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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.04.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-04-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980429028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898042902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898042902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-04
- Tag1898-04-29
- Monat1898-04
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Vrößerr Schriften laut unserem Preis« vrrzeichaiß. Tabellarischer und Zisfrrnsatz nach höherem Taris. Extra «Beilagen (gesalzt), nur mit d» Morgen-Ausgabe, ohne Postbrsörderunz' Ü0.—, mit Postbrsvrderung 70.—. Aunahmeschluß fir Anzeigen: Abend-AuSgabe: Bormittag« 10 Uhr. »st orge »-Ausgabe: Nachmittag« «Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eia» halbe Stunde früher. Anzeige» sind stet« an di« Expedition zu richten. Druck »nd Verlag vo» E. Polz t» Leipzig 214. Freitag den 29. April 1898. 92. Jahrgang. Der Krieg um Cuba. —p. Von spanischer Seite liegen noch keine Nachrichten über das Bombardement der FortS von Matanzas vor. Nach Meldungen aus amerikanischer Quelle hätte die Beschießung durch die „New Jork", den „Puritan" und die „Cincinnati" nur zwanzig Minuten gedauert, habe aber trotzdem einen sehr befriedigenden Beweis für die Ueberlegenheit der Ge schütze der blockirenden Flotte geliefert. Die drei Schiffe hätten 85 Schüsse abgegeben und alle Hafenwerke vernichtet. Die Batterien erwiderten des Feuer mit Explosivgeschossen; in- defsen wurde nur die „New Jork" ein wenig beschädigt. DaS Fort Morro bei Havannah feuerte wieder, aber erfolglos. Nach einem Madrider Telegramm sollen die Amerikaner den Versuch gemacht haben, bei Matanzas zu landen, doch habe die spanische Festungsartillerie die Landung verhindert. Washingtoner Nachrichten zufolge ist die Schießerei nur ein „ Probe-Bombardement" gewesen, um die Verthei- digungsfähigkeit der spanischen Forts festzustellen und auch um die Stimmung der amerikanischen Seeleute zu beben, die unter der erzwungenen Untätig keit gelitten hätte. Der Admiral Sampson war eifrig bemüht gewesen, die Negierung zu bestimmen, daß sie ein Bombardement Havannahs gestatte; er meine, das Fort Morro und die Batterien, welche die Einfahrt zum Hafen beherrschen, wären in wenigen Stunden zum Schweigen zu bringen. Vielleicht veranlasse der Erfolg von Matanzas die amerikanische Regierung, ihre Zustimmung zu einem Bombardement Havannahs zu geben. DaS scheint uns allerdings noch fraglich. Zwar drängt die Kriegspartei und ihre „gelbe Presse" ist, wie die „Frkf. Ztg." mittheilt, bedeckt mit Aufrufen wie: „Bringt den Kampf schnell zu Ende", „Warten lohnt sich nicht", „Heute fallt in Cuba und morgen in Spanien ein", dagegen siebt der „New Hork Herald" in der Geduld den wahren Patriotismus. Er schreibt: „Präsident Lincoln wurde von der öffentlichen Meinung gezwungen, vorzeitig loszuschlagen. Die Folge des Rufes „Auf nach Richmond" war Bull Run. Präsident Mac Kinley wird zur Zeit mit demselben auf Thorheit und Unwissenheit gegründeten Ruf bedacht. Dieses Mal heißt er „Auf nach Havannah". WaS ist der Krieg? Kein Solitaire- Spiel. Was ist unsere Armee? Sie besteht aus CadreS. Worin bestehen unsere Hilfsquellen? In einer Einnahme, für welche bis jetzt noch keine Fürsorge getroffen und die noch nicht