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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.04.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-04-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980423025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898042302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898042302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-04
- Tag1898-04-23
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Die Meldung der „Frkf. Zig." von der Demisson de- gesammten spanischen Eaviuet- erweist sich als falsch. Veranlaßt wurde dieselbe, wie das Blatt sich selbst corrigirt, wahrscheinlich durch den Umstand, daß nach dem vorgestrigen Ministerrath auch nicht-liberale Personen, wie Elduayen, Silvela, Martinez Campo- u. A. zur Köniain-Regentiu be rufen wurden; da lag die Bermuthung nahe, das Cabinet Sagasta habe seine Demission aeaeben und die Königin-Regentin wolle mit den übrigen Partnhauptern wegen der Neubildung des Cabinet- in Berathuag trete». Dieser Schluß lag um so näher, al- eS bekannt war, daß die Mitglieder de» Cabinet- in Bezug auf die Haltung gegenüber den Bereinigten Staaten nicht gleicher Meinung waren; m-besondere wußte man, daß die Nachgiebigkeit Gagasta'S und Moret'S besonder- in der Waffeustillstand-frage von einigen Ministern, so namentlich vom Kriegs- und vom Marinemiuister, nicht gebilligt wurde. AehnlicheS wußte man von der liberalen Partei. Zu einer förmlichen MinisterkrisiS ist e- jedoch nicht gekommen. Nach zuverlässigen Nachrichten hat Sagasta da- Be- dürfniß gefühlt, m diesem kritischen Augenblicke seine Stellung nach allen Richtungen, sowohl nach oben wie nach unten, zu befestigen; er veranlaßte die Regentin, verschiedene Partei führer zu befrage», und dabei mag er ihr wohl auch die Demission de- Cabinet- angrbote» haben für den Fall, daß die liberalen Minister nicht ihr volle» Vertrauen besäßen. Die liberalen Autoritäten, die Präsidenten de» Senat- und der Kammer, sprachen sich natürlich für da- Verbleiben des liberalen Cabinet- au-, und da- Gleiche that der Marschall Martinez CampoS, der sich außerdem auch für die Militair-Dictatur zur Verfügung stellte. Weiter berichtet man uns über die Angelegenheit: * Madrid, 22. April. Die Königin-Regentin hatte eine Unterredung mit dem Admiral Lhacon, welcher die Ansicht aussprach, daß die Liberalen weiter die Geschäfte führe» müßten. Betreffs der spanischen Flotte äußerte sich der Admiral sehr zu- versichtlich. — Im Senat« gab der Präsident bekannt, daß morgen die Constitution erfolgt sein werde. In der Kammer wurde die Prüfung der Giltigkeit der Mandate fortgesetzt. * Madrid, 22. April. Die Königin-Regentin couferirt« heute früh mit verschiedene» Politikern, insbesondere mit General Weyler. Mau glaubt, daß die Regentin heute Abend ihr Der- trauen Sagasta aussprechen wird. Sagasta wird thun, was er kann, um alle jetzigen Minister zum verbleiben im Amte zu b e- wegen. Trotz gewisser Spannungen persönlicher Art ist rS möglich, daß alle Minister dem Wunsch« Sagasta's nachkommen werden. Mötzlich! Ausgeschlossen ist e- also immer noch nicht, daß eS wemtzstenS zu einer partiellen Krise kommt, ähnlich wie in Washington, wo außer dem Generalpostmeister Garn noch ein andere» für eine friedliche Politik eintretende» Mitglied de- Cabinet» hat demissiomren wollen, aber durch starken Druck