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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.04.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-04-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980426029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898042602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898042602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-04
- Tag1898-04-26
- Monat1898-04
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Die Morgeu-Au-gabe erscheint nm '/,7 Uhr, di« Sbeud-AuSgabe Wochentag» nm b Uhr. Ne-action uu- ErpeLitto«: AohanneSgasse 8. Die Exvedttion ist Wochentag« ununterbrochen ßrSffhet von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Filiale«: vtt» Klemm'» Eortt«. iAlired Hahn), UniversitätSsttatze 3 (Pauliuum), Laut» Lösche, Lathariuenstr. pari, und «SnigrplU, 7. VezugS'PreiS L her Hauptexpedilto» oder den tm Stadt, bejirt und den Lororteu errichteten Au»- aabestelle» ab geholt: vierteljährlich ^»4.50. vei zweimaliger täglicher Zustellung iu» Hau» 5.S0. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vtertestährlich ^l S.—. Lirecrr tägliche Ikreuzbandienduoa In» An«land: monatlich 7.S0. Abend-Ausgabe. MpMcr TagMalt Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Nathes und Notizei-Amtes der Stadt Leipzig. «»zetgeu'Prei- - Hie SgespaUene Petitzeile 20 Pf^ Mitlame, nnter dem RedactiouSstrich (»am spalten) b0>^, vor den Familtennachrtchu» (6 gespalten) '40 ^z. Größere Schriften laut unserem Prei». vrrzrichatß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höhere« Tarif. Extra »Beilagen (gefalzt), aar mit dm Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderun^' 60.—, mrt Postbefördrrung ^l 7V.—. Aunahmeschluß für Anzeigen: Abeud-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Dslorge n-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Sri den Filiale» und Annahmestelle» je ein« halbe Stunde früher. Anzeige» find stet« au die Erpe-itio» zu richten. Lrack o»L Verlag vo» E. Volz ta Leipzig M. Dienstag den 26. April 1898. 82. Jahrgang. Der Krieg um Cuba. -(> Man weiß, daß während der ganzen über Iabr und Tag währenden „Pacisication" Cubas durch die Spanier auf den gesammten Nachrichtendienst sehr wenig Verlaß war. Die Meldungen stammten entweder auS spanischer oder aus amerikanischer Quelle und waren demgemäß gefärbt und zurecht gemacht, so daß sie sich vielfach direct widersprachen. Einer spanischen Siegesmeldung pflegte direct die Nachricht von der Niederlage der Spanier auf dem Fuße zu folgen. Wenn man in Madrid Erfolge brauchte, waren sie da und daS Gleiche konnte man auch auf der anderen Seite bemerken. Dieses Spiel wird jetzt von Neuem beginnen. Eine Probe davon liegt heute schon vor. Aus Havannah wurde gemeldet, die Spanier hätten die vor Cuba liegende Blockadeflotte beschossen, ohne indessen den geringsten Erfolg zu erzielen. Jetzt meldet man uns aus Madrid unterm 25. April: „Ent gegen den von amerikanischer Seite verbreiteten Be richten wird hier festgestcllt, daß die Forts von Havannah kein Feuer auf das amerikanische Geschwader gegeben haben, denn letzteres sei niemals auf Kanonenschuß weite berangekommen." Nun liegt uns weiter die Nachricht aus Key-West vom gleichen Datum vor, daß, während das amerikanische Torpedoboot „Fvote" im Hafen von Matanzas (Cuba) Messungen vornahm, von einer maskirten spanischen Batterie drei Schüsse auf dasselbe abgegeben worden seien, welche aber alle daS Ziel weit fehlten. Man wird ab warten müssen, was der spanische Telegraph dazu sagt. Heute Morgen ging uns die Drabtmeldung aus New Jork zu, daß nach einer Nachricht des „New Aork Herald" aus Tampa zufolge dasKabel zehn Meilen von Havannah abgeschniiten worden sei und das südliche Ende desselben