eincassirt worden ist. Wer sind unsere Frei willigen? Tausende der Besten, welche jemals ein Weizen feld gepflügt haben, denen es aber an Zucht und mili- tairischer Ausbildung mangelt. Gestern waren wir noch ungerüstet. Heute ist unsere Rüstung roh und unentwickelt. Der Krieg ist kein gelber ZeitungSwalzer. Patriotismus ist Geduld. Wir können in den Sieg weder hineinwirbeln, noch hincingaloppiren. Wir müssen uns wie Männer benehmen, nicht wie die Schweineheerde, die in den See hineintrabte." Aehnlich äußert sich die „New Jork Times", die bemerkt, daß man den Amerikanern Zeit geben müsse, sich zu rüsten. UebrigenS ist auch im Senat auf die Schwäche der ame rikanischen Flotte hingewiesen worden. Der Senator Butler von Nord-Carolina erklärte, daß die Panzerung der amerikanischen Kriegsschiffe mangelhaft sei, insbesondere bei den Schlachtschiffen „Massachusetts", „Texas" und „New Bork". Die Versicherungs-Gesellschaften in New Aork haben bereits große Geschäfte zur Versicherung gegen Bombardement abgeschlossen; aus bedeutenden Küsten städten sind zablreiche hierauf bezügliche Ersuchen bei den Versicherungs-Agenten in New Nork eingegangen. Man be kommt es also doch einigermaßen mit der Angst zu thun. Sie zu vermehren, ist die folgende unS zugegangene Meldung geeignet: * Easton (Pennsylvanien), 28. April. Drei große Maga zine, welche Sprengstoffe für die Regierung enthielten, sind heute Nachmittag in die Luft geflogen. Zwei Personen wurden getödtet, eine Anzahl verwundet; mehrere werden vermißt. Man nimmt an, daß die Explosion von spanischen Spionen veran laßt worden ist, da man in der letzten Zeit verdächtige Personen in der Umgebung der Magazine beobachtet hat. In sehr verständiger Weise behandelt in den „Times" ein englischer Marineofficier die strategische Lage. Er geht von dem Nachweis aus, daß die in Amerika herrschende Begierde, nun baldigst von großen entscheidenden Kriegs ereignissen zu hören, ganz thöricht und dem Wesen der Dinge nach unmöglich zu befriedigen sei. Es sei ja verständlich, daß in Amerika Unmuth sich äußere, wenn man einsehe, daß die Nuß, die man zwischen die Zähne genommen, doch schwerer zu knacken sei, als man angenommen habe, und auch in Spanien könne die nothwendige Vor- bereilungszeit der Ereignißlosigkeit unliebsame Folgen haben. Die Gründe, weshalb entscheidende Schläge sobald nicht zu erwarten waren, sind folgende: Die Amerikaner sind nicht kriegsbereit und eine solche Bereitschaft kann nicht im Handumdrehen nachgeholt werden. Ihre Flotte ist ferner nicht stark genug, um Cuba zu blockiren und zugleich die heimische Küste zu schützen. Da die Mobilmachung in Amerika Monate in Anspruch nehmen wird, so wäre e- ein Fehler, vor der Zeit einen Landungs versuch zu machen, besonders so lange das Blockadegeschwader darauf gefaßt sein muß, anderwärts zum Eingreifen gezwungen zu sein. Viel wird freilich davon abhängen, wie weit die Lebens mittel der Spanier auf Cuba reichen; die Angaben schwanken zwischen sechs und zwei Monaten. Daher beruhen die Aussichten Spanien- darauf, eine wie starke Flotte eS in den nächsten Wochen ausbringen kann. Fünf Schiffe sollen in den spanischen Häfen bereit sein, dazu die vier gerechnet, die bei Cap St. Vincent liegen, macht neun, während die Amerikaner im nördlichen Atlantischen Ocean nur fünf Schiffe haben, die in größeren Entfernungen von den Heimathhäfen operiren