Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.04.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-04-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980425018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898042501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898042501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-04
- Tag1898-04-25
- Monat1898-04
- Jahr1898
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
VezttgsPreis Dl Hauptexpedition obet Vnt k» 8t«cht- iezirk und drn Vororten errichteten AuS- aabesteUen adzebolt: ÜerteljStztlich ^B4ckt(h >ri zweimaliger täglicher Zustellung ins Haut X 5.50. Durch die Post bezog,n für Deutschland und Oesterreich: vtertrljLdrltch S —. Direcl« tägliche Krruzbaudsenduag in» Aurland: monatlich ^l 7.SO. Die Morgen-NuSgab« erscheint um V,? Uh«, dir Abend-Nu-gabe Wochentag» um b Uhr. NeLartis« «n- Lr-e-itto»r Aoha«ne»«afie S. Di» Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geSffnrt von ftüh 8 bi» Abend» 7 Uh» Filiale«; ktta «lemm's Lortl«. lAlfrek -«Dali» universltStSstraße 8 (Paultnmn-, Lauts Lischt, «atbarinenstr. Ich Part, und K-uig-plutz D 2V5. Morgen-Ausgabe. MWMr.TagMalt Anzeiger. AttttsvM -es Königliche» Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Rathes und Polizei-Amtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-PreiS die 6 gespaltene Petitzeile SO Pfz. Reklamen unter dem Rrdaction-strich (4 g» spalten) 5O>^, vor den Familiennachrlchtea (Kgeipatten) 40/4- Trübere Schriften laut unserem Preis verzetchniß. Tabellarischer und Ztsselnsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit d»» Morgen-NuSgab», ohne Postbeförderung » 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Annahmeschluß M Anreizen: Ab end »Ausgabe: vormittag- 10 Uhr. Morge n-Au-gabe: Nachmittags 4 Uhr. Lei drn Filialen und Annahmestellen je ein, halbe Stund, früher. Anzeigen sind stet» an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Montag den 25. April 1898. 92. Jahrgang. Vereinsleben in Leipzig vor fünfzig Jahren. Bon Hermann Pilz. Nachdruck virbolrn. Leipzig hat immer etwas in dem Gerüche der Vereinsmeierei gestanden. Die Vereine wuchsen hier immer wie die Pilze aus der Erde und das Wort, daß drei Deutsche, wenn sie zusammen kommen, auch sofort einen Verein gründen, konnte ganz gut auf die Stadt Leipzig im Besonderen gemünzt werden. Eine besondere Physiognomie trug das Vereins leben in unserer Stadt aber vor fünfzig Jahren. Zu den zahlreichen Ballgesellschaften, Gesang-, Turn-, Lese-, Theatervereinen u. s. w. gesellten sich da die politischen Vereine, in denen in jener bewegten Zeit Uber das Wohl und Wehe des Vaterlandes mit Ernst und Begeisterung berathen, hin und wieder Wohl auch, wie aus manchen satirischen Blättern jener Zeit hervorgrht, etwas spießbürgerlich gekannegießert wurde. „Die Anzahl der geschlossenen Gesellschaften in Leipzig", klagt ein damaliger Schriftsteller, „ist Legion. Alles ist geschlossen. Die Buchdrucker, die Kaufmannsdiener, ja selbst die Schneider, haben ihre abgesonderten Eickel. Letztere sogar ihren eigenen Saal, in welchem sie jährlich eine ziemlich frequente und brillante Redoute halten." Viele dieser alten Vereine und Gesellschaften, ja die meisten, sind heutigen Tages kaum noch dem Namen nach bekannt, obwohl sie einst für die Ewigkeit gegründet schienen. Unter