu sein, dasselbe den Spaniern vorzuhalten, indeß kann man nicht einsehen, inwiefern die Lage der Cubaner gebessert würde, wenn sie das spanische Joch mit dem amerikanischen zu vertausche» hätten. ES ist allgemein bemerkt worden, daß die Anhänger des Krieges um jeden Preis vielfach Leute sind, die ihr eigenes Heil in der Angliederung erblicken. Dieses Geschleckt der curpet duAsbi's, jener beutegierigen Politiker, die nach dem Bürgerkriege aus den Nordstaaten nach dem besiegten Süden strömten, ist noch nicht ausgestorben. Jetzt lauern sie, ihr altes Felleisen auS Teppichstoff mit ihrer ganzen Habe in der Hand, im Süden, um sich möglichst bald auf die Aemterjagd nach Cuba zu begeben. Oarpot daggers, Zuckerspeculanten und solche, die einen guten Sold von 19 oder 24 Dollars monatlich als Matrosen, von 40 oder 55 Dollars als Maschinisten brauchen können, dir vielleicht nach dem berühmten Muster vom Bürgerkriege her die lebenslängliche oder gar erbliche Pension winken sehen, alle diese und noch manche Andere stehen zu den demokratischen und einem Tbeile der republikanischen Politiker, um den Krieg zu fordern, und eine zügel lose Presse schürt in toller Hetze die Leidenschaften. Daß die Stimme der Vernunft bei den Berathungen in Washington sich Wohl vernehmbar gemacht bat, geht aus der folgenden Mittheilung hervor, aber eS wollte sie Niemand hören. In der Sonnabend-Debatte deS Senats erklärte der Republikaner Platt von Connecticut, daß der Friede hätte erhalten werden können, wenn Diejenigen, welche die Absicht zu haben scheinen, das Land in einen Krieg zu stürzen, nicht eine so unmäßige Sprache geführt und sich so leidenschaftlicher Actionen schuldig gemacht hätten. Der Republikaner Wellington von Maryland betonte, daß die Vereinigten Staaten keinen guten Grund zu einem Kriege mit Spanien hätten; die diplomatischen Hilfsmittel seien noch nicht erschöpft. Er glaube, daß die Cubaner ein Recht hätten, gegen die spanische Politik zu rebrlliren, aber die Vereinigten Staaten hätten mit dieser Rebellion nichts zu thun. Während Spanien in ausgedehn tem Maße für die Zustande auf der Insel verantwortlich sei, sei es doch nicht allein verantwortlich, denn der Guerillakrieg der Insurgenten sei geeignet, ein stolzes Volk dazu zu treiben, eine solche Kriegführung selbst mit Auf opferung von Leben und Eigenthum zu unterdrücken. Die Botschaft Mac Kinley's sei ganz mißverstanden worden. Dieselbe war nicht ein Appell an den Congreß, den Krieg zu sanctioniren, sondern das Gegenthcil. Der Präsident, so glaube er, sei der Ansicht, daß ein Krieg unnütz ist, und die Vereinigten Staaten werden dafür verautwortlich gemacht werden, wenn die Carlisten die Dynastie, der er ^Wellington) eine Fortdauer für Jahre wünsche, verjagen sollten. Er könne nicht glauben, daß Spanien für die „Maine"-Explosion verantwortlich sei. Der Demokrat Caffary von Louisiana bemerkte, eS sei klar, daß die Macht Spaniens auf Cuba langsam absterbe, und daß seine Souveränetät ohne die Dazwischenkunft Amerika- von der Insel weggefegt würde. Die Anerkennung cubanischer Un abhängigkeit sei ein Recht der Executive, nicht des gesetz gebenden KörperS. Was die Kriegsaussichten der Vereinigten Staaten anbetrifft, so glaubt General Wingate, früher Schießinspector der Nationalgarde des Staates New Aork, baß