können. Es wäre daher möglich, daß allein die Thatsacke, daß fünf spanische Schiffe Cap St. Vincent verlassen hätte», genügen würde, um die Amerikaner zur Aufhebung der Blockade Cubas zu zwingen, und das Auslaufen von neun spanischen Schiffen müßte zweifellos die Amerikaner veranlassen, ihre zerstreuten Schiffe zusammenzu ziehen. Sehr unangenehm müßte zugleich aus die Amerikaner wirken, daß eS ihnen ganz unmöglich wäre, zu ermitteln, wo die spanische Flotte auftauchen würde. Dieser Beurtheiler hält es daher schon für einen großen Vortheil für Spanien, wenn seine Schiffe zu Manövirzwecken die heimischen Häfen verließen und durch ihr Auslaufen allein die Amerikaner be unruhigten. Auf diese Weise würde die spanische Flotte die Amerikaner sowohl von Portorico wie von Cuba abziehen und zum Schutz ihrer Küste zwingen können. Im Uebrigen sind unS noch folgende Meldungen zugegangen: * Madrid, 28. April. Im Senate erklärte der Marineminister, der Eapitain drS „Montserrat", welcher die Blockade durchbrochen hat und unbeschädigt in den Hasen von Havannah eingelaufen ist, werde decorirt werden. Der Minister fügte hinzu, die Blockade Cubas stehe im Widerspruche zum Völkerrechte» der Minister des Aeußeren werde deshalb an die Mächte appel- liren. — Die Nachricht, Spanien werde gegen Berpfändung der Philippinen eine Anleihe mit England abschließen, ist unbegründet. Eine amtliche Drahtmeldung des Generals Blanco berichtet, das feindliche Geschwader habe sich in öst licher Richtung nach dem Canale zu entfernt. — Gegenüber Disnas (in der Provinz Pinar del Rio) soll ein amerikanischer Panzer aufgelaufen sein. Drei andere Schiffe seien damit beschäftigt, den Panzer wieder flott zu machen. Eine Abtheilung Freiwilliger bewache den Strand. — Nach einer Depesche des „Jmparcial" ans Havannah haben die Aufständischen Arte- misa, südwestlich von Havannah, angegriffen, sind aber zurück- geworfen worden. * Key West, 28. April. (Meldung des „Reuter'schen Bureaus".) Die amerikanischen Kriegsschiffe „Puritan" und „Cincinnati" haben Matanzas nicht verlassen, sondern setzen die Blockade fort. * Lissabon, 28. April. Das Amtsblatt wird morgen die Neutralitätserklärung der portugiesischen Regierung ver- öffentlichen. "London, 28. Avril. JnPortorico ist der Correspondent des „New Pork Herald" unter dem Verdacht der Spionage verhaftet worden. Politische Tagesschau. * Leipzig, 29. April. Der Reichstag glaubt bis zum Freitag kommender Woche sein Pensum erledigen zu können. Vom Montag ab wird bestimmt auf ein beschlußfähiges Haus gerechnet; das gesammte Material ist soweit vorbereitet, daß es schnell erledigt werden kann. Zum Schluß soll die dritte Lesung der Militairstrafproceßordnung erfolgen; bis dahin, so meint man, werde eine Einigung über die strittigen Puncte zu Stande kommen. Die Wähler werden gewiß nichts dagegen habe», wenn das hohe Haus den Schluß der Tagung so rasch herbeiführt; sie werden sich aber auch nicht Wundern, wenn Beschlußunfähigkeit und Redelust die Reichsboten noch länger Zusammenhalten. Im ersten Theile der gestrigen Sitzung ging die Berathung glatt und flott von Statten. Zn erster und zweiter Lesung wurde der auS den vorjährigen Berathungen des Post- congresseS hervorgegangene neue Weltpostvertrag erledigt, ebenso die Vorlage über das Handelsvertrags-Pro visorium mit England, nachdem der Staatssecretair Graf Posadowsky den Standpunkt