den gelehrten Vereinen werden damals genannt die deutsche, ökono mische, philologische, griechische, fürstlich Jablonowski'sche, naturforschende, histo- ri sch-theologische, kameralistische, exege tische, juristische, exegetisch-dogmatische, polytechnische, katechetisch - pädagogische, lateinische, medicinische, allo- und homöo- pathischeGesellschaft. Dos sind wenigstens die, welche im damaligen „privilegirten Adreßkalender" stehen. Die Deutsche Gesellschaft zur Erforschung vaterländischer Sprache und Alterthümer war am 23. December 1727 gegründet und hatte gegen 300 ein heimische und auswärtige Mitglieder. Die ökonomische Gesellschaft (Societät) gab einen „Volkskalender" heraus, in welchem namentlich die landwirthschaftlichen, Interessen wabr- genommen wurden. Die philologische Gesellschaft war von Christian Daniel Beck 1784 gestiftet worden. In der griechischen Gesellschaft präsidirte eine Zeit lang der berühmte Professor Gottfried Herrmann. Das sogenannte „Literarische Museum" war eine Vereinigung von Freunden politischer, literarischer und belle tristischer Lecture. Das Local befand sich im ersten Stockwerke eines Hauses dem Naschmarkte gegenüber. Unter den geselligen Vereinigungen steht die „Schützen- gesellschaft" obenan, die ihren Ursprung bekanntlich bis auf die Osterwoche des Jahres 1443 zurückführen kann. Seit dem 20. August 1834 war sie in das neue Heim, in dem sich jetzt der Krystall-Palast befindet, Ubergesiedclt, das sie aber schon 1847 wieder an den Bewirthschafter Hoffmann käuflich abtrat. Regierender Schützenhauptmann und amtsführender Vorsteher war damals Wilhelm Friedrich Kunze. Auf ein ehrwürdiges Alter blickte mit ihr schon damals die im Jahre 1624 gestiftete „FraternitätderNotareundLiteraten" zurück. Weiter tritt besonders die Gesellschaft „Sechszehner" her vor, welche im dreißigjährigen Kriege entstanden war und an fänglich nur einen Ausschuß der Bürgerschaft für Kriegsanliegen gebildet hatte. Daneben werden genannt die „Harmonie", die „Ressource", die „Societät", die Gesellschaft „Neunziger", die „Concordia", zwei „Er holungen",^ deren einer hauptsächlich die Gelehrtenwelt ver treten war, und der „Tunnel", der die Pflege des Humors hochhielt. Einzelne der Gesellschaften, wie z. B. Concordia und Tunnel, hielten im „Hotel de Pologne" vielbesuchte Bälle ab, die Concordia alljährlich in der Sylvesternacht. Im „Bürger verein" und dem von ihm gegebenen Bürgerball repräsentirte sich der wohlhabende Leipziger Bürgerstand. Unter den musikalischen Vereinen stehen damals obenan die „Singakademie" unter Leitung des Universitätsdirectors Pohlenz, der „Paulus" unter Leitung des Organisten der Paulinerkirche Geißler, der „Orpheus", die „Euterpe" u. s. w. Auch die Begründung de» „Zöllnervereins" unter den Männergesangvereinen fällt in diese Zeit. Der so genannte „Zöllner'sche Mittwochs-Verein" ging aus der zweiten Abteilung des Kunst- und Gewerbevereins hervor, deren Leitung Zöllner 1848 übernommen hatte. Bereits drei Jahre früher hatte Zöllner auch den „ Gesellenverein " in Leipig ins Leben gerufen. Ueber die politischen Vereine in Leipzig giebt eine kleine 1848 verfaßte Schrift: „Leipzigs Wühler und Wühlerinnen" von Franz Ulrich eine leicht orientirende tabellarische Uebersicht. Auf der äußersten Rechten stand der „Constitutionelle Verein", die ge mäßigte Rechte vertrat