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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.04.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-04-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980429018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898042901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898042901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-04
- Tag1898-04-29
- Monat1898-04
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Der Kaiser selbst hat sich dem Projekt sehr sympathisch gegenübergestellt und die Behörden Danzigs haben es am nöthigen Entgegenkommen auch nicht fehlen lassen. Die Angelegenheit wird also schon in der nächstjährigen Sitzungsperiode das preußische Parlament be schäftigen, und endlich ist geplant, die Schiffsbauabtheilung von Charlottenburg nach Danzig zu verlegen. Ob dann die Frequenz der übrigen Abtheilungen in Danzig im geraden Verhältnisse steigen werde mit den Vortheilen, welche den industriellen Ver hältnissen Ostpreußens durch diese neue Culturstätte zweifellos erwachsen, muß die Zeit lehren. Zur Zeit werden auch auf dem Gebiete des technischen Hoch- und Mittelschulwesens ein schneidende Reformen gefordert, und es ist daher keineswegs aus geschlossen, daß sich in absehbarer Zeit qualitative wie quanti tative Verschiebungen unter den Studirenden ergeben, welche für die künftige Frequenz der technischen Hochschulen bestimmend sein werden. Speciell nach dieser Richtung geben wiederum die Parla mentsverhandlungen interessante Fingerzeige: In Bayern, dessen technische Hochschule unter der Überfüllung wohl mehr zu leiden hat, als irgend eine andere der deutschen Schwester anstalten, bekannte man sich im Landtag einhellig zum Princip: Erweiterung und Ausbau des Bestehenden, sowie Verschärfung der Aufnahmebedingungen. Thatsächlich ist denn auch die Hochschule in München in her- dorragender Weise bedacht worden, während man, um dem über mäßigen Andrange zu begegnen, schon seit Juli vorigen Jahres im Gegensatz zu anderen technischen Hochschulen für jeden Studirenden das Absolutorium einer Mittelschule verlangt. Es wurden zwar auch Wünsche laut nach Errichtung einer zweiten technischen Hochschule in Nürnberg, ein Projekt, das gewissermaßen „eingefädelt" werden sollte durch eine Petition von Nürnberg um Angliederung von „Hochschulabtheilungen für Maschinen- und Elektrotechnik" an die dortige Industrieschule. Man versprach den Nürnbergern jedoch ihre alte „polytechnische Schule" wieder und betrat damit den auch von Sachsen mit Erfolg eingeschlagenen Weg der Vermehrung tüchtiger technischer Fach- und Mittelschulen. Im sächsischen Landtage wies nämlich Cultusminister v. Seydewitz direkt darauf hin, daß beteffend die Frequenz der mechanisch-technischen Abtheilung, zu welcher der Zudrang überall am größten sei, Dresden erst an siebenter Stelle komme. Dies sei aber nicht etwa begründet durch eine Minderwerthigkeit der Lehrer, sondern erklärte sich damit, daß speciell die technische Gewerbe schule zu Chemnitz der Hochschule zu Dresden eine fühlbare Kon kurrenz mache. Wenn man die Zusatzworte des Ministers be achtet, welche dahin lauteten, daß die Chemnitzer Schule eine technische Schule mittlerer Ordnung, die Dresdner Anstalt da gegen eine Hochschule sei, deren Lehrgang und Durchbildung zu den höchsten Anforderungen berechtige und daß auch an den „hohen Anforderungen" bei der Aufnahme der „Hochschüler" fest gehalten werden müsse, so wird man zugeben, daß der Minister statt von der „fühlbaren Concurrenz" ebensogut von der ge sunden Ableitung der Gewerbeschule zu Chemnitz gegenüber der Hochschule zu Dresden hätte sprechen können. Mit der allenthalben im Reich gerühmten Chemnitzer Ge werbeschule, welche auch von Preußen aus stark besucht wird, und neuerdings mit der mit der Baugewerkschule in Zittau ver bundenen Tiefbauschule in Zittau hat Sachsen überhaupt M u st e r a n st a l t e n für technische Mittelschulen geschaffen. Im engen Zusammenhang mit der Ueberfüllunq einzelner Hochschulen steht bekanntlich die vielfach erörterte „AuS- länderfrage". Auch diese ist unseres Erachtens eine Vorbildungsfrage und durch bezügliche Verordnungen eher zu lösen als aus dem Wege immerhin nicht unbedenklicher Radikal verfügungen. Bei den großen Erfolgen, welche das preußische Unterrichts ministerium auf dem Gebiete des modernen Hochschulwesens zu verzeichnen hat, kann man die neueste Verfügung, betreffend die fernere Nichtzulassung von „Ausländern" bei der Maschinen- Jngenieur-Abtheilung in Charlottenburg, nicht recht in Einklang bringen mit der sonstigen Mustergiltigkeit seiner Einrichtungen. Durch die derzeitigen Verhältnisse mag immerhin eine Zwangs lage vorhanden sein, aber so weit hätte es eigentlich nicht kommen sollen. Die „Ausländerfrage" ist in letzter Zeit vielfach erörtert worden, aber trotzdem kam der preußische Ministerialerlaß recht unerwartet. Ueber den Eindruck, den derselbe anderweitig, z. B. in Süddeutschland, gemacht hat, sprechen die darüber im baye rischen Landtag gefallenen Aeußerungen: Sogar der klerikale Berichterstatter und „Prosertor" des Finanzausschusses, vr. Daller, wollte lieber das „Nothwendige" bewilligen, als zu einer in der gegenwärtigen Zeit nicht mehr rathsam erscheinenden Maßregel greifen, welche gewiß auch „sonstigen Verhältnissen sehr schaden würde". Der freisinnige Abgeordnete Prof. vr. Günther (Technische Hochschule München) erklärte, daß es für die bayerische technische Hochschule niemals ein „Ruhmestitel" sein könnte, wenn sie Nichtdeutsche oder Nichtbayern ausschließe« wollte. Dagegen erklärte sich auch Günther ganz damit einver standen, daß man an die Ausländer die nämlichen streng"« An forderungen hinsichtlich ihrer Vorbildung stelle wie an die eigenen Landeskinder. Drastischer äußerte sich Daller's Voll««» in pnrtisius Lickeliurn, vr. Orterer, welcher gegenüber dem Vorgehen der preußischen Unterrichtsverwaltung beweisen möchte, „daß Bayern dem Bildungsbedürfnisse, das auf dem Gebiete der Schule als ein internationales sich darstellt, noch Weiler entgegen komme als dasjenige Land, das so vielfach hingestellt wird als Muster alles Entgegenkommens, und dasjenige Land, das ungleich mehr leistet als wir". Dies Dictum gab natürlich aus! Es steht zu hoffen, daß die preußische Verfügung nur eine vorübergehende sei. Zugegeben muß allerdings werden, daß, wie Professor Riedler in seiner Schrift über „Unsere Hochschulen" zutreffend bemerkt, sich aus dem Auslande viele Elemente an unsere Hochschulen drängen, welch« „trotz ihres Vorbildungs scheines andere Lebensanschauungen haben als unsere Jugend, die höher stehend und feiner empfindend vor solcher Nachbarschaft beiseite rückt". Wenn sich dieses Beiseiterücken nur gegen diese Elemente richten würde oder könnte, wären nicht viele Worte zu verlieren, so lange aber dadurch auch