der Regierung dahin erläutert hatte, daß sie England das Meistbegünstigungsrecht nicht gewähren könne, ohne von ihm gleichwerthige Zu geständnisse zu erhalten. Mit dieser Stellungnahme hat die Reichsregierung die Interessen Deutschlands vollkommen ge wahrt, und es ist nun zu wünschen, daß die feste Stellung der Reichsregierunz die englischen Colonien zur Gewährung der Gleichberechtigung für die deutsche Einfuhr bewegt. Die Vortbeile eines Handelsvertrags liegen durchaus nicht aus schließlich auf Seiten Deutschlands. Nachdem bier auf Antrag deS Abg. Rickert die Berathung der bei der dritten Lesung des Etats zurückgestellten Resolution bezüglich ver Ver wendung von Süßstoffen zur Bierbereitung von der Tagesordnung abgesetzl und eine Reihe von Petitionen nach den Vorschlägen der Budgetcommission erledigt worden waren, setzte das Haus bei langsamerem Tempo die zweite Be rathung des von den Abgg. v. Sali sch und Genossen ein gebrachten Gesetzentwurfs wegen Einführung des Nack- eides und der Bestrafung wissentlich falscher unbe eidigter Aussagen fort. Leider konnte sie nicht zu Ende geführt werden, da sie ausgedehnt wurde durch zwei Anträge, von denen der eine die Zulassung einer confessionellen Schlußformel bei der Eidesleistung verlangt, der andere das Recht der Zeugnißverweigerung der Geistlichen erweitern will. Der erstere Antrag wurde trotz der Be denken, die Staatssecretair Nieberding dagegen geltend machte, angenommen; der zweite hat Aussicht, trotz des Ein spruches des Staatssecretairs heute ebenfalls angenommen zu werden. Ob in diesem Falle der Bundesrath vem ganzen Gesetze seine Zustimmung ertheilt, ist nach den Erklärungen des Staatssecretairs fraglich. Nachdem der Reichstag vorgestern die Novelle zur Coneursorvnnng en bloc angenommen hat, mag daran er innert werden, daß in der Commission die auf eine Ver schärfung des Verfahrens abzielenden Rintelen'schcn An träge überall — wenn auch nicht immer mit sehr erheblichen Majoritäten — abgelehnt worden waren. Wie einschneidend diese Vorschläge waren, zeigt insbesondere einer dieser An träge, der eine besonders eingehende Erörterung herbeigeführt hat; es war dies der Vorschlag, einen Kaufmann schon dann zur Stellung deS ConcurSantrages zu ver pflichten, wenn die bilanzmäßigen Schulden das Doppelte der Activa betragen. ZurUnterstützung deS Antrages wurde aus geführt, es sei ein Krebsschaden, daß von vielen Geschäftsleuten Geschäfte lediglich auf der Basis des CreditS eröffnet würden, „waghalsig verließen solche Kaufleute die Bahn des redlichen Kaufmannes"; eine Gesundung der Verhältnisse sei in solchen Verhältnissen doch nicht zu erwarten. Mit vollem Recht wiesen die Vertreter der Regierungen darauf hin, daß man in Zeiten größerer Krisen, ja schon bei vorübergehend un günstigen Conjuncturen, mit solchen Bestimmungen zahlreiche Existenzen einfach vernichten würde, die sich sonst sehr wohl wieder aufrichteu könnten. Namentlich im überseeischen Ver kehr, aber auch sonst, und z., B. auch im Mittelstände, komme es vielfach vor, daß man tüchtigen jungen Männern Ver trauen und Credit schenke und ihnen zur Eröffnung von Ge schäften verhelfe, ohne daß erhebliche haare Mittel vorhanden seien. Alle derartigen Unternehmungen, die mit gesundem, berechtigtem Credit (z. B. mit dem Geld von Verwandten) arbeiteten, würden durch die vorgeschlagene Bestimmung unmöglich