sich nunmehr am Bord der „Mangrove" befände, welche als Kabelschiff aus gerüstet sei. Hinzugefügt wurde, in Key-West werde sehr strenge Censur ausgeübt und es seien Befehle erlassen worden, die den Zeitungen gehörigen Fahrzeuge daran zu verhindern, daß sie der Flotte folgen. Gegen Mittag jedoch langten folgende Berichtigungen ein: * Washington, 25. April. Hier ist nichts davon bekannt, daß das Kabel von Key-West nach Cuba durchschnitten sei. Es wird ausdrücklich darauf hingemiesen, daß die Vereinigten Staaten die Convention unterzeichnet haben, durch welche der Schutz der Kabel in Kriegszeiten garautirt wird. * Madrid, 25. April. Die Amerikaner haben das Kabel zwischen Havannah und Key-West noch nicht durchschnitten, sie halten aber chissrirte Depeschen, oder solche, welche vom Kriege sprechen, an. Tie Depeschen aus Havannah treffen jetzt über Halifax, Bermuda und Jamaica ein, ohne das Gebiet der Ber einigten Staaten zu berühren. So ist unbestritten bis jetzt weiter nichts geschehen, als daß vor Cuba eine amerikanische Blockadeflottc erschienen ist, die, vielleicht in der Einsicht, daß sie doch ihren Zweck nicht in erwünschtem Maße zu erfüllen vermag, dem Sport, fremde Schiffe zu verfolgen, sich mit „Erregung und Kamps begier" hingiebt. Die Blockade umfaßt an der Nordküste eine Strecke von etwa 200 km. Die hauptsächlichsten Häsen sind CürdenaS (17 500 Einwohner), Matanzas (87 000 Einwohner) und die Hauptstadt Havannah (200 000); CienfuegoS zählt etwa 60 000 Bewohner-! Der westliche Theil der Insel dürfte zur Blockade ausgewählt sein, weil er die Hauptstadt enthält und noch ganz nn Besitz der Spanier ist, während im Osten die Aufständischen, die natürlichen Bundesgenossen der Amerikaner, ziemlich unumschränkt Herren sein sollen; weil es ferner das Bestreben der Amerikaner sein muß, der spanischen Flotte, die vom Mutterlande zu erwarten ist, den Weg nach dem westlichen Theil der Insel zu verlegen. Eine Blockade ist für die ausübende Flotte eine Geduldprobe und ein Prüfstein auf ihre Tüchtigkeit, denn der durch das ewige Einerlei ermüdende und durch die angestrengte Wachsamkeit, die er Tag und Nacht erfordert, aufreibende Dienst setzt eine vortreffliche Ausbildung und eiserne Discipiin voraus. Die Erfahrung lehrt, daß cs für schnelle Schiffe nicht allzu schwer ist, unter dem Schutze der Nacht die Blockade zu durchbrechen und die Blockadcschiffe besonders durch Torpedo-Angriffe zu ermüden. Nach Telegrammen aus spanischer Quelle sollen thatsächlich Nachts Schiffe aus Havannah ausgelaufen und durchgeschlüpft sein. Die spanischen Schiffe werden die Aufgabe haben, den Amerikanern nicht Ruhe und Rast zu gönnen, sic zur Aufbietung immer größerer Kräfte zu zwingen, um die Aufrechterhaltung der Blockade zu ermöglichen, und vor allen Dingen zu suchen, die ab geschnittene Verbindung mit dem Mutterlands wieder her zustellen. Der schwache Punct der Vertheidigung Cubas ist die Verproviantirung; es sollen dort nur 80000 Tonnen Kohle, noch dazu in verschiedenen Häfen verstreut, lagern, auch sollen nur für sechs Monate Lebensmittel vorhanden sein. Die Insel selbst aber erzeugt kein Getreide und ihren Viehbestand bezog sie aus Texas. Deshalb muß die erste Sorge der spanischen Heeresleitung sein, für Verprovian tirung der Insel zu sorgen. Gelingt ihr das, so braucht Marschall Blanco den drohenden Landkrieg gegen die Ameri kaner nicht allzusehr zu fürchten, da die spanischen Soldaten an das Klima gewöhnt sind, aber die Voraussetzung ist, daß die Spanier, trotz ihrer bekannten Anspruchslosigkeit, genug haben, um leben zu können. Den Mangel an Kriegsthaten suchen die kriegführenden Parteien unterdessen mit Resolutionen und Kundgebungen zu ersetzen. So hat der Präsident Mac Kinley nunmehr eine Resolution