dieselben innerhalb einer Woche nach erlassener Kriegserklärung 75 000 mehr oder weniger brauchbare Truppen ins Feld stellen können. Er zweifelt aberj ob die Nationalgarden genügend ausgebildet und ausgerüstet sind. Ob die Nationalgarden sich überhaupt stellen werden, wenn der Nus an sie ergeht, wird von der Art und Weise der Aufforderung und dem Dienste, den sie verrichten sollen, abhängen. General Wingate warnt seine Landsleute vor der Annahme, daß der Krieg kurz sein werde. Die spanische Flotte könne die amerikanische Küste sehr belästigen. Schließlich mag noch die große, so mächtig an die Glocke geschlagene Sympathie der Amerikaner für die armen Cubaner charaktensirt werden. Mac Kinley hat nach Weih nachten für die Nothleidenden auf Cuba Sammlungen ver anstaltet. Bis jetzt haben dieselben nach der „Frkf. Ztg." die Summe von — 30 948 Dollars ergeben!! Politische Tagesschau. * Leipzig, 19. April. Die Führer der nationalsocialen Partei pflegen be sonders lebhaft ihre nationale Richtung zu betonen. Das praktische Verhalten der national-socialen Partei widerspricht aber häufig diesen theoretischen Kundgrbungen derart, daß es die im deutschen Reiche vorhandenen inter- und antinationalen Strömungen fördert. In Bezug auf die Socialdemokratie zeigt sich daS vor Allem in der Nachgiebigkeit, mit der die National-Socialen die antimonarchische Haltung der Social demokratie behandeln; typisch ist dafür die im vorigen Jahre am Geburtstage des Kaisers von den Nationalsocialen hier ver anstaltete Versammlung geworden, bei der ein Hoch auf din Kaiser nicht ausgebracht wurde, weil e« „lediglich Aufregung und Verstimmung erzeugt und gar nichts genutzt haben würde". Dieselbe Schwäche, wie gegenüber der Socialdemokratie, tritt im nationalsocialen Lager auch gegenüber dem Cent rum zu Tage, und Pfarrer Naumann in Person ist »s, der dieses Verstoßes gegen die Pflicht eines nationalen Politikers sich schuldig machte. Auf der Delegirtenversammlung deS GesammtverbandeS der Evangelischen Arbeitervereine, die am 12. dieses Monats in Cassel tagte, hat Pfarrer Naumann eS getadelt, daß bei den letzten ReichStagSwahlen daS VerbandSorgan, der ..Arbeiterbote", für den national liberalen Candidaten in Bochum eiotrat, der in der Stich wahl mit 32 567 Stimmen gegen den CentrumScandidaten, der 34 444 Stimmen erhielt, unterlag. Pfarrer Naumann verlangte, daß der „Arbeiterbote" „unpolitisch" bleibe. Ver gebens stellten Pfarrer Weber, Professor Hüpeden u. A. ihm vor, daß die evangelischen Arbeitervereine im Kampfe gegen Socialdemokratie und UltramontaniSmuS nicht Gewehr bei Fuß stehen könnten; Herr Naumann blieb dabei, der „Arbeiterbote" müsse „unpolitisch" sein, wenn er VerbandSorgan bleiben wolle. So besorgt Pfarrer Naumann als „nationaler"' Politiker die Geschäfte des internationalen CentrumS. Noch schlimmer aber erscheint vom Standpunct nationaler Politik auS die Förderung der Welfen durch daS Vorgehen der National socialen im ReichStagSwahlkreise Göttinaeu-Müvden: Hier haben seit dem Bestehen deS deutschen Reichstags bis 1890 nur zwei Parteien um daS Mandat gerungen, National liberale und Welfen. BloS einmal, 1887, hat der national liberale Candidat den Sieg davongetragen. Seitdem ist die Socialdemokratie sehr stark aogewachsen — sie brachte eS im Jahre 1893 auf 3950 Stimmen gegenüber 4421 natio- Der Kampf mit -em Schicksal. 