der „Deutsche Verein", das Centrum bildete der „Vaterlandsverein", die Linke bestand aus dem „Re publikanischen Club" und die äußerste Linke aus dem „Demo kratischen Verein" und dem „Socialen Club". Der „Deutsche Verein" versammelte sich im Odeon, Tivoli, Schützenhaus, auch im Hotel de Prusse. Im Mit- gliederverzeichniß finden wir Cichorius, Gerstäcker, den Ur. mocl. Göschen, Haubold, Haupt, Heiderich, Victor Jacoby, Jahn, Klee, Schletter, Volkmann und Wuttke. Der Letztere, der an Stelle Blum's nachmals in die deutsche Nationalversammlung eintrat, hielt zu gleicher Zeit, wie auch Jacoby, zum „Bert- ling'schen V a t e r l a n d s v e r e i n", in welchem Bert ling Obmann war. „Zum Bertling'schen Vaterlandsverein" gehörten unter Anderen Cramer, der Herausgeber der „Vater landsblätter", Christoph, der Mitbegründer des „S t ä d t i s ch e n Comitßs" gegenüber dem „Städtischen Verein", Prof. Ur. Flathe, der im Odeon eine vielbesprochene Rede auf Robert Blum's Tod hielt, Ur. A. Kaiser, der Redacteur der „Leipziger Allgemeinen Zeitung", Ur. Reclam, Ur. Rüder, der nachmalige Polizeidirector Leipzigs, Vieweg, der Leiter des „G e s e l l e n - B i l du n g s v e r e i n s" u. s. w. Die rede begabtesten Mitglieder wies der „Jäkel'sche Vater landsverein" auf, der auch die meisten Mitglieder zählte. Die Trauerfeier zum Tode Blum's hielten übrigens beide Vereine in gemeinschaftlicher Sitzung ab. Zu den hervor ragendsten Mitgliedern des Jäkel'schen Vereins gehörten Karl Albrecht, der mit Semmig und Welker den „Demokratischen Verein" und den „Demokratischen Turnverein", dessen Präsident er längere Zeit war, gründete. Ferner finden wir hier Robert Bindner, den Herausgeber des berüchtigten „Reibeisens", Fer dinand Götz, den Dichter Theodor Oelckers, Arnold Rüge, Her man Semmig, der zugleich Präsident des „Demokratischen Vereins" und des „Volksclubs" war, den Prediger und nach maligen Schuldirector Moritz Zille u. s. w. Zum Ehrenmitglied hatte der Verein Robert Blum ernannt. Da die genannten Vereine sich nicht nur gegenseitig, sondern ihre Mitglieder sich auch unter einander vielfach befehdeten, kam cs zu mannigfachen Spaltungen und Absonderungen. Nament lich hatte Wuttke in dieser Hinsicht schwere Kämpfe zu bestehen, der sich den radikalen Ideen Oelcker's, Binder S, Jäkel'S, Albrecht's, Götz' u. s. w. widersetzte. Das führte zur Be gründung des „Republikanischen Clubs", dem außer den Genannten noch Hans von Streit, mit Oelcker Redacteur des „Republikaner", der Dichter Julius Schanz, bekannt ge worden durch sein „Heckerlied", und Andere angehörten. Noch weiter links stand der „Demokratische Verei n", zu dem außer Semmig, Albrecht, Schanz, Götz noch der Arbeiter Born, Herausgeber der „Verbrüderung", der Präsident des „Demo kratischen Turnvereins", Kindermann, gehörten, und der „Sociale Club", in welchem der eben genannte Kindermann eben falls Obmann war und in welchem auch das weibliche Geschlecht durch Louise Krell vertreten wurde. Hatte der „Demokratische Verein" gleich dem „Republikanischen Club" den excentrischen Hecker zum Ehrenmitglied ernannt, so gehörten zum „Socialen Club" als solche Cabet, L. Blanc, Proudhon und Marx. Aus den verschiedensten Elementen setzte sich augenscheinlich der „Arbeiterverein" zusammen, in dem wir vr. Victor Jacoby, den langjährigen, nationalökonomischen Docenten un