unterzeichnet, welche die bisher fehlende formelle Kriegserklärung enthält und wieder eine selbstbewußte Botschaft erlassen. Man berichtet uns darüber: * Washington, 25. April. Die Botschaft des Präsidenten Mac Kinley an den Congreß nimmt zunächst Bezug auf die Re solutionen des Congresses und das an Spanien gerichtete Ulti- matum und weist sodann auf die von dem spanischen Minister des Aeußern, Gullon, am 21. April an den amerikanischen Ge sandten Woodford gerichtete Note hin, durch welche die diploma tischen Beziehungen abgebrochen wurden. Die Botschaft führt sodann aus: Diese Note zeigt, daß Spanien, nachdem es von den Re solutionen des Congresses und der Action Kenntniß hatte, welche der Präsident zu unternehmen ermächtigt worden war, damit erwiderte, daß es die berechtigten Forderungen Amerikas als eine feind selige Maßregel behandelte, welcher der Abbruch der Beziehungen durch Vorgehen Spaniens und unsererseits zu folgen habe, ein Schritt, welcher nach dem völkerrechtlichen Brauch den Kriegszustand zwischen souveränen Mächten bedeutet. Nachdem der Präsident so dann die activen Maßnahmen, wie die Blockade Cubas, welche er bereits zu ergreifen genöthigt war, ausgezählt hat, empfiehlt er die sofortige Annahme einer Resolution, welche erklärt, daß der Kriegszustand zwischen den Vereinigten Staaten und Spanien besteht, damit die Stellung der ersteren als kriegsfübrende Partei bekannt und ihre Rechte und Pflichten bei der Kriegführung gesichert werden können. Das Repräsentantenhaus nahm dann einstimmig und ohne Debatte eine Resolution an, welche besagt, der Kriegszustand zwischen den Vereinigten Staaten und Spanien besteht und hat bereits seit dem 21. d. M. ein schließlich bestanden; das Haus ermächtigte den Präsidenten, die gesammten Streitkräfte zu Lande und zu Wasser zu ver wenden, die Commission des Senats und der Senat selber haben dieselbe Resolution wie die Kammer angenommen. Mit dem Aufgebot der gesammten Streitmacht der Union dürfte cs aber noch gute Wege_ haben. Nach den Mit theilungen des Staatssccretairs Sberman beabsichtigt man in Washington vielmehr, die H auptarbcit durch di^In- surgentcn inCuba thun zu laffen, die man mit Waffen und Munition zu unterstützen hofft. In die kubanische „Mause falle" wagt man sich nicht selbst und fürchtet außerdem daS Fieber, welches während der bevorstehenden Regenzeit die amerikanischen Truppen furchtbar decimiren würde, da sie an das cubauische Klima nicht gewöhnt sind. Ein wesentliches Hinderniß für ein zielbewußtes Vorgehen der Union liegt auch, wie wir schon hervorhvben, in der Uneinigkeit der leitenden Factoren in Washing ton, die jetzt von allen Seiten bestätigt wird. Dasselbe Bild des Redens und Nichthandelns wie in Washington, so in Madrid! Wir erhalten hierzu folgende Meldungen: * Madrid, 25. April. (Senat.) Nach einer patriotischen Debatte dankt Sagasta den Senatoren für die Haltung, die sie ein genommen haben und sagt: „Mit tiefster Genuglhuung sehe ich die Einigkeit aller Parteien gegen Diejenigen, die uns von unserem Herde vertreiben wollen. Spanien kann besiegt, doch nie- mals entehrt werden." Sagasta protestirt energisch dagegen, daß Spanien die Schuld am Untergänge der „Maine" trage- (Lebhafter Beifall.) Ein Senator ruft: „Es lebe Spanien", welcher Ruf von allen Anwesenden aufgenommen wird. Der Präsident Les Senats sagt, der spanische Senat antworte auf die Beleidigungen deS amerikanischen Senats mitGleichmuth und tiefster Verachtung. * Madrid, 25. April. (Deputirtenkammcr.) Der Präsident hielt eine patriotische Rede, in der er aussührte, das spanische Parla ment dürse die Beleidigung durch das Parlament in Washington nicht erwidern, wenn es daS Ansehen und die Achtung, die es überall in der Welt genieße, sich bewahren wolle. Man