gemacht, die sich denn auch, von Portugal abgesehen, in den geltenden ConcurSgcsetzen nicht finde und in Hamburg und Bremen, wo früher AehnlicheS gegolten habe, seit der Krisis von 1857 ein todter Buchstabe geblieben sei. Der Antrag wurde denn auch abgelehnt; da das aber nur mit Stimmengleichheit (neun gegen neun Stimmen) geschah, so war immerhin zu befürchten, daß das Centrum ihn im Plenum wieder einbringen würde. Das ist nicht geschehen. Nur in einem wichtigeren Puncte sind die Rintelen'schen Vorschläge glücklicher gewesen, das ist in der Erschwerung deS Zwangsvergleichs. Allerdings ist man auf die von vielen Seiten empfohlene Festsetzung einer Quote, unter der kein Zwangsvergleich zulässig sein soll, nicht eingegangen, sondern bat sich mit zwei anderen Bestimmungen begnügt: einmal soll die Stimme der Ehefrau (und etwaiger Personen, denen sie ihre Forderung abgetreten hat) nicht mcbr zu FerriHetsn» Vie Herrin von Echtersloh. 8j Roman von Toni Krüger. Nachdruck «tidotrn. 4. Capitel. In einer freundlichen Landstadt erstieg der Briefträger die Treppe eines bequem gebauten Hauses und zog die Klingel an der mit dem Namen „Lieutenant Graf von Stockhausen" ver sehenen Thür. Nach einigen Minuten ertönte ein schwerer Schritt und durch die halb geöffnete Thür schob sich das ehrliche Gesicht eines Officiersburschen. Der Briefträger händigte ihm ein Helles Couvert ein mit den Worten: „Geben Sie es dem Herrn Grafen gleich! Es steht „Eilt!" darauf!" Dann trottete er die Treppe wieder hinab, um seinen Dienst weiter zu versehen. Der Bursche betrachtete nachdenklich die großen Schriftzüge der Adresse, kraute sich hinter den Ohren und trat verlegen von einem Fuß auf den anderen. „Was thun?" philosophirte er, „wecke ich Leitnamt meiniges, krieg ich Pantoffel an Kopp! kriegt Graf Brief zu spät, krieg ich Ohrfeige!" Nach einigem Ueberlegen beschloß er, das Wurfgeschoß der Ohrfeige vorzuziehen und begab sich in das Schlafzimmer seines Herrn, welcher noch fest schlummerte. Es hatte gestern eine lange Sitzung im Casino gegeben und er war erst spät zu Bett gekommen. Nach einigen vergeblichen Versuchen, seinen Herrn auS dem Schlaf zu rütteln, schrie er ihm ins Ohr: „Herr Graf, hat sich Briefträger Brief gebracht!" Der Graf legte sich brummend auf die andere Seite. „Herr Leitnamt soll aufwrcken", rief der gute Pole. „Naus, Schafskopf!" war die Antwort. Nicht« wollte helfen; der Bursch« überlegte, ob er zum Wasserkrug greifen sollte, was ihm erlaubt war, wenn der Dienst frühe« Aufstehrn erforderte. Durfte er das wohl wagen, wo es sich nur um einen Brief handelte? Nach einer Weile, in der er immer wieder versucht hatte, den Grafen durch eindringliches Zureden und laute Rufe zu erwecken, — was ihm jedoch nur einige „Esel" und „Schafköpfe" eingetragen hatte, wagte er e«, seine äußersten Finaerspitzen in den Wasserkruy zu tauchen und dem Grafen einige Tropfen in« Gesicht zu spritzen. Da» hatte einen so Verb üffenden Erfolg, daß sich der ehrliche Pole, zurück taumelnd, fast auf die Erde gesetzt hätte. Der Graf war in die Höhe gefahren, hatte seinen Burschen wüthend angestarrt und losgedonnert: „In drei Teufels Namen, Joseph, was fällt Dir denn ein? Heute ist Sonntag und ich will ausschlafen!" Joseph machte sich durchaus nichts aus dieser freundlichen Anrede, sondern reichte seinem Herrn, froh, ihn endlich erweckt zu haben, mit breitem Lächeln das