serer Universität, dem „Reibeisen"-Binder, Herzog, den Obmann der Cigarrenarbeiter, den eine eminente Redegewandtheit aus zeichnete, und Anderen aus den „Vaterlands-Vereinen" wieder begegnen. Dem „Constitutionellen Verein", der mit der Regierung ging, gehörten der im „Reibeisen" viel angefeindete Conditor Frische, der Buchhändler T. O. Weigel, Kaufmann Brunner, Baumeister Mothes, Stadtrath Fleischer u. s. w. nach dem Mitgliederverzeichniß an. Daß das weibliche Geschlecht ebenfalls vereinswüthig war, beweist die Existenz eines „Vereines der Dienst mädchen", der unter Herrn de Marle's Auspicien stand und dessen Präsidentin Auguste Schrödter war, die bei Ge legenheit des beabsichtigten Freischaarenzuges nach Berlin im damaligen „Odeon" als Rednerin auftrat und tn der Mit arbeiterin am „Reibeisen", Cäcilie SImonson, eine Gesinnungs genossin fand. Ulrich führt außer diesen Vereinen noch ver schiedene andere auf, welche mehr in der Stille blühten. So den „C l u b z u m t r e u e n R o b e r t", den „ V o l k s c l u b ", „Die stille Stunde", „ Die Unbedingten ", den „Bund der Gerechtigkeit", die „^ssooiationv äal Llorts", der Club „Zum Prinzen von Preußen" u. s. w. Man sieht, an Vielseitigkeit fehlte es dem Vereinsleben, und insbesondere dem politischen Vereinsleben, nicht. Bei der beständigen Erregung der Gemiither, welche damals herrschte, war es natürlich, daß es auch innerhalb der Vereine zu heftigen Fehden kam, die fortgesetzte Neubildungen von politischen Clubs im Gefolge hatten. Heute sind ihre Namen schon der Vergessenheit anheimgefallen. Die konstitutio nellen Verfassungen nahmen ihren Bestrebungen den Boden unter den Füßen weg. Zur Eröffnung der Handelshochschule. «.Heute Vormittag 11H wird in der Aula unserer Univer sität die neue Handelshochschule feierlich eröffnet werden. Wir haben unsere Leser über die einzelnen Vorbereitungsstadien zur Begründung und Organisation der Anstalt fortwährend auf dem Laufenden erhallen, so daß wir heute auf nähere Details nicht einzugehen brauchen. Unsere Leser wissen, daß die Handels hochschule begründet wurde, einmal um einem vielfach und seit längerer Zeit gehegten Wunsch der Kaufmannschaft nach einer vertieften wissenschaftlichen und fachlichen Ausbildung ihrer Standesgenossen nachzukommen, sodann um eine geeignete Stätte zur Heranbildung von Handelslehrern zu gewinnen. Das Ver langen ist namentlich auf dem letzten Congreh des deutschen Ver bandes für das kaufmännische Unterrichtswesen, welcher im »origen Jahre v»m 10.—13. Juni in unseren Mauern tagte, auf Grund der eingehenden Referate von Ehrenberg und Som bart in nahezu einhellig gefaßter Resolution zum Ausdruck ge bracht worden. Wenn nun die Handelskammer zu Leipzig auf Grund des von Prof. Raydt entworfenen, zunächst mit ver schiedenen Lehrern der Oeffentlichen Handelslehranstalt be- rathenen Planes sich sofort mit der hiesigen Universität in Ver bindung setzte, diese in zuvorkommendster Weise auf die Sache näher einging und durch hervorragende Mitglieder an der Or ganisationsarbeit Theil nahm, wenn ferner die königliche Staats regierung alle Formalien rasch erledigte und das Ministerium des Innern sowie unsere Stadtgemeinde — zunächst für die Dauer von zwei Jahren, für welche Zeit auch die Handelskammer die finanzielle Garantie übernommen hat — namhafte Sub ventionen gewährten, so