greife Spanien nicht ungestraft an und werde bald sehen, daß die spanische Flagge an keinem Puncte des spanischen Gebietes beleidigt werden könne. Ministerpräsident Sagasta erklärte in Er widerung aus eine Anfrage Romeo Robledo's, cs bestehe keine Krise. Die Regierung sei niemals einiger gewesen als jetzt und werde Lies auch weiter sein, zur Wahrung der großen Interessen des Vater landes. Die Regierung, fuhr Sagasta fort, habe nicht an eine Suspendirung constitutioneller Garantien gedacht, wenn eine solche aber nothwendig werden sollte, so werde sie dieselbe, ohne zu zögern, zur Aussührung bringen. Die Regierung denke auch nicht an eine Verlängerung der Dauer der Tagung des Parlaments. Die Regierung, schloß Redner, von stürmischen Beifallsbezeigungen wiederholt unterbrochen, hat Alles gethan, um den Krieg zu vermeiden, aber die unerhörten Beschimpfungen, welche gegen Spanien geschleudert sind und die Drohungen der Bereinigten Staaten haben den Krieg unver meidlich gemacht und Spanien geht in den Krieg im Vertrauen auf seine eigne Kraft. Nunmehr ergriffen nach einander alle Parteiführer das Wort, indem sie auf die Bedeutsamkeit der Stunde hinwiesen und der Regierung ihre Unterstützung zur Vertheidigung der hohen Interessen des Vaterlandes zusagten. Alle diese Reden wurden mit lautem Beifall ausgenommen. Die Kammer gab sodann ein stimmig die Erklärung ab. Laß sie Las feste Vertrauen und die Zuversicht hege, alle Truppentheile würden bereit sei», für die Ver theidigung des Vaterlandes zu kämpfen. Hierauf constituirte sich die Kammer. Carlisten und Republikaner haben sich zur Vertheidigung der Integrität des Vaterlandes der Regierung angeschlossen. Man schritt zur Vereidigung der Deputirten. Als erster leistete Castellar den Eid. — Aus den Städten lausen Erklärungen ein, daß sie bereit sind, mit Gut und Blut für das Vaterland einzustehen. Wenn in der Erklärung Sagasta's auf das Zusammen ballen aller Parteien gerechnet wird, so geht doch aus der Andeutung einer event. Suspendirung der parlamentarischen Garantien hervor, daß man den Carlisten und Republikanern doch nicht für alle Fälle traut. Auch an die Mächte hat Spanien eine entschiedene Note gerichtet,welche die„Timcs" veröffentlichen. In derselben legtdie spanische Regierung ihre Haltung in Bezug auf die Ver einigten Staaten dar. Die Note bespricht der Reihenfolge nach die letzten Ereignisse und schließt mit der Erklärung, Spanien sei davon überzeugt, daß das Recht und die Gerechtigkeit auf feiner Seite seien und eS wolle und könne die Souverainität über Cuba nicht aufgeben. Daß die Kriegsbegeisterung auch die studentischen Kreise ergreifen werde, ist nicht verwunderlich, denn dergleichen ist modern. Man berichtet uns: * Madrid, 25. April. Den hiesigen Studenten ist anläß lich der Kriegserklärung eine Depesche der portugiesischen Studenten zugegangen, in welcher diese ihrer Sympathie Ausdruck geben und den innigsten Wunsch aussprechen, daß sich der Sieg an die ruhmreichen Fahnen Spaniens heften möge. Die Depesche schließt mit einem Hoch aus Spanien. In einer Depesche der Stud'irenden der Rechte in Paris heißt es: Die Studirenden der Rechte in Paris sprechen, ergriffen von den ungerechten Angriffen, denen ihre spanischen Brüder aus gesetzt sind, ihren Kameraden ihre glühendsten Sympathien aus und sind überzeugt, daß die spanischen Waffen die Fahnen dec alten lateinischen Rasse mit Ruhm bedecken werden. Viel ist auf diese Demonstrationen nicht zu geben, namentlich nicht auf die letztere. Die Franzosen waren ja allerdings mit ihren Sympathien Anfangs bei den Spaniern, denen sie eine baldige Beendigung des Krieges schon darum wünschen, weil sehr viel französisches Capital in Spanien fest gelegt ist. Spanien würde selbst nach einem siegreichen