Angehörige des deutschen Sprachgebietes, Oesterreicher und Schweizer oder Angehörige von im deutschen Reichsgebiet oder in Preußen selbst ansässiger und Steuern zahlender Ausländer und endlich, dem mehrfach sehr particularistisch festgestellten Begriffe der „Ausländer" ent sprechend, sogar nichtpreußische Reichsdeutsche betroffen werden*), gewinnt die Maßregel eine schwer zu verwindende Schärfe! Man steht zwar allenthalben vor dem nämlichen Dilemma; so verfügte z. B. das großherzogl. hessische Ministerium des Innern, daß nichtdeutsche Studenten von der Aufnahme in Darmstadt dann auszuschließen seien, wenn sie nicht im Stande sind, genügende Substistenzmittel nachzuweisen. In Char lottenburg soll allerdings kürzlich ein polnischer Student infolge dauernder Entbehrungen während des Unterrichts plötzlich wahnsinnig geworden sein, im großen Ganzen aber sind er fahrungsgemäß die eigentlichen Ausländer bezw. Fremdländer besser bei Casse als unsere einheimischen Studenten. Wie bereits früher erwähnt, hat auch die Studentenschaft aller technischen Hochschulen Stellung gegen die Ausländer ge nommen, ja, die Braunschweiger Studenten forderten kürzlich sogar ihre Hochschulverwaltung auf, die weitere Auf nahme von Ausländern zu sistircn, bis eine Verschärfung ihrer Aufnahmebedingungen festgestellt sei, oder doch wenigstens ihre Gebühren „beträchtlich" zu erhöhen und ihnen das Belegen der Plätze in den Uebungssälen erst 14 Tage nach Beginn des Semesters zu gestatten. Diesem Gesuch wurde nach keiner Richtung stattgegeben, denn bei der dermaligen Gesammthörer- zahl von 390 Studenten ist durch den Andrang der Ausländer in Braunschweig eine Ueberfüllung der Hochschule, die solche Maßregeln geboten erscheinen ließe, mehr als zweifelhaft, was dagegen das Belegen der Plätze betrifft, so war es früher an verschiedenen Hochschulen üblich, daß den Ausländern nur eine gewisse Anzahl von Plätzen überwiesen wurden, und dies dürfte auch heute noch gerecht erscheinen. Dagegen braucht man wahrhaftig dem „fleißigen Inländer" nicht wochenlang über den Einschreibetermin hinaus seinen Platz zum — Schwänzen zu reserviren! ..Daß auch persönliche Angelegenheiten in die ParlamentS- veqhanolungtn hineingezogen worden, ließ sich lecher im Norden ebensowenig vermeiden wie im Süden. Gewisse Parteien haben einmal den Hang zu Scherbengerichtsinsccnirungen, bei denen dem Ankläger in der Regel die Sache leicht gemacht ist durch die Ab wesenheit des Angeschuldigten. Wenn hierbei in Berlin wie in München der Minister principiell das Verhalten der in Frage stehenden Männer auch nicht zu billigen vermochte, so erfuhr doch die Art und Weise des Angriffs hier wie dort eine so unzweideutige Zurückweisung von Seiten des Hauses, daß man fast hoffen möchte, daß selbst Diejenigen solche Winkelzüge künftig lassen *) Eine authentische Interpretation des Erlasses nach dieser Richtung wäre um so erwünschter, als nach verschiedenen bestehenden Vorschriften und Gepflogenheiten anzunehmen ist, daß unter In ländern nur Preußen verstanden seien. werden, die von der Unstatthaftigkeit derselben vielleicht immer noch nicht überzeugt sind. Der Angriff auf den Curator der Universität Bonn war ebenso tact- wie geschmacklos, und wenn wie in München gar zu dem verächtlichen Mittel der Denunciation gegriffen wird, so sollte man das betreffende Delikt vorsichts halber, doch zuerst authentisch feststellen. Gerade diesem Vor gehen und den