von allen Seiten bewogen wurde, sein Portefeuille zu behalten. Wenn auch konservative spanische Notabilitätea sich für da» Verbleiben Sagasta'- ausgesprochen haben, so erklärt sich die» unschwer daraus, daß die conservative Partei froh ist, die Verantwortung für die sehr prekäre Lage nicht auf sich nehmen zu müssen. Die Stimmung in Madrid ist nach wie vor eine kriegerisch gehobene. Wir erhalten folgende Meldung: * Madrid, 22. April. Gestern Abend kam es zu neuen patriotischen Kundgebungen ia der Hauptstadt. Eia« zahl- reiche Menge, der eine Fahne vorangetragea wurde, zog vor die französisch« Botschaft, wo sie dem Botschafter «ine freundliche Kundgebung bereitete und ihn auf dem Balcou zu sehr« verlangte. Der Botschafter war indessen nicht zu Hause. Danach zog die Menge vor die Gebäude verschiedener ZeituugSredartionen. Gegen Mitternacht wurde» die Straßen von einer etwa 6000 Personen zählenden Menge, in der sviele Fahnen getragen wurden, durchzogen. Man rief begeistert: „Hoch Spanien! Wir wollen den Krieg! Nieder mit den danke«»!" Eine amerikanisch« Fahne wurde unter Beifallsrufen verbrannt. Sagasta wurde vor seiner Wohnung eine begeisterte Huldigung bereitet. Di« Menge wuchs im Laufe der Nacht stetig an, rS ereignete sich jedoch kei» Zwischenfall; die Polizei schritt »irgend ein. Donnernde Bivatrufe erschollen die ganze Nacht. Schon einmal hatte die Menge dem französischen Consul eine Ovation dargebracht. Da» erste Mal bat er sich nicht gezeigt, da» zweite MalZ tvar er nicht zu Hause, d. h-, er wollte nicht erscheinen. So deutlich auch Frankreich seine Sympathie für Spanien kundgegeben, so hat e» doch auch Niemanden darüber in Zweifel gelassen, daß e» mit den Vereinigten Staaten auf gutem Fuße zu bleiben gewillt ist und sich völlig neutral halten wird. Vom Kriegsschauplatz ist auch beute noch nicht viel zu berichten. In einer Proclamation Mac Kinley » wird die Blockade der Nordküste von Cuba zwischen Cardena und Bahia Honda, formendes Hafens Cienfuego» an der Süd küste bekannt gegeben. Auch ist die Blockade der Philippinen geplant. Wie un» aus Hongkong gemeldet wird, ist da» Kriegsschiff „Baltimore" dort eingetroffen und ist da» ganze amerikanische Geschwader bereit, in See zu gehen. Die Key-West-Flotte soll sich vorläufig auf die Blockirung Cuba» beschränken und die Feindseligkeiten nicht eher eröffnen, al» bi» die Militairbehörden bereit sind, eine Operations armee nach der Insel zu schicken, die unter der Deckung der Flotte landen soll. Sollten die Fort» von Havannah auf die Schiffe schießen, so würde das Feuer natürlich er widert werden. Dieser Fall kann sehr leicht eintreten. Depeschen auS Havannah melden nnS, daß die Armee und die Freiwilligen bereit seien, eine Einmischung der Vereinigten Staaten rurück- zuweisen, und daß, wenn die amerikanischen Schiffe sich zeigten, selbst unter dem Vorwande, aus Humanitäts-Rück sichten Lebensmittel zu senden, sie mit Kanonenschüssen empfangen werden würden. Wenn die „Centr. News" recht uuterricvtet sind, ist gestern von Key West der Dampfer ,SexaS" nach Cuba abgefahren; er hat über 1000 Tonnen Proviant für die ReconcentradoS an Bord^ außerdem Aerzte und Pflegerinnen, darunter eine reiche englische Dame, Fräulein Rotly. Der „Texas" fährt unter der Flagge des Rothen KreuzeS und ein Kriegsschiff begleitet ihn. Man darf also gespannt sein, ob die Spanier das Schiff gewähren