daß durch das einmüthige Zusammen wirken aller dieser Kräfte in weniger als einem Jahre die Vor bereitungsarbeit bewältigt wurde und heute die Anstalt ins Leben treten kann, so ist das ein schönes Zeugniß von dem guten Willen, dem idealen Streben und der Opferbereitschaft aller bei der Gründung und Erhaltung der neuen Hochschule Betheiligten, insbesondere unserer Handelskammer. Und so können wir mit Recht wieder einmal auf unsere Stadt stolz sein, in deren Mauern die erste Handelshochschule Deutschlands erstanden ist, und wenn der Versuch gelingt, woran kaum zu zweifeln ist, so kann unsere Handelskammer das Verdienst für sich in Anspruch nehmen, daß sie in dieser für den ganzen Kaufmannsstand wichtigen Frage die Führerrolle übernommen hat. Man kann auch wohl ohne Uebertreibung behaupten, daß keine andere Stadt im deutschen Reiche für eine Handelshochschule so günstige Be dingungen bietet, wie unser Leipzig. Von seiner centralen Lage und seiner geschichtlichen und actuellen Bedeutung als Handels stadt und als Mittelpunkt des deutschen Buchhandels ganz ab gesehen, hat keine andere Stadt die Verbindung zweier Factoren aufzuweifen, auf deren Schultern die Handelshochschule zunächst aufgebaut ist; das ist einmal unsere berühmte Universität mit ihren ausgezeichneten Lehrkräften, zum andern aber unsere alt bewährte Oeffentliche Handelslehranstalt, die für kaufmännische Ucbungen und für ein Seminar zur Ausbildung von Handels - lehrern sofort die geeignetsten Einrichtungen mit tüchtigen Lehr kräften darbietet. Dadurch ist es auch möglich geworden, die Handelshochschule unter Anlehnung an diese bewährten Jnsti tutionen ohne allzugroße finanzielle Opfer ins Leben zu rufen. Die Entscheidung, ob diese Verbindung auf die Dauer aufrecht erhalten werden kann, oder ob die Handelshochschule sich auch in Bezug auf ihre Lehrthätigleit zu einer vollständig selbstständigen Anstalt ausbaut, kann man getrost der Zukunft überlassen. Wohl wissen wir, daß man in einzelnen Kreisen der Kauf mannswelt der neuen Schöpfung mit Zweifeln oder Mißtrauen gegenübersteht. Man sagt, daß allzu viel theoretische und gar eine akademische Ausbildung für den Kaufmann nutzlos oder schädlich sei, und daß der tüchtigste Kaufmann sein Wissen und Können aus der praktischen Erfahrung schöpfe. Das ist aber doch nur mit gewissen Einschränkungen wahr und ist eS heute lange nicht mehr so wie früher. Und auch hier gilt der Grundsatz: Eines schickt sich nicht für Alle. Auf dem oben er wähnten Kongreß ist mit Recht hervorgehoben worden, daß bei der heutigen Ausdehnung des Welthandels und der vielen Komplikationen des Exportverkehrs der Großkaufmann eine ganz andere Uebersicht der Verhältnisse haben müsse als früher, und daß auch die sociale Stellung des ganzen Standes unter dem Mangel der Möglichkeit einer die höchsten Anforderungen befriedigenden theoretischen Ausbildung zu leiden habe. Und wenn es auch nur verhältnißmäßig Wenige sind, die sich den Luxus einer abgeschlossenen akademischen Bildung gestatten können, so wird dies doch auf die sociale Hebung des ganzen Standes den günstigsten Einfluß üben. Unter diesen Gesichts puncten ist es auch erklärlich, daß die Handelshochschulbewegung eine so große Ausdehnung gewonnen hat, und daß man jetzt allerwärts Anstrengungen zur Begründung von Handelshoch schulen macht. So haben wir erst vor