aber- lange andauernden Kriege kaum mehr zahlungsfähig sein. Deshalb gönnt man ihm in Paris alles Gute. Allein schon beginnen die radicalen Blätter Partei für die nordamerika- nische Republik zu ergreifen und vielleicht schlägt auch der Wind bald in den Regierungsblättern um, nachdem die Petersburger Presse die bekannte Schwenkung gemacht hat. Mittlerweile wird die Frage der Kaperei in allen am amerikanischen Handel intcressirten Staaten weiter aufs Eifrigste erörtert. Die „Köln. Ztg." schreibt: Wie wir erfahren, besteht in den Kreisen unserer großen Da mpfer gesell sch asten die feste Absicht, unter keinen Umständen Kriegscontrebande zur Beförderung anzunehmen. Diese Aus- fassung wird einmal begründet Lurch die Anstandspflicht gegenüber dem bewiesenen Entgegenkommen sowohl der Amerikaner als der Spanier, außerdem aber liegt ein solches Verhalten auch im wohl verstandenen Interesse der Gesellschaften selbst. Keine von ihnen wird die von ihr beförderten Reisenden der Gefahr aussetzeu wollen, wegen Mitnahme von Kriegscontrebande aufgehalten und schweren Belästigungen unterworfen zu werden. Der Nachtheil, der hieraus Len Gesellschaften entstände, wäre so groß, daß er mit den für Kriegscontrebande bewilligten, wenn auch höheren Frachtpreisen gar nicht im Berhältniß stehe» würde. Angesichts dieser Auffassung, die die kriegführenden Parteien als durchaus ehrlich und zuver lässig anerkennen können und auch gewiß anerkennen werden, wird Feuilletsn. Der Kampf mit dem Schicksal. 20j Roman von Hermaün Heinrich. Nachdruck verboten. Nach Neujahr zog der Winter mit großer Schärfe heran. Als wollte er das Versäumte nachholen, so ließ er das Wasser der Havel in kurzer Zeit zu dickem Eis erstarren, häufte Schnee auf Schnee und schuf mit scharfem Hauche die weiche Decke zu einem eisigen Panzer um. In dieser Zeit trafen den Amtsrath noch zwei Schläge von großer Wucht. Einer der aus dem Ge- fängniß entsprungenen Genossen Knöterichs wurde bei einem Diebstahl aufs Neue ergriffen und sagte aus, daß der Ausbruch aus dem Gefängniß in Brunow durch die Mithilfe des Kutschers der Baronin erfolgt sei. Bald darauf trafen die Ergebnisse der Recherchen ein, welche die Polizei über die Baronin angestellt hatte. „Frau Theresina v. Gödöpök, alias Frau Maria Gre- gorovius, Medium in Berlin, alias Madame de Giorgewo, Wahrsagerin in Berlin, ist aller Wahrscheinlichkeit nach identisch mit der Tochter des früheren Verwalters Tauffi auf dem Ritter gute Szegedin in Ungarn, die schon früher unter dem Gebrauch falscher Namen, vorzugsweise aus der ungarischen und rumä nischen Aristokratie, in Pest, Wien und Prag weitgehende Schwindeleien verübt hat. Bis jetzt ist man ihrer nicht habhaft geworden. Sicheren Anzeichen zufolge hat sic sich nach der Balkanhalbinsel, vielleicht nach Konstantinopel gewandt." Für Richard brachten diese Mittheilungen das Ueberraschende, daß die Sibylle aus der Behrenstraße und die Baronin ein und dieselbe Person waren. Der Amtsrath war in den tiefsten Tiefen seines Wesens er schüttert. Alle Lobsprüche, die er sich früher selbst gespendet hatte, verwandelten sich jetzt in ihr Gegentheil. In der ganzen Welt hatte sich diese Frau umgesehen, Hunderte von Männern hatte sie kennen gelernt, und unter Allen hatte sie gerade ihn, den Amtsrath Kähne aus Krahnepuhl, für ihre Zwecke brauchbar ge funden. Ein Schauer, wie ihn fein organisirtc Menschen vor dem sittlich Unreinen empfinden, durchbebte ihn, und tief gedemüthigt war sein sonst so selbstbewußter, starrer Sinn, wenn er an seine Blindheit dachte, die ihn mit seiner Familie fast in den Abgrund binabgerissen hätte. Richard und Franziska begegneten ihm mit liebevoller Schonung. Wiederholt hatten sie sich vorgenommen, dem Vater ihr Geheimnitz zu enthüllen, aber