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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.04.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-04-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980422012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898042201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898042201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-04
- Tag1898-04-22
- Monat1898-04
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Als junger Prinz drang er siegreich in die Diippeler Schanzen ein; 17 Jahre später dagegen war er mit seinen Jägern der Letzte, der das unglückliche Schlachtfeld von Königgrätz räumen mußte. Für diese schwere Stunde hatte ihm jedoch das Schicksal einen Tag glänzender Genugthuung Vorbehalten: den 30. August 1870, den Tag von Beaumont. — Der Ruhm dieses Tages gehört dem Kronprinzen Albert allein, das schönste Blatt in seinem Lorbeerkranze trägt diesen Namen. Beaumont verdankt König Albert den werthvollsten aller seiner Orden, das Großkreuz des Eisernen Kreuzes, dessen einziger noch lebender Ritter er ist. Dies Kreuz aus schlichtem Eisen spricht eine gewaltige Sprache; es giebt Kunde von jener folgereichen Schlacht, die sein Träger siegreich geschlagen und durch die er den großen Tag von Sedan vorbereitet hat. Bazaine war am 18. August in Metz eingeschlossen worden, und bei Chalons hatte Frankreich eine neue Armee unter Marschall Mac Mahon aufgestellt. — Gegen diese marschirten die beiden Kronprinzen von Preußen und von Sachsen, mit der dritten, bezw. mit der Maas-Armee, westwärts auf Chalons-Paris. Niemand im deutschen Heere glaubte anders, als daß Mac Mahon seine Streitkräfte zum Schutze von Paris dorthin führen würde. Aber nein! Unheilvoll von seiner Regierung beeinflußt, war der Marschall in entgegengesetzter Richtung aufgrbrochen, wollte die Maas überschreiten, Metz entsetzen und sich mit Bazaine vereinigen. Kaiser Napoleon begleitete ihn auf diesem Irrwege. — Beide hofften, sich mit ihrem Heere unbemerkt am rechten Flügel der deutschen Maas-Armee vorbeizudrücken. Sie hatten nicht mit der Kriegserfahrung, nicht mit der Wachsamkeit des Kronprinzen von Sachsen gerechnet. Am 25. August bereits hatte Letzterer seine Cavallerie weit nach Norden aufklären lasten und aus deren Meldungen genialer Weise den Schluß gezogen, daß der Feind eine andere, als die bis dahin allgemein vermuihete Marschrichtung eingeschlagen haben müsse. — Er verdoppelte demgemäß seine Aufmerksamkeit, meldete seine Wahrnehmung ins große Hauptquartier, befahl aber schon aus eigener Initiative die nördliche Marschrichtung für seine Corps. Die Maas-Armee war also bereits auf dem neuen, richtigen Wege, als am anderen Tage, Mittags 12 Uhr, im Großen Hauptquartier der berühmte Rechtsabmarsch der deutschen Armeen befohlen wurde. Das Feldherrnauge des Kronprinzen hatte die feindliche Ab sicht zuerst durchschaut, seine Combinationsgabe das Richtige ge troffen. Trotz des unaufhörlichen Regens und trotz der hierdurch bodenlos gewordenen Wege drängte der Kronprinz auf die Be schleunigung des Marsches seiner Armee, Die sächsische Cavallerie hatte bereits am 27. August das erste Gefecht bei Buzancy, die sächsische Avantgarde am 29. August bei Nouart, und so war es dem Kronprinzen glücklich gelungen, die Franzosen noch westlich der Maas zu packen und zum Stehen zu bringen. Abends meldete er dies günstige Resultat ins Große Hauptquartier, und dieses befahl um 11 Uhr Nachts, daß am folgenden Tage (dem 30. August) der Feind an zugreifen sei. Inzwischen aber