Kurzem gelesen, daß im Herbst d. I. in Wien im Anschluß an das k. k. Handels museum eine Hochschule unter dem Namen einer „Export- und Colonialakademie" eröffnet werden soll. So viel sich bis jetzt übersehen läßt, können die Begründer unserer Handelshochschule mit dem ersten Erfolge sehr zufrieden sein, indem die An meldungen weit die Zahl übertroffen haben, die man dem Plan» zu Grunde legte. Hoffen wir, daß auch die Leistungen der Hochschule den Erwartungen entsprechen, und daß der Eifer unter den Studirenden, von dem Gebotenen den rechten Gebrauch zu machen, dem Enthusiasmus gleichkommt, den die Begründung der Anstalt in einem großen Theile der Kaufmannswelt hervor gerufen hat. In diesem Sinne bringen wir der ersten kauf männischen Hochschule unseres deutschen Vaterlandes unseren Glückwunsch dar; möge sie zum Segen unserer Stadt, unseres Landes und des gesammten Handelsstandes blühen, wachsen und gedeihen. Generalversammlung des Vereins für Volkskindergärten. 8z?. Leipzta, 22. April. Am Mittwoch, 20. April, hielt d«r Verein für Volkskindcrgärten, der nunmehr schon 27 Jahre besteht, seine diesjährige Generalversammlung ab. Nus dem Berichte deS Vorsitzenden, Director vr. Jahn, entnehmen wir, daß der erste Kindergarten des Vereins (Braustraße 17 im eigenen Hause) von 203 Kindern besucht war, durchschnittlich von 100. Den besten Besuch weisen die Monate November und December aus, den schwächsten der August. In diesem Kindergarten wirken drei Kindergärtnerinnen. Der zweite Kindergarten des Vereins, Ostern 1897 gegründet, hat in der VI. Bürgerschule (Arndlstraße 60) Wohnung gefunden. Er wurde das Jahr über von 98 Kindern besucht, durchschnittlich von 50. An ihm wirkt nur eine Kindergärtnerin. Beide Kindergärten hielten gemeinschaftlich im Tivoli ein Sommer fest ab. Auch eine Weihnachtsfeier wurde veranstaltet, und zwar am 23. December. Nm 15. April 1898 wurde ein dritter Kindergarten eröffnet. Derselbe ist untergebracht in der kleinen Turnhalle der 23. Bezirksschule (Weißenfelser Straße 13). Eröffnet wurde dieser Kindergarten mit 52 Kindern, 50 weitere mußten wegen Mangels an Platz zurückgewiesen werden. Zur Er richtung der beiden letzten Kindergärten hat der Rath der Stadt je 500 .^l bewilligt und durch diese wohlwollende Zuwendung den Verein z»m größten Danke verpflichtet. Der Verein hat für die unmittelbare Beaufsichtigung der Kindergärten eine eigene päda- gogische Sektion, die diesmal neu gebildet wurde und nunmehr auS den Herren: Director Or. Jahn, Director Lehmann, Professor Lung- Witz, Director Neidhardt und Direktor vr. Wildfeuer besteht. Ten Feuilleton. Julius Groffe. 8» seinrm fle»rt«sten GeturtStage, am 25. April. Bon Adolf Bartel». Jede Zeit, man kann vielleicht bestimmter jede Generation sagen, hat ihren besonderen Dichter-Typus und demgemäß auch ihr besondere» Dichter-Ideal, und, wie alter Erfahrung gemäß Väter und Söhne überhaupt, Pflegen gerade die zweier auf einanderfolgender Geschlechter fehr stark voneinander abzuweichrn. S» ist nicht immer ganz leicht, den Dichter-Typu» einer Zett genau zu charakterisiren, doch läßt er sich in der Regel an einen ausgeprägten Beruf»- oder Gesellschaftscharatter an schließen und dadurch andeutungsweise klar machen. So steckt in dem romantischen Dichter zu Anfang unsere» Jahrhunderts nebenbei so etwa» wie ein hochgebildeter ritterlicher