oorpus ckeiicti, den Eilbrief, entgegen. „Ein Brief", sagte Graf Stockhausen verwundert, „hatte der nicht Zeit, bis ich aufgestanden war?" Als er aber die Schriftzüge seiner Mutter erkannte, griff er rasch danach und entließ seinen Burschen mit den Worten: „Du bist und bleibst doch ein Dromedar, Joseph, warum hast Du denn das nicht gleich gesagt?" Der brave Joseph ignorirte mit freundlichem Grinsen den ungerechten Borwurf, zog den Vorhang vom Fenster zurück, damit sein Lieutenant beim Lesen des Briefes besseres Licht hätte und verließ das Zimmer, um den Kaffee zu kochen. In großer Erregung erbrach Herbert das Schreiben seiner Mutter und begann den Inhalt zu studiren. Je weiter er damit kam, desto starrer wurden seine Augen, desto bleicher seine Ge sichtsfarbe. Endlich schleuderte er den Brief in eine Ecke und faßte sich verzweifelnd an die Stirn. Träumte er denn noch? Oder war eS wahr, was die Mama schrieb? Sollten all' die schönen Hoffnungen nur Hirngespinnste gewesen sein? Es war ja gar nicht möglich, daß es aus war mit all' den schönen Luftschlössern, die er in Gedanken gebaut hatte! Was sollte er nun beginnen? Und gestern erst hatte er beim Macao wieder eine beträchtliche Summe verloren, die er sich durch Ehrenwort verpflichtet hatte, bis heut« Mittag zu zahlen! Und dann erst die vielen anderen kleinen Schulden bei Schuster und Schneider und schließlich die Wechsel bei Beitel Silberring! Es war zum Verzweifeln! „Da soll doch gleich das Donnerwetter drrinschlagen!" fluchte der Graf, „wo soll ich denn den verdammten Mammon her nehmen? Will mit Schwarzenau sprechen, er muß Rath wissen!" „Joseph", rief er, „wo bleibt denn der Kerl!" und als sich dessen Gesicht im Thürrahmen zeigte, „ich will Kaffee haben!" „Befell, Herr Leitnamt!" Bei der dampfenden Tasse Kaffee, behaglich in den Bettkissen ruhend, eine türkische Cigarette zwischen den Lippen, begann Herbert seine Gedanken nach und nach zu ordnen. Er vertröstete sich auf die Unterredung mit seinem Freunde Schwarzenau, der immer Rath wußte, und begann dann, eine lustige Walzermelodie pfeifend, sich langsam anzukleiden. Joseph leistete dabei treulich Hilfe, so gut, wie er es gelernt hatte. „Wo sind denn meine Achselstücke, Kerl? Warum hast Du sie denn abgeknöpft?" „Sitzen auf Waffenrock, noch von gestern!" rapportirte Joseph. „Da sollen sie wohl bis Weihnachten sitzen bleiben, he? Her damit, marsch!" Als der Bursche sich bemühte, sie mit seinen dicken, un geschickten Fingern auf dem Ueberrock zu befestigen, stand der Graf, ungeduldig mit den Fingern auf den Tisch trommelnd, daneben. Sein Blick fiel auf die mächtigen Vorderpranken Joscph's, und entsetzt rief er aus: „Mensch, was hast Du denn mit Deinen Fingern gemacht?" „Hab ich Stiebe! geputzt, Herr Graf!" „Na! — da soll doch gleich — wozu ist denn eigentlich das Wasser da, wenn ich fragen darf?" „Befell, Herr Leitnamt, brauch ich kein Wasser zu Sfiebel- putzen, nehm ich Spucke!" war die prompte Antwort. „Links um, kehrt — marsch! Hände waschen!" commandirte der Graf, zur Thür weisend, und rief dem abtrollenden Joseph lachend nach: „Ich glaube gar, das Roß wird witzig!" Endlich war er fertig und nachdem er sich eine Cigarette angezündet hatte, verließ er säbelklirrend das Haus. Gar manches Köpfchen lugte hinter der Gardine hervor auf die Straße, denn der „schöne Graf" ging ja vorüber! Herbert verdiente diesen