14j Roman von Hermann Heinrich. Nachdruck vertoten. Ein Murmeln ließ sich im Kreise vernehmen, ernst schauten die Arbeiter in Richards freundliches Gesicht, während andere nachdenklich den Blick senkten. „Die Ziegeleibesttzer lassen Euch nun durch mich auffordern, die Arbeit wieder aufzunehmen. DaS ist das letzte Wort, das wir um des lieben Friedens willen und des gegenseitigen Vor- theilS wegen an Euch richten. Folgt Ihr unserm Rufe nicht, was habt Ihr dann davon? Wenns hoch kommt, so findet Ihr anderswo Arbeit, ohne daß Ihr Euch auch nur um einen Pfennig verbessert. Gehts aber schief, so seid Ihr dem Hunger und dem Elende preisgegeben. Spätere Wiederaufnahme der Arbeit ist unmöglich, denn wir müßten uns natürlich sofort nach anderen Arbeitskräften umsehen. Nun entscheidet Euch!" „Halt! Ich habe auch noch ein Wort zu reden!" Knöterich trat vor und sah Richard herausfordernd an. „Wenn Sie kein Feigling sind, wrrden Sie mich anhören!" „Sprechen Sie!" „Genossen, Freunde, wer verrichtet die Arbeit in den Be trieben? Wir, die Arbeiter einzig und allein. Das bischen Schreiben und Commandiren, mit dem sich diese Herren breit machen, ist für die Katze. Da» machen wir auch noch, wenn» darauf ankommt. Wenn wir nun nicht arbeiten, fragt Euch doch mal, ob da ein einziger Stein fertig wird?" Lebhafte Zustimmung im Kreise war die Antwort. „Nun also! Wer verdient die Riesensummen, die diese Herren einftreichrn? Wir einzig und allein. Und was geben sie unS dafür? Na ja, verhungert sind wir ja noch nicht. Wer Kar toffeln und Häring oder Erbsen und Speck verträgt, fällt nicht um dabei. Aber wenn das zum menschlichen Leben schon hin reicht, warum mögens denn die Herren selbst nicht, warum nähren sie sich denn von Braten und Wein?" „Weils besser schmeckt!" rief ein Arbeiter. „O ja, sie wissen, was schmeckt. Sie essen daS Fleisch und lassen uns die Knochen. Sie wohnen in Palästen und wir im Schweinekoben. Sie kleiden sich in Sammt und Seide und wir gehen in Leinwandkitteln. Sie fahren stolz zu Wagen und wir laufen nebenher. Sie gehen spazieren und rauchen echte Havan nah und wir liegen im Lehm. Sie sind die großen Herren und wir die elenden Knechte. Und dabei sind wir es, die ihre Reich- thümer verdienen. Jst's nicht so?" Erregter Beifall beantwortete die Frage. „Und Ihr habt's in der Hand, Euer Schicksal zu ändern. Geht Ihr auf den Leim, den dieser Herr Euch aufschmiert, so bleibt Ihr ewig, was Ihr seid, Sklaven im Dienste des Geldsacks und des Dickbauchs. Folgt Ihr mir, so kommt Ihr zu einem menschenwürdigen Dasein. Nun wählt!" „Bravo!" riefen die Arbeiter. „Wir wollen keinen Vergleich. Wir wollen ein menschenwürdiges Dasein!" „Aber Leute", rief Richard, „das ist ja der tollste Unsinn!" „Alle Räder stehen still, wenn Euer starker Arm es will." „Laßt Euch doch von einem solchen leichtfertigen Burschen nicht verführen. Ich meine es gut mit Euch. Folgt meinem Vorschlag." Mit wilder Miene und geballten Fäusten stellte sich Knö terich vor Richard. „Leichtfertiger Bursche? Wer — wer ist der leichtfertige Bursche?" „Zurück!" rief Richard. „Freunde, der Vater schlägt mich mit der Reitpeitsche und der Sohn beschimpft mich. Ich habe für Euch geblutet, wollt Ihr mich ruhig beschimpfen lassen?" Schmerz