sonst noch beliebten persönlich-kleinlichen Gehässig keiten und Machenschaften verdankt das bayerische Centrum seine jüngste parlamentarische Niederlage. Damit übrigens auch der bayerische Landtag seine Aus- ländcrfrage habe, wies anläßlich der sattsam bekannten Debatte über die in München neu creirte Landesgeschichtsprofessur ein „führender Geist" auf das „berchtigte Aufsehen" hin, das im Lande entstehen müsse, wenn ein Abgeordneter für diese rein bayerische Sache eingetreten sei, der selbst kein Bayer von Ge burt, sondern — H e s se sei. Also Abgeordnete 2. Güte, oder die Inzucht im Parlament! - Das weibliche Geschlecht in der gewerblichen Thätigkeit. Au» den Ergebnissen der Gewerbezäblung vom 14. Juni 1895 entnehmen wir der „Münch. Allg. Ztg." folgende inter essanten Mittheilungen über die Thätigkeit de» weib lichen Geschlechts. Von den 10,3 Millionen gewerbtbätigen Personen sind 2,3 Millionen weiblichen GeschlecbtS. Tritt also die weibliche Arbeit gegenüber der männlichen an Umfang zurück, so ist doch bemerkenswerth, daß procentual die weibliche Arbeit seit 1882 erheblicher, nämlich um 55,0 Proc, ge stiegen ist al» die männliche, deren Zunahme 36,0 Proc. beträgt. Nach ihrer socialen Stellung gliedern fick' die 2,3 Millionen weibliche Gewerbthätige folgendermaßen: 698 168 sind selbstständige Betriebsinhaberinnen, 17 550 Angestellte und 1,6 Millionen Arbeiterinnen. Demnach kommen auf das Hilfspersonal über 70 Proc., während dasselbe im Jahre 1882 noch wenig über die Hälfte des gesammten Weiblicken Betriebspersonals außmachte; auf die eigentlicke Arbeiterklasse entfallen vom weiblichen Betriebspersonal jetzt 69,4, im Jabre 1882 52,5 Proc. Läßt man die weiblichen AlleinbetricbS- inbaber außer Betracht, so stellt sich der Procentsatz der weib lichen Arbeiter im Vergleich zu sämmtlichen, in Gebilsen- betrieben beschäftigten weiblichen Personen aus 92,8 (im Jahre 1882 90,5 Proc. In den größeren Betrieben ist begreiflicher Weise dieser Procentsatz ein noch höherer- er beträgt in den Betrieben mit über 20 Personen 98,6 Proc. Am häufigsten findet sich die weibliche Arbeit in der Textilindustrie,dem Beherbergung-- und Erquicknngs gewerbe (Zimmermädchen, Kellnerinnen); im Han del« - gewerbe (Händlerinnen, Ladnerinnen), sowie im Beklei- dungS- un- Reinigungsgewerbe (Näherinnen, Wäsche rinnen, Kleider- und Wascheconfectwn); die beiden ersten Industrien beschäftigen über 300 000, die anderen über 200 000 Arbeiterinnen. Bei diesen weiblichen Arbeitern sind auch solche FritiHrton. König Albert's Jugendzeit. ii. Ein Knabe, der einst berufen ist, an der Spitze eines Volkes zu stehen, muß zeitig anfangen zu lernen und muß viel lernen, mehr und fleißiger al» sonst in dem Alter von anderen Kindern verlangt wird. Da» Lernen muß zur zweiten Natur werden und wer nicht mit eiserner Strenge dazu angehalten wird, wenn es nicht auS natürlicher An lage von selbst geht, der wird im Alter ein geistiges Manco aufweisen, über das weder die Stellung noch der Prunk hinwegtäuscht. Prinz Johann war sich dessen genau bewußt und als sein Erstgeborener in da» siebente Jahr eingetreten war, suchte er nach einem passenden Erzieher. Zum Prinzenerziehen freilich taugen nicht all« Pädagogen und am wenigsten diejenigen, die über der Größe der Aufgabe sich selbst vergessen und sich al» Lehrer als Lenker zukünftiger Fürsten ausspielen, noch weniger freilich die, die sich immer al» zukünftige Untertbanen bei