lasten werden. Jedenfalls wird die Flagge des Rothen Kreuzes e» nicht schützen, wenn eS noch etwas Anderes vor hat, als Aerzte und Pflegerinnen zu landen. Ueber die Bewegungen der spanischen Flotte wird auch weiter strengstes Stillschweigen beobachtet. Nach den letzten Meldungen befanden sich die Seestreitkräfte Spaniens noch immer bei Cadix und den capverdischen Inseln und können demnach, selbst wenn sie zwischen heute und morgen in See stechen sollten, kaum vor vierzehn Tagen auf dem Schauplatz der bevorstehenden Kampfe erscheinen. Unterdessen kann vor Cuba schon Manches geschehen sein, vielleicht zu Ungunsten der Spanier. Allein mit der Eroberung eine» Hafen» und der Herstellung der Ver bindung mit den Insurgenten würde Cuba noch durch aus nicht in den Besitz der Amerikaner gelangen, denn eine Insel, deren Areal um ein Drittel größer ist als der Flächeninhalt de- Königreiche» Portutzal, läßt sich nicht in wenigen Tagen erobern. Wenn dann die spanische EScadre in den westindischen Gewässern erscheinen würde, dann wäre die amerikanische Flotte erst gezwungen, um die Herrschaft auf dem Meere zu kämpfen, und sie müßte, da sie während der Beschießung der Küstenplätze doch manche Havarie erlitten hätte, diesen Kampf unter wesentlich ungünstigeren Be dingungen mit den noch frischen spanischen Streitkräften wagen. Von dem AuSgange dieser Schlacht wird die Herrschaft in den westindischen Gewässern, also auch der Besitz von Cuba abhängen. Amerika muß Alles aufbieten, um die Insel, welche der Zankapfel in dem gegenwärtigen Streite ist, zu erobern, und Spanien darf kein Mittel unversucht lassen, um sich Cuba zu erhalten, da» seine strategische Basis in dem bevorstehenden Seekriege bildet. Eme offene Frage ist noch immer die der Kaperei. Zwar wurde von Washington aogekündigt, Mac Kinley werde eine Bestimmung erlassen, nach welcher neutrale- Gut selbst unter feindlicher und feindliche» Gut unter neutraler Flagge gedeckt sein sollte, aber obwohl der Krieg auSgehrochen ist, hat man noch nicht- von einer solchen Bekanntmachung gehört. Wie wir meldeten, hat ein amerikanisches Schiffein mit Holz beladenes spanische- bereit- aufgebracht. Man muß annehmen, daß eS die neutrale Flagge nicht gehißt hatte. Ueber diese erste KriegSthat sind die AankeeS voller Jubel, wie auS folgender Meldung hervorgeht: * Key West, 22. April. Di« „Nashville" schleppte heute Nachmittag die „Buenaventura" in den Hafen. Die Bewohner der Stadt zeigten große Begeisterung, stellten die Arbeit eisn und sammelten sich am Hafen, um da» aufgebrachte Schiff zu sehen. Die „Nashville" hatte zuerst einen blinden Schuß abgegeben. Al» ober die „Buenaventura" diese Mahnung nicht beachtete, feuerte die „Nashville" einen Sechspfünder ab. Die Mannschaft der „Buenaventura", 20 Mann au der Zahl, hat sich hierauf ergeben. Aber damit nicht genug! Wie der „Frkf. Ztg." aus Washington berichtet wird, nahmen in New Orleans die Hafenbehördeu 1000 Maulesel, die nach Havannah ver schifft werden sollten, als Contrebande fort, wobei der spanische Consul prötestirte, weil kein Krieg erklärt sei. Da» amerikanische Kriegsministerium braucht 4000 Maulesel, die zum Transport auf Cuba nöthig sind. Der gewöhnliche Preis ist ungefähr 320 allein eS konnten nur 600 Stück für 360 angekaust werden, während für die übrigen im Durch schnitt 600 und darüber verlangt wurden. Die Agenten der