sie wollten zu der ersten seelischen Erschütterung nicht eine zweite fügen, sie wollten nicht der Schwäche des alten Mannes erbringen, was ihnen die väterliche Einsicht und Liebe zugestehen mußte. Aber die letzten Ereignisse hatten sie sicher gemacht. Ihnen selbst unbewußt, ließen sie die früher beobachtete Vorsicht außer Acht und folgten der Liebe, die sie mit unwiderstehlicher Gewalt zu einander zog. Ihr Gruß wurde inniger, ihre Blicke wurden offener und ver trauter, öfter als früher behielt Franziska Grethchen bei sich und gönnte dem Vater, sein schlafendes Kind anzuschauen und zu liebkosen. So sehr der Amtsrath auch mit sich selbst beschäftigt war, so entging ihm doch diese Veränderung nicht. Er erschrak im tiefsten Herzen, aber zugleich konnte er sich eines aufrichtigen Mitleids mit Richard nicht erwehren. Er selbst, der Vater, hatte ja dem Sohne das Beispiel gegeben. Wenn ein alter, erfahrener Mann den Reizen eines schönen Weibes erlag, was sollte man dann von einem Manne erwarten, der das Jünglingsalter kaum überschritten hatte. Doch er wollte aufmerksam sein und, wenn sein Verdacht sich bestätigte, den Sohn mit väterlicher Liebe vor der Verirrung warnen. Die Kälte hielt bis Ende Februar an. Das Eis der Havel und der umliegenden Weiher war so fest wie eine Brücke, und meterhoch lag der Schnee aufgethürmt. Anfangs März schlug das Wetter plötzlich um. Unter dem Einfluß der milden Wit terung schmolz der Schnee mit Macht, Schneewasser über schwemmte die Gegend, krachend barst das Eis der Havel, und von den immer höher anschwellenden Wogen wurden die Eis schollen fortgestoßen, übereinander geschoben, zu Dämmen auf gethürmt und wieder durchbrochen. Der sonst so träge dahin gehende Fluh war zum wilden Strome geworden. Ein finsterer Geist hatte sich seiner bemächtigt, der die Menschenwerke am Ufer zu zerstören drohte. Die Bewohner von Krahnepuhl waren Tag und Nacht auf der Wacht. Die Dämme waren in gutem Zu stande, fäglich wurden sie untersucht und ausgebefsert, und der Amtsrath und Richard glaubten mit gutem Grunde, vor einer Gefahr sicher zu sein. Eines Abends gegen 11 Uhr hatte sich der Amtsrath ins Bett gelegt, aber der Kummer um sein Geschick und die Sorge um Richard ließen ihn nicht schlafen. Da auf einmal war es ihm, als ob er eine vorsichtig bewegte Thür hörte. Er horchte auf. Leise Schritte bewegten sich den Korridor entlang und verloren sich auf der Treppe zu den Bodenräumen. „Richard!" war sein erster Gedanke. Hatte die unruhige Phantasie seine Sorgen zu einem Trugbild ausgestaltet oder bestätigte die Thatsache seine Vermuthung? Schnell kleidete er sich an und ging zu Richards Zimmer. Zimmer und Bett waren leer. Aufs Tiefste er schrocken überlegte er einen Augenblick. Dann zog er Pelz und Stiefel an und ging langsam hinaus. Der Frühlingssturm heulte, die Wetterfahne knarrte, als wollte sie laut protestiren gegen die Unbill, die ihr der Sturm zufügte. Der Amtsrath drückte die Mütze fest auf den Kopf und wandte sich dem Giebel zu, welcher oben das Fenster des Wirth- schafterinzimmers zeigte. Es war hell erleuchtet und von dem herabgelassenen Rouleau bedeckt. Unverwandten Blickes starrte er darauf hin. Ein leiser Schatten huschte zuweilen vorüber, aber die Gestalt war undeutlich und ließ keinen Schluß zu. Lange Zeit stand er in Sturm und Nässe, ein Schauer, von Kälte und Erwartung hervorgerufen, schüttelte ihn, aber er wich und wankte nicht. Jetzt kam ein Schatten dem Fenster nahe, ein zweiter folgte — beide näherten sich, zwei Köpfe geriethen aneinander. Nun wurde die Lampe hoch emporgehoben, daß ihr Heller Schein weit auf den Hof fiel, die Schatten waren verschwunden. Der Amtsrath seufzte tief auf und ging ins Haus zurück. Inzwischen weidete sich Richard im Anschauen seines