dem Unterricht fühlen. Bureaukratische Seelen sind keine Leiter für KindeSseelen. Auch ein prinzlichcS Gemüth, ein prinz- licher Geist muß sick ausbilden, muß sich au» sich heraus ent wickeln, geleitet selbstverständlich, aber unbewußt. Der Mann, der die Jugend eines Fürsten überwacht, muß ein unabhängiger, in sich vollkommen gefestigter Charakter sein, große Bildung mit eisernem Willen vereinigen und dabei immer seiner Stellung eingedenk eine gewisse Rücksicht auf seine Umgebung nehmen. Einen solchen Mann zu finden ist gewiß sehr schwer, für Prinz Albert aber wurde er gefunden. Ein glücklicher Stern leitete König Johann, al» sein Auge auf den im 37. Jahre stehenden Justiziendath v. Langenn fiel. Langenn war im Jahre 1820 Vrivatdocent in Leipzig geworden, ging dann an» Ober- hofgertcht daselbst, später an» Appellationsgericht nach Dresden und wurde 1829 al« Hof- und Justizienrath in die Regierung berufen. Im Jahre 183b, im Januar, wendete sich Prinz Johann an Langenn, indem er ihm sein Vorhaben mittheilte: „Ich habe viel darüber bin- und hergedacht, aber unter allen Perfonrn, auf welche sich meine Gedanken lenkten, ist mir Niemand vorgekommen, m dessen Hände ich mit größerem Ver trauen diese» Werk legte, al» S,e selbst, thrurer Freund." Wenige Tage darauf nahm Langenn an. Der Vater hatte sich schon vorher eingehend mit der Erziehung seine« Sohne» beschäftigt und eine Instruction für den Erzieher au»grarbeitet, die fünfzig Paragraphen umfaßte. Auch in diesem Schriftstück verräth er dir ganze Theilnahme de» Herzen», mit der er sich in den Gegenstand vertiefte. In erster Linie sollte der Erzieher auf die frühzeitige Erwerbung de» vaterländischen Dinar» sein Augenmerk richten. „Innige Anhänglichkeit und Ehrfurcht sowie treuer Ge horsam -egen den Landesherr«, warm« Lieb« zum Vaterland« und feste« Hallen an vaterländischen Einrichtungen ist meinem Sohne tief inS Herz zu prägen. Den Jrrthümern der Zeit in politischer Hinsicht ist durch tiefbegründete Achtung für positives Recht und Anknüpfung der bürgerlichen Ordnung an ein höhere» Princip entgegenzuwirken. Die meinem Sohne von Gott gegebene Stellung in der Welt kann und darf dem- elben kein Geheimniß bleiben, sie ist vielmehr als etwas actisch Vorhandenes möglichst einfach darzulegen. Bei schick» icher Veranlassung ist aber mein Sohn darauf hinzuweisen, daß diese ihm verliehene Stellung ein Geschenk Gottes sei, und dies ihn um so mehr verbinde, durch Erwerbung der nötbigen Tüchtigkeit und durch treue, keine Opfer scheuende Pflichterfüllung sich derselbe» würdig zu machen. Regungen des Stolzes ist auf diese Weise und, da nöthig, durch Dar stellung der Thorheit desselben entgegenzuwirken. In reiferen Jahren ist jedoch mein Sohn auch darauf aufmerksam zu machen, daß es eine» Fürsten Pflicht sei, dir ihm von Gott gegebene Stellung zu behaupten." Die Instruction ist rin Schriftstück von historischem Interesse, aber auch von pädagogischem Werth. In einer im März 183b stattgefundenen Unterhaltung mit Langenn kam Prinz Johann nochmal» eingehend auf seine Grundsätze zurück und führte weiter auS: „Der Erzieher muß den ganzen Menschen unter Berücksichtigung der Individualität harmonisch zu entwickeln suchen, also den Geist wie den- Körper, da» Gemüth wie den Verstand" . . . Ueber dir ersten Schuljahre de» Prinzen Albert sind nicht viel Nachrichten erhalten. Er wurde nicht etwa von der Familie abgesperrt, im Gegentheil trotz des