und Zorn kämpften in Richard. Er sah ein, daß er verloren war, wenn er zurückging. „Schweigt!" rief er den aufgeregten Leuten zu. „Seht ihn Euch doch an! Sieht er auS, wie ein Mensch, der Euch zum Glück führen kann?" Mit Geschrei drangen die Arbeiter auf Richard ein. Er sah sich von allen Seiten umgeben, schon fühlte er seinen Rockkragen gepackt, während die Faust des Präsidenten ihm drohend vor dem Gesicht stand. In diesem Augenblick trat eine hohe Frauen gestalt in die Thür, und eine Stimme, so voll und schön wie Glockenklang, gebot Ruhe. „Die Baronin", rief es im Kreise, und augenblicklich nahmen die Arbeiter eine ehrerbietige Haltung an. „Was geht hier vor?" sagte sie ernst und hoheitsvoll und doch mit einem gütigen Ton in der Stimme. Sie trat in den Kreis und sah die Arbeiter fragend an. Sie traten scheu zur Seite und ließen Richard mit der Baronin in der Mitte allein. DaS Licht der erhabenen Schönheit, das von der Baronin auszustrahlen schien, verfehlte auch auf die aufgeregten Arbeiter seine Wirkung nicht. Hier wichen sie einer Macht, die ihre lieber« legenheit in angenehmer Weise geltend machte, welche unterwarf, ohne zu demüthigen. „Lieben Leute", sagte sie mit überaus gütigem Ausdruck in Stimme und Geberde, „wollt Ihr Eure besten Freunde Haffen?" und dann zu Richard gewandt: „Darf ich Sie bitten, mich zu be gleiten?" Beide verließen unangefochten das Local, und erst in einiger Entfernung hörten sie die Stimme de» Präsidenten, der aus Feigheit und Weiberröcke schimpfte. „Sie sind ein Wunder vor unfern Augen, gnädige Frau", sagte Richard voll dankbarer Bewunderung. „Ihre bloße Er scheinung genügt, Bestien in Lämmer zu verwandeln. Wer sagte es Ihnen, daß ich bei den Arbeitern war?" „Mein Diener. Ich gestehe, daß mich zunächst die Neugierde trieb. Die Menschen zeigen sich im Affect am wahrsten, und Menschen zu studiren, ist von jeher meine Neigung gewesen." „Und was ist daS Ergrbniß Ihres Studiums in diesem Falle?" „O, diese Menschen sind gutmüthig und träg. Sie vergeu den ihre Kraft in Reden und schrecken vor der Handlung zurück. In meinem Vaterlande wäre diese Scene schwerlich ohne Blut vorübrrgegangen." „Auch in Ihrer Gegenwart, gnädige Frau?" „Da erst recht. Jeder Ungar hätte sich herausgefordert ge fühlt, sich unter meinen Augen al» Held zu zeigen." „So sind Sie also dem Einen dir Göttin des Kampfes, dem Andern die Göttin deS Friedens. Ich für meine Person sehe Sie lieber mit dem Palmenzweige als mit der rothen Fahne." Der Diener der Baronin war während dieser Unterredung in respektvoller Entfernung geblieben. An der Villa angelangt, verabschiedete sich Richard mit herzlichem Dank und ging zum „Goldnen Engel" zurück. Die Baronin sandte den Diener mit einem Goldstück zum „Goldnen Anton", um die aufgeregten Ar beiter über ihre Niederlage zu trösten. Da floß das Bier noch lange aus frischen Fässern, und manches Hoch klang aus rauhen Kehlen über die Havel zur Villa hinüber. Richard war einer großen Gefahr entrissen, die Arbeiter waren befriedigt, und der „Grobe Anton" machte ein gute» Geschäft. Die Baronin war doch wirtlich eine charmante Frau! Inzwischen erstattete Richard den Ziegeleibesitzern seinen Be richt. Die Herren waren sehr aufgebracht über Richards Der- mittelungsvrrsuch. Sie Hattens ja gleich gesagt, daß mit