hatte wiederum der Kronprinz Albert in meisterhafter Erkenntniß der Sachlage schon die nothwendigsten Befehle für den Angriff gegeben. Als daher der Generalstabs-Officier Nachts 2 Uhr an sein Bett trat und dem Kronprinzen die Weisung des Großen Haupt quartiers überbrachte, war bereits Alles aufs Beste vorbereitet. Moltke's Freude hierüber war groß. Er sagte einige Tage später: „Von allen Generalen hat mich der Kronprinz von Sachsen am besten verstanden." Und in der That, diese Selbst- thätigkeit des Armeeführers erwies sich als die wesentlichste Ursache des Erfolges. Idealeres kann sich die Heeresleitung nicht wünschen, als daß die Armeeführer ihren Befehlen zuvor kommen. Nach zweistündigem Schlaf erhob sich der Kronprinz am 30. August Morgens 4H Uhr in Bayonville, schrieb seinen Armee- Corps die Angriffslinien vor, frühstückte schnell und legte seinen commandirenden Generalen das Ziel des Tages dahin klar, „die Franzosen unter allen Umständen vor Mouzon (1 Meile nörd lich von Beaumont) zu erreichen und zu schlagen". Alsdann bestieg er seine Stute Bessy und begab sich, begleitet vom General v. Schlotheim, dem Prinzen Schönburg, dem Grasen Vitzthum, den Majors Schweingel und v. Welck, dem Hauptmann v. d. Planitz und dem Lieutenant v. Hinüber, auf die Höhen von Fostß, um den Anmarsch seiner Armee zu über wachen. Das Wetter hatte sich während der Nacht aufgeklärt, die Sonne durchbrach den Nebel, in herrlicher Landschaft breitete sich der Argonner Wald aus. — Garde-Reiter und 17. Ulanen hatten vortrefflich recognoscirt: sorglos lagerten die Franzosen um Beaumont. Schnell überfiel General v. Schocker mit der 8. Division den Feind, gerade, als der französische General de Failly in Beaumont sein Bad nehmen wollte. — Der Verlauf der Schlacht ist allgemein bekannt: das Schützenregiment (108) erstürmte den Höhenzug von les Gloricttes; Kronprinz Albert ritt bis Champy vor und dann nach Beaumont. — Die kleine, freundliche Stadt wurde von circa 1600 Menschen bewohnt, die hauptsächlich Ackerbau trieben. Hier etablirten sich jetzt die deutschen Feldlazarethe neben den französischen, während Feuers brünste in der Stadt wiitheten. Sobald sich der Kronprinz von dem weiteren siegreichen Fortschreiten des Gefechtes überzeugt hatte, befahl er, „dem Feinde an der Klinge zu bleiben und ihn vollständig zu schlagen". — Die Leibgrenadiere (100) mit den Compagnien v. Raab und v. Friesen an der Spitze besetzten das Bois de Givodeau, und uni Mittag wurde auch der Schliisiel- punct der feindlichen Stellung, der Mont de Brune, erstürmt, später die Vorstadt von Mouzon erobert und hiermit der voll ständige Sieg des Tages entschieden. Inzwischen war es Abend geworden; der Kronprinz traf mit dem Prinzen Georg bei dem Pachthof la Sartelle zusammen, ordnete die Stellungen seiner Corps für die Nacht, ließ die säch sischen Truppen auf den Höhen bei Lßtanne bivouakiren und be stimmte das I. Bataillon 105 zur Sicherung längs der Maas, das Jägerbataillon 13 mit dem Hauptmann Walde und dem Premier-Lieutenant v. Treitschke in die Maas-Niederung und das II. Bataillon 107, unter Hauptmann v. Gersdorff, nach Pouilly. Sein Hauptquartier legte der Kronprinz in das er oberte Beaumont und meldete den Sieg, 8000 Gefangene und 42 eroberte Geschütze, ins Große Hauptquartier. — Die Folgen dieses Sieges waren vielleicht die werthvollsten während des ganzen Krieges. Das französische Heer war gefunden, ge schlagen, zum schleunigsten Rückzug auf Sedan gezwungen, der abenteuerliche Plan einer Vereinigung mit Bazaine für immer vereitelt und der moralische