Ernstes de» Unterrichts blieb er in erster Linie immer Kind und Kamerad und da« hat ihn wohl auch über so manche gesund heitliche Fährlichkeit hinweggeholfen. Der Prinz war nicht besonder» stark, aber kräftig und plastisch, seine Augen blickten freundlich in die Welt und seine Bewegungen verriethen Temperament. Wa« er am liebsten gelernt hat, da» wissen wir nicht, aber nach Ueberwindung der ersten Schwierigkeiten wuch» der Eifer zum Lernen und bei der Aufgewecktheit de« Schüler» zeitigte der Unterricht gute Erfolge. Anfang der vierziger Jahre wurde der Unterricht größer, e« war die Zeit, wo andere Kinder auf» Gymnasium kommen. Der Gouverneur von Langenn zog anderesLehrer heran und hier verdient besonder» Erwähnung der Conrector vr. Sillig, dem der Unterricht in den klassischen Sprachen zugetbeilt war und der e» verstand, in seinem Zögling für da» Studium de« Altrrthum« eine unauslöschliche Neigung zu entwickeln. Wie sehr der Scküler an dem Lehrer hing, da« beweisen vor einiger Zeit auf gefundene Briefe de» Prinzen an den Lehrer, die wir hier mittbeilen. Der eine Brief ist lateinisch und stammt au« dem Jahr« 1840. Er lautet: „Dem Tillig sagt Albert Heil! Du bist krank, da» ist mir sehr betrübend. Ich bitt» Gott, daß er Dir die Gesund heit wieder herstell». Ich «erde fleißig sein und mich in zwischen auf Deine Stunden vorbereiten, damit ich nichts vergesse. Lebe wohl und fahre fort, mich zu lieben". Ein zweiter Brief, an denselben Lehrer gerichtet und unmittelbar nach des Prinzen fünfzehntem Lebensjahr ge schrieben, zeigt schon eine größere Gewandtheit in der lateinischen Sprache: „Geliebtester Lehrer? In Pillnitz werde ich zwar wieder zu Dir kommen, aber ich wünsche Dir schon früher zu beweisen, wie sehr ich Deiner gedenke, wie sehr ich Dich liebe. Wir werden noch länger in Weesenstein bleiben, wie man sagt. Mir ist eS lieb, weil ich Zeit habe. Deine Auf gaben recht gut zu machen. Gestern verließ mich Herr v. Langenn, und Herr v. Minckwitz kam. An meinem Geburtstage hatte mein Bruder ein Fest vorbereitet, und als ich vom Reiten zurückkchrte, führten sie mich in mein Zimmer, ras mit Blumen und Zweigen geschmückt war. Sehr schöne Geschenke empfing ick, unter Anderem eine Ausgabe des Eid von Herder, aus dem Spanischen übersetzt, mit Bildern geschmückt. Lebe Wohl, geliebtester Lehrer, und halte e» für gewiß, daß ich immer Dein folgsamer und fleißiger Schüler sein werde. - Albert." Am 22. October 1842 erhielt Prinz Albert mit seiner Schwester Elisabeth das Sakrament der Firmung. Von An fang an, schreibt Hassel*), hatte Prinz Johann bei der Er ziehung seine« SobneS auf die Ausbildung de- religiösen Sinnes das höchste Gewicht gelegt. In der früher erwähnten Instruction wurde der Erzieher angewiesen, darauf hinzu wirken, „daß echte positive Religiosität mit fester Anhänglich keit an die Grundsätze seiner Kirche, jedoch ohne allen Wider willen gegen andere Confession-verwandte, in des Prinzen Herzen Wurzel schlage". „WaS meines Sohne« Erziehung betrifft", hatte der Vater damals dem langjährigen Ver trauten, Manteuffel, geschrieben, „so können Sie versichert sein, daß ich ihn ebensosehr vor Religionsgleichgiltigkeit als vor Intoleranz zu bewahren mich bestreben werde. Ich glaube in der Wahl seine« Erzieher« einen Beweis meiner Gesinnung gegeben zu haben und bin gerade in diesem Punkte mit ihm völlig gleichen Sinne«." Langenn war mit voller Ueberzeugung Protestant, und