Namen vollauf. Der hellblaue Dragonerrock stand ihm vorzüglich und umschloß knapp die zierliche, schlanke Figur. Sein leicht gebräuntes Gesicht wurde von einem Paar gutmüthiger, lachender, brauner Augen belebt. Ein kecker, nach aufwärts gesträubter, blonder Schnurrbart beschattete ein frisches Lippenpaar und blonde Locken umrahmten die weiße Stirn. Er wußte auch sehr wohl, wie hübsch er war und im Vor übergehen warf er manchen koketten Blick nach diesem oder jenem Fenster. Sein erster Gang führte zu Schwarzenau, den er jedoch nicht mehr in seiner Wohnung traf. „Der Herr Lieutenant sind ins Casino zum zweiten Frühstück gegangen", meldete der Bursche. Dort fand Herbert denn auch den Gesuchten, umringt von einem halben Dutzend anderer Kameraden, die sich an Herings salat und sauren Gurken gütlich thaten, denn der gestrige ver gnügte Abend hatte so manchem einen kleinen Jammer ein getragen. Herbert nahm sich gleich vor, den Kameraden nichts von seinem Pech zu sagen und die Sache erst nachher unter vier Augen mit Schwarzenau zur Sprache zu bringen. Mit lautem Hallo wurde er von ihnen begrüßt, man rückte zusammen, um ihm Platz zu machen und bestellte ihm ein Frühstück. Die Unterhaltung, die sich gerade um die Damenwelt der Stadt drehte, war sehr animirt. Lieutenant von Gerstorf wurde mit einer hübschen, jungen Dame geneckt, an die er sein Herz verloren haben sollte. Da fiel das Wort „Sect" und „Natürlich, Sect! Wir müssen doch auf Gerstorf's Dorchen anstoßen!" riefen die flotten, jungen Mars söhne unisono. Die Ordonnanzen schleppten das Verlangte herbei und bald war die Kneiperei in vollem Gange. Ein Liebchen nach dem anderen wurde leben gelassen, und es schlug bereits 12 Uhr, als man an den Aufbruch dachte. Zum Schluß wurde die ganze „Patsche ausgeknobelt" und das Pech traf wieder den armen Herbert, das ganze Frühstück zu bezahlen. „Schwarzenau, Du kommst doch mit mir", rief er dem Freunde zu, das Portemonnaie wieder einsteckend, „ich habe Dir etwas zu erzählen!" Als die beiden sich von den Anderen los gemacht hatten und allein die Straße entlang schlenderten, machte Herbert den Freund mit seinem Mißgeschick bekannt. „Das ist sehr einfach", erwiderte Schwarzenau trocken, „Du mußt Deine Cousine Margot heirathen!" Herbert blieb stehen und sah seinen Rathgeber an, als ob er an dessen Verstände zweifelte: „Margot? Sie ist ein Kind, und ich muß noch heute 300 Thaler haben?" So pumpe doch den reichen Kardof an!" war der nächste Vorschlag. „Ich borge nickt von Kameraden." „Ja, dann bleibt Dir nichts übrig, als wieder zu Beitel zu gehen!" „Das wird mir nichts nützen, er hat geschworen, mir nichts mehr zu pumpen und wenn er von der feblgeschlagenen Erbschaft hört, wird er es erst recht nicht thun", versetzte Herbert unmuthig. „Er muß, ob er will oder nicht!" war Franz von Schwar- zenau's bestimmte Antwort, „Du mußt es nur schlau anfangen und ihm Versprechungen machen. Geh nur gleich hin zu ihm und bringe die Sache ins Reine; Du kommst schon immer am besten mit dem alten Juden aus, Du bist sein Liebling! Also, frischen Muth, vorwärts! Dir ist im Leben doch schon mehr gelungen, al« die Bedenken eine» alten Geldjuden nieder zuschlagen! Bet Tische sehen wir uns wieder, adieu!" und mit einem Händedruck rasselte er davon. Herbert bog von der hübschen, breiten Straße in ein alte«
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