Halt der feindlichen Truppen gänz lich gebrochen. Dies Alles hatte König Wilhelm, hatte das deutsche Vater land dem Kronprinzen Albert zu danken und doppelt zu danken, weil die Durchführung der Schlacht eine äußerst schwierige ge wesen war. Das Terrain nämlich erwies sich derartig coupirt, das Bois de Givodeau so ausgedehnt und so voller Unterholz, daß die Uebersicht und Gefechtsführung im höchsten Grade er schwert wurde. Das Kritische dieser Stunden aber legt uns die Frage nahe: wie ganz anders konnte es kommen, welch völlig veränderten Verlauf mußte der Krieg 1870/71 nehmen, wenn Kronprinz Albert nicht so wachsam, nicht so überraschend schnell und so energisch gewesen wäre? Zweifellos hätte die gesammte Kriegslage ein vollständig anderes, für die deutschen Waffen viel weniger günstiges Bild gewonnen! Die Franzosen hätten die Maas überschritten, hätten den nur auf wenigen Brücken passirbaren Strom zwischen sich und die vereinigten deutschen Armeen gelegt, alsdann im Rücken der letzteren sowohl, als auch im Rücken der Belagerungsarmee von Metz weiter operirt und sich in der That mit der Armee des Marschalls Bazaine leicht vereinigen können! Was aber dann? — Es ist schwer, ein Bild von allen jenen Möglichkeiten zu entwerfen, die in einem solchen Falle eingetreten wären.' Die vereinigten deutschen Armeen hätten vollkommen „Kehrt" machen und über die Maas dem Feinde folgen müssen — den schönsten Tag im ganzen Feld zuge, den Tag von Sedan, hätten sie jedenfalls nicht errungen. Wenn auch Prinz Friedrich Carl mit seinen Belagerungs truppen von Metz wie ein Löwe gekämpft hätte, die Umfassungs linie war zu groß: in der Front und im Rücken angegriffen, hätten sie vielleicht der Uebermacht Weichen müssen. Der durch die Schlachten von Wörth, Weißenburg und St. Privat gesunkene moralische Zustand des französischen Heeres wäre durch solchen Erfolg gleich einer Feder empor geschnellt — Paris hätte Zeit gewonnen, sich besser zu armiren — die jungen Soldaten der neugeschaffenen Armeen im Norden von Frankreich und an der Loire hätten eine erheblich sorg fältigere, militairische Ausbildung erhalten — ja, selbst die Napoleonische Dynastie wäre vermuthlich gerettet gewesen. Wenn wir uns also heute alle diese Möglichkeiten ver gegenwärtigen, dann ragt die Gestalt des Kronprinzen Albert gewaltig hinein in die Schlacht von Beaumont und erinnert uns, wie viel wir ihm zu danken und wie viel die jüngeren Gene rationen von ihm zu lernen haben Der rechte Flügel des deutschen Heeres war bei ihm am besten aufgehoben; er paßte auf — er griff zu — er verfolgte mit eiserner Zähigkeit das Ziel des Tages, und die französische Armee, mit ihrem Kaiser in der Mitte — Beide völlig gebrochen — flutheten unter dem Schutze der Nacht auf Sedan, ihrem tragischen Berhängniß entgegen! König Wilhelm aber, Moltke und die übrigen Heerführer beglückwünschten den Kronprinzen Albert zu dem herrlichen und wichtigen Siege. Der alte Kaiser Wilhelm lohnte später das Verdienst dieses Tages durch die Ernennung des Kronprinzen zum Feldmarschall; der russische Kaiser schickte das Georgskreuz, den höchsten Tapferkeitsorden und später den russischen Feld marschall-Stab. Das Volk der Sachsen aber und ganz Deutsch land blickt dankerfüllt empor zu dem unvergleichlichen Sieger, der in voller Rüstigkeit seinen 70. Geburtstag begehen wird^ Bei der für diesen Tag befohlenen großen Parade werden die ewig jung bleibenden Regimenter an ihrem obersten Kriegsherrn vorüberziehen; aber im Geiste erblicken wir diesen voran die Helden aus der Schlacht von Beaumont: die alten Gardereiter mit dem Rittmeister Preußer, die 17. Ulanen mit ihrem Obersten von Miltitz, die braven Kanoniere der Batterien von Krccker, Westmann, Exner und Verworner, — Prem.