Regieruug suchten sich darauf diese nützlichen Thiere im Süden zu verschaffen — auf welche Weise, zeigt der in der Depesche gemeldete Vorgang. Jedenfalls muß die Frage de- Schutzes für fremdes auf dem Transport befindliches Gut balditzst geregelt werden. Ueber die dahin gehenden Bemühungen wird un- heute Folgendes berichtet: * London, 22. April. (Unterhaus.) Der Attorney-General Webster erklärt, soweit ihm bekannt sei, wäre zwischen den Unter zeichnern der Pariser SeerrchtS-Deelaration kein Abkommen getroffen worden, Kohlen oder Feuerung in flüssiger Form als Kriegscontrebande anzusehrn. Wenn eS aber KriegScontrebande sei, dann wäre es neutralen Schiffen vertragsmäßig nicht erlaubt, sie den zur See kriegführenden Parteien zu liefern. * Rom, 22. April. Fasel und Genossen stellten in der Depo- tirtenkammer die Anfrage an Visconti Benosta und Brin, welche Maßnahmen ergriffen seien, um die Freiheit des Handels und der Schifffahrt während des spanisch.amerika- Nischen EonflictrS zu sichern. * Rom, 22. April. Nach der „Jtalie" verlangt Spanien, Kohle solle nicht als Kriegs-Contrebande angesehen werden. Da» Blatt fügt hinzu, dieses Verlangen Spaniens könne eher gewährt werden, wenn es sich den Bestimmungen der Pariser Convention, betreffend das Seekrieqsrecht, anschlösse. Spanien hat ein besonderes Interesse an dieser Forderung, da, wie verlautet, die Versorgung der spanischen Schiffe mit Kohle noch eine durchweg mangelhafte sein soll. Mit diesem Rothstand rechnet auch Mc Kinley, der gestern eine Resolution des CongresseS unterzeichnet bat, welche die Au-fuhr von Kohle verbietet. Auf alle Fälle werden die neutralen Mächte gut daran thun, für maritime Vertretung ihrer Interessen in nächster Nähe des Kriegsschauplatzes zu sorgen. Die französische Regierung bat denn auch bereit- angeordnet, daß sofort nach der spanisch amerikanischen Kriegserklärung da- Nord-Geschwader in Dienst gestellt werde. DaS atlantische Geschwader soll während der Dauer der Feindseligkeiten sich beständig in der Nähe der Antillen aufhalten. Politische Tagesschau. * vet-rt-, 23. April. Ein Königreich für ein Schlagwort! AuS der Natur radicaler Parteien ergiebt sich, daß für sie eine zugkräftige Wahlparole Lebensbedingung ist. Der Mangel eines „zündenden" Schlagworte- ist gefährlicher für sie, als der erbittertste Gegner, denn er liefert sie dem schlimmsten Feinde auS: der Langweiligkeit. Seit Monaten bat daher die Laeialdemakratte mit der Laterne nach einem Schlagworte gesucht —aber vergeben». Manchmal schon glaubte ein besonders Heller Genosse der glückliche Finder zu sein, aber eS war immer nichts. Dce Partei hat keine» der künstlichen Schlagwörter acceptiren können, wie da» ja am Besten an dern langweiligen Wahlaufrufe hervorgeht. Jetzt ist e» da, das Langersehnte, die preußische Regierung hat e« geliefert, indem sie erklärte, über Beseitigung der Auswüchse der Freizügigkeit sich schlüssig machen zu wollen. ES jubelt der „Vorwärts": „Daß Freiherr von Hammerstein mit dieser letzten Absicht kurz vor den Wahlen so offen hrrauSrückte, dafür wird ihm die Social demokratie fehr dankbar sein. Der Schutz der von der Regierung bedrohten Freizügigkeit der Arbeiter wird für uuS «tue ebenso wirksame Wahlparole sein, wie der Schutz der von derselben Regierung bedrohten Koalitionsfreiheit." Und die „Sachs. Arbeiter-Ztg." geräth ganz au- dem Häuschen: „Ganz