süßen Kindes. Grethchen hatte sich prächtig entwickelt und mit dem Wachsthum des Körpers an Schönheit nichts eingebüßt. Ihr Haar hatte den goldenen Glanz behalten, und auf dem schlafen den Gesichtchen lag die holdselige Lieblichkeit der ersten Kind heit ausgebreitet. Er neigte sich nieder zum Kusse und ließ den warmen Athem um Mund und Wange wehen. „Mein süßes Leben", flüsterte er, „bald ist für Dich und für uns die böse Zeit vorüber! Dann brauche ich Dich nicht mehr heimlich zu besuchen, sondern darf Dich vor aller Welt als mein liebes Kind an mein Herz drücken." Da auf einmal mischte sich in das. Geflüster der Liebe ein scharfer, banger Ton. Das Nebelhorn des Wächters ertönte. Wie ein schauriger Hilferuf drang der langgezogene Schall in die stillen Räume der Schläfer. Richard fuhr erschrocken auf. Was ist das? Noch einmal und wieder ertönte der Ruf, und dann in ununterbrochener Folge mit solcher Macht, daß die Tobten aus den Gräbern hätten erstehen müssen. „Die Havel bricht durch!" Mit diesem Ruf stürzte er aus dem Zimmer. Ganz Krahnepuhl war in Bewegung. Schreiend stürzten die Arbeiter durcheinander, aber Richards Ruf sammelte sie. Die bereit gehaltenen Fackeln wurden schnell entzündet, und mit Haken, Spaten und Karren bewehrt eilte die rasselnde Schaar hinaus. An mehreren Stellen des Dammes sickerte das Wasser hindurch. Schnell gab Richard die nöthigen Anordnungen, die Karren führten neue Erde herbei, und in fieberhafter Thätigkeit wurden die Durchbruchsstellen verstopft. Richard sprang auf den Damm und leitete mit umsichtigem Blick und scharfem Commandowort die Arbeit. Die Havel stand hoch, ihr schwarzes, von der Gluth der Fackeln kaum erleuchtetes Wasser dehnte sich wie ein See aus und wurde von einem wilden Südweststurm gerade auf den Damm losgetr.eben. Dieser zeigte sich unfähig zum Widerstande wie ein altes Kleid. Hier und da drängte sich begierig das Wasser hindurch, und kaum war die Stelle verstopft, so suchte sich das Wasser an anderen Orten neue Bahnen. Trotz des scharfen Windes, der bis auf die Haut ging, stand der Schweiß auf den Gesichtern der Arbeiter. Richard war auf dem Damme dem Sturme am meisten ausgesetzt. Er riß an seinem Rock, zauste an seinen Haaren und führte einen feinen Staubregen von dem Wasser der Havel her mit sich, der die Kleider bis auf die Haut durchnäßte. Aber Richard wankte nicht. Im Kampf mit Wind und Regen überkam ihn eine Lebenslust, eine Arbeitsfreudigkeit, wie er sie selten empfunden hatte. In kühner Wagelust hätte er den Kampf mit den Elementen allein aufnehmen mögen, und mit stolzem Trotz hielt er dem Andrängen des Stromes und dem rasenden Sturme Stand. Auch der Amtsrath war herzu geeilt. Richard bat ihn, sich dem Sturme nicht auszusehen, da hier für Alles gesorgt sei. Der Vater ging zurück, trat unter den Schutz der Gebäude und beobachtete die Gruppe aus der Ferne. Richard, von der rothen Gluth der Fackeln beleuchtet, aufrecht im Sturme, kühn in der Gefahr, umsichtig und arbeits freudig, Befehle ertheilcnd und mit dem Spaten in der Hand selbst mitarbeitend, war ein schönes Bild jugendlicher .Kraft. So gut hatte dem Alten sein Sohn noch nie gefallen. Der schien ganz geeignet, mit den tobenden Elementen fertig zu werden. Wenn es ihm nur auch gelang, die Strömung, die seinem Gc- müth drohte, abzudämmen und zu besiegen. Unverwandten Blickes sah der Alte auf die kraftvolle und lebensfrische Erscheinung. Da auf einmal wankte Richard und war im nächsten Augenblick verschwunden. Mit einem Schrei des Entsetzens stoben die Arbeiter auseinander, und die durch brechende Fluth ergoß sich brausend und mit unwiderstehlicher ! Gewalt in die Thongrube. ! Auch in Franziskas Zimmer war der Schrecken»ruf gedrun«
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