-Lieutenant von Rabenhorst mit dem ersten eroberten feindlichen Geschütz — die tapferen Leibgrenadiere mit ihrem Oberstlieutenant Schu mann an der Spitze — die unermüdlichen Pioniere unter ihrem Hauptmann Schubert — die alten Schwarzen vom Schützen- Regiment unter ihrem Obersten von Hausen — die un erschrockenen Bataillone 105 und 107 — die 13. Jäger und alle die anderen Helden ohne Unterschied in Rang und Alters Auch des Königs geistiges Auge erblickt seine alten Soldaten; er denkt vergangener Zeiten, als er an seines Lebens schönstem Ehrentage mit allen diesen alten Kriegskameraden — Einer für Alle und Alle für Einen — für Deutschlands Ehre mitten im feindlichen Kugelregen stand. 8. v. 8. Schwächen in den amerikanischen Kriegsvorbereitungen. Während die Mehrzahl auch der wissenschaftlichen Zeit schriften in den Bereinigten Staaten über den bevorstehenden Krieg in einem Tone sprechen, als ob ihren: Vaterland« nicht das Geringste dabei passiren könne, wird von einigen Seiten auf bedenkliche Schwächen hingewiesen, die die Kriegsvorberei tungen der Bereinigten Staaten bisher noch aufzuweisen haben. So macht der Leiter des militairischen Telegraphen dienstes, General Greely (wie der „Hamb. Corr." mittheilt), auf einen Zustand innerhalb der Küstenvertheidigung aufmerksam, der allerdings höchst befremdlich erscheinen muß. Die Befestigungen der Häfen in New Aork, Boston, Phila delphia, San Francisco rc. besitzen nämlich keine besondere telegraphische Verbindung mit dem Lande, so daß der Austausch von Meldungen bisher nur durch Couriere besorgt wurde. In New Aor! kann man freilich die für den Handels verkehr bestimmten Telegraphen im Notbfalle benutzen, ist dies aber schon zur Friedenszeit sehr umständlich, so muß es im Kriegsfälle als ganz ungenügend gelten. In allen anderen Ländern der Welt ist in die Durchführung der Küsten- Größe und die Weltenzeiten nach deiner Lebensdauer be- I messen willst, wozu du nur gar zu sehr die selbstllberheberische I Neigung hast! — Die Thierwelt eines Blumentisches kann aus einer nicht un beträchtlichen Anzahl von Mitgliedern bestehen, die sich aber wohl nur selten oder nie zusammen finden dürften. In den großartigen Gewächshäusern namentlich in Kew bei London oder in Leiden u. s. w. ist das anders. Die Bestandtheile jener Thierwelt sind bei uns der Hauptsache nach zweierlei: alteingesessene, deut che und eingeführte aus ländische. Die Zahl der letzteren i t sehr bedeutend, und es finden sich unter ihnen sehr verschiedenartige Geschöpfe, die aus allen Ecken der Welt mit fremden Pflanzen eingeschleppt wurden. Wie erstaunte man eines Tages im Botanischen Garten von Kew, als man in dem der Viotorin roxia angewiesenen Bassin eine kleine Qualle umherschwimmen sah. Eine Qualle im süßen Wasser, das war etwas Unerhörtes, etwas Nochniedagewcsenes! Seitdem haben wir noch zwei oder drei solche Formen kennen gelernt, aber immerhin sind sie große Ausnahmen. Ansehnliche Würmer von flacher Gestalt, echte Kinder warmer Länder, werden in größeren Gewächshäusern öfters beobachtet, auch hier bei Leipzig, in Connewitz, hat man sie angetroffen. Es sind sog. Planarien, Flachwürmer, deren meisten Arten sonst, auch bei uns, im Wasser leben, doch finden sich auch in Deutsch land ein paar kleine landbewohnende Formen im Freien. Auch tropische Regenwürmer, merkwürdige Tausendfüße, ver schiedene Spinnen und