Deutschland eia Zuchthaus und ein Armeuhaus! Di« Arbeiter rechtlos und wrhrlo»! Di« Junker Herr«» des Landes. Da» ist das Programm der preußischen Regieruug. DaS> ist eS, worauf man im preußischen Landtag über- eingekommen ist!" Arbeiter — rechtlose Sclaveu; Wiederherstellung der Leibeigenschaft, der große Beute- und KaechtnugSzag gegen die deutschen Arbeiter; Arbeiter in Ketten und dahinter der Aufseher mit der Peitsche! Und zu welchem hriltgen Zweck? Um die Löhn« der freien Arbeiter herunterzufrtzen. „Schafft möglichst viel Gesetze — dann habt ihr viel Sträflinge — die Sträflinge verwendet ihr al» Arbeitsvieh — die freien Arbeiter werden rrwerbSloS — der Hunger treibt sie zu Strasvergehen — die Arbeitslosigkeit selbst ist ein Vergehen — so bekommt ihr viel Sträflinge — und die Straf- linge verwendet ihr als Arbeitsvieh — die Junker werden reich, und alle Arbeiter deS Landes sind Strafgefangene!" In dem Ton geht eS vier Spalten laug. Daß die bürgerlichen liberalen Parteien Ursache haben, sich gründlich mit dem preußischen Laudwirthschaft-mmister über daS, wa» er will, zu unterhalten, haben wir bereit- gestern betont, und wir wissen sehr wohl, daß die nationalliberale Partei zu allererst die Ver pflichtung hat, diese politische Frage gegenüber der wirthschaftlichen bisher Vominirenven ia den Vorder grund zu rücken. Aber wir sprechen der Social - demo kratie daS Recht ab, sich über die Erklärung des preußischen LandwirthschaftSministerS zu entrüsten. Dean die Zwangsansiedelung gehört ja zu dem Pro gramm der Socialdemokratie! Im social demokratischen Zukunftsstaate schickt der Staat jeden seiner Zugehörigen dahin, wo er gebraucht wird, in ihm ist ja der Einzelne rechtlos und wehrlos, ganz Deutschland «in Zucht- ^euiHeton» Der Lamps mit -em Schicksal. iss Roman von Hermann Heinrich. Nachdruck »erddtea. „Und Sie selbst, gnädige Frau, was halten Sie davon?" „Ich?" entgegnete die Baronin mit überlegenem Lächeln. „Sie werden e» sich selbst sagen, daß ein Mensch, der ein Werk unternimmt, wie ich, über seinem Stoff stehen, also voll ständig frei von jedem Aberglaubens sein muß. Für mich hat die ganze Sache nur wissenschaftliche Bedeutung." „Und wenn nun doch hier und da ein Orakelspruch in Er füllung zu gehen scheint?" „Go ist da» Zufall, reiner Zufall. Wa» z. B. hat Ihnen Frau v. Giorgewo geweiffagt?" „Ich möchte darauf nicht eingehen. Ich persönlich bin selbst verständlich auch frei von jedem Aberglauben. DaS habe ich da mals auch der Sibylle in nicht mißzuverstehender Weise klar gemacht. Sie wird an mich denken." Er erzählte in kurzen Worten die erregte Scene, die sich im Zimmer der Frau v. Giorgewo abgespielt hatte. Die Ba ronin hörte mit gespannter Aufmerksamkeit zu. „Dann find Sie wohl auch der junge Mann, der da» Falsi fikat ia die Taffe geworfen hat? ES waren zwanzig Mark, nicht wahr?" „woher wiffen Sie da»?' „Gie hat e» mir selbst erzählt, natürlich mit einem großen Aufwand« von Entrüstung. Der Hohn, der darin lag, hat fie auf da» Tiefste verwundet. Gie können von Glück sagen, daß sie nach kurzer Zeit schon der Polizei da« Feld raumen mußte. Sie ist sehr rachsüchtig, fie hätte sich schwer gerächt." „Aber woher wußte fie meinen Namen?" „Eie wußte ihn, fie mußte ihn durch «ine Unvorsichtigkeit Ihrerseits erfahren haben. Haben Sie vielleicht beim Herau»- nehmen der Börse einen Brief oder sonst ein Schriftstück