Officier — nicht blo» FouquS, der r» wirklich war, auch Tieck, Kleist, Achim von Arnim, Schenkendorf, Eichendorff, und selbst noch Karl Jmmermann zeigen e» ganz deutlich. Die Jungdeutschrn sind dann durchweg etwas blasirte Salonmenschen oder möchten eS doch sein, einerlei, ob sie wie Pückler-MuSkau, A. v. Sternberg u. s. w. di» aristokratische, oder wie Gutzkow, Laube, Th. Mundt die demokratisch« Tendenz verfolgen. Dagegen erscheinen die Münchener, so harmlos ihre Poesie gegen die revolutionaire oder doch radikale Jungdeutschen erscheint, al» freiheitistolze Künstler, und sie nehmen auch in ihrem äußeren Auftreten von den Jüngern der bildenden Kunst sehr Viele» an. Die Mo dernen endlich sind mehr oder minder alle auch Socialpolitiker, die die Gesellschaft reformiren wollen, und Manche kommen im Charakter den Kathedersocialisten sehr nahe. Man sieht, gerade die aufeinanderfolgenden Typen sind die verschiedensten, und so begreift es sich, daß der Kampf zwischen zwei zusammenstoßenden Generationen oft sehr heftig wird. Der heftigste dieses Jayr- hunderts ist wohl der letzte, der zwischen den Münchener „Künstlern" und den modernen „socialen" Dichtern gewesen; er ist heute noch nicht ganz zu Ende und hat einstweilen eine fehr ungerechte Beurtheilung der Münchener Dichter bewirkt. Man muß dies vorausschicken, wenn man eine gerechte Wür digung Julius Grosse's, die nun, da er siebzig Jahre alt wird, wohl an der Zeit ist, anstrebt. Grosse ist ein echter Münchener, so echt, daß er sogar lange Zeit zwischen der Dichtung uitd ber bildenden Kunst, die für die Anderen doch nur Anregung zu einem Cultus der Schönheit war, hin und her geschwankt hat, seine Kunst ist wesentlich als Phantasiekunst aufzufasien — die jüngere Generation sowohl der Schaffenden und Genießenden aber ist trotz des Symbolismus hauptsächlich auf Wirklichkeits kunst eingerichtet und gestimmt, und so erscheint denn die Brücke zu dem älteren Dichter fast ganz abgebrochen. Er hat aber auch bei der älteren Generation aus mancherlei Ursachen schon nicht die Anerkennung gefunden, die er wirklich verdient — vielleicht darf man einfach sagen, er hatte wenig Glück; um so mehr ist eS daher Pflicht, sein Schaffen jetzt eingehender zu betrachten. Auch bei Julius Grosse ist es nicht leicht; denn er hat wohl an sechzig Bände geschrieben, und eine Gefammtausgabe seiner Werke oder auch nur eine das Beste vereinigende Auswahl existirt noch nicht. Zur Veranstaltung der Auswahl möchte ich hiermit die Anregung geben; e» dürfte sich am Ende doch ein Verleger finden, der sich sagte, daß die Ueberschätzung der Münchener Dichter nicht mehr sehr lange dauern kann, und daß der Dritte tm Lunde von Geibrl und Heyse doch immerhin schätz bar« dichterische Eig»nschaft»n besitzen muß. Erfolge wie die beiden Dichtergenosscn hat er ja freilich nie gehabt, aber es hat doch einmal eine Zeit gegeben, wo das „Mädchen von Capri" als eine der besten epischen Dichtungen feit den Tagen der Classik begrüßt wurde, wo fast alle ersten Zeitschriften Deutschlands Romane und Novellen Grosse's brachten, und man diese auch gern las, wo der „Tiberius" über die meisten großen deutschen Bühnen ging; es giebt noch heute engere Kreise, in denen man die Lyrik Grosse's über die Geibel's und Heyse's stellt, weil sie elementarer sei. So ist der Dichter doch nicht ohne Wirkung