Milben, zahlreiche Insekten aus fast allen Ordnungen und einige Schneckchcn, sammt und sonders Kinder ferner Erdtheile, kommen hin und wieder zur Beobachtung. So reich ist selbstverständlich die Thiergesellschaft meines Blumentisches nicht, und wohl nur rin Mitglied derselben dürfte ausländischen Ursprungs sein, die anderen sind biedere Lands leute und zwar sind rS merkwürdige, erdbewohnende Urthiere, Haarwürmer, Regenwürmer, Tausendfüße, Bärenthierchen und Jnsecten aus den Ordnungen und Gruppen der Springschwänze, Blatt- und Schildläuse. Gelegentlich kommt wohl einmal ein Käferchen oder eine durch Zufall, mit einem Feldblumenstrauß etwa, eingeschleppte Ameise zu Besuch. Wenn im Sommer bei schönem, sonnigem Wetter das Fenster aufsteht, summt vielleicht ein» würdige, zottige Hummel herein, rin emsiges Bienchen in- spicirt, oder ein leichtsinniger Schmetterling gaukelt in» Zimmer. Sie alle gehen von der, in diesem Falle verkehrten, Voraussetzung aus, daß, wo grüne Blätter sind, sich doch wohl auch honig spendende Blumen finden dürften, wenden aber meinem Blumentisch, der es nicht mehr soweit bringt, enttäuscht den Rücken und fliegen ärgerlich von dannen. Wenn sic fluchen könnten, würden sie wahrscheinlich fluchen, vielleicht thun sie es in ihrer Art. — Doch wenden wir unS nun dem eisernen Bestände meines häuslichen ThiergärtchenS zu! Ich sagte, es umfaßte Gäste unter, auf und über der Erde, aber manche gehören zur ersten und zweiten Sorte zugleich, wie eS gerade kommt. Oberflächlich unter der Erde und zwischen den Krümelchen Die Lhierwett meines Llumentisches. NaLdruck verboten. Ich bin keineswegs stolz auf meinen Blumentisch. Den Mitgliedern meiner Familie, mich besuchenden Bekannten oder Fremden, allen vernünftigenLeuten überhaupt ist es ein Greuel, ihn nur zu sehen, und wenn Manche sich auch nicht darüber äußern, ihre Blicke sagen genug. Da habe ich ein klebriges Orangenbäumchcn, ein paar staubiger Dracänen, einen struppigen Rosenstock, der nicht leben und nicht sterben kann, und ein Epiphyllum, das alle ehrgeizigen Versuche, zu blühen, längst auf gegeben hat. Ein Geranium streckt seine langgestielten, schwind süchtigen Blätter aus dem Schatten der Dracänen heraus dem Lichte zu, wie ebenso viel kleine, grüne, flehende Hände und ist offenbar dem Ersticken nahe. Aber einige üppige Aspidistone oder Plektogynen reißen Alles wieder heraus; an denen kann man so recht eigentlich sehen, daß es nur auf den guten Willen an kommt, um auch hier zu gedeihen. Ich muß eS zugeben, die Erde in den Aeschen ist offenbar sauer, und ihre Oberfläche ist hin und wieder grün durch einen leichten Moosanflug. Aber mein Blumentisch ist auch, und in seinem jetzigen Zustande erst recht, mein zoologisches Zimmer gärtchen. Da habe ich Thiere unter der Erde, Thiere auf der Erde und Thiere über der Erde. Ich habe ketnS von ihnen zu Gaste geladen, sie kommen ungerufen und da sind sie. Es sind stille Leutchen, von keinem aus der Gesellschaft habe ich noch je einen Ton gehört, und das ist ein nicht hoch genug anzuschlagender Borzug, den sie vor Canarienvögeln und Papageien voraus haben. Auch um ihre Ernährung brauche ich mich nicht zu kümmern, die macht sich ganz von selbst, und das ist ein weiterer Vorzug. Ich würde wirklich in Verlegenheit kommen, wenn ich alle meine anspruchslosen Kostgänger namentlich auffllhren sollte. Wahrscheinlich sind ihrer e ne ganze Anzahl vorhanden, von deren Gegenwart ich gar keine Ahnung habe. Auch dir, die ich kenne, sind keineswegs alle zuglech in Sicht, manche muß man suchen trotz deS winzigen