herau»- geriffea?" „Oder ein« Visitenkarte — da» ist Wohl möglich. Ich trug st« ja stet» Ri mir. Nun, gnädige Frau, Ihr, Mittheilungen waren mir sehr interessant. Ich danke Ihnen dafür." Er erhob sich zum Abschiede. „Ja, höchst interessant, diese» Zusammentreffen! Was wird Ihr Vater dazu sagen?" „Mein Vater?" „Oder wünschen Sie die Mittheilungen vertraulich behandelt zu sehen?" „Wenn ich bitten darf —" „Selbstverständlich. Die Geschichte mit dem Goldstück, so harmlos sie gemeint war, könnte doch hier und da einer falschen Auffassung begegnen. Also lassen wir'» unter uns!" Sie ergriff Richard'» dargereichte Hand, hielt sie fest in der ihrigen und sah ihm ernsi und freundlich in die Augen. „Richard", sagte sie, „lassen Sie un» ganz aufrichtig sein! Wir werden sehr bald in da» nächste verwandtschaftliche Verhältniß zu einander treten. Da muß eS klar sein zwischen uns. Haben Gie irgmd welche Bedenken mit Bezug auf meine Person?" -Ich?" „Ja, Sie haben Bedenken", fuhr fie fest und mit scharfem Blick fort. „Und wenn nicht Ihretwegen, so doch wegen Der jenigen, die — Ihnen die Liebsten find." Sie fühlte da» Zucken von Richard'» Hand in der ihrigen. „Wie?" entgegnete er verwirrt. „Und die e» selbstverständlich auch sein und bleiben müssen." „Die Liebsten?" „Wa» kann Einem lieber sein, al» Diejenigen, deren Fleische» und Blute» wir find." Sin Blick voll Vertraulichkeit und Einverständniß begleitete diese Worte. „Ist Franzilka schon bei Ihnen gewesen?" fragte er. „Nein. Wollte fie kommen?" Richard erkannte, daß er sich selbst verrathen hatte. Aergerlich über seine Schwäche und die Ueberlegenheit der Ba ronin, riß er seine Hand au» der ihrigen und wandte sich ab. „Richard, seien Gie nicht thöricht! Für Denjenigen, der sehen kann, ist Ihr verhältniß zu Frau Ladewig, will sagen Frau Köhne, längst klar. Nur eine Frage beantworten Sie mir: Ist da» cknd legitim?" „Mr find in aller Form Verheirathel." „Da» ist mir lieb. Diese Verbindung soll unser Verhältniß nicht trüben. Ich hab« zu viel von der Welt gesehen und zu tiefe Menschenstudien gemacht, um daran Anstoß zu nehmen. Ihr Vater freilich denkt grundsätzlich anders darüber, und es dürfte nicht ganz ungefährlich sein, ihn jetzt schon zu unter richten. Aber geben Sie sich deshalb keiner Sorge hin. Das nehme ich auf mich. Sobald unsere Verbindung erfolgt ist, werde ich diese Sache zu Ihrer Zufriedenheit regeln. — Und nun, Richard, nehmen Sie es mir nicht übel, daß ich mich in Ihre intimsten Verhältnisse einzemischt habe. Es ist für eine zweite Frau ja nicht leicht, mit erwachsenen Stiefkindern fertig zu werden." Die letzten Worte waren wieder mit einer reizenden Schel merei gesprochen, so daß selbst über Richard'» tiefernste» Gesicht ein Lächeln ging. Er verabschiedete sich und fuhr gedankenvoll nach Hause. Sein Herz war ihm nicht leichter geworden. Die Mit theilungen über Frau v. Giorgewo genügten ihm nicht, vielmehr hatte er den Eindruck, al» ob die Baronin ihr wahres Verhältniß zur Sibylle verleugnete. In ihrer Person drohte ihm eine Ge fahr, dieser Eindruck hatte sich heute verstärkt und vertieft. Freilich war er in seinen Maßnahmen gebunden, die Baronin hielt ihm da» Gegengewicht, ja, sie hatte ihn in der Hand. Seinem unbewiesenen Verdacht stellte sie einfach die Thatsache seiner Berheirathung gegenüber. Die Art, wie sie sich diese» Geheimnisses bemächtigt hatte, und wie sie