den verbohrten Menschen nichts anzufangen sei. Nun hatten sie «ine Niederlage erlebt, und da- hatten sie dem jungen Manne zu danken. Ein Glück war eS noch, daß er von dem beabsichtigten Lohnaufschlage nichts gesagt hatte. Sie wären ja ihren Ar beitern geradezu als Schwächlinge erschienen. Im Uebrigen kamen sie überein, sich jetzt stark und entschlossen zu zeigen und Richards weitere Vorschläge durchzuführen. Herr Held übernahm mit zwei anderen Besidern den Auftrag, neue Arbeiter zu werben, und schon am nächsten Tage wollten sie sich auf die Reise machen. Die technischen Zeichnungen für die Baronin waren vollende!. Mit der großen Rolle bestieg der Amtsrath seinen Wagen und fuhr nach Brunow. Die Baronin empfing ihn wie einen lieben Bekannten und führte ihn sogleich ins Arbeitszimmer. Sie sah heute reizender aus als je. Ein crSmefarbenes Kleid, durch dessen Grund sich ein feines Gerank von Rosen und Blättern zog, hielt die schönen Glieder umschlossen und ließ Hals und Arme frei. Eine doppelte Reihe von echten Perlen schlang sich um den Hals, und rin breiter, goldener Armring, mit Steinen verziert, schmückte den rechten Oberarm. Fremdartig und doch entzückend erschien sie dem Amtsrath. Diese Frau durfte sich erlauben, was er bei jeder anderen verurthrilt haben würde. Don den zierlichen Halbschuhen bis zur Fülle der dunklen Haare war die ganze üppige Gestalt vollkommen. Und dabei merkte man ihr nicht die Absicht an, zu glänzen. Einfach und natür lich bewegte sie sich in dem reizenden Schmuck wie im einfachsten Hauskleide. Sie war daran gewöhnt, Reichthum und Schönheit hatten sie von Jugend an begleitet. Wieder präsentirte sie Cigaretten, und wieder hatte der Amts rath Gelegenheit, die anmuthigen Bewegungen der kleinen Hand zu bewundern, mit denen sie die Cigarette zum Munde führte. Der alte Herr war entzückt, sie war zum Küssen schön. „Nun, Herr Amtsrath, haben sich die Arbeiter endlich be ruhigt?" „Ach, die ganze Geschichte hat nicht soviel auf sich", und dabei knippste er verächtlich mit den Fingern. „Nur ein kleines The aterstück für Sie, meine gnädigste Frau. Sie wollen ja die hiesigen Verhältnisse kennen lernen, und da wollen Ihnen die Arbeiter eine kleine Gefälligkeit erweisen." Die Zeichnungen wurden auf dem Schreibtische auSgebrritet. „Bitte, Herr Amtsrath", sagte sie und nöthigte ihn auf einen Stuhl neben sich. Er begann die sehr sachlichen und nüchternen Erklärungen, und sie folgte mit ungetheiltem Interesse. Mit staunenswerthem Scharfsinn ergriff sie die zum Theil recht schwierigen baulichen und maschinellen Einrichtungen, ja ihr Geist ging zuweilen den Erläuterungen des Amtsraths voraus. ES war eine Lust, ein« solche Schülerin zu haben. Zuweilen be rührte ihr Kopf den seinigen und ihr warmer Athem sein Gesicht. Wie ein elektrischer Strom zuckte es durch seinen Körper. Er mußte alle Kraft zusammennehmen, um nicht aus dem Tert zu kommen, während sie nicht rffüd« wurde, immer neue sachliche Fragen an ihren Lehrer zu richten. Endlich war die Arbeit vollendet. Mit glücklichem Lächeln sah sie ihn an und sagte: „Da habe ich nun wieder rin neues Königreich gewonnen. Wenn ich stet- »inen solchen Berather bei mir hätte, wie Sie es sind, Herr Amtsrath! Wie glücklich wollte ich sein!"
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