Stückchens Erde, da» ihre Heimath ist. Dafür sind sie meist auch selber winzig genug. Aber e» ist theilweise eine altehrwürdige Gesellschaft, die sich hier zusammengefunden hat und die ihren Stammbaum zurück führen kann bi« auf die weit hinter der Jetztwelt liegende Zeiten, bi» auf Zeiten, da e» noch keine Säugethiere und Vögel und wohl auch noch keine bunt blühenden Gewächse, vielleicht noch nicht einmal verschiedenr Jahreszeiten und Klimate gab auf Erden. War ist der Löwe — der König der Thiere! — für ein Parvenü, für eine neubackene Majestät gegen manche von den kleinen Wesen, denen mein Blumentisch eine gar große Welt ist! Menschlein, Menschlein, — e» ist Alles relativ in der Welt! Vergiß da» nicht, und vergiß auch nicht, wie sehr du dich lächerlich machst, wenn du die Weltenräume nach deiner und Körnchen ihrer obersten Schicht leben zunächst gewisse Ur thiere, aber ich kann sie nicht gleich in persona vor Augen führen, sie wollen gesucht sein, und es ist eine langwierige Sucherei, denn sie sind blos mit Vergrößerungsgläsern überhaupt nur einmal aufzufinden. Auf den ersten Augenblick ist auch nicht viel an ihnen zu sehen und für den Laien nun gar nicht, sie haben es tiefer in sich und machen nur dem Fachmanne Spaß, dem aber einen um so größeren. Urthiere, — in dem Worte liegt schon etwas Geheimnißvolles, Chaotisches! Die Urthiere auf den Blumenäschen könnte man wieder die Urthiere unter den Urthieren nennen, denn die Infu sorien sind ihnen gegenüber schon recht hoch organistrte Lebewesen. Jene sind Wurzelfüßer einfachster Art, gewissermaßen belebte Ei ivißtröpfchen, die Wechselthierchen oder Amoeben heißen. Das Eiweiß oder das Protoplasma (Urstoff) oder die Sarkode (Fleischsubstanz) ihres Körpers besteht aus einer weniger zäh flüssigen, an kleinen Körnchen sehr reichen Jnnenmasse und einer zähflüssigen, körnchenlosen Außenschicht, die jene als ein dünner Mantel umgiebt, aber nicht scharf von ihr geschieden ist. In der Jnnenmasse liegt ein oder liegen mehrere ovale oder runde Gebilde, die von einer festeren Haut umgeben sind und einen oder mehrere winzige Körperchen enthalten. Jene Gebilde sind die Kerne und diese Körperchen die Kernkörperchen. Wenn die Amöben des süßen Wassers, in dem sie am arten- und individuenreichsten sind, schwebend ruhen, so bilden sie Kugeln, befinden sie sich aber auf einer festen Unterlage, sei es im Wasser oder auf dem Lande, so Platten sie sich, zufolge der Anziehungskraft der Erde, auf der Unterseite ab und werden kreisrunde, oben sanft gewölbte Scheibchen. Will sich dieses Wesen bewegen, so schiebt es irgendwo in der Peripherie seines Körpers, aber immer nach der Richtung zu, wohin die Reise gehen soll, einen oder mehrere lappige Fort sätze vor, die anfangs, so lange sie noch klein sind, blos aus Heller Außenmasse bestehen. Sobald sie länger werden, flieht s. z. s. auch von der Jnnenmasse in sie über. Das sind die Schein- oder Wurzelfüßchen. Sie werden immer länger, fixiren sich endlich auf ihre Unterlage, und nach und nach kriecht ge wissermaßen das übrige Eiweiß der Amoebe in sie hinein. Die Gestalt der bei dieser sanft gleitenden Bewegung entwickelten Scheinfllßchen oder Pseudopodien ist nach den Amoebenarten verschieden, bald gedrungener, bald schlanker, und auch die Be wegung ist verschieden, bei der einen Art langsamer, bei der andern schneller. Beim Fressen umfließt die Amoebe den Nahrungsbissen mit einem Scheinfüßchen, bis er an die körnige Jnnenmasse zu liegen kommt, an die er Alles, was verdaulich an ihm ist, abgiebt, während der Rest später nach