e» ihm gegenüber zur Geltung brachte, gefiel ihm trotz aller sonstigen HerzenSgüte der schönen Frau nicht. Er wollte auf der Hut sein, und Krahnepuhl durfte unter allen Umständen nicht verkauft werden. Al» er nach Hause kam, sah er seinen Vater mit einem Herrn umhergehen und eifrig sprechen, der sich schon durch sein Aenhere» als Makler kennzeichnete. Sie schätzten die Besitzung ab und verhandelten über den Verkauf. Noch einmal bat Richard den Vater flehentlich, Krahnepuhl nicht zu verkaufen — um sonst! Der Amttrath stand so sehr unter dem Einfluß der Baronin, daß er jeden Einspruch Richard'» schroff abwies. Bald wurde die Absicht de» Amtsraths auch in Brunow bekannt. Manche verwunderte Frage, manche» warnende Wort wurde an ihn gerichtet. Er aber hüllte sich in ein erhabene» Schweigen, da» große Dinge vermuthen und den AmtSrath in den Augen seiner Freunde noch bedeutender erscheinen ließ. „Er speculirt auf etwa» Große»", sagten fie, und fie trautm ihm von vorn herein zu, daß er sein Ziel erreichen werde. „Er ist doch ein Schwerenother, der Amtsrath von Krahnepuhl!" Die Baronin war wieder abgereist, nachdem sie ihren Bru- nower Freunden Besuche gemacht, ihre Gegenbesuche empfangen und Alle auf's Neue entzückt hatte. Da hieß e» eine» Tage»: „Knöterich ist mit seinen Genossen aus dem Gefängniß ent sprungen". Der mit der Bewachung der Gefangenen beauf tragte Polizeidiener hatte am Morgen das Nest leer gefunden und sofort festgestellt, daß der Ausbruch von außen ermöglicht war. Es mußte also eine fremde Hand dabei im Spiele ge wesen sein. Am Tage vor der Auslieferung der Gefangenen in das Kreisgefängniß zu Sandenburg hatten sie sich au» dem Staube gemacht. Das war für den Bürgermeister und die Polizei eine fatale Geschichte. Wenn man auch nicht daran zweifeln konnte, daß man der Entflohenen wieder habhaft werden würde, so wurde die gerichtliche Verhandlung doch bedeutend verzögert. Die Polizei war in voller Thätigkeit, aber ihre Be mühungen waren in den nächsten Tagen von keinem Erfolge gekrönt. Richard fühlte sich so beunruhigt, daß er eine» Nachmittags, mehr um seine Unruhe auszulaufen al» in ernster Absicht, sein Jagdcostum anzog, sein Gewehr auf die Schulter nahm und in die Feldmark hinauszog. Indem er gedankenvoll dahinschritt, stellte sich ihm plötzlich Knöterich entgegen. Hinter einem Baume am Saume de» Walde» hatte er Richard erwartet. Tödtlicher Haß flammte aus seinen Augen, und ein dicker Knüpvel in seiner Rechten erschien al» eine gefährliche Waffe. Erschrocken blieb Richard stehen; der Angreifer war dicht vor ihm, seine Augen leuchteten im Feuer de» Hasse» und der Verzweiflung. „Zurück!" rief Richard, indem er seine Waffe hob, aber rin mächtiger Schlag warf sie zur Seite. Noch ein Schlag, und der Schuß ging in die Erde. Im Augenblick erkannte Richard, daß e» sich hier um Lebrn und Tod handelte. Schnell entschlossen warf er die Flint«- bei Seite und stürzte sich auf den Angreifer. Er umklammerte seine Arme, damit er von dem Knüppel keinen Gebrauch machen konnte. Ein verzweifelte» Ringen begann. Richard war dem au»ae- hungerten Knöterich an Körperkraft überlegen, aber diesen be seelte der Muth der Verzweiflung. Wie eine wilde Katze stieß und biß er um sich. Seine Zähne gruben sich in Richard'» rechten Oberarm; von Schmerz gepeinigt, vermocht« dieser den
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