seine geschichtlichen Arbeiten gaben ihm Veranlassung, tiefer in den Geist der Reformation einzudringen. Der Geistliche, der dem Prinzen den Religions unterricht ertheille, Hofprediger Joseph Dittricb, war ein Mann, der in Bezug auf den Unterschied der religiösen Be kenntnisse einen versöhnenden Standpunct einnahm: da« beste Zeugniß für seine Gesinnung liegt darin, daß e« nie zu einem Eonflict zwischen ihm und dem evangelischen Erzieher gekommen ist. Nach der Anordnung de» Vater« hatten der Lehrer und der Seelsorger bei denjenigen Unterricht»gegen- ") Au« dem Leben de» König» Albert von Kochs,n. Bon Vr. Paul Hassel. Verlag der I. L. HlnrichS'schrn Buch ¬ handlung in Leipzig; Drei« 5 ständen, bei denen die Behandlung religiöser Fragen nicht zu vermeiden war, wie in der Geschichte und bei dein Studium der Classiker, sich über die Art und Weise der Erörterung solcher Punkte zu verständigen. Nichts lag dem Prinzen Johann ferner als ein stillschweigendes Uebergebcn der historischen Entwickelung deS confessionellen Unterschiedes; er verlangte sogar ausdrücklich, daß derselbe seinem Sohn als etwas Vorhandenes und Gegebenes möglichst einfach dargelegt werde. In dem Umgang mit dem Vater empfing der Prinz von diesem selbst frühzeitig die Belehrung, daß eine gründ sätzliche Zurückhaltung in den inneren Angelegenheiten der bestehenden kirchlicken Gemeinschaften, zu den Hauptaufgaben deS regierenden Fürsten gehöre. Die Duldsamkeit in religiösen Dingen war für den Sohn ein Erbtbeil des Vaterhauses, das ihm in der ganzen Stufenfolge seines Lebens als Leit stern gedient hat. Am 13. März 1845 stand Prinz Albert vor einem der wichtigsten Ereignisse deS Jünglingsalter». In Gegenwart seines königlichen Oheim« und seines Vater« sollte er die mündlicke Abiturientenprüfung bestehen, nachdem die schrift lichen Probearbeiten schon vorher erledigt waren. Dem jungen Fürsten wurden Aufgaben gestellt, die nach dem heutigen Lehrplan eigentlich schon über die Grenzen der Gymnasialbildung hinauSgreifen, da sie gewisse Kenntnisse der juristischen Propädeutik voranssetzten. Klar und bündig wußte der Verfasser die Unterschiede zwischen geschriebenem und ungeschriebenem Recht zu entwickeln und an Beispielen zu erläutern. Namentlich in der RechtSgeschichte erwies er sick als wohl vorbereitet. Es machte ihm keine Schwierig keit, die einzelnen Abtheilungen deS Corpus.suris, sowie die Titel der älteren Quellen deS Römischen Rechtes auszu zählen und den wesentlichen Inhalt der wichtigsten Grund gesetze des Reiches deutscher Nation von der Goldenen Bulle bis zu dem westfälische» Frieden-instrument anzuzeben. Die Aufgabe Langenn « war erfüllt. Er schied als Erzieher der Söhne de» Prinzen Johann, «in Amt, da» er ein volles Jahrzehnt bekleidet hatte, mit dem Danke de« Königs und de« prinzlichen Vater«. Er wurde nunmehr Geheimer Rath mit der Berechtigung, den Berathungen de« Gesammt- ministerium« beizuwohnrn. Prinz Albert aber, der seit 1813 Lieutenant ohne Patent war, widmete sich nunmehr dem Dienste, ging aber im Winter 1847/48 nach Bonn, um sein Studium unter Arndt, Dahl mann, Hasse, Perthe« u. a. sortzusetzen. Das Wintersemester verlief unter den fruchtbarsten Anregungen, der Besuch des Sommersrmester« mußte unterbleiben — daS Jahr 1848 war berangekommen. Im Jahre 1849, am 13. April, empfing Prinz Albert bei Düppel di« Fruertaufr. Er war Mann geworden.
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