geblieben, und eine Auswahl seiner besten Werke würde diese ohne Zweifel nach vielen Richtungen stärken und sichern. Fragte man mich aber, was diese Auswahl enthalten solle, so würde ich antworten: Alles Lyrische, eine größere Zahl erzählender Dich tungen, vier oder fünf Dramen, zwei oder drei Romane, eine Anzahl Novellen, die Selbstbiographie, endlich auch die wich tigsten Kritiken Grosse's, die er sozusagen im Dienste der Münchener Dichterschule geschrieben, und die für deren Geschichte wichtig sind. Einzelne lyrische Gedichte von Julius Grosse findet man in allen Anthologien, merkt auch Wohl, daß sic einen eigenen Ton und Klang besitzen, aber zu tieferem Eindringen in die Eigenart des Dichters fühlt man sich bei der Gleichgiltigkeit, die in breiteren Kreisen gegen die Lyrik immer noch herrscht, doch nur selten veranlaßt. Thun dies doch nicht einmal die deutschen Literaturgeschichtsschreiber, denen es doch von Amts wegen zukommt! Wenigstens finde ich in der vielvrrbreiteten Literaturgeschichte von Otto von Leixner nicht eine Zeile über den Lyriker Grosse, und mit Phrasen, wie „daß er viel Schönes innerhalb der hergebrachten Anschauungen geschaffen", wird man ihm doch auch schwerlich gerecht. Die Wahrheit ist, daß Julius Grosse unter das Dutzend der besten Lyriker gehört, die seit dem Ende der fünfziger Jahre hervorgetreten sind, daß er zwar nicht mit Storm und Keller, aber sicherlich mit Heyfe und Jensen rivalisiren kann, und so beliebte Poeten wie Emil Rittershaus und Rudolf Baumbach unendlich weit übertrifft. Er ist ein urechter Lyriker, bei dem von einem Ueberschuß der Form über die Empfindung — so hat man wohl geredet — gar nicht die Rede sein kann, im Gegentheil, sehr oft reißt ihn die Empfindung, die bilderschwere Phantasie fort, nicht gerade auf Kosten der äußeren Form, denn er ist ein großer Formbeherrscher wie alle Münchener, aber auf Kosten der Klarheit und Anschaulichkeit. So ist die sprachliche Pracht seiner Verse zu erklären, nicht etwa durch bewußtes Streben nach Schönheiten, wie es den Eklektikern eigen. Wo aber die Empfindung im Ausdrucke die Grenzen nicht überschreitet, oder wo ein stärkerer Schwung durch die Art des Gefühls angebracht ist, da leistete Grosse stets Schönes und Großes, seine Lyrik bände — es kommt vor Allem der durch Paul Heyfe 1882 zu- sammcngestellte (Berlin, Grote) in Betracht — sind reich daran. Daß die Anerkennung Grosse's als Lyriker — auch einzelne Ro manzen und Balladen von ihm sind bedeutend — nicht mehr lange auf sich warten lassen wird, davon bin ich fest überzeugt. Als epischer Dichter Hai er immer schon gegolten, Adolf Stern, bei dem man ja sicher ist, daß er das, was er lobt, auch wirklich kennt, hebt das „Mädchen von Capri", „Gundel vom Königsee", „Der graue Zelter", „Des Ketzers Beichte" und „Abul Kazims Seelenwanderung" hervor, Leixner dazu noch die „Sphinx". Das sind auch wohl die besten Stücke; die größeren humoristischen Epen „Pesach Pardel" und „Der Wasunger Noth" will ich selber nicht gerade loben, obschon sie doch trefflich glückliche Griffe sind. Wie gesagt, Grosse's Kunst ist wesentlich Phantasiekunst, und da kommt cs wohl öfter vor, daß er das, was seine lebhafte Phantasie irgendwie anregt, ohne Weiteres der dichterischen Gestaltung würdig »rächtet und bei der glück»
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite