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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.05.1898
- Erscheinungsdatum
- 1898-05-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189805010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18980501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18980501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-05
- Tag1898-05-01
- Monat1898-05
- Jahr1898
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.05.1898
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BezugS-Pkel? Hauptexpeditton oder den km Gtadt- b««k und den Vororten errichteten Bot« glwestrllen ab geholt: vierteljährlich^ 4.ö0, bei twrimaliger täglicher Zustellung iat hont 5.50. Durch die Post bezogen sür Deutschland und Oesterreich: viertellährlich >^l 6.—. Direkte tügliche Krenzbandiendung tu» Ausland: monatlich 7.60. Di« Morger^Nutgab« erscheint um '/,? Uhr. die Abentz-AuSgabe Wochentags um b Uhr. Re-artion vnd Lrvr-itiou: I»tzannr»gasse 8. Die Expedition ist Wochentag» unnnterbrocheu geöffnet von früh S bi» Abend» 7 Uh^ Filialen: ktts Klemm'» Tortim. (Alfred Hahn), Universitätsstrobr 3 (Paulinum), L-uiS Lösche. Kathariuenstr. 14, Part, und Künigsplatz 7. 217. M-Wr TagMM Anzeiger. Httttsvkatt des Königlichen Land- und Äntlsgeeichles Leipzig, -es Rathes und Nolizei-Änües -er Ltadt Leipzig. Tonntag den 1. Mai 1898. Arrzeigen-PreiS die Lgespattene Petitzeile 20 Pfg. Reklamen unter demRedactionSstrich (4a^ spalten) öO^j, vor den Aamilirunochnchk» (6 gespalten) 40/4. Gröbere Schrift», laut unserem Preis- verzetchnib. Tabellarischer und Ziffer«!«- nach höherem Daris. Extr«-Vellage» (grfalgt), a»r mit der Morgen «Au-gabe, ohne Postbeförderunz ^l 60—, mit Postbrförderung 70.—. Anaahmeschlnß siir Aryeigen: Abeud-Susgab«: vormittag» 10 Uhr. Morgeu-Autgab«: Nachmittag» 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stund« früher. Anzeige« siud stet» an die Erdedition zu richte,. Drltck u«d Verlag vou E. Polz kn Leipzig. 82. Jahrgang. Ranftsche Gasse 6 Herr Lrleür. k^elier, Colonialwaarenhandlung, Ranstädter Steinweg L Herr 0. LuKolmaun, Colonialwaarenhandlung, Schützenstratze 3 Herr ^ul. 86ltüi»L;Iieii, Colonialwaarenhandlung, Westplatz 3Ä Herr L. Vittrlvk, Cigarrenhandlung, Aorkstrahe 32 (Ecke Berliner Straße) Herr L. LÜrliolä, Colonialwaarenhandlung, Zeitzer Straße 35 Herr V. Lüster, Cigarrenhandlung, in Plagwitz Herr 6. <FiütLwaim, Zschochersche Straße 7 a, - Reudnitz Herr IV. LuAmrmu, Marschallstraße 1, - - Herr Lernli. IVeder, Mützengeschäst, Leipziger Straße 6, - Thonberg Herr L. Uüntseü, Reitzenhainer Straße 58, - Volkmarsdorf Herr 6. Baumann, Conradstr. 55 (Ecke Elisabethstr.). Für Sll»l und ^««1 kann das Leipziger Tageblatt durch alle Poftanstalteu des deutschen Reiches und Oesterrcich-UngaruS zum Preise von 4 .e? bezogen werden. In Leipzig abonnirt man sür s mit Bringerlohn 3 75 siir beide Monate und nehmen Bestellungen entgegen sammtliche Zeitungsspediteure die Hanptexpeditio«: Johanuesgafse 8, die Filialen: Katharinenstratze 14, Königsplatz 7 und Universitätsstrahe S, sowie nachfolgende Ausgabestellen: Arndtstraße 35 Herr L. 0. Litttzl, Colonialwaarenhandlung, Beethovenstraste 1 Herr I'Iieoü. Letor. Colonialwaarenhandlung, Brühl 53 0. L. Zekubert's Xaetzkolxer, Colonialwaarenhandlung, frankfurter Straste (Thomasiusstraßcn-Ecke) Herr OttoLranr, Colonialwaarenhandlung, Löhrstraste 15 Herr Lüuurd Hetzer, Colonialwaarenhandlung, Nürnberger Straste 45 Herr Ll. L. ^Itzreekt, Colonialwaarenhandlung, in Anger-Crottendorf Herr Lodert 6rei»er, Zweinaundorfer Straße 18, - Eutritzsch Lodert Bitner, Buchhandlung, Delitzscher Straße 5, - Gohlis Lodert Bitner, Buchhandlung, Lindenthalcr Straße 5, - Lindenan Herr Xltzert Lindner, Wettiner Str. 51, Ecke Waldstr., Buchbinderei, - Neustadt Seüeit's ^nnoneen-Lxpeüition, Eisenbahnstraße 1, Aus der Woche. Der 1883er Reichstag wird die beute beginnende Woche vielleicht nicht mehr überleben, wenigstens nicht als „thätige" Körperschaft. Er will, wie auch der preußische Landtag, am Freitag schließen, und „man hofft", wie schon berichtet, für diesen Tagungsrest auf ein beschlußfähiges HauS. Tritt ein solches wirklich in die Erscheinung, so kann man sich darauf gefaßt machen, daß die Presse deS CentrumS von dem Sprichwort „Ende gut, Alles gut" einen wucherischen Ge brauch machen und schließlich ihre Leser versichern wird, daß dieser Reichstag auch im Puncte der Frequenz ein tadelloses gesetz geberisches Gebilde gewesen sei. Darum sei die Thatsache im Vorhinein noch einmal verzeichnet, daß das erste deutsche Parlament unter klerikaler Leitung an Unfleiß unvergleichlich unter allen Legislaturperioden dastand. Der Druck der Umstände hat ihm gewisse nöthige und gute Leistungen abgenöthigt, hinsichtlich des Besuches aber und über haupt in Ansehung der Bewahrung der Würde der Volksvertretung bleibt dieses Ucberbleibsel aus der Caprivi'schen Periode ein schwarzer Punct in der deutschen Geschichte. UebrigenS ist es nicht völlig ausgeschlossen, daß auch sachlich in letzter Stunde »och etwas Wesentliches verdorben wird. Wenn der Antrag Annahme findet, der die Geistlichen hin sichtlich der Zeugnißaussage vor Gericht formell in einer Weise privilegiren will, die mit einer geordneten Rechtspflege unverein bar ist, so wird die Civilproceßordnung in der Reichstags fassung eine Mehrheit im Bundesrath nicht finden. Es wären dann vorläufig zwei Gesetze gescheitert, von deren Zustandekommen das Inkrafttreten deS Bürgerlichen Gesetzbuchs abhängig ist. Das andere betrifft das Verfahren in Sachen freiwilliger Gerichtsbarkeit, in das bekanntlich durch den Reichstag eine Bestimmung über die Zulassung von Dolmetschern gebracht worden ist» die der polnischen Propaganda in einer ihrer ge hässigsten Formen die Thore der Gerichtssäle des ganzen Reiches öffnet. Hoffentlich bleiben die Regierungen in beiden Puncten fest. ES jst keine Gefahr im Verzüge. Die zwei Gesetze können nöthigenfalls zu Beginn der nächsten Legislaturperiode wieder eingebracht und, da sie technisch gründlich durch gearbeitet sind, so rasch erledigt werden, daß das Bürgerliche Gesetzbuch mit dem ersten Tage des künftigen Jahrhunderts sür die Iudicatur brauchbares Recht werden kann. Wahrscheinlich bringen die letzten Tage deS Reichstags, obwohl die Natur seines Arbeitsstoffes diesem Beginnen wider strebt, noch einige für die Wahlen berechnete Sensationen. Wenn nicht, so können alle Theile mit dem Ergebniß der Mittwochs-Sitzung zufrieden sein, die Socialdemokraten, weil sich aus dem Zusammenhang der Rede deS Grafen Posa- dowsky wie aus jeder Rede agitatorisch nutzbare Sätze herausreißen lassen, und die bürgerlichen Parteien, weil die Erklärung des Staatssecretairs, daß ein Socialistengesetz nicht in Aussicht stehe, wirklich ein „erklecklicher Satz" und doppelt werthvoll ist, da nur eine kurze Zeit verflossen ist, feit die preußische Regierung ein von den Freiconservativen dar gebotenes Ausnahme-Vereinsgesetz mit Begierde ausgegriffen hat. Wir haben die „lex Recke" vornehmlich bekämpft, weil sie daS nicht getroffen hätte, wogegen sich ein wirksames Socialistengesetz vor Allem richten muß. Wir sind aber auch mit der Erklärung deS Grafen Posadowsky zufrieden, denn die Geschichte der Umsturzvorlage hat gelehrt, daß dem neuen Curs der Beruf zu einer solchen Gesetzgebung abgeht und daß eine mißglückte Action auf diesem heißen Boden Düng stoff für die focialdemokratische Agitation bietet. Die „Post" ist, consequenterweise, von dem negativen Bescheide des Staats secretairs unangenehm berührt. Sie schreibt: „Daß (wie Gras Posadowsky bemerkt hat) der Erlaß eines solchen Gesetzes die nichtsocialistischen Elemente des Volkes einschläfern und ihren Widerstand gegen die Socialdemokratie schwächen werde, ist eine Behauptung, welche in der linksliberalen und in der CentrumS- Presse zwar wiederholt aufgestellt, aber völlig »»erwiesen geblieben ist. Die Erfahrung seit dem Fallrnlassrn des Socialisten gesetz es zeigt vielmehr umgekehrt, daß, seitdem die Gesetzgebung die Socialdemokratie nicht mehr als den gemeinsamen Feind deS Staates und der Gesellschaft stigmatisirt, ein großer Theil der Be- völkerung die focialdemokratische Gefahr für beseitigt erachtet, die Socialdemokratie ansieht, wie jede andere Partei, und somit in der Bekämpfung derselben bedenklich nachläßt." So ganz unbegründet ist unseres Erachtens das Argument des Grafen Posadowsky nicht, aber es ist auch nicht durch schlagend. Noch weniger aber kann man dies von dem Grunde der „Post" sagen. Es ist gewiß wahr, die Beseitigung des Socialistengesetzes hat Hunderttausende irre geführt. Aber der Effect ist noch wirksam. Es giebt eben Fehler, die überhaupt nicht oder nur unter sehr günstigen Umständen wieder gut zu machen siud. Wenn diese Wahrheit in unseren regierenden Kreisen klar erkannt und ernstlich beherzigt würde, so wäre das mehr Werth als ein Socialistengesetz, für wie nützlich man ein solches auch halten möge. Daß heute keine tief- und weit gehende Stimmung für eine Gesetzgebung dieser Art vor handen ist, ergiebt sich aus der Haltung des „Vorwärts", der sein Mißbehagen über die Erklärung des Grafen Posa dowsky nicht zu verbergen vermag. Er hätte der Wahlen wegen gerne die gegenth'eilige — Ankündigung gehört, weil sie jetzt, wie er mit Recht vermuthet, Wasser auf die social demokratische Mühle getrieben hätte. Nach dem Socialisten gesetz selbst tragen die Socialdemokraten bekanntlich kein Verlangen, aber eine aussichtslose Gegenaction für ein Aus nahmegesetz wäre ihnen zu Statten gekommen. Die Erwartung der Regierung, daß der Verzicht auf gesetzliche Repression das Bürgerthum zur Bekämpfung der socialrevolutionären Gefahr anfenern werde, wird nun freilich so rasch nicht allgemein in Erfüllung gehen. Der Hinweis der „Hamb. Nachr." auf den Erfolg des Zusammenschlusses zur Abweisung des Weltfeiertags-Unfugs ist theoretisch sehr berechtigt, pr-misch verfehlt er seinen Zweck wegen der Thatsache, daß der Deutsche politische Liebhabereien hätschelt, wenn sie ihm nicht, wie die „Maifeier", ihre Gefährlichkeit unmittelbar offenbaren. Deshalb wird Herr Richter sein Unwesen weiter treiben und auch daS Centrum, wenn es will, die parla mentarische Machtstellung der Socialdemokratie bei den nächsten Wahlen wieder fordern können. Herr Richter thut zur Zeit sehr erbost über gewisse Meldungen von Volks- parteilich-socialdemokratischen Wahlbündnissen. Er dementirt aber nicht, daß er nach Bremen geschrieben hat, er würde als Bremer Wähler nicht den Candidaten der Freisinnigen Vereinigung wählen. Das läuft auf eine Empfehlung der dortigen socialdemokratschen Candidatur hinaus. Die eben genannte freisinnige Gruppe ist mit ihrem Wahlaufruf auf den Plan getreten. An ihm ist nichts weiter bemerkenswerth als das, was die „Nationalztg." über ihn sagt. Das Blatt stellt sich vorbehaltSloS auf den Boden der Partei des Herrn Barth, der nock vor einigen Monaten die jetzt Gesetz gewordene Marinevorlage „nahezu an das Absurde streifend" genannt hat. Angesichts des heute slattfindenden nationalliberalen Parteitages darf die Stellungnahme der „Nationalztg." als eine wegen ihrer Unzweideutigkeit dankens- werthe bezeichnet werden. Prinz Heinrich in Peking. Die mit der chinesischen Botschaft in Berlin in Beziehung stehende, den „fortgeschrittenen" Anschauungen Li Hung Tschang'S zum Sprachrohr dienende „Ostasiatische Corresp." schreibt: Nur noch eine kurze Spanne Zeit trennt unS von dem Tage, an welchem Prinz Heinrich von Preußen in Peking als Träger einer hochbedeutsamen Friedens-Mission einziehen wird, welche der weit ausschauenden Herrscherentschließung Kaiser Wilhelm's II. ihre Entstehung verdankt und dem großen Werke Deutschlands in China eine besondere Weihe verleihen soll. Und in der That: das im „Deutschen Reichs-Anzeiger" publicirte Ceremoniell über den Empfang des Prinzen durch den Kaiser und die Kaiseriu-„Exregentin" von China setzt der Errungenschaft Deutschlands in China die Krone auf. Seit nahezu zwei Jahrzehnten war von dem chinesischen Kaiserhofe fast jede» besondere Familienereigniß am deutschen Kaiserhofe und von diesem die besonderen Begebenheiten in der Herrscherfamilie China'- zum Austausch von gegenseitigen Kundgebungen der Sympathie und Freundschaft benutzt worden. Wir erinnern unS u. A. noch lebhaft der Glückwünsche des Kaisers von China aus Anlaß der Vermählung Kaiser Wil helms II. an den hochseligen Kaiser Wilhelm I. sowie der ganz be sonderen Ehrungen, mit welchen der „Sohn deS Himmels" durch Darbietung kostbarer Geschenke vor II Jahren den boch- seligen deutschen Kaiser aus Anlaß der Feier seine» 90. Ge burtstages würdigte. Diese Kundgebungen gegenseitiger Ver ehrung hatten feit Langem den überaus freundschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und China ihr Gepräge aufgedrückt, — bis nach dem Friedensschlüsse von Shimonoseki die zeitweilige Vernachlässigung derselben durch China Deutschland zwang, dagegen einzuschreiten, „daß in China sich eine Meinung festsetze, Deutschland gegenüber sei etwas erlaubt, wa» man sich An deren gegenüber nicht herauSnimmt." Nichts konnte, wie die „Ostasiatische Correspondenz" be reits in ihrer Ausgabe vom 10. December vorigen Iabres auSführte, im Pekinger Kaiserpalast den Ernst und die Be deutung besser demonstriren, welche Deutschland der damals schwebenden Streitangelegenheit (Kiautschou) mit China bei maß, als die Nachricht von der Entsendung des Erlauchten Bruders des deutschen Kaisers uach China. Kaiser und Re gierung in Peking erhielten damit gleichsam die Be kräftigung sür die auch im deutschen Reichstage vom StaatSsecretair von Bülow abgegebene Erklärung, daß Deutschland „China gegenüber Wohlwollen und freundlicheAbsichten habe" und „China nicht provociren will." Welcher Werth dieser Versicherung Deutschlands in Peking beigeniessen wurde, bat in dem inzwischen abge schlossenen Kiautschou - Vertrage zwischen Deutschland und China den entsprechenden Ausdruck gefunden und zwischen den beiden Reichen geradezu eine Intimität der gegen seitigen freundschaftlichen Beziehungen geschaffen, für welche das erwähnte Erupfang-Ceremoniell den besten Gradmesser abgiebt. Seit jeher war das chinesische Hofceremoniell, welches eine Annäherung zu dem „Sohn des Himmels" für Jeden, selbst für die erstklassigen Prinzen der eigenen Dynastie, nickt anders, als in allerurterthänigster Art kannte und duldete, ein unübersteigbareS Hinderniß sür den Empfang von Per sonen von hoher und höchster Geburt am Pekinger Kaiser- bofe. Deshalb haben auch die meisten europäischen Fürstlich keiten auf ihren Reisen in Ostasieu vou einem Besuch ter Feurlletsn. Hängenelken. Bon Arthur Achleitner. Nachdruck verboten. Hängenelten vorm Fenster zu haben, ist meine Passion; der Anblick voller rothglühender, lang herunterhängender Nelken bringt mein Herz in Bewegung und erzeugt eine vor keinem Opfer zurllckschreckende Habsucht, die mich schon viel Geld ge kostet hat. Locken gar gelbe Nelken von der „Gräd" (Altane) eines Bauernhauses im Gebirge herunter, dann giebt's kein Halten mehr, der Blumenstock muß mein sein, mein um jeden Preis. Mit dieser Nelken-Leidenschaft kann man was erleben. Mit Kind und Kegel, Frau, Dienstboten und meinen Hunden sommerfrischelte ich vor einigen Jahren in der weinberühmten Klause bei Kufstein. Eines Tages ward der Tatzelwurm, jenes Bergwirihshaus am südlichen Ausläufer des Wendelstein, wo Ludwig Steub, Bölk und Scheffel einsam fröhlich zu poculiren pflegten, besucht und mancher Schoppen zum Gedächtniß dieses unsterblichen Triumvirats geleert. Auf dem Heimwege entdeckte ich an einem abseits gelegenen Bauernhause bei Oberaudorf einen Stock herrlich blühender gelber Hängenelken, und Weib und Kinder waren vergessen: ein Feilschen begann, wie es auf dem Münchener Viktualienmarkt nicht intensiver inscenirt werden kann. Sechs Reichsmark bot ich, di« pfiffige Bäuerin forderte das Doppelte und log, daß ihr ohnehin 16 -4k von einer Sommer frischpartei geboten worden seien. Verzweiflung packte mich, die gelben Nelken sind zu schön, aber 16 ist zu viel. Als Ka vallerist weiß ich, daß beim Pferdehandel Alle« erlaubt ist, so lange der Käufer nichts merkt; die Nutzanwendung auf einen Nelkenhandel liegt nahe. Blitzähnlich fiel mir das — Vieh- gewährleistungtgesetz und die Reblaus ein, und nun wazd der SklknLäuerin zugrsetzt, daß ihr Hären und Sehen verging. Der Nelkenstock wurde untersucht und das Ergebniß lautete zur völligen Verblüffung der Bäuerin: 1) hat der Stock Würmer, 2) ist er von der Reblaus behaftet und 3) muß die Verkäuferin nach 8 120 des Viehgewährleistungsgesetzes für jeden Schaden aufkommen, was annähernd 20 Rückvergütung betragen kann, falls die Würmer und Reblaus Unheil stiften. Die „Reblaus" wirkte Wunder: ich erhielt den Nelkenstock für 8 <^, und im Trab sprang ich über Kiefersfelden zur Grenze. Am österreichischen Zollamt gebot mir der Finanzwachaufseher so wildfremd und rauh „Halt!", als hätte ich den Grünen noch niemals mit Cigarren regalirt. Meine Frau war einer Ohn macht nahe, schreckensbleich standen meine beiden Kinder, unheil- heildrohend stellte sich mein Bernhardinerhund vor dem Zöllner auf, und der Dackel machte Anstalten, des Aufsehers ärarische Beinkleider deS Näheren auf ihre Haltbarkeit zu untersuchen. Da ich den Blumentopf halten mußte, konnte ich den Fanghund nicht zurückreißen — eine heillose Situation. Gottlob ge horchte „Leo" auf den Pfiff, doch blieb der Hund angriffsbereit. „Was wollen S' denn um Himmelswillen? Wir haben nichts Steuerbares! Kennen S' mich denn nimmer? Ich wohne in der Klause rc.!" „Alles recht! Aber mit dem Blumentopf dürfen S' nicht über die Grenze!" „Aber warum denn nicht?" „Wegen der Reblaus!" schnarrte der Oesterreicher. „Waaas?" Ich war fassungslos. Daß die Nemesis mich so schnell er eilen sollte, darauf war ich nicht vorbereitet. Alles Reden war vergeblich. Die gelben Hängenelken bayerischer Abkunft mußten zurückbleiben. Der Oesterreicher belehrte mich in meiner zoll gesetzlichen Unerfahrenheit, daß das k. k. österreichische Neben zollamt nicht kompetent sei, die Einfuhr von Pflanzen mit Wurzeln im Landwege zu gestatten. „Aber", so erklärte der freundliche Zöllner, „wenn Sie mit der Bahn nach Kufstein fahren und von dort zu Fuß in die Klause gehen, können Sie die Nelken anstandllo» mitnehmen!" Ich brüllte vor Vergnügen und glaube, es haben selbst meine Hunde mitgelacht. Doch der Oesterreicher ließ sich nicht irre machen, und der bayerische Zollverwalter bestätigte dessen Be hauptung mit dem Hinweise, daß eben blos die Hauptzollämter die Pflanzeneinfuhr gestatten können. Kufstein sei Hauptzoll station, und da Ziernelken kaum von Rebläusen inficirt sind, dürfte mir gestattet werden, meinen Nelkenstock über die Grenze zu bringen. Sofort fragte ich, ob ich denn auf der bevorstehenden Heim reise den gleichen, aus Bayern stammenden Blumenstock nach München mitttehmen dürfe? „Wenn Sie in Kufstein die Bahn benutzen, ja! Hier dürfen Sie nicht über die bayerische Grenze, denn wir sind nicht kompetent dazu!" Wir unterdrückten einen weiteren Lachanfall, um uns keine Beamtenbeleidigung zuzuzirhen. Meine Familie überschritt die Grenze und war in fünf Minuten in der Klause; ich aber trollte, den Blumentopf sorgsam tragend, zum Bahnhof in Kiefers felden, wartete dort zwei Stunden und fuhr mit meinem Pflanzenkleinod die vier Kilometer lange Strecke nach Kufstein. Kein Mensch kümmerte sich an der Zollschranke um mich und meine Nelken, anstandslos konnte ich passiren, und im Triumph schleppte ich den Blumentopf die halbe Stunde Weges hinaus zur Klause an der Grenze. Mit Burgunder feierten wir Abends das Ereigniß, und Alles lachte vergnügt, selbst die zum Dämmerschoppen er schienenen Zöllner schmunzelten mit. Auf das Wohl der Reb laus wurde getrunken, ja ein ahnungsvoller Bahnbeamter wollte ein Prosit auf die mit der Reblaus verwandte Perronsperrr aus bringen, was aber damals als unmöglich abgelehnt wurde. Heute wissen wir, daß eine solche Verwandtschaft thatsächlich existirt. ... Wenige Tage darauf erfolgte die Abreise nach München recte zuerst gesetzmäßig nach Kufstein. 10 Colli Gepäck, 6 Per sonen, 2 Hunde, 3 Hutschachteln und 4 Töpfe Hängenelken, ein hübscher Auszug, der allenthalben Aufsehen erregte. Ich und das Dienstmädchen schleppten die Nelkenstöcke und schwitzten pro pntria. Dank der liebenswürdigen Hilfe bayerischer Zoll- und Bahn beamter ward die ganze Familie, die Hunde und die Nelken in einem Coupö untergebracht. Nach der Versicherung meiner Frau soll ich mich als veritabler Rabenvater gezeigt haben, indem ich mich um gar nichts, als um meine Nelken, die die besten Plätze erhielten, gekümmert hätte. Das ist möglich; gewiß ist, daß ich in Rosenheim weder Bier noch Würstel holte, um nur ja meine Nelken beaugapfeln zu können. Meine Aufregung wuchs, je mehr sich der Zug dem Münchener Centralbahnhofe näherte. Wie wird die Auswaggonirung vor sich gehen? Der ungeberdige große Bernhardiner muß an der Leine geführt werden, sonst setzt es was ab, dito der lebhafte Dackel. Hunde führen und Nelken tragen kann der Mensch aber nicht zu gleicher Zeit, da der stomo sapiens nur zwei Hände hat. Drei, vier Gepäckträger stürmten heran: unser Coupö schien Lohn zu verheißen. „Leo" faßte den ersten der königlich bayerischen Facchini, nun war die Frage, wer die Hunde führt, entschieden: ich packte die rabiaten Thiere an den Leinen, band die Nelken den Trägern auf die Seele, und halb gezogen von den freiheitsdurstigen Hunden v«rschwand ich im Menschengedränge. Ein Wagen brachte meine Familie uach Hause, ein kleiner Möbelwagen folgt« mit den Nelken und dem Gepäck nach. Die Hunde wurden sofort in ihrer Kammer im verstaubten Heim versorgt, dann stürmte ich die Treppe hinab, die Nelken zu empfangen. Allmächtiger! Nicht ein Zweig war ganz, abgebrochen, ge knickt jedes Zweiglrin, die Blüthen welk, Alles caput! Der Kehrichtwagen führte am nächsten Morgen meiae Nelken davon. . . . Wenn mich meine Frau ärgern will, dann fragt sie heute noch, ob ich nicht Hängenelken Heimbringen wolle.
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