außen befördert wird. Es kann vorkommen, daß zwei Individuen derselben Art einander fressen, wobei ihre beiden Körper und ihre beiden Leben »inen neuen dritten Körper mit 2 Kernen und ein neues drittes Leben bilden. Gewöhnlich spricht man aber in solchen Fällen nicht von Fressen und Gefressenwerden, sondern von Verschmelzung oder Kon jugation. Ist infolge der Ernährung eine Amoebe so gewachsen, daß ihr» Bewegungen für sie schwierig werden und ihre Kraft nicht mehr recht ausreicht, die einzelnen Parttkelchen ihres Leibes zusammen zu halten, so theilt sich ihr Kern und sie selbst zerfällt in zwei gleiche Theile, sie hat sich fortgepflanzt, aber ohne daß dabei von einem elterlichen und kindlichen Organismus die Rede sein könnte. Kommt eine Amoebe in mißliche Lebensvcrhältnissc, trocknet z. B. das von ihr bewohnte Wasser aus, oder verliert Vie Erde, in der sie haust, ihre Feuchtigkeit, so scheidet sich auf ihrer Körperoberfläche eine feste Hülle ab, sie kapselt sich ein und zer fällt im Innern der Kapsel in mehrere Stückchen. Treten wieder günstige Daseinsbedingungen ein, so wird die Kapsel gesprengt, und die Theilstückchen verlassen sie als eben so viele junge Amoeben. Es ist doch schon in dem einfachen Körper dieser Thiere eine Arbeitstheilung eingetreten. Die Außenmasse vermittelt Be wegung, Athmung und Empfindung, und könnte bei Amoeben von geistigen Vorgängen die Rede sein, so würden sich auch diese hier abspielen. Die Binnenmaste vermittelt die Verdauung und die Vermehrung, aber auch die Ausscheidung. Es entstehen nämlich in ihr zufolge eines allseitig gleichmäßig sich vollziehenden, localen Auseinanderweichens Hohlräume, sog. Vacuolen, die sich mit einer Feuchtigkeit, den für den Körper schädlichen Ausscheidungsproducten, füllen. Sind die Hohlräumc ganz vollgelaufen, so zieht sich die Jnnenmasse an den betreffen den Stellen wieder zusammen und preßt dabei die Feuchtigkeit, die sich in den Hohlräumen angesammelt hatte, aus diesen heraus. In diesem Sinne entspricht eine Vacuole der Harnblase der Wirbelthiere. Nicht alle Amoeben sind nackt, es giebt auch beschälte, aber nur das Wasser bewohnende Formen unter ihnen, die hier nicht in Betracht kommen können. Ich fand einmal einige Amoeben zwischen der stark sand haltigen Erde der Oberfläche eines frisch gekauften Erica- sträuchleins. Die Thierchen waren etwa 0,3 inm groß, ent wickelten ihre Scheinfüßchen sehr langsam, hatten eine von kleinen gelblichen Körnchen ganz erfüllte Jnnenmasse und einen ovalen Kern. Durch das Alles wiesen sie sich als die häufigste Art der landbewohnenden Wechselthierchen aus — als ^moeba terrioola, die Erdamoebe schlechthin. Die frei in der Erde lebenden Haarwürmer sind sammt und sonders kleine und sehr kleine, weiße Dinger von unscheinbarem Aussehen, und wenn einer der Hauptuntersucher dieser Ge- schöpfchen, Herr Dr. d e M a n in Persrko auf Böverland in Holländisch-Seeland, von „niedlichen Arten und schönen Weibchen" unter dieser obscuren Gesellschaft spricht, so sieht er sie mit dem platonischen Behagen des in seinen Stoff verliebten Specialforschers an. Theilweise sind diese kleinen Stückchen Weißen, lebenden Zwirnes außerordentlich häufig und artenreich in dem Boden unter unseren Füßen, und man findet sie bisweilen, wenn man auf sie achtet, in Mehrzahl zu kleinen Knäueln miteinander ver schlungen. WaS den Artenreichthum anlangt, so wird es ge nügen, zu hören, daß der genannte vr. d e